Jean Paul
Des Feldpredigers Schmelzle Reise nach Flätz
Jean Paul

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Vorrede

Ich glaube, mit drei Worten ist sie gemacht, so wie der Mensch und seine Buße aus ebenso vielen Teilen.

1) Das erste Wort ist über den Zirkelbrief des Feldpredigers Schmelzle zu sagen, worin er seinen Freunden seine Reise nach der Hauptstadt Flätz beschreibt, nachdem er in einer Einleitung einige Beweise und Versicherungen seines Mutes vorausgeschickt. Eigentlich ist selber die Reise nur dazu bestimmt, seine vom Gerüchte angefochtene Herzhaftigkeit durch lauter Tatsachen zu bewähren, die er darin erzählt. Ob es nicht inzwischen feine Nasen von Lesern geben dürfte, welche aus einigen darunter gerade umgekehrt schließen, seine Brust sei nicht überall bombenfest, wenigstens auf der linken Seite, darüber lass' ich mein Urteil schweben.

Übrigens bitte ich die Kunstkenner, so wie ihren Nachtrab, die Kunstrichter, diese Reise, für deren Kunstgehalt ich als Herausgeber verantwortlich werde, bloß für ein Porträt (im französischen Sinne), für ein Charakterstück zu halten. Es ist ein will- oder unwillkürliches Luststück, bei dem ich so oft gelacht, daß ich mir für die Zukunft ähnliche Charakter-Gemälde zu machen vorgesetzt. – Wann könnte indes ein solches Luststückchen schicklicher der Welt ausgestellt und bescheret werden als eben in Zeiten, wo schweres Geld und leichtes Gelächter fast ausgeklungen haben, zumal da wir jetzt wie Türken bloß mit Beuteln rechnen und zahlen (der Inhalt ist heraus) und mit Herz-Beuteln (der Inhalt ist darin)? –

Verächtlich würde mirs vorkommen, wenn irgendein roher Dintenknecht rügend und öffentlich anfragte, auf welchen Wegen ich zu diesem Selbst-Kabinetts-Stücke Schmelzles gekommen sei. Ich weiß sie gut und sage sie nicht. Dieses fremde Luststück, wofür ich allerdings (mein Verleger bezeugts) den Ehrensold selber beziehe, überkam ich so rechtlich, daß ich unbeschreiblich ruhig erwarte, was der Feldprediger gegen die Herausgabe sagt, falls er nicht schweigt. Mein Gewissen bürgt mir, daß ich wenigstens auf ehrlichern Wegen zu diesem Besitztume gekommen, als die sind, auf denen Gelehrte mit den Ohren stehlen, welche als geistige Hörsaals-Hausdiebe und Katheder-Schnapphähne und Kreuzer die erbeuteten Vorlesungen in den Buchdruckereien ausschiffen, um sie im Lande als eigne Erzeugnisse zu verhandeln. Noch hab' ich wenig mehr in meinem Leben gestohlen als jugendlich zuweilen – Blicke.

2) Das zweite Wort soll die auffallende, mit einem Noten-Souterrain durchbrochne Gestalt des Werkleins entschuldigen. Sie gefällt mir selber nicht. Die Welt schlage auf und schaue hinein und entscheide ebenfalls. Aber folgender Zufall zog diese durch das ganze Buch streichende Teilungslinie: ich hatte meine eigne Gedanken (oder Digressionen), womit ich die des Feldpredigers nicht stören durfte, und die bloß als Noten hinter der Linie fechten konnten, aus Bequemlichkeit in ein besonderes Neben-Manuskript zusammen geschrieben und jede Note ordentlich, wie man sieht, mit ihrer Nummer versehen, die sich bloß auf die Seitenzahl des fremden Haupt-Manuskripts bezog; ich hatte aber bei dem Kopieren des letztern vergessen, in den Text selber die entsprechende einzuschreiben. Daher werfe niemand, so wenig als ich, einen Stein auf den guten Setzer, daß dieser – vielleicht in der Meinung, es gehöre zu meiner Manier, worin ich etwas suchte – die Noten gerade so, wie sie ohne Rangordnung der Zahlen untereinander standen, unter den Text hinsetzte, jedoch durch ein sehr lobenswürdiges künstliches Ausrechnen wenigstens dafür sorgte, daß unter jede Text-Seite etwas von solchem glänzenden Noten-Niederschlag käme. – – Nun, die Sache ist einmal geschehen, ja verewigt, nämlich gedruckt. Am Ende sollte ich mich eigentlich fast darüber erfreuen. In der Tat – und hätt' ich jahrelange darauf gesonnen (wie ichs bisher seit zwanzigen getan), um für meine Digressions-Kometenkerne neue Licht-Hülsen, wenn nicht Zug-Sonnen, für meine Episoden neue Epopöen zu erdenken: schwerlich hätt' ich für solche Sünden einen bessern und geräumigern Sündenbalg erfunden, als hier Zufall und Setzer fertig gemacht darreichen. Ich habe nur zu beklagen, daß die Sache gedruckt worden, eh' ich Gebrauch davon machen können. Himmel! welche fernsten Anspielungen (hätt' ichs vor dem Drucke gewußt) wären nicht in jeder Text-Seite und Noten-Nummer zu verstecken gewesen, und welche scheinbare Unangemessenheit in die wirkliche Gemessenheit und ins Noten-Untere der Karten; wie empfindlich und boshaft wäre nicht in die Höhe und auf die Seite heraus zu hauen gewesen aus den sichern Kasematten und Miniergängen unten, und welche laesio ultra dimidium (Verletzung über die Hälfte des Textes) wäre nicht mit satirischen Verletzungen zu erfüllen und zu ergänzen gewesen!

Aber das Schicksal wollte mir nicht so gut; ich sollte von diesem goldnen Handwerks-Boden für Satiren erst etwas erfahren drei Tage vor der Vorrede.

Vielleicht aber holt die Schreibwelt – bei dem Flämmchen dieses Zufalls – eine wichtigere Ausbeute, einen größern unterirdischen Schatz herauf, als leider ich gehoben; denn nun ist dem Schriftsteller ein Weg gezeigt, in einem Marmorbande ganz verschiedne Werke zu geben, auf einem Blatte zugleich für zwei Geschlechter, ohne deren Vermischung, ja für fünf Fakultäten zugleich ohne deren Grenzverrückung zu schreiben, indem er, statt ein ekles gärendes Allerlei für niemand zu brauen, bloß dahin arbeitet, daß er Noten-Linien oder Demarkationslinien zieht und so auf dem nämlichen fünfstöckigen Blatte die unähnlichsten Köpfe behauset und bewirtet. Vielleicht läse dann mancher ein Buch zum vierten Male, bloß weil er jedesmal nur ein Viertel gelesen.

3) Das dritte Wort hat bloß zu sagen, daß die Beichte des Teufels bei einem Staatsmanne ein unschuldiger Kalender-Anhang des Buches sein soll, der kein Beichtsiegel erbricht.

Wenigstens den Wert hat dieses Werk, daß es ein Werkchen ist und klein genug; so daß es, hoff' ich, jeder Leser fast schon im Buchladen schnell durchlaufen und auslesen kann, ohne es wie ein dickes erst deshalb kaufen zu müssen. – Und warum soll denn überhaupt auf der Körperwelt etwas anderes groß sein als nur das, was nicht zu ihr gehört, die Geisterwelt? –

Baireuth, im Heu- und Friedens-Monat 1807

Jean Paul Fr. Richter


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