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XI.

Die junge Frau, die, eine Riesengießkanne in den kräftigen Händen, zwischen den Tomatenbeeten die schmalen Stege entlangging und die Pflanzen begoß, fand dabei doch Zeit, sich mit ihrer Nachbarin zu unterhalten.

»Ihr habt's jut,« sagte die Gärtnersfrau, »wenn ihr beide eure zwanzig Ziejen abjemilcht habt, du mit dein' Mann, denn braucht er die Milch bloß noch nach Berlin fahren, denn seid ihr fertig ... Und habt jeden Tag euer schönes Jeld ... wir ... bei uns wird die Arbeit nich alle ... un wenn's denn noch so heiß is wie jetzt, un man muß ejal jießen, denn is't rein zum Hinwerden!«

Dabei sah sie so gesund, so blühend mit ihren Apfelwangen aus, die junge Gärtnerin, ihre Arme hoben sich, die schwervolle Zinkkanne fassend, mit solch einem Schwung von dem prallen Mieder, daß es war, als schreite der lachende Sommer selber zwischen Baum und Pflanze dahin.

Die andere, eine magere Brünette mit leidenschaftlichen, dunkelumrandeten Augen, lachte geschmeichelt. Ihre Ziegenwirtschaft brachte Geld ein und die Arbeit war wirklich nicht schwer, aber sie hatte einen alten Mann, den sie nicht liebte, und sagte das der Freundin ungeniert.

Die lachte.

»Ich wer' dir von meinem 'n Stück abjeben! ... Der ist mehr wie zu jung ... Auf 'n Wochenmarkt in Lichterfelde muß ich die Augen überall haben. Da is so'ne Fleischermamsell ... so'ne Dicke ... ich weiß janich, was er an der find't ... Aber die Hauptsache is doch's Geld! ...«

»Na, ihr müßt doch jetzt schön verdienen an eure Sommerjäste, nicht wahr?«

»Na ja ... 's jeht ja so ... aber wir haben doch auch unse besten Stuben hinjejeben ... die janze Unterwohnung ... un dafür hundert Mark 's Monat ...«

»Hundert Mark?«

»Na ja, is dis etwa viel? ... Dafor wohnen wir jetzt in die Brummhitze auf'n Dachboden!«

»Was is 'n der Herr?«

»Ach, der war früher so'n Professor ... weißte, er hat so'ne jroßen Oelbilder jemalt un muß viel Jeld dafor jekriecht haben ... ja ... aber nu hat er 'n Augenleiden ... ja ... an Tag darf er überhaupt nich ausjehn, bloß bei Nachtens ... Un denn führt 'n seine Frau, wenn er doch mal 'rauskommt. Und weißte, Jenny, das is jrade so'n Alter wie deiner, aber sieht noch janz statiös aus, un sie is ooch so jung, höchstens zwanzig, mehr is se bestimmt nich ... Na, du hast se ja schon jesehn ... So was von Scheenheit wie die! ...«

»Ja neulich, wie se bei uns vorbeijekomm' is, hinten uff'n Feldweg ... wegjehn tut die woll ooch so jut wie janich?«

»Nee, wo kann se denn? Er läßt ihr ja nich 'n Oogenblick aus seine Mache! ... Is woll ooch eifersüchtig ... ick weeß bloß nich uff wen? ... Uff mein' Mann etwa? ... Na, det is doch nischt for den! ... So'ne feine Dame! ...«

»Na, weißte, die Feinen sind manchmal jrade so! ...«

Die Gärtnerin strich über ihr prachtvolles, korngoldenes Haar und lachte:

»Ha! ... die nich! ... Die is überhaupt wie'n Engel! ... So schön, wie se is, so jut is se auch! Wie neilich unser Kleener krank war, da hat se'n jepflegt un jemacht un an sein Betteken jesessen – am liebsten wär' se janich wieder wechjejangen von ihn! ...«

»Liebt se denn ihren Mann nich?« fragte die in ihrer Ehe Unzufriedene.

»Ich weiß ja ooch nich ... bei so'ne reichen Leute, da weiß man ja nie! ...«

»Is er denn so sehr reich?«

»Janz furchtbar ... Ich habe neilich 'ne Halskette uff'n Tisch liejen sehn aus lauter Diamanten, un da hab' ich se jefragt, die Frau Professor, un se sagte, 's hat zwanzigdausend Mark jekost! ... Zwanzigdausend Mark ... soviel is unser janzet Haus nich wert! ...«

»Un dis hat er ihr jeschenkt?«

»Na, muß doch woll! Aber se hat noch viel mehr ... Ringe un Armbänder, un allens in so'n großen, silbernen Kasten, mit Engelkens un Blumen drauf, un alles aus Silber! ...«

»Aber er liebt ihr?« fragte die Dunkelhaarige mit den Flackeraugen.

»Muß doch woll! ... Wenn se bloß mal 'n bisken bei mir in Jachten kommt, denn schreit er schon: ›Ilona! Ilona!‹ Ooch 'n komischer Name, was? ... Die is ungarisch ... sie is nämlich aus Ungarn ...«

»Un wie heißt er?«

»Professor Koloman, er is aus Böhmen ... aus Prag, glaub' ich ...«

»Wie du dis bloß alles so behältst!« staunte die Ziegenwirtin.

»Na, ich hab' 'n doch selbst anjemeldet uffs Amt,« meinte die andere selbstbewußt. »Aber nu muß ich 'rein bei se un fragen, ob se Salat haben will ... den essen se nämlich furchtbar jerne, zu jede Mahlzeit! ...«

»Is es wahr, daß er schon janz weiße Haare hat?« fragte die Brünette, die Freundin zum Hause hinbegleitend.

Sie nickte:

»Jawoll, un sojar Locken! So'ne janz langen weißen Locken un 'n weißen Bart, der reicht 'n bis auf de Brust ... un dabei so'ne schwarzen Oogen ... wie deine! ... Wenn der een ankuckt, des jeht einen durch un durch!«

»Na, du!« Die Ziegenwirtin lachte, »nimm dich man bloß in acht!«

Die runde Hand der Blonden winkte weit ab:

»Ach der! ... dis is ja doch schon 'n Jreis!«

»Na, du siehst doch, er hat doch ooch 'ne janz Jungsche!«

Sie standen am Hauseingang, die Brünette mit neugierig verlangenden Augen in den dämmrigen Stiegenflur blickend, daß die andere leise spottete:

»Soll ich 'n dir mal 'rausschicken, Käthe, ja?«

»Um Jottes willen!« rief die Ziegenwirtin und rannte in gespielter Angst den Heckenweg hinauf bis an den von Fliederbüschen bewachsenen Zaun; da verschwand sie durch eine Lücke im Gebüsch.

Die Blonde lachte noch, wie sie ins Haus trat. Und war eben auf dem Treppenabsatz, als die Tür, die in die Parterrewohnung führte, aufging und ein Frauenbild heraustrat, dessen feiner blasser Mund von vielem Leide sprach. Die Wangen schmal und blutlos, die Nase so fein, in ihrem zarten Flügelpaar wie vom Schmerz gezeichnet, und darüber unter herrlichen Brauen zwei Augen von einer unergründlichen Tiefe ...

Man konnte eine ganze Weile hineinsehen, in diese seltenen Sterne; dann fand man erst, daß sie blau waren, veilchenblau, aber durchsichtig und nicht zu ergründen, tief wie ein Märchenbronnen ...

Und wenn sie lächelte, wenn dieser kleine, sanfte, unschuldige Mund lachen wollte, dann war's dem, der sie ansah, als küßten ihn die Anmut und die Lieblichkeit selber ...

Sie trug ein glattes Kleid aus silbrigem Samt mit einem buntgestickten Gürtel, und ihre langen, schwarzen Haare waren zu Zöpfen geflochten, die bis weit über den Gürtel fielen. Das machte sie noch jünger; wirklich wie ein Mädchen war sie oder wie eine reine Jungfrau, die doch schon allen Weibes Weh erfahren hat.

Die Gärtnersfrau wunderte sich mit ihrem frohen, blonden Gesicht immer wieder ... Und wie die andere sprach und sich dieser süße Menschenlaut ins Ohr der blonden schmeichelte, da hätte diese, die doch sonst recht geizig war, gern ihr alles gegeben, um länger noch bei der Schönen zu sein und noch mehr mit ihr reden zu dürfen.

Aber nachdem die Frau mit den schwarzen Zöpfen ihre Wünsche für das Abendessen genannt hatte, verschwand sie wieder in der Wohnung, die der Professor Koloman für sich und seine Gattin den Sommer über dem Gärtnerehepaar abgemietet hatte.

Die Tür ging hinter ihr ins Schloß, da stand Ilona Sebraczety in der Stube und hörte, wie nebenan eine Stimme auf Französisch sagte:

» Ma tonnère, du erbärmlicher Spitzbube! Tête chochon! ... Kommst du her, um mir mein ganzes Geld abzunehmen?!«

Ein anderer lachte. Karten fielen auf den Tisch, Geld klirrte, und der erst gesprochen, fluchte in allen Sprachen.

Plötzlich rief er:

»Ilona!«

Die Frau ging bis zur Tür, die wohl offen, doch mit einem schweren Vorhang verdeckt war.

»Bitte,« sagte sie und ein Schatten des Abscheus und der Furcht machte ihr schönes Angesicht erbeben.

»Du mußt in die Stadt und Geld besorgen! Ich bin blank ... nimm das Rubinenarmband und geh' zu Schalljahn ... der gibt dir drauf ... tausend Mark ... fünfhundert ... ich lös' es wieder ein, nach der nächsten Sitzung ...«

Man hörte die andere Mannesstimme mit einem häßlichen Gelächter sagen:

»Die Geister brauchen Geld!«

»Im Gegenteil!«

Der erste, dessen hartes Organ die Frau zittern machte, stand auf. Man hörte einen Stuhl rücken.

»Die Geister bringen welches! Sie kennen ihren Herrn! ...«

Die Frau wich mit einer entsetzten Gebärde von der Tür zurück; ihr war, als käme der, der ihr so unnachsichtliche Befehle gab, näher und wollte aus dem Zimmer ...

Doch der andere kam wohl dazwischen, er sagte:

»Ich kann aber nicht länger bleiben, Salvi! ... ich habe mich für heute abend mit Feinglas verabredet ... pünktlich um 10 Uhr im Janitscharenkeller ... ich muß endlich die Sore Diebesgut. verschwenken Verkaufen. ... wenn mir die Faulen Kriminalbeamter. auf den Hals kommen, bin ich futsch! ...«

» Tajo de dios! Du willst dich drücken! ... Ich verlange Revanche! ... 's ist erst sieben Uhr! ...«

»Ich komm' morgen bestimmt wieder, Salvi! ... Parôle d'honneur! ... Auf Wort! ...«

»Schuft du! ... Sonefabitch! ... Du Halunke! ... Du Leichenräuber! ...«

Der mit der harten Stimme konnte sich nicht genug tun im Schimpfen ... Aber es half ihm nichts, der Spießgesell zog mit seinem Raub ab.

Da entschloß sich der Verlierer zum letzten:

»Alles, was du gewonnen hast, Mc. Duffre, gegen das Rubinenarmband! ... Ilona, gib das Armband her!« sagte er zornig.

Und gehorsam, ohne auch nur den Versuch zu machen zur Weigerung, entnahm die arme Frau der großen silbernen Schmuckschatulle, die auf dem einfachen Sofatisch der Gärtnersleute stand, ein wundervolles Kleinod, ein Armband aus den seltensten Taubenblutrubinen, das Geschenk eines liebenden Verschwenders an die Einzige seines Herzens, und trug es hinein ins Nebenzimmer.

Sie kam gleich wieder aus dem durch die herabgelassenen Rouleaus in Dämmer gehüllten Raum; doch so sehr sie sich beeilte, die Spieler zu verlassen – sie war noch nicht nebenan, da hatte ihr Peiniger das Juwelenband ebenfalls verloren.

Er raste, tobte und rief alles Unheil auf den Partner herab. Die Frau nebenan bat durch den Vorhang:

»Pierre! ... Um des Himmel willen! ... Pierre! ... Denk' an die Leute! ...«

»Still! ...« knirschte er, »ich erwürge dich! ... Bring' Wein ... zum Abschied ...«

Aber als sie schon gehen wollte, sagte er:

» Mort de Dieu! ... laß! ... Der Hund braucht sich hier nicht vollsaufen! ... Gib ihm lieber Gift! ...«

Dann kam der Spielpartner, ein nach englischer Manier gekleideter Mensch, mit einer Fechtergestalt und brutalen, aber schönen Zügen, allein heraus.

Er wollte sich der Frau nähern, streckte seinen Arm nach ihr aus ... Da hatte sie im Nu einen kleinen, blitzenden Dolch aus dem Kleide.

Er lachte böse.

»Schlange! ... Du stichst?! ...«

Sie folgte ihm mit ihren großen, starren Augen bis zu der Tür, durch die er verschwand.


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