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Die nordöstlichen Stadtviertel

Nach Osten zu den am weitesten vorgeschobenen Posten des Brüsseler Stadtgebietes darstellend, hat der Parc du Cinquantenaire gleichwohl die denkbar bequemsten und raschesten Verkehrsverbindungen mit dem Stadtzentrum aufzuweisen, so daß wir von ihm aus binnen wenigen Minuten wieder zum Boulevardringe zurückzukehren vermögen; schon beim Einbiegen der Trambahn in die Rue de la Loi können wir die gewaltige Silhouette der Türme von Ste. Gudule vor unserem Auge wieder auftauchen sehen. Vorzuziehen ist jedoch für die Rückkehr zum Stadtinneren der nur wenig nordwärts abbiegende Umweg über die Avenue Michel-Ange, den Square Ambiorix und dessen westliche Fortsetzung, den Square Marie-Louise.

Bei Anlegung dieses hocheleganten Stadtviertels hat man das hügelig ansteigende Terrain in glücklichster Weise zur Schaffung geschmackvoll bepflanzter und durch Wasserkünste belebter Parkterrassen ausgenützt, über die man durch die von hochmodernen Wohnpalästen flankierte Avenue Palmerston zum Square Marie-Louise hinabsteigt. Die Mitte dieses weiten, von koketten Villenbauten umgebenen Parkplatzes nimmt eine anmutige, dem Auge des Spaziergängers die reizvollsten Durchblicke darbietende Teichanlage ein, auf deren klarem Wasserspiegel stolze Schwäne und muntere Zierenten sich tummeln. So mancher ältere Bewohner Brüssels wird sich mit dem noch lebenden Architekten De Jamblinne de Meux, dem Schöpfer dieser Anlagen, noch des ehedem hier befindlichen, weit ausgedehnteren Teichbeckens erinnern, in dessen Wassern sich damals noch die aus dem 16. Jahrhundert stammenden alten Türme des Landsitzes des Kanzler-Kardinals Granvella widerspiegelten; daher denn auch die auf dem einstigen Landgutgebiete Granvellas erbauten Straßenzüge die Namen »Rue du Cardinal« und »Rue des Deux-Tours« erhalten haben. Noch jetzt sieht man an der Ecke der Rue du Cardinal einen jener schlank profilierten alten Granvella-Türme aufragen, an den sich sogar noch weitere, einen Teil der genannten Straße umsäumende Reste der ursprünglichen Bauanlage anschließen.

siehe Bildunterschrift

Abb. 121. Ehemaliges Kronprinzenpalais König Alberts von Belgien (Photo Neurdein)

siehe Bildunterschrift

Abb. 122. Square Frère-Orban, mit der St. Joseph-Kirche (Photo Neurdein)

Das obere Promenadenplateau des Square Ambiorix hat der Bildhauer und Maler Graf Jacques de Lalaing mit verschiedenen Statuen geschmückt, in denen die verschiedenen Stadien der Menschheitsentwickelung von der rohen Barberei bis zur höchsten Gesellschaftskultur versinnbildlicht sind. Beim Abstieg über die Avenue Palmerston begegnen wir dann zunächst Jef Lambeaux' temperamentvoller Statuengruppe »Folle chanson« und ferner an der dreifach abgestuften Kaskade des mittleren Terrassenabhanges Const. Meuniers »Roß an der Tränke«, einem Bronzebildwerke von hervorragender Stilgröße, das uns für sich allein schon für die Mühe des geringen Umweges zu entschädigen vermag.

Nachdem wir vom Square Marie-Louise aus durch die Rue Mercator und die Rue du Marteau zum Boulevard-Ringe zurückgekehrt sind, wenden wir uns über den Boulevard du Régent südwärts bis zur Rue Guimard, um nunmehr dem inmitten des vornehmen Leopold-Viertels gelegenen Square Frère-Orban noch einen kurzen Besuch abzustatten. An der Südseite dieses mit Ch. Samuels Marmorstandbild des großen belgischen Ministers Frère Orban geschmückten Platzes erblickt man die hochragende Turmfront der St. Josephskirche, eines prächtigen, an Santa Trinità de'Monti zu Rom erinnernden Kirchenbaues im Stile der italienischen Hochrenaissance. Aus dem Umstande, daß zur Zeit der Entstehung dieses im Jahre 1849 nach den Entwürfen des Architekten T. J. Suys vollendeten Kirchenbaues die Anlage des gesamten Leopoldviertels nur erst geplant wurde, kann man ermessen, mit welcher Rapidität die Stadt Brüssel sich seitdem nach Osten zu weiterhin ausgedehnt hat. Ungewöhnlicherweise ist die gesamte Fassade dieser Kirche gleich deren Glockentürmen nur mit grauem Bruchstein bekleidet; nicht einmal für den Skulpturenschmuck dieser Kirchenfront hat der sonst übliche weiße Sand- oder Kalkstein Verwendung gefunden. Für den Hochaltar dieser Kirche malte Ant. Jos. Wiertz eine umfangreiche »Flucht der heiligen Familie nach Ägypten« im Anschlusse an ähnliche Werke seines großen Idealvorbildes Peter Paul Rubens; ein wirklich harmonisches und einwandfreies Kunstwerk hat er jedoch auch in diesem Falle nicht zu schaffen vermocht.

Unter den prunkvollen Wohnpalästen, von denen der Square Frère-Orban umgeben ist, fällt uns namentlich das Kronprinzenpalais des jetzigen Königs Albert von Belgien vorteilhaft ins Auge, ein im römischen Palaststile der Renaissancezeit gehaltener Prachtbau des Architekten Alphons Balat, dessen Fassade im vornehmen Ernst ihrer Linienführung wie in der majestätischen Harmonie ihrer Proportionen sicherlich den Beifall aller Kenner finden wird.

siehe Bildunterschrift

Abb. 123. Botanischer Garten (Photo Neurdein)


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