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XVII. Soll man Waterloo loben?

Es giebt in Frankreich eine sehr respectable Schule unter den Liberalen, welche gegen Waterloo durchaus keinen Haß empfindet. Wir gehören derselben nicht an; denn für uns ist Waterloo nur das erstaunte Datum der Freiheit. Es ist sicherlich unerwartet, daß aus einem solchen Ei ein solcher Adler hervorging.

Wenn man sich in den eigentlichen Schwerpunkt der Frage stellt, so ist Waterloo der absichtslose Sieg der Contrerevolution, Europa's gegen Frankreich, Petersburgs, Wiens und Berlins gegen Paris, des Statusquo gegen die Initiative, der Angriff des 20. März gegen den 14. Juli 1789, das »Hängematten herunter« der Monarchien gegen die bis dahin ungezähmte französische Emeute. Endlich dieses ungeheure Volk erdrücken, welches seit 26 Jahren sich im Zustande eines kraterähnlichen Ausbruches befand, das war der Traum: die Solidarität Braunschweigs, Nassaus, der Romanow, Hohenzollern und Habsburger mit den Bourbonen. Auf Waterloo ritt das Recht der Königsgewalt von Gottes Gnaden in das neunzehnte Jahrhundert hinein. Allerdings war das Kaiserreich despotisch und mußte zufolge einer natürlichen Rückwirkung der Dinge das Königthum nothwendigerweise loyal werden, so daß aus Waterloo zur großen Betrübniß der Sieger ein constitutionelles Regiment hervorging. In Wirklichkeit kann aber die Revolution nicht besiegt werden. Sie gehört der Vorsehung und dem Fatum an. Immer erscheint sie wieder: vor Waterloo in Napoleon, welcher die alten Throne über den Haufen stürzte, nachher in Ludwig XVIII., welcher eine Verfassung octroyirte. Bonaparte setzt einen Postillon auf den Thron von Neapel und einen Sergeanten auf den Thron Schwedens. Am Ungleichen bewies er die Gleichheit. Ludwig XVIII. unterzeichnet zu Saint-Ouen die Erklärung der Menschenrechte. Wenn man sich von dem, was die Revolution ist, Rechenschaft geben will, so nenne man sie Fortschritt, und wenn man sich von diesem Letzteren Rechenschaft geben will, so nenne man ihn Morgen. Das Morgen verrichtet unwiderstehlich seine Aufgabe, schon heute beginnt es damit und immer gelangt es zum Ziele. Es braucht einen Wellington, um aus Foy, der nur ein Soldat war, einen Redner zu machen.

In Hougomont fiel Foy, um auf der Rednerbühne wieder aufzuerstehen. Das ist die Art des Fortschritts; für diesen Arbeiter giebt es kein schlechtes Werkzeug. Waterloo, welches vermittelst des Degens dem Umsturz der europäischen Throne mit einem Male ein Ende machte, hat keine andere Wirkung gehabt, als die Arbeit der Revolution in anderer Art fortzusetzen. An die Stelle des Säbels trat die Macht des Gedankens. Waterloo hat das Jahrhundert nicht aufhalten können. Dieses ist darüber hinweggegangen und hat unbeirrt seinen Weg weiter fortgesetzt. Es steht noch ein Sieger über diesem Sieg – die Freiheit. Mit einem Worte, dasjenige, was zu Waterloo triumphirte, hinter Wellington lächelte, ihm alle Marschallsstäbe Europas und, wie man sagt, auch den Frankreichs einbrachte, was triumphirend das Löwendenkmal errichtet und stolz das Datum des 18. Juni 1815 auf dasselbe geschrieben; dasjenige, was den mit vernichtender Wuth die Flüchtigen verfolgenden Blücher mit Muth erfüllte: das war die Contrerevolution, die Gegenrevolution, welche jenes infame Wort »Zerstückelung« aussprach. Bei ihrer Ankunft in Paris sah sie den Krater in der Nähe, sie fühlte die brennende Asche desselben unter ihren Füßen, sie besann sich und stotterte eine Verfassung heraus.

Wir müssen in Waterloo nichts als Waterloo sehen. Freiheit, beabsichtigte Freiheit – niemals! Die Contrerevolution ist gegen ihren eigenen Willen liberal geworden, ebenso wie Napoleon – eine correspondirende Erscheinung – ohne daß er es wollte revolutionär war. Robespierre zu Pferde – am 18. Juni 1815 wurde er aus dem Sattel gehoben.


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