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Eines Nachmittags kam Zenzi in die Stube der Bäuerin geeilt.
»Du, draußen is a Herr und a Frau, und sie möcht'n mit dir red'n, geh außi.«
»A Herr und a Frau? Was wolln's denn?«
»Dös woaß i net.«
Katharina legte ihre Näherei weg und trat hinaus.
Ein junger Mann in steierischem Anzug mit bloßen Knien und Wadenstrümpfen, ins linke Auge ein Monocle geklemmt, stand Arm in Arm mit einer jungen, sehr elegant in graues Loden gekleideten Frau und blickte neugierig auf Katharina.
»Na, schöne Bäuerin, wie geht 's dir? Alleweil no trutzig?«
Er machte sich von dem Arm seiner Dame los und wollte Katharinen die Hand auf die Schulter legen. Sie trat mit kühler Verwunderung zurück.
»Habn mir zwa amol Bruderschaft trunken? I weiß nix davon. Womit kann i Ihnen dienen?«
Die junge Dame wurde brennend rot.
»Siehst du,« sagte sie auf französisch, »diese Leute sind nicht so harmlos wie du glaubst.«
»Hm; ich bin der Graf Prankenstein, und – das ist meine Frau, und – wir möchten, da wir uns anderthalb Tage in Zell aufhalten und – äh – auch von – Ihnen gehört haben, es nicht versäumen ...«
»Könnten wir vielleicht ein Glas Milch haben, gute Frau?« sagte die Gräfin, die stotternde Rede ihres Gatten unterbrechend.
»A Glas Milch können's scho hab'n.«
»Aber ... drinnen, bitte, man – äh – muß nicht unterlassen, das Innere des Hauses zu besichtigen,« flüsterte er französisch; »diese Zillerthaler Bauernhäuser sollen sehr interessant sein.«
»Burgl,« rief die Bäuerin der neugierig dastehenden Magd zu, »bring a paar Gläser Milch.«
Katharina ging auf das Haus zu. »Wenn Sie hereinkommen wollen,« sagte sie, sich umwendend, zu den beiden.
Das Paar folgte ihr in die niedere, weite Stube, deren Boden mit weißem Sand und Tannenreisern bestreut war.
Katharina rückte ihnen zwei Stühle an dem derben braunen Eichentisch zurecht.
Der Graf musterte den mächtigen dunklen Schrank, der fast die eine Breitseite der Wand einnahm.
»Nach der Bauart zu schließen, gotische Zeit. Liebe Bäuerin, ein ... äh, schönes Stück, das! Wohl ererbt, hm?«
Katharina nickte.
»Und diese Uhr!« rief die Gräfin, entzückt die Hände zusammenschlagend, »sieh doch, Bibi!«
Sie standen Arm in Arm vor der uralten Bauernuhr, die in einem schwarzen, wurmstichigen Kasten, der von der Decke bis zum Boden reichte, ihren bedächtigen Pendelschlag ertönen ließ.
»Das wär' was für Sidonies altdeutschen Salon.«
»Verkaufen wohl nichts, gute Frau, äh?« wollte der Graf sich an Katharina wenden, doch diese war aus der Stube verschwunden.
»Aber Bibi«, flüsterte die junge Dame, »wie kannst du diese reiche Bäuerin so etwas fragen?«
»Bäuerin? äh, Bauern thun alles für ... äh –« er machte mit den Fingern eine Geste des Geldzählens. Sie stöberten noch ein Weilchen in der Stube umher und gerieten vor einer alten Truhe und einem gut gearbeiteten Kreuz aus dem Grödener Thal in lebhaftes Entzücken. Nachdem sie alles befühlt und von allen Seiten betrachtet hatten, sagte der Graf:
»Wollen nun ins erste Stockwerk hinauf.« Die junge Frau schüttelte ein wenig mißmutig den Kopf.
»Ich finde die Bäuerin doch gar zu unhöflich, da läßt sie uns allein, statt –«
»Bescheidenheit, nichts weiter, weiß nicht was thun in Nähe solcher Herrschaften ...«
»Aber ich habe sie noch garnicht ordentlich angesehen, und sie interessiert uns doch mehr als die Möbel, die wir in jedem Museum finden.«
»Äh, nicht ungeduldig sein, wollen suchen gehen. Trinkst du deine Milch nicht?«
»Nein, ich mag nicht, doch, ein bißchen. Aber trink du zuerst.«
Er nippte an dem Glas. »Vorzüglich.«
»Wirklich sehr gut,« bestätigte die Gräfin kostend. »Trinkst du nicht aus?«
»Nein.«
»Ich auch nicht.«
»Nu haben wir Milch in Bauernhaus getrunken; furchtbar nett! Ganz wie Schauspiel ... wie heißt doch gleich das Ding? ...«
»Ich weiß nicht, was du meinst; von wem ist es?«
»Weiß nicht.«
»Was ereignet sich darin?«
»Weiß nicht.«
»Ah, da kommt die Bäuerin.«
»Gute Frau,« sagte der Graf, »Milch war magnifique, auch die Stube ist schön, nun lassen Sie sich auch ein wenig betrachten. Meine Frau interessiert sich sehr für Landleben.«
»So, da müssen's in Kuhstall und hintere zum Düngerhaufen, a prächtige Sur. Düngerbrühe.«
»Sie macht sich über uns lustig.«
»Äh, keine Spur, hält uns für Ökonomen. Uebrigens, findest du nicht, daß sie ... äh, garnicht dem Bilde gleicht, Hände und Füße viel derber als Fresko.«
»Ich finde sie sehr ähnlich,« meinte die Gräfin, und dann auf deutsch zu Katharina:
»Wir haben nämlich Ihr Bild unten im Markt gesehen und finden, daß es nicht zuviel versprach.«
» Mei Bild? da irren's Ihnen. Von mir giebts ka Bild.«
»Äh, natürlich als Fresko auf –«
»Wir meinen das schöne Gemälde, das auf das Bauernhaus gemalt ist,« erklärte die junge Dame, »die heilige Katharina mit dem Rad.«
Die Bäuerin schüttelte den Kopf.
»Hier herum giebt's ka solches Bild.«
»Gewiß giebt's, da unten in ... in Dings da ... Zell, auf Haus von Dings da, wie heißt er doch gleich?«
»Ich weiß nicht,« sagte die Gräfin sich besinnend.
»In Zell sollt a Bild von mir auf a Haus g'malt sein,« murmelte Katharina, »i bin hier aufg'wachs'n und kenn jede Hütten in der Gegend, aber dös Bild hab i no nia g'sehn.«
»Es ist ja auch neu,« bemerkte die Gräfin, »ganz neu, vielleicht waren Sie eine Zeitlang nicht unten ...«
»Das scho,« sagte Katharina beklommen, »'s können völlig sechs Wochen her sein.«
» Voilà, dann haben Sie es eben noch nicht gesehen, und wir sind die ersten, die Ihnen die Nachricht bringen, die Sie doch gewiß mit Stolz erfüllen wird,« lächelte die junge Dame.
»Und an wem sein Haus sollt das sein?« fragte Katharina mit unsicherer Stimme.
»Wenn ich mich nur besinnen könnte, – wir sahen gerade das Bild an, als er aus dem Hause trat ... Wir redeten einige Worte mit ihm ... erfuhren auch, wie er heißt ...«
»Hoch, schlank, brünett, dunkle Augen, wie Robert vom Burgtheater, nur ... äh, jünger, viel jünger ...«
»Aber Bibi, wie soll denn die Frau wissen, wie Robert aussieht.«
»Ah, vous avez raison, ma chère, aber äh – habe es, hat den Namen von einem Apostel,« rief der Graf triumphierend.
Katharina sann einen Augenblick nach, dann röteten sich ihre Wangen tief. »Is er, wer er will ...« sie machte Miene hinauszugehen.
»Entfliehen uns doch nicht gleich wieder?«
»Mögen's no a Milch?«
»Milch, nein, nein, danke, aber –«
»I hab' zu thun, mir führen heut' Heu ein.«
»Laß sie doch, du siehst ja, sie befindet sich in unserer Gesellschaft nicht wohl; wir wollen zahlen und gehen.«
»Äh, können wir die –« der Graf griff in sein Portemonnaie.
»Hier is ka Wirtshaus,« sagte Katharina kurz.
»Aber Ihre Mühe ... äh ...«
Er hielt ihr ein Silberstück hin.
Katharina kehrte sich rasch um und rief die Magd.
»Der Herr will d'r a Trinkgeld gebn. Pfiat Gott.«
Sie trat in den Hof hinaus und verschwand im Nebengebäude.
Das gräfliche Paar, einander ängstlich unter dem Arme gefaßt haltend, entfernte sich langsamen Schrittes.
»Welch widerwärtige Person!«
»Aber schön,« meinte die Gräfin, »man könnte sie für etwas Besseres als eine Bäuerin halten.«