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Nur als flüchtigsten Gedanken werf' ich die Frage her, ob das seltsame Doppeltsein aller Gehirn-Teile, ein Doppel-Sinn in schönerem Sinn, nicht bei dem zweispännigen oder widerspännigen Doppelwesen der Schlafbedingungen und Schlafstärkungen zum Erklären zu nutzen sei. Jedoch wäre wenigstens die Antwort keine, daß diese Doppelheit durch alle Nervenpaare, Sinnen, Lungenflügel, Herzkammern und Systeme regiere und sogar das Rückenmark zerhälfte, das (nach Gall) aus jeder Hälfte acht Nervenbündel zum Hirnhautgewebe aufschickt; denn eben das Flügelpaar, womit das Gehirn sich und das Leben hebt, muß im wichtigsten und ersten Organ des Lebens die größte Bestimmung und Bedeutung haben und erst durch die eigne die der anderen Paare entscheiden.
Wenn wir den Schlaf als das Kordial des Gehirns (oder das Schlafkissen als das ladende elektrische Kissen desselben) betrachten, so dringt sich uns die seltsame labyrinthische Gestalt dieses einzigen Gliedes am Leibe – wenn nicht vielmehr der Leib nur dessen Glied ist – zur Erforschung seiner stärkenden Nilquellen auf. Die Gehirnkugel – das heilige Menschenglied, die Himmelkugel auf dem Rumpf-Atlas – ist in ihrem Zusammenbau wirklich dem ägyptischen Labyrinth ähnlich, das unter der Erde so viele Gemächer und Paläste hatte als unter dem Himmel; denn nur im Gehirne findet ihr das uneinige Gestaltenlabyrinth, Kugeln-Hügel, Höhlen, Netze, Bündel, Knoten, Kanäle, Brücken, Trichter, Balken, Sicheln, Äste, Blätter,Am Lebenbaum, der 800 Blätter hat, an einem Narren aber nach Malacarne nur 324. – Übrigens konnte noch niemand diese wild ineinander gewundnen Hirngestaltungen (Konfigurationen) zu Naturspielen heruntersetzen, weil man betrachtete, daß gerade in den Gehirnen immer derselbe Bau gefunden wird – höchstens die Zirbeldrüse abgerechnet, die wohl bald als Kugel, als Zirbel, als Herz erscheint –, und daß man in allen Teilen nicht nur des menschlichen, sondern auch des tierischen herab bis zum Bienengehirn herunter die graue und die weiße Substanz antrifft. dann außer der weißen und grauen Substanz noch eine gelbe im hintern Lappen des großen Gehirns und eine schwarze in den Markbündeln – und endlich den gelben Sand in der Zirbeldrüse und die Wasser in den Höhlen. Diese Pantheon-Rotunda, worin alle Götter- und Heiligenbilder des Menschen stehen, kann doch, da schon jede kleinste Gefäßbeugung einsaugend oder abscheidend dient, mit so vielfachen Zurüstungen nicht blos an den Adern, noch für die NervenDie wenigen Sinnennerven sind bloß mit den dünneren Enden ins Gehirn gelegt. Auch hat allemal das größte Gehirn, nach Sömmering, die kleinsten Nerven. saugen wollen, sondern muß sich gegen eine Sonnen- und Morgenseite einer ganz andern stärkenden Himmelluft atmend eröffnen, als wir bisher in der Scheidekunst kennen, dieser Vorläuferin der Bindekunst.
Immer bleibt uns das Gehirn eine Pyramide voller Gemächer und Gänge, aber ohne Fenster und Türen, auch wenn es Gall vor unsern Augen in eine glatte Haut ausplattet; denn von den Nervenscheiden an bis zu dem Faserngewebe vertrockneter Blutkügelchen ist ja alles durchlöchertes Haut-Netz flüssiger Perlen und flüchtiger Perlenessenzen. Wer wird an Blutkügelchen messen, oder gar an Gehirnkügelchen? Gleichwohl wurde das zergliedernde Messer der Messer und weidete den Satz heraus, daß ein Gehirnkügelchen achtmal kleiner ist als ein Blutkügelchen. Das Geistige übrigens wird durch alle diese körperlichen Lichter nicht erhellt; der Kreis des Geistes wird von keiner Quadratur des Körpers beschrieben und berechnet.
Unter den Erscheinungen des Schlafes steht eine gewöhnliche, aber doch nicht unerläßliche, die Abschneidung des Geistes und Gehirns von den willkürlichen Bewegungen. Der Nachtwandler und der Magnetschläfer behalten die Gliederherrschaft. Doch das Regen, Wenden, Herumwerfen der Schläfer gehört vielleicht mehr jenen Zuckungen an, die auch an Tieren und Menschen nach dem Verluste des Gehirns erscheinen. Man schaue in seine Träume zurück, so wird man finden, daß in ihnen, obgleich sie alle Sinnen nachspielen, sich oft starkes Zuschlagen mit der Hand in matte markleere Versuche verwandelt, eiliges Entlaufen in gehemmtes Schreiten, und Schrei-Anstrengung in leises Gestöhn. Hat man vollends, wie der Verfasser dieses, Wahl- oder Halbträume (wovon nachher), worin man sich nicht nur des Träumens, sondern auch der Herrschaft über dasselbe bewußt ist, und versucht man darin die Selberaufweckung aus diesem zwar nicht heiligen, doch schuldlosen Grabe: so wird man bei dem Bestreben, die Glieder zu regen, Ohnmacht oder Ungehorsam finden, bis endlich der gesteigerte Wille die Scheidewand zwischen sich und den Nerven umwirft. Seltsam genug! Denn hier am Ende des Schlafes und Morgentraums besteht neben aller hergestellten Kraft des Gehirns noch die Gebundenheit ohnmächtiger Empfind- und Beweg-Nerven, welche gleichwohl durch einen Zuck und Ruck des Erwachens ohne Spuren verschwindet.
Noch stärker treten als Gegenspieler der Nachtwandler, die nicht empfinden, aber sich bewegen können, die Scheinleichen auf, welche den Zurüstungen ihres Begräbnisses zuhören, aber keine Glieder zu heben vermögen. Desto sonderbarer ists im kleinen wie im größern Scheintod, daß die Steigerung des Willens, die sonst Zentner hebt, nicht das für ihn gewichtlose hebende Glied selber regen kann.
Ich erwähnte oben meiner Wahl- oder Halbträume; ein Wort sei zu ihrer Beschreibung erlaubt. Wenn ich mich nämlich gegen Morgen mit Gewalt durch meine psychologische Einschläferkünste wieder ins Schlafen gezwungen, so bringt mich gewöhnlich ein vorausgehendes Träumen, worin ich eine Sache nach der andern unter dem Suchen verliere, auf den Gedanken und Trost, daß ich träume. Die Gewißheit, zu träumen, erweis' ich mir sogleich, wenn ich zu fliegen versuche und es vermag. Dieses Fliegen, bald waagrecht, bald (in noch hellern Träumen) steilrecht mit rudernden Armen, ist ein wahres wollustreiches stärkendes Luft- und Ätherbad des Gehirns; nur daß ich zuweilen bei einem zu geschwinden Schwingen der Traum-Arme einen Schwindel spüre und Überfüllung des Gehirns befürchte. Wahrhaft selig, leiblich und geistig gehoben, flog ich einige Male steilrecht in den tiefblauen Sternhimmel empor und sang das Weltgebäude unter dem Steigen an. Bei der Gewißheit unter dem Träumen, alles zu vermögen und nichts zu wagen, klimm' ich an himmelhohen Mauern beflügelt hinauf, um droben plötzlich in eine weite reichste Landschaft hineinzublicken, weil – sag' ich mir – nach den Vorstellgesetzen und den Traumwünschen die Phantasie durchaus den rundumher liegenden Raum mit Gebirgen und Auen füllen muß; – und sie tut es jedes Mal. Zu Höhen arbeit' ich mich hinauf, um mich von ihnen zum Vergnügen herabzuwerfen; und noch erinnere ich mich des ganz neuen Genusses, als ich mich von einem Leuchtturm ins Meer gestürzt hatte und mit den unendlichen umspülenden Wellen verschmolzen wogte. In solchen Halb- oder Wahlträumen denk' ich immer an diese Traum-TheorieMit welcher ich mir manche gute und böse Träume zugezogen haben mag, wenn die alte Regel richtig ist, daß diejenigen die wenigsten haben, die am wenigsten von ihnen sprechen. und koste Speisen, um zu prüfen, ob im Traum wirklich der Geschmack so leer und luftartig ausfalle, als ich nach ihr annehme. Außer schönen Landschaften such' ich darin, aber immer im Fluge (das bleibende Zeichen eines Wahltraums), noch schöne Gestalten, um ihnen ohne Umstände in den Augen der größten Gesellschaft um den Hals zu fallen, weil diese Gesellschaft eben nur mein Traum ist; leider flieg' ich aber oft lange nach ihnen vergeblich herum, so daß ich mich einmal in einem Dorfe des Kunstgriffs bediente, zwei sehr schöne, aber nie gesehene Gräfinnen zu mir rufen zu lassen, weil die Guten, sagt' ich, von der nun zum Schönfärben durch das Traum-Erwarten gezwungenen Phantasie durchaus reizend-gesponnen eintreten müssen; – wiewohl darauf weder Grazien noch Furien erschienen, sondern, wie öfters, der Traum unaufgelöset in einem andern verstarb. Oft vergleich' ich im Halbtraume diesen selber mit dem magnetischen Traume. Zu manchen Gestalten sag' ich, aber in einer erhabenen Qual: »Ich wecke mich, so seid ihr ja vertilgt«; so wie ich einmal mit diesem Bewußtsein des nichtigen Bestandes mich vor den Spiegel stellte und fürchtend sagte: »Ich will sehen, wie ich im Spiegel mit geschloßnen Augen aussehe.« So greift tiefer Traum und durchsichtiges Schein-Träumen, Festes und Flüchtiges unaufhaltbar und sinnlos durcheinander, und der arme Geist, welcher zu beherrschen und sich zu besinnen glaubt, wird von zwei Wellen zwischen den Ufern zweier Welten geworfen.
Da nun diese Wahlträume mir, so weit ich sie erschaffe und regiere, nur ein schönes stärkendes Sein gewähren: so wach' ich darin ganz besonders gegen das Wachwerden, wenn ich durch das halbwache Ohr mein stärkeres Atmen oder fremde Gassentöne höre, und ängstige mich vor dem Versinken meines Paradieses durch ein helleres Bewußtsein.
In solchen Halbträumen dacht' ich über das mir darin so gewiß beiwohnende Bewußtsein nach, das man dem Schlaf absprach, und hielt dasselbe gegen das künftige Bewußtsein des Wachens; begriff aber durchaus nicht, wie ein helleres hinter dem eben gegenwärtigen nur möglich sei. Ja einmal träumt' ich, zu erwachen und wirklich das hellere zu bekommen. Aber endlich sprang, wie durch eine Feder, plötzlich die Türe zwischen Außen und Innen auf, und die Welt lag unvermittelt im weiten Taglichte eines neuen Bewußtseins. Nur langsam verdunkelt sich im Einschlafen das Bewußtsein, hingegen plötzlich strahlt es auf bei dem Erwachen. Ein wahres Wunder, obgleich ein Alltag- und Allnacht-Wunder. Etwas steht da, wie ein Bühnen-Vorhang, nicht bloß zwischen Geist und Nerve oder Außenwelt, sondern zwischen Geist und Selber-Bewußtsein. Welche Kraft zerreißt den Vorhang? – Der übernachtende Geist selber ringt nach Öffnung der Welt und sucht durch willkürliches Bewegen der Körperglieder den Grabstein abzuheben von seiner Gruft – – und nach einer rechten willkürlichen Bewegung gelingt es plötzlich, und das Bewußtsein erglänzt, und alle Sinnen stehen wieder offen. Wenn aber ein Stoß des Geistes die Pforten nach Außen sprengt: so ist doch das Bewußtsein nicht Wirkung, sondern nur Bedingung der hergestellten äußeren Empfindungen; denn ein Mensch, dem künstlich alle Sinnenzufuhr abgeschnitten wäre, träte doch erwachend ins freie Reich des Bewußtseins.
Daher ist die unbegreifliche himmlische Helle des Bewußtseins im Wachen nicht die Geburt des regelmäßigen Fortbestandes der äußeren Dinge; auch an der gesetzmäßigen Reihe innerer Veränderungen, ja an der Regellosigkeit des Traumzuges könnte sich ebenso gut das feste Stehen des Ich abspiegeln. – Dieses köstliche, im Wachen sich sonnende Bewußtsein können wir in dem alles verklärenden Mondscheine des Magnetismus nicht einmal wiederholt, noch weniger überstrahlet zu finden hoffen. Denn immerhin versichere der Magnetschläfer, sich des wachen Bewußtseins zu erinnern, so glaubt dasselbe ja der dunklere Schläfer im Traume auch von sich; und erwacht kann der erste das magnetische, da er es vergessen, nicht gegen das wache berechnen. Auch das tiefere Erinnern und Heraufholen untergesunkener Zustände hat mit dem Magnetträumer der Alltagträumer, nur in kleinerem Grade, gemein; und dieses tiefere Erinnern, so wie Scharfsinn, Phantasie und Witz, sind (wie auch im gemeinen Traume) weder Kinder noch Väter des Bewußtseins. Vielleicht wird eben durch die Verfälschung des Bewußtseins auch der leiseste Rausch, wenn er auch alle andern Kräfte steigert, uns zuwider.
Das wahre Bewußtsein – dessen Trübung im Seelensarge des schlafenden Leibes mich immer trübe macht – ist das wahrhafte Gottähnliche am organisierten menschlichen Erdenkloß, und über dieses gleichsam absolute Bewußtsein hinaus können wir uns nicht erheben zu einem noch höheren helleren, obgleich das Bewußtsein Stufen vom Kind zum Manne, vom Traume zum Wachen besteigt. Muß ja sogar das Tier seinen Traum von seinem Wachen durch etwas unterscheiden!
An diesem Sonnenglanze des Bewußtseins muß es liegen, warum wir ein geträumtes Freuen oder Leiden nicht einmal nur vergleichen mit einem wach erlebten, bliebe auch von jenem, wie von diesem, keine weitere Spur zurück als im Gedächtnis. Indes bleibt eine freudige Feerei der vier Gehirnkammern uns mit mehr Nachgenusse zurück als ein frère terrible von Traum uns mit Nachschrecken. – Gespenstererscheinungen, Todesverurteilungen, neue gräßliche Tiere und vorspringende Gorgonenhäupter des Traums werden ohne geistige Erstattung und ohne Nachwehen des Körpers erlebt und ertragen; und noch niemand ist vor Schrecken im Traume gestorben, obgleich letzter den Menschen noch dazu, ihn immer in die Jahre und Ängstigungen der Kindheit zurückdrängend, waffenlos und entkleidet, gleichsam im Hemde, allen Stoßwinden und Stoßzähnen entgegenführt und unterwirft. – Meine Behauptung wird nicht umgestoßen, nur gemildert, wenn man mit Recht dazusetzt, daß die Traumqualen uns weniger erschüttern, weil sie flüchtige Blitze aus blauem Himmel sind, indes die Gewitter des Wachens uns durch ihr langsames Heraufziehen und Auseinanderfalten und Fortschlagen überwältigen.
Obgleich vor und unter dem Einschlafen, durch welches das Gehirn sich mild von der Außenwelt ablöset, einige Empfindbilder, aber mit Bewußtsein, vorgaukeln, weil das Abbrechen der Empfindungen und Vorstellungen dasselbe mit einem kurzen flüchtigen Reize entzündet, so faltet es sich doch endlich bald zum dicken Schlafe zusammen, den keine Träume aufblättern. Zwar glaubt Kant, jeder Schlaf beherberge Träume, weil sie als geistige Träger und Wecker des Lebens notwendig seien, und die Abwesenheit bewußter Träume schließe bewußtlose nicht aus; aber er behauptet hier von geistigen Anreizen, was Boerhave von körperlichen, nämlich das von Träumen, was dieser von den im Schlafe stechenden Bedürfnissen der Ausleerung glaubt, ohne welche, d. h. ohne deren Fühlen, nach seiner Meinung der Mensch niemals aus dem längsten Schlafe herauskäme, sondern nur in den ewigen hinein. Man frage Boerhave: warum wecken später Reize, welche doch früher, wenn auch in ihrem kleinern Grade, einzuschlafen erlaubten? So frage man Kant, inwiefern dunkelste unbewußte Träume und Vorstellungen gerade dem scheintoten Körper im tiefsten Schlafe das Leben fristen; denn er muß ja zuletzt von so dunkeln Vorstellungen sich beleben lassen, daß wir von ihnen keine mehr uns machen können, wenn wir lebenerhaltende Träume dem Schlafe des Fötus, dem Schlafe der Tiere und deren Winterschlafe leihen wollen. Allerdings belebt eine geistige Kraft fort, und die Wechselwirkung zwischen Leiblichem und Geistigem kann keinen Augenblick abbrechen, oder sie wäre unwiederherstellbar; aber wirkt denn das Geistige nur durch Denken, nicht auch durch Wollen und durch Widerstand?
Die Träume sind die ersten Blumen des vom Schlaftau gestärkten betauten Gehirns, so wie das Hellsehen die Frucht des durch den Kunstschlaf mit Lebenkraft geladenen Nervensystems. Daher die Träume gewöhnlich am Morgen erscheinen, oder überhaupt an jedem, auch von Innen gemachten Ende des Schlafs. Man darf folgerecht annehmen, daß jeder Schlaf, der nicht vorzeitig von Außen abgebrochen wird, nur durch das Interim oder Helldunkel des Traums, und sei es der kürzeste, in das Wachen sich webe, und nur aus Unbewußtsein des Schlafes leihen wir dem Traum dessen Dauer. Wenn der längste Traum vielleicht in einer Viertelstunde zu erzählen ist: so muß er ja mit seinen geistigen Gestalten in kürzerer Zeit durch die Seele gezogen sein als die schleichenden Worte in das Ohr. Eine verträumte Nacht erfoderte mehr als einen erzählenden Tag.
Man ist aber zu dem so offenbaren und doch so alten Irrtum über die Länge der Träume durch eine Verwechslung ihrer Gestalten mit den wirklichen gekommen. Denn die Traumgestalten halten als Empfindbilder so wenig vor dem Geiste eine Minute lang still und standhaft als irgendeine Vorstellung, die sich unter dein Beschauen zugleich zerteilt, zergliedert und paart; daher im Traume Gesichter in Gesichter überfließen, Zimmer und Städte sich auf der innern Bühne ineinander schieben und jede Gestalt sich unter dem Auge neu gebiert. Der Verfasser dieses hielt oft in seinen Wahlträumen ein Titelblatt sich mit dem Bewußtsein vor das Auge, daß die Buchstaben nicht bleiben könnten – und sie blieben auch nicht, und er konnte nicht dasselbe zweimal lesen.
Nach der Bemerkung eines englischen Arztes gehört es unter die Zeichen eines Wahnsinnigen, wenn er dieselbe Geschichte, die er eben erzählte, nicht ähnlich-treu wiederholen kann. Noch weniger als der Tolle, der nur Vorstellbilder und sogar fixe vorzuführen hat, vermag der Träumer Empfindbilder zu befestigen zum zweiten Beschauen. Sogar die stärkeren wachen Empfindbilder, unter dem Namen Fieber-, Gespenster-Erscheinungen, halten dem Auge nicht Stand.
Dieses Luftartige, diese wankenden Spiegelungen, wodurch der Traum sich dem bleibenden Gestein der Wirklichkeit entgegensetzt, machen es, daß im Traume jede Vergrößerung und jede Verringerung unaufhörlich wächset; wer z. B. Geld im Traume findet, wird immer mehr zu finden fortträumen; wem ein Uhrglas zerbricht, dem wird die Uhr immer schadhafter auseinanderfallen.