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Der Fortgang

Am ersten Morgen fragte ich den Wirt um Schreibzeug und ob jemand da sei, der dem Prälaten Romanos einen Brief überbrachte. Der Wirt fragt, ob ich ein Bittsteller sei. Ich antwortete: »Was geht das Euch an? Sorgt um Eure Wirtschaft!« Er setzt ein tückisches Gesicht auf. Ich sage: »Weil Euch die Neugierde übel plagt, mögt Ihr wissen, daß der Prälat mein Oheim ist.« Da wollt er mir zu Füßen fallen. Demnach war der Oheim ein großer Herr.

Nun schrieb ich ihm, daß ich Gott gelobt hatte, nie ein Weib anders zu lieben als in der Liebe Christi, daß ich meinem Gelübde zuwidergehandelt und mit dem Schwert wider den Vater gestanden hatte, und wie das alles gekommen war, und daß ich nun den Heiligen Vater anflehen wollte, mich davon zu lösen. Denn ich bedachte, daß er ein Diener des Herrn war. Von meinem Erbe zu reden, mochte sich wohl einmal schicken.

Da nun der Bote mit dem Briefe unterwegs war, sah ich mir vom Fenster aus das Treiben auf der Straße an. War freilich ein bunter Bild, als auf der Straße von Goslar. War ein Gedränge, als sollt' ein Kaiser gekrönt werden. Kommt auch ein Zug daher, als wär's ein kaiserlicher. Trabanten drängen das Volk zurück. Die Leute fallen auf die Knie. Dachte, es wäre der Heilige Vater. Neben ihm steht ein deutscher Kaufmann, der sagt: »Seht an, der Kardinal Cibo! Wahrlich, die Pfaffen verstehn's bester als wir Kaufleute. Wann werden die Völker klug, daß sie ihre Dukaten nicht länger in diese Kloake werfen?« Ich sage: »Das ist wohlgetan, daß er als ein großer Herr einherzieht! Sonst glaubt das Volk, er vermöchte nichts.« Da ich nun eben von meiner holdseligen Else geschrieben hatte, gedachte ich ihrer und setzte hinzu: »Auch ist solchen der Prunk zu gönnen, die aus edlem Hause sind und dennoch den Frauen entsagen.« Schlägt der Kaufmann ein Gelächter auf und lacht unmäßig. »Was soll das Lachen,« sag' ich zornig, »Ihr seid wohl ein Hanswurst?« Er lacht immerfort und sagt: »Spracht Ihr von dem Kardinal Cibo?« Wendet sich um und ruft in den Saal: »Ihr Herren, diesen Edelmann jammert des Kardinals Cibo, weil er müsse den Frauen entsagen!« Gab ein groß Gelächter; es lachten alle, die im Saale waren. So mußt' ich wohl erkennen, wie es um das Gelübde des Kardinals bestellt war, und daß alles Volk davon wußte. Dachte in meinem Sinn: Die um den Heiligen Vater tun übel, daß sie ihm dies Ärgernis verschweigen. Wissen wohl selbst nicht davon. Setzte mir vor, was ich gehört hatte, dem Oheim zu offenbaren.

Der entbot mir nun, er freue sich von Herzen, ich solle doch bald kommen. Da es um die elfte Stunde war, nahm ich den Boten zum Führer und machte mich zu Fuße auf den Weg, wiewohl der Wirt sagte, einem Edlen stehe die Sänfte an. Denn ich war begierig auf die römischen Herrlichkeiten. Als wir durch das Gewühl der Straßen gingen, wollte mir freilich das wirklichte Wesen, wo keine Seele von der anderen wußte, gar nicht behagen. Da ich aber teils wahrnahm, teils von meinem Führer belehrt wurde, daß da Italiener, Deutsche, Engländer, Franzosen, Spanier und Portugiesen durcheinander gingen, bedacht' ich, daß diese Völkerscharen sich hier gesammelt hatten, weil sie an den dreieinigen Gott glaubten, und daß er den Nachfolger Petri für alle Zeiten zu seinem Statthalter auf Erden bestellt hat. Fiel mir aufs Herz, wie so ganz ohnegleichen des Papstes Hoheit und Gewalt und wie seines Amtes Bürde für einen Menschen fast zu schwer sei. Hatte einen Zorn wider Luther, als einen der Ehrfurcht ermangelnden Geist.

Da wir hinaus an das Ufer der Tiber kamen, wurden der Menschen weniger. Die Häuser lagen in schönen Gärten und waren gleich Fürstenschlössern, als wäre dies Rom eine Stadt von Königen. Vor einem der Schlösser bleibt der Bote stehen und sagt: »Dies ist das Haus des ehrwürdigen Prälaten Romanos.« Gefiel mir nicht übel. Ich dachte, so muß auch das Erbe fürstlich sein.

Im Hause fand ich eine Schar von Dienern, die waren gekleidet wie bei uns mancher Edle nicht. Sagten, ich müßte warten, der Ehrwürdige sei noch nicht zu sprechen. Antwort' ich: »Was soll das heißen, ich bin ein Edelmann und des Prälaten Vetter!« Stoße die Türen auf und gehe durch die Gemächer. Steht in einem ein Tisch mit einem Imbiß. Daran sitzt ein Frauenzimmer, das war gekleidet wie ein ehrbar Weib außer in ihrem Kämmerlein nicht sollte, item ein starker Herr in einem rotseidenen Morgengewand, der setzt einen Becher Wein an die Lippen. Das Frauenzimmer läuft hinaus. Der Mann springt auf und schreit: »Was untersteht Ihr Euch?« Da ich nun denke, das kann er nicht sein, antwort' ich: »Was untersteht denn Ihr Euch im Hause des Prälaten? Den such' ich, den Prälaten Romanos!« Er sieht mich an und ruft: »Bei Gott, Ihr seid der Vetter Odo!« Umarmt und küßt mich, daß mir der Weindunst beschwerlich fiel. Mußte nun mit ihm tafeln. Dies Frühmahl war köstlicher und reicher als bei uns ein Festmahl, und das Geräte eitel Gold. Er fragt mich dies und das, ich antworte und sehe ihn mir an. Hatt' eine krumme Nase, die war noch röter als das Gesicht sonst, einen großen Mund und ein Unterkinn. Gemahnte mich fast an unseren Freund, den dicken Beuchter, doch waren des Oheims Augen groß und feurig wie eines Kriegsmannes, da des Beuchters Augen klein und ohne Glanz wie Schweinsaugen sind. Gab meine Antworten kurz und gut, wie ich's wußte, denn ich kannte die Welschen noch nicht.

Der Vetter hat es gar bald herausgeholt, daß der Wolfstein verpfändet war, und daß uns daraus Ärgernis erwuchs. Nun fragte er schließlich ohne Harm, wie es schien, ich wäre wohl auf Reisen, um Geld zu gewinnen. Da mußte der Fuchs zum Loch heraus. Ich sagte, nicht um zu gewinnen, sondern um zu holen, was mein ist. Fragt er einfältig: »Was ist denn Euer?« Antwort' ich: »Die Gelehrten des Rechtes sagen, ein Kindesteil aus dem Erbe meines Großvaters, der Euer Vater war.« Schießt ein böses Gleißen aus seinen Augen. Er sagt: »Das dacht' ich! Warum schriebt Ihr denn von Eurer Seele Not, und nicht Eures leeren Beutels? Aber so verfuhr auch Euer Vater, da er die reiche Braut holte. So verfahrt ihr Deutschen immer.«

Packt mich der Zorn, daß ich am liebsten Blut gesehen hätte. Stehe auf und sage: »Ihr seid mein Oheim und ein Priester des Herrn, ich bin Euer Gast. Sonst müßten wir die Schwerter kreuzen. Eins von den dreien hat ein Ende, Euer Gast bin ich nicht länger.«

Da ich die nächste Tür öffnete, war es die falsche. In dem Zimmer stand ein Ruhebett. Eine Dame hatte darauf gelegen. Die sprang auf, lachte mich an und rief: »Das ist schön, daß Ihr mich besucht, Ritter Odo! Warum seid Ihr aber so böse? Hab' ich Euch unwissend eine Kränkung angetan?«

»Schöne Frau,« sagt' ich, »Ihr habt mir nichts getan, denn ich sah Euch nie vor diesem Augenblick. Ich müßt' Euch denn vor einer Stunde gesehen haben.«

Sie schüttelt den Kopf und sagt leichthin: »Das war ich nicht, das war ein Lotterweib.«

»Wie kommt ein Lotterweib an des Prälaten Tisch?« frag' ich.

»Was geht das mich an,« sagt sie dagegen.

Steht der Prälat in der Türe, krebsrot im Gesicht, und schreit: »Was sucht Ihr im Zimmer meiner Nichte? Schert Euch aus dem Hause!

Packt mich abermals der Zorn und ich antworte: »Oheim Prälat, laßt ab, sonst vergess' ich, daß Ihr beides seid! Ein Wolfsteiner duldet keinen Schimpf.«

»Wollt Ihr einem Romanos drohen?« schreit er. »Gasparo, mein Schwert! Gasparo!«

Wirklich kommt ein Diener schon hereingelaufen.

Die Dame sagt: »Gasparo, Ihr sollt den Tisch abräumen, Seine Ehrwürden und der deutsche Ritter sind gesättigt.« Sie schloß die Tür und sagte ernsthaft: »Setzt euch und haltet Frieden, wie es edlen Herren im Frauengemach ziemt. Sagt doch, Herr Odo, was soll das heißen: Ein Wolfsteiner duldet keinen Schimpf? Wie, wenn er dieses Stolzes ungeachtet beschimpft wird?«

»So muß der Frevler mit mir fechten auf Tod und Leben,« sag' ich.

»Wie aber,« fragt sie weiter, »wenn er Euch tötet? So habt Ihr wohl den Schimpf mit Eurem Tode gerochen? Wie, wenn er kein waffenfähiger Mann ist?«

Ich antworte: »Mancher geht ans Gaugericht. Das tät' ich nicht. Ein Schimpf, den ein Niedriger nach mir wirft, erreicht mich nicht.«

»Schönen Dank, Herr Odo,« sagt sie spöttisch. »Bin auch kein waffenfähiger Mann, soviel ich weiß.«

»Eine edle Dame schimpft nicht,« antwort' ich.

Sie fragt: »Und wenn sie beschimpft wird?«

Ich antworte: »Der Gemahl, Vater, Bruder, wahrt der Frauen Ehre, sofern Ehre zu wahren ist.«

Sieht sie mich an und fragt: »Für was haltet Ihr mich?«

Da hält' ich fast gesagt, für einen Dämon. Denn es war ein Dämon in ihren Augen. Besinne mich aber und sage: »Seid Ihr des Prälaten Nichte, so seid Ihr meine Base.«

Der Prälat, der tief gebückt auf dem Ruhebette sitzt, fährt auf und schreit: »Was Nichte, was Base! Ihr Vater war mein Freund, ich erbarmte mich ihrer, da er starb, so lautet die Historia.«

Sie wendet sich auf ihrem Sessel nach ihm, schlägt die Arme unter und sieht ihn an. War ein Blick, wie ich ihn sonst mein Lebtag nicht gesehen habe und werd' ihn mein Lebtag nicht vergessen.

Der Prälat nickt aber schon wieder vor sich hin und ist am Einschlafen.

Sie sagt spöttisch, mit Augen wie ein Höllengeist: »Kann sein, er glaubt jetzt an sein Erbarmen, denn er war diese Nacht beim Heiligen Vater zu Gast. Im Vatikan ist des Tafelns und Zechens kein Ende, ehe der Tag anbricht.«

Da erschrak ich und rief: »Der frommen Gespräche, wollt Ihr sagen!«

Sie klatschte in ihre Hände und lachte, daß der Prälat auffuhr und etwas sagte, das man nicht verstand. Schlief aber gleich wieder ein.

Nun war es mir, als wäre sie dennoch dieselbe, die ich vorhin am Frühstückstische gesehen hatte.

Schwieg davon still, weil sie es nicht wissen wollte. Sie besaß aber die Kunst, die Gedanken in des Menschen Seele zu lesen, sei es, daß ihr großer Verstand ihr dazu verhalf, sei es, was nur Gott weiß, daß sie ein Dämon war. So sagte sie: »Ihr wollt Euch nicht erklären, für was Ihr mich haltet, weil Ihr fürchtet, mich zu beleidigen. Ihr tut wohl, daß Ihr das fürchtet, denn das sollt Ihr Euch gesagt sein lassen, Ritter Odo, Francesca Marcellini rächt einen Schimpf anders als ihr Ehrenfesten. Wer mich beleidigt, stirbt.«

Sie hatte ein bleiches Gesicht und schwarze Augen, die waren so groß, wie ich an keinem Menschen nie keine gesehen habe.

Da, wurde sie wieder freundlich und sagte: »So mögt Ihr doch wissen, für was ich Euch halte: Ihr seid ein Dichter!«

Das mißfiel mir, und ich antwortete: »Ein Kriegsmann bin ich!«

Sie lachte kurz auf und sagte spöttisch: »Nun seh' ich wohl, daß Ihr ein Deutscher seid.«

Hatte daheim nicht viel darum gesorgt, ob ich ein Deutscher sei oder was sonst. Hier war's anders. Der Spott wurmte mich, daß ich sagte: »Dafür sei Gott gedankt, daß ich kein Italiener bin!«

Zogen sich ihre Brauen zusammen, daß ich vermeinte, ich hätte sie beleidigt und sie dächte wohl schon, wie sie mich ums Leben bringen wollte. Aber sie blickte wieder hell und rief mit Lachen: »Was seid Ihr für ein Mensch! Wollt Ihr Eure Mutter verleugnen?«

Ich war betroffen und wußte nichts zu antworten. Sah sie mich mit ihren großen Augen an, daß ich dachte, ist sie ein Geist, so ist sie nicht von der Hölle, sondern vom Himmel, und sagte ernsthaft: »Ihr tut Euch unrecht! Kriegsleute gibt es und gab es immer zu Tausenden, Dichter sind selten. Im Vatikan gibt es freilich Dichter wie Schmeißfliegen, nur haben sie den Fehler, daß sie keine sind. Zweifach las ich, daß Ihr einer seid. Zuerst in Eurem Briefe. Das anderemal in Euren Augen. Ein Dichter mag sonst häßlich sein wie der Teufel, an den Augen erkennt man ihn. Dies Zeichen trügt nicht.«

Da war mir wohl und weh wie nie in meinem Leben. Kann sein, daß sie mich schon damals verzaubert hat. Kann aber auch anders sein. Das ist gewiß, daß sie nicht war wie die Menschen sonst sind.

Nun war der Oheim aufgewacht, ich weiß nicht wodurch, und fragte mißgelaunt, was sie von meinen Augen geredet hätte. Sie antwortete hochmütig: »Warum habt Ihr's verschlafen? Konntet's hören, wenn Ihr wolltet!«

Fuhr er wütend auf, aber ich kam ihm zuvor und sagte: »Erlaubt, daß ich für heute meinen Abschied nehme.«

Da hielt er sich wie ein Weltmann und sagte, das erlaubte er nicht, ich müßte bei ihm wohnen. Fiel mich ein Schrecken an darüber, daß ich mit dem schönen Dämon unter einem Dache schlafen sollte. Sagte rasch, ich wollte für mich allein wohnen, hätte viel zu schreiben. Auf das zog Francesca die Brauen zusammen und wandte sich ab. War mir zumute, als hätt' ich die ewige Seligkeit ausgeschlagen. Wenn der Oheim zugeredet hätte, so hätt' ich ja gesagt. Gott lenkte seinen Sinn, daß ihm mein Weigern lieb war. Gott wußte, was er tat. Ich nicht.

Der Oheim sagte, ich solle bei ihm zu Nacht speisen, er hätte einige Herren und Damen geladen. Ehe ich antworten konnte, fuhr Francesca dazwischen, was ihm einfiele, die Gesellschaft würde mir nicht anstehen. »Ei was,« sagt der Oheim, »er ist ein deutscher Ritter, das sind ausgelassene Brüder.«

War der Weinteufel, der ihn so unbedacht reden ließ.

Francesca sagt: »Ihr habt wohl seinen Brief nicht gelesen?« Der Oheim fragt: »Soll er die Welt nicht kennen lernen?« Sie antwortet: »Das ist die niedrige Welt, er soll die hohe erfahren, die will ich ihn lehren. Wollt Ihr mein Schüler sein, Herr Odo?«

Kam es über mich, daß ich mein Knie beugte und sagte: »Ja, bis an mein Ende!«

Denn sie stand vor mir wie ein göttliches Bild.

Der Oheim schlägt ein Gelächter auf und schreit: »Du willst ihn die hohe Welt lehren, du?«

Da wurde aus der lichten Göttin ein böser Geist, und sie rief ihm schreckliche Flüche zu, die ein Christ nicht niederschreibt.

Ich aber schied ohne Abschied aus dem Hause, und war mir draußen unter Gottes Sonne, als wäre ich einem höllischen Zauber entronnen. Das hielt aber nicht vor. – –

Da ich mich zurück nach dem Wirtshause gefunden hatte, fragt' ich den Wirt, wo ich eine Wohnung mieten könnte. Er sagte, die wären alle teuer und schlecht. Ich antwortete: »Nun seh' ich, daß die Wirte in Italien dasselbe sind wie die deutschen, nämlich Schelme.«

Da lachte er, als hält' ich gar leutselig mit ihm Spaß getrieben. Ein Eckensteher, der das gehört hatte, machte sich an mich, er wüßte eine Wohnung. Sie lag nicht weit, so machten wir uns gleich auf den Weg. Er sagte, das Haus gehöre einem jungen Edelmann aus dem altrömischen Geschlechte der Valentini. Er lebe einsam und gewähre fremden Pilgern aus edlem Hause Quartier, nicht um Geld, sondern zu seiner Unterhaltung. Ich sagte, das wollte ich nicht. Er antwortete: So wäre es nicht gemeint, es wäre eine Schaffnerin da, der könnt' ich mich erkenntlich erweisen. Das kam mir wunderlich vor. Nun hob er aber schon an einer Haustür den Klopfer und ließ ihn hallen. Eine alte Frau öffnete, er sagte, er brächte einen Gast. Sie antwortete unzufrieden: »Der letzte war kein Edelmann, du hast uns betrogen.« Er schrie bei allen Heiligen, ich wäre einer. Mir gefiel das nicht, und ich sagte: »Was soll das Schwatzen, ich will hier nicht wohnen.« Da verneigte sich die Alte und sagte: »Kommt herein, Ihr seid ein Edelmann!«

Drinnen war es dunkel und kalt wie in einem Totenhause. Die Alte hatte eine lederne Tasche, daraus nahm sie einen Schlüssel und führte mich in einen Saal. Da war es so prunkvoll wie bei dem Oheim, doch war die Seide verschossen und brüchig, und im Holze saß der Wurm. Dazu war ein Geist in diesem Hause, der machte das Herz schwer.

Dauerte nicht lange, so kam der Valentini. Mochte nicht älter sein als ich, hatte aber ein schmales Gesicht und einen traurigen Blick. Habe ihn auch weder damals noch später jemals lachen sehen. Könnt' in diesem Hause nicht anders sein. Er bezeugte sich aber so liebreich, daß mir wurde, als wär' er mein Bruder. Denn ich wußte noch nicht, daß dies der Welschen Wesen ist. Er wollte mir auch überall gefällig sein. Den Papst sollt' ich morgen um die Mittagsstunde in den Gärten des Vatikan aufsuchen, da ließe er sich ansprechen. Er selbst wolle mich einführen, er sei wohlgelitten. Die Absolution würd' ich leicht erlangen. Ob ich mein Recht gegen den Romanos erlangen würde, hinge aber von der Laune des Papstes ab. Sein Vorgänger auf Petri Stuhl, der Rovero, sei ein wahrer Herrscher gewesen, diese Medici seien Geldwechsler ohne Herrschersinn. Der Papst gewähre den Launen zuviel. Das empörte mich, daß ich aufstand und rief: »Wie mögt Ihr so über den Heiligen Vater sprechen! Ärger treibt es der Luther nicht!«

Er sah mich an und sagte höflich: »So will ich es lassen, wenn es Euch beschwerlich fällt. Ihr habt wohl Augen zu sehen. Was gedenkt Ihr sonst vorzunehmen?«

Ich sagte, daß ich diesen Nachmittag die Witfrau Maria Adorna besuchten wollte, meines Lehrers Schwester. Denn ich wußte von Vulpesius, daß sie den Namen ihres Gatten Dorn in Adorna gewandelt hatte. Da pries der Valentini meinen Stern, der mich zu der Heiligen Roms führe, statt wie die meisten Pilger zu den Dirnen.

Empörte mich zum andernmal, er aber sagte rasch: »Ich will das nicht gesagt haben, was Euch kränkt, Ihr seid mein Gast. Sie ist zu bewundern, daß der Weihrauch, den man ihr streut, ihren Verstand noch nicht erstickt hat.«

Ich wußte nicht, wie ich das nehmen sollte, und fragte, ob die Römer alten Frauen Weihrauch streuten. Erfuhr aber, daß es die Tochter war, die hieß auch Maria.

Der Valentini nahm seinen Abschied wie ein Weltmann. In allem, was ich bedürfe, würde die Schaffnerin sorgen. Das hat sie redlich getan, es hat mir an nichts gefehlt. Hab' auch müssen redlich dafür bezahlen. Die Alte verblieb aber dabei, sie nehme das Geld hinter dem Rücken ihres Herrn, daß er sich nicht durch seine Großmut zugrunde richte.

Den Nachmittag mietete ich eine Sänfte, denn der Weg war lang, und es war hier im Anfang des März so heiß wie bei uns im Juli.

Die Weiblein hatten ein Eigentum, einen Garten mit einem Häuschen darin. Der lag an der Stadtmauer und war auch an den anderen Seiten mit einer hohen Mauer umzogen, so daß es gar still darin war. Hab' nicht irgendwo einen stilleren Winkel gesehen als dies Gärtlein in der Weltstadt Rom.

Als ich die Träger entlohnt und die Gartenglocke gezogen hatte, öffnete mir eine zierliche Matrone, die ihrem Bruder, meinem Vulpesius, so ähnlich war, daß sie mir nicht wie eine Fremde erschien. Da sie hörte, wer ich sei, schlug sie die Hände zusammen und rief: »So hat mein Kind wiederum wahr geträumt!«

Indem kam die Tochter schon aus einer Laube. Sie war ein sittig Mägdlein. Ihre Wangen waren zart, daß man glaubte, man könne hindurchsehen, dazu hatte sie goldbraunes Haar, daß in der Mitte gescheitelt war und schlicht über Schultern und Nacken fiel. Ihr Blick war fromm und ihre Stimme sanft. So wunderte es mich nicht, daß man sie die Heilige nannte.

Sie gab mir die Hand und sagte: »Das ist schön, daß Ihr da seid, den mein Oheim liebhat. Ich wußt' es seit dem November, daß Ihr kommen würdet, denn ich sah Euch im Traum, wie Ihr auf einer Klippe standet und Euch nach Rom sehntet. Die Klippe lag aus dem Gipfel eines bewaldeten Berges. Die Sonne war im Sinken.«

Da sie mich betroffen sah, lächelte sie und fuhr fort: »Ihr seid erstaunt, daß ich eine Tagesschläferin sei. So bin ich nicht. Gott senkt mich in Schlaf, wenn er mir Fernes oder Künftiges offenbaren will. Das ist dann immer eine Wendung meines Erdenweges.«

Ich sagte: »So will ich beten, daß sie zur Sonne führe!«

Sie antwortete: »Das Gesicht kam von Gott. Also führt es zum Guten, ob durch Lachen oder durch Tranen, wer weiß es.«

Nun fing die Mutter an, ich sollte mich erfrischen, und da ich das abwies, wir wollten ins Haus gehen, ich müßt' erhitzt vom Wege sein. Als Maria hörte, daß ich mich hatte tragen lassen, meinte sie, ich hätte nicht weise getan, die Träger fühlten sich nach ihrer Arbeit wohler, als ich nach meinem Nichtstun. Ich entgegnete, sie hätten's vorhin um so schwerer gehabt. Plage und Lust hielten einander wohl die Wage, nur daß mir als einem Nordländer die Hitze beschwerlicher fiele. Sie antwortete: »Ihr habt wohl recht, aber Ihr solltet dennoch zu Fuße gehen. Jedem ist sein Becher Plage zugeteilt, er trinkt sich leichter aus freien Stücken.«

Ich mußte bei mir lachen über das Mägdlein, das wie ein Leutepriester tat, und fragte: »Wie weit habt denn Ihr Euren Becher leer getrunken?«

Rief die Mutter dazwischen: »Ach lieber Gott, seht Sie an, das arme Ding! Scheint nicht die Sonne durch sie hindurch?«

Maria errötete und sagte: »Laßt Mutter, ich mag das nicht.«

Da ich sie nun auf das Wort der Alten betrachten mußte und doch sah, daß ihr das beschwerlich fiel, sing ich wieder an und sagte: »Gibt doch Menschen genug, denen ihr lebelang wenig Plagen und viele Wonnen zugeteilt sind.« Antwortete Maria: »Sähet Ihr durch den Schleier des Irdischen hindurch, Ihr sprächet anders. Was ist denn Sterben, als daß sich der Geist vom Körper löst! Je fester nun ein Geist an die Luft der Erde verstrickt ist, um so schmerzhafter vollzieht sich die Lösung. Er kann auch nicht eins sein mit Gott, ehe denn er sich von dieser Lust bis auf das geringste Stäubchen gereinigt hat. So ist ein Samenkorn von Wahrheit selbst in der groben Fabel vom Fegefeuer.«

Das durchschauerte mich, das sie so leichthin über Gottes Strafgericht redete, da mir doch so gewiß wie die Wahrheit war, daß sie nicht aus Frevel sprach, sondern aus großer Liebe Gottes.

Die Mutter aber klagte: »Mädchen, du redest dich noch auf den Scheiterhaufen!«

Maria hob den Blick zum Himmel und sagte: »So will ich Gott preisen, daß er mir seine Krone verleiht. Die Glut der Flammen sei willkommen, sie badet die Seele rein vom Erdenstaub, wie sie das Gold von den Schlacken reinigt!«

Da jammerte mich des zarten Mägdleins, gleich, als sähe ich sie schon auf dem Scheiterhaufen, und ich sagte: »Wünscht Euch das nicht, Maria. Ich bin ein Kriegsmann und will manche Marter auf mich nehmen. Ob ich aber in der Feuerqual nicht verzagen würde, das weiß ich nicht.«

Maria sagte heiter: »Gott legt den Seinen nicht auf, was über ihre Kraft ist. Wenn sich der Märtyrer an seinem Pfahl windet, und er will verzweifeln an Gott, gerade dann steigt ein Engel vom Himmel und trägt ihn ins Paradies.«

Die Alte jammerte: »So helf' mir Gott! Bei Tag und Nacht sorg' ich, wie ich mein Herzenskind vor Krankheit behüte, und sie wünscht sich den Scheiterhaufen!«

Da sie ihre Mutter zu Tode betrübt sah, tröstete sie Maria und sagte mit Lachen: »Sorgt weiter, liebe Mutter, es hat gute Weile. Solange sich's Papa Leo auf Petri Stuhl bequem macht, geschieht mir nichts. Dem ist ein Verstoß wider die Ciceronianischen Feinheiten eine ärgere Sünde als Ketzerei. Seine festlichen Nächte störe ich nicht, und seinen Handel mit Kardinalshüten verderbe ich ihm nicht. Warum sollte er mir gram sein?«

Ich sagte: »Bitt' Euch, hört davon auf.« Die Mutter stimmte mir voll Eifers bei, solche Reden seien noch gefährlicher.

Maria sah mich aufmerksam an und fragte: »Ihr seid wohl ein treuer Sohn der Kirche?«

Ich antwortete: »Was kann es Erhabeneres geben, als daß eine große Kirche alle Völker vereint, und daß Gott selbst ihr Haupt für alle Ewigkeit eingesetzt hat! Drum ist mir der Luther verhaßt, weil er die Ehrfurcht vor dem Erhabenen zerstört.«

Die Mutter konnte sich des Lachens nicht enthalten, Maria aber sagte ernsthaft: »Wenn ich Euch raten soll, brecht Ihr morgen bei Tagesanbruch auf und verlaßt Rom für immer. Den Luther kann ich zwar auch nicht lieben, es ist zuviel Zorn in ihm.«

Ich wollte nicht glauben, was ich hörte. In meinem Innern aber konnte ich nicht länger zweifeln, daß es mit der Kirche nicht stand, wie es sollte.

Da mir nun die Lossprache, um die ich gekommen war, verdächtig wurde, gedacht ich meines Wolfsteins, und daß es dort jetzt rauh und kahl sei, da hier ein Duft von Zitronenblüten wehte. War mir zumute, als hält' ich Else verraten.

Maria schien zu träumen und die Alte überließ sich ihren Ängsten um die Tochter.

Bei diesem Schweigen war es dunkel geworden. Maria hatte ihr weißes Gesicht gegen die Laube gelehnt, als ob sie schliefe, ihre Augen waren aber weit geöffnet.

Zuletzt sagte die Mutter: »Mein Kind, die Nacht hat dich wieder traurig gemacht. Laßt uns hineingehen.«

Maria sagte mit leiser Stimme: »Liebe Nacht, lieber Schmerz! Was dünkt Euch, Herr Odo? Ist nicht die Traurigkeit der Nacht köstlicher, denn alle Jubelchöre des Lichtes?«

Ich mußte der Nacht voller Angst und Wonne gedenken, die meines Hierseins vornehmste Ursache war, und schwieg.

Die Mutter jammerte wiederum: »Was Leben hat, freut sich der Sonne, du allein fliehst sie!«

Maria antwortete, und es war wohl mehr für mich als für die Mutter gesagt: »Ist das die Wahrheit, was alles Volk dafür hält? Herrlich ist der Tag, zumal, wenn er ausgefüllt ist mit Mühe und Arbeit. In der Nacht aber ist die Erde still und die Seele vernimmt die leise Sprache Gottes. Der Duft der Blumen ist sein Hauch, die Sterne sind die Tränen seiner unendlichen Liebe.«

Ich fragte: »Muß denn Liebe weinen?«

Sie antwortete nicht. Da wurde mir das Herz so weit, daß ich wohl hätte sterben mögen. Setzte mich aber zur Wehr und sage trotzig: »Die Kirche lehrt es anders.«

Sie antwortete: »Was hat dieser prunkvolle Bau mit der leisen Sprache Gottes zu schaffen?«

Die Mutter sagte in ihrer Not: »Es ist genug, laßt uns hineingehen und zu Nacht speisen.«

Maria fügte sich mit Seufzen.

Wir aßen bei einem Lämpchen auf schneeweißem Linnen. Die Mutter und ich hatten Brot, Eier und Käse, Maria verzehrte nur einige Bissen grünen Salates.

Die Mutter hatte wieder zu klagen, es würde noch dahin kommen, daß Maria nichts äße. Die sagte: »Man sollt' es auch lassen, es ist ein häßliches Tun.«

Fragt' ich, ob sie es immer so gehalten habe. Antwortete sie: »Es gab eine Zeit, da ich Speise und Trank nahm wie ihr. Da ich aber die Tiere ansah, daß sie von Fleisch und Blut sind wie wir, und daß ihr und unser Leben eins ist, nur geschieden durch den Geist, da widerte mich des Fleisches. Danach aß ich noch Fische. Da sich aber der Geist meiner immer mehr bemächtigte, widerstanden mir auch die. Mag auch die Kräuter nicht gekocht essen, sie sind gekocht irdischer, als wie sie die Natur schafft.«

Die Mutter, deren Hunger nicht gering war, mochte das nicht hören und sagte, es wäre nicht recht, daß sie noch nicht nach ihrem Bruder gefragt hätte. So mußt' ich erzählen. Als ich berichtete, wie er nicht hatte mitreisen wollen, sagte Maria: »So ist der Oheim auch einer von den Weisen!«

Zum Beschlusse fragte die Mutter nach meiner Wohnung. Da sie hörte, daß ich bei dem Valentini wohnte, schalt sie auf ihn, er wäre ein großer Narr und ein Schelm dazu. Maria sagte: »Mutter, wie mögt Ihr so hart sein. Sehr zu beklagen ist der Valentini. Gott hat ihm Geist gegeben, die Wahrheit zu erkennen, aber ein Dämon hat ihm eine Binde um die Augen gelegt. So klammert er sich an das Phantom eines Phantoms, an den Glanz seines Hauses, der nicht wiederkehrt.«

Ich fragte, was es damit wäre, und die Mutter wollte mir gleich erzählen, aber Maria sagte: »Herr Odo hört' es wohl von anderen, von uns soll er nicht mit einem schwarzen Bilde scheiden.« –

In den Straßen war fast noch mehr Volk als am Tage, und die Fackeln leuchteten gen Himmel. Mir erschien aber der stille Garten schöner. War froh, als ich das rechte Haus gefunden und die Alte mir in mein Zimmer geleuchtet hatte. Das Bett war wohl bereitet und die Decken von Seide, aber ich hatte keine gute Nacht, denn es träumte mir immerdar von einem Höllensohne mit grassem Blick, stark wie ein Stier, der durch das Haus schlich und mich ermorden wollte.

Des anderen Tages sagte der Valentini: »Den Traum senden die Geister der Meinen, oder der sie umgebracht hat. Den grassen Blick hatte er und die Stierkraft auch. Cesare Borgia hieß der Höllensohn, wie ihr ihn nennt. Er war der Sohn des Papstes Alexander, aber es macht nichts aus.«

Rief ich erschrocken: »So ist es wahr, daß dieser Papst Kinder gezeugt hat! Wie hat ihn Gott gestraft, daß sein Sohn ein Mörder wurde!«

Der Valentini sagte kalt: »Die Strafe war, daß der Cesare auch seinen Bruder umgebracht hat, der des Papstes Liebling war. Sonst hat der wohl nicht viel gegen das Rauben und Morden gehabt, denn er hat mitgetan.«

Da rief ich: »Herr, nehmt das zurück, so kann es nicht sein!«

Er aber hörte mich nicht, denn er hatte sich nur im Zaume gehalten und jetzt übermannte ihn der Zorn. Er ballte die Faust und rief: »Räuber in den Pyrenäen waren sie, diese Spanier, diese Borgias, da meine Ahnen Herren der Welt hießen! Räuber und Mörder sind sie geblieben! In einer Nacht hat der Höllenhund umgebracht, was Valentini heißt. Mich allein hat die alte Bianca, die Ihr kennt, beiseite geschafft und mich vor der Mordgier dieser Bestie verborgen, bis die beiden Vipern an ihrem eigenen Gifte erstickt sind. Gottes Rache hat sie verblendet, daß sie das Gift getrunken haben, das sie ihren Gästen in den Wein gemischt hatten.«

Ich saß betäubt und vermochte nicht zum zweitenmal zu sagen, er solle das zurücknehmen. Denn es war an dem ersten Tage schon zuviel von dem festen Bau der Kirche vor meinen Augen zusammengestürzt. –

Um die Mittagsstunde begaben wir uns selbander in die Gärten des Vatikan. Der Valentini führte mich umher und hieß mich die kunstvollen Anlagen betrachten, es hätte Zeit, der Papst käme sobald nicht. Merkte wohl, daß ich Mut schöpfen sollte. Das tat nicht not, ich war voller Unlust, aber nicht voller Angst.

Dauerte nicht lange, so begegneten uns zwei Kirchenfürsten, die gleich guten Freunden miteinander plauderten. Ich dachte aber, der zur Rechten müsse der Papst sein.

Der Valentini trat hervor und beugte das Knie. Der Papst ließ ihn aufstehen und sagte freundlich: »Mein Valentini, was bringst du?«

Wunderte mich, daß er ihn du nannte, als wäre er sein Knecht. Erfuhr aber später, daß es eine Gunst war.

Der Valentini antwortete: »Einen Edelmann aus Deutschland, den jungen Odo vom Wolfstein. Er bittet um die Erlaubnis, Eurer Herrlichkeit den Fuß zu küssen.«

Der Papst wandte sich zu mir, ich trat hervor, beugte das Knie und wollte ihm den Fuß küssen. Gestern hätte ich das mit Freuden getan, denn der Statthalter Gottes war mir fast nicht wie ein Mensch erschienen. Heute machte es mir Verdruß. Er trat aber zurück und fragte den Valentini, ob ich Lateinisch verstände. Der antwortete, ich vermöchte das Italienisch wie ein Römer. Der Papst sagte auf italienisch: »Mein Sohn, steht auf, wartet mit dem Kusse bis zum nächsten Empfange, Ihr möchtet Euch die Lippen bestäuben.« So stand ich aus. Er hat ein über die Maßen kluges Antlitz, hielt sich wohlgepflegt, und sein Blick und Wesen war wie eines Hofmannes. Wollte mir wunderlich vorkommen, daß der sollte der Heilige Vater sein. Er fand aber ein Wohlgefallen an mir, winkte seinem Begleiter und dem Valentini, daß sie sich hinter uns hielten, und hieß mich neben ihm gehen. Da er mich nun fragte, ob ich ein Pilger wie die anderen wäre oder ein Anliegen hätte, bracht' ich's nicht über mich, von meines Gewissens Bedrängnis zu reden, und berichtete, daß ich mein Erbe als Enkel des Ritters Romanos forderte. Wandte sich der Papst um und sagte in lateinischer Sprache, von der er glaubte, daß ich sie nicht verstände: »Ihr Lieben, wir nennen unseren Accolti fälschlich den Einzigen, der Name gebührt diesem deutschen Ritter, der nach Rom gekommen ist, um Geld zu holen!« Das machte mir Mißbehagen, daß der Kirche hohes Haupt solche Rede führte. Er deutete aber meine Unlust falsch und sagte, ich solle den Nachmittag in seine Kanzlei gehen und mein Erbrecht nachweisen, er wolle sorgen, daß mein Oheim sich mit mir abfinde. Hiernach fing er an von Deutschland zu reden, daß es ihn jammere, wie so viele verirrte Seelen einem harten Fegefeuer und sogar der ewigen Verdammnis verfielen. Ich ließ meine Galle wider Luther los. Er sagte liebreich: »Es gefällt mir, daß Ihr voll Eifers seid, wie es der Jugend ansteht. Mir geziemen Milde und Besonnenheit. Dieser Luther ist kein geringer Geist, auch nicht von Natur böswillig, sondern er hat sich selbst verirrt, ehe er andere in die Irre geführt hat. Es ist noch Zeit, daß er zurück in den Schoß der Kirche kehre. Ich würde ihn nicht als ein zürnender Richter bestrafen, sondern als ein Vater, den er betrübt hat. Danach wollt' ich ihn zu verwenden wissen als einen starken Pfeiler der Kirche.«

Fiel mir das Wort der Maria Adorna ein, und ich entgegnete: »Mir kommt nicht zu, Eurer Heiligkeit zu widersprechen, doch hört' ich sagen, es sei zu viel Zorn in diesem Menschen. Das hab' ich als wahr erkannt, denn es ist durch ihn eitel Zorn ins deutsche Land gekommen.«

Er antwortete mit großer Sanftmut: »Wir wollen ihn auch hierin als einen Verirrten beklagen, nicht verdammen. Merkt Euch, mein Sohn, die Wahrheit siegt in dieser Welt nicht ohne Zorn. Ihre Stimme ist zu leise, als daß sie an die Herzen der Menge rührte. Wer sich berufen fühlt, eine heilige Botschaft zu verkünden, der muß den Zorn wider das Heillose in den Menschen erregen, sonst hört niemand auf seine Stimme. Wir lieben den Zornigen nicht, aber wir wissen uns seiner zu bedienen. Wenn dieser Luther den Zorn, den er zu erregen weiß wie kein Zweiter, wider die Feinde der heiligen Kirche, statt wider diese selbst kehrte, so wäre er in dem göttlichen Konzert eine volltönende Posaune.«

Das griff mir an die Seele, daß der höchste Herr so milde über einen Menschen sprach, der ihn so tief beleidigt hatte. Sagte, ich hätte vorhin aus großer Befangenheit mit der Wahrheit zurückgehalten, hätte noch ein Anliegen, so und so. Da ich zu Ende war, blieb er stehen und sah mich groß an, gleich als wüßte er nicht, was aus mir zu machen wäre. Zuletzt aber sagte er mit einem Lächeln, das ich nicht sehen sollte: »Mein Sohn, Ihr seid von Euren Sünden und Eurem Gelübde entbunden.«

Als er sich nun anschickte, uns zu entlassen, fragte er mich, in welcher Gegend mein Geschlecht ansässig sei. Ich glaubte nicht, daß ihm meine Heimat bekannt wäre, er sagte aber: »Das wundert mich, daß der rauhe Hercynenwald einen Hellenen erzeugt, denn Ihr könntet eher als der Fernhintreffer Apollon gelten, denn als ein deutscher Edelmann. Wollt Ihr heute mit mir zu Nacht speisen? Ihr sollt mein Ganymed sein.«

Sein Begleiter sagte: »Heiligkeit wolle sich der Einladung des Agostino Chigi erinnern.«

Der Papst sagte, das sei wahr, ich solle morgen kommen und der Valentini auch.

Der meinte unterwegs, bei dem Heiligen Vater ginge es hoch her, bei dem Chigi noch höher, da würde in einer Nacht so viel verpraßt, daß man hundert arme Familien ein Jahr davon ernähren könnte. Er sei der Geldmann des Papstes, das gäbe wohl einen besseren Gewinn, als Petri Stuhl selber, davon die Nepoten und Schmarotzer das Beste nehmen. Nur dürfe es der Heiligkeit nicht beikommen, sich zur Unzeit davonzumachen. So viel an ihr liege, würde sie das nicht tun, sie fürchte den Tod dermaßen, daß sie das Wort nicht hören möge.

Ich glaubte das nicht, sagte aber nichts, denn ich merkte, daß die Römer nicht abließen, unehrerbietig vom Heiligen Vater zu sprechen.

Des Nachmittags begleitete mich der Valentini in die Kanzlei. Der Referendarius wußte schon, daß ich kommen würde. Ich gab ihm die Urkunden, daß meine Mutter gestorben und ich ihr einziges Kind sei. Er legte sie beiseite und sagte, es hätte schon seine Richtigkeit, man wisse auch, daß der verstorbene Romanos nur den einen Sohn und diese Tochter hinterlassen habe, er wolle mir ein Instrument zustellen.

Draußen sagte der Valentini: »Fortuna fliegt heran, greift sie, ehe sie vorüberflattert! Diese Kreatur tat nach ihres Herrn Wink. Und hättet Ihr ihm leeres Pergament gegeben, der treffliche Beamte würde Euer Erbrecht beglaubigen. Wenn Ihr Papa Leo zu nehmen wißt, könnt' Ihr von ihm haben, was Ihr wollt. Wie wär's mit dem Kardinalshut?«

Das ging mir nicht übel ein. Kam mir selbst vor, als sei mir der Heilige Vater gewogen. Konnte sein, daß er mir einen Posten als Hauptmann bei seinen Truppen gab. Wie die Dinge lagen, waren Kriege in Aussicht. Konnte mir in diesen reichen Landen Beute genug machen. Nahm ich dazu, was mir der Oheim geben mußte, so mocht' ich einen Grundbesitz erwerben, der dem Wolfstein nicht nachstand. Gedachte meiner Else und war froh.

Da ich aber im Hause Valentini war, nahm der Dämon, der da wohnte, wieder von mir Besitz, daß ich in eine Unruhe fiel. Kann auch sein, daß es nicht der Dämon des Hauses war, sondern einer, der von fern wirkte.

Flüsterte er mir ins Ohr, es wäre gut, wenn ich den Oheim besuchte und mich in Frieden mit ihm abfände. Das fing nicht friedlich an, der Oheim fuhr wie ein Besessener auf mich los, er hätte mich richtig erkannt, ich hätte mich bei dem Papst eingeschmeichelt, wollte ihm das Seine abfinanzen. Fiel es mir aufs Herz, daß der Mann, der seiner Würde ganz vergaß und in seinem Fett keuchte, meiner Mutter Bruder war. Erwiderte nichts, senkte den Kopf, als würde ich nach Verdienst gescholten und dachte, dieser Dämon hätte mich übel zum Narren gehalten, das beste wäre, ich machte mich eilends davon. Den Gedanken sandte Gott. Der Dämon aber flüsterte, Francesca würde kommen und dem Oheim sein Schelten verweisen, der aber würde sich in seiner Beschämung mit mir einigen. Hatte der Dämon leichtes Spiel, denn es war mir in Wahrheit greulich, mit meiner Mutter Bruder um Geld zu hadern.

Dauerte nicht allzulange, öffnete sich die Tür und Francesca trat herein. Sie war zum Reiten angezogen und sah frisch und munter aus. Das Weib hatte es an sich, daß sie einen oftmals in Erstaunen setzte dadurch, daß sie sich anders verhielt, als man erwartete. Sie lachte aus vollem Halse und rief: »Scheltet besser, Hochehrwürden, was ist das für ein Schelten, darin ist keine Kraft!« Zuletzt verließ den Oheim die Vernunft ganz, er schrie Francesca an: »Du bist auch so eine raubgierige Bestie, schert euch beide zum Hause hinaus!« Sie rief: »Das lassen wir uns nicht zweimal sagen!« Nahm mich bei der Hand und lief mit mir hinaus. Auf ihr Geheiß wurde mir eins von des Oheims Pferden gesattelt, denn er hielt einen erlesenen Marstall.

Solange wir durch die Stadt ritten, wurde Francesca von vielen aufs ehrerbietigste gegrüßt, so daß ich einen Argwohn, als wäre sie des Oheims Konkubine, fallen ließ. Heute weiß ich, daß sie es früher gewesen war. Ob damals noch, das habe ich nicht erfahren und nicht danach geforscht. In diesem Rom wurden auch solche, die es keineswegs bei einem Liebhaber bewenden ließen, als ehrbar angesehen, wenn sie nicht faulenzten, sondern Gelehrsamkeit besaßen. Ob das vor Gott und den Menschen recht ist, darüber habe ich nicht zu befinden. Wer es ansah, vermeinte, es könne nicht anders sein.

Vor dem Tore dacht' ich, nun sollt' ein scharfes Reiten anheben. Francesca ließ aber ihr Pferd noch langsamer gehen, daß wir gemächlich reden konnten. Fing sie an: »Ihr wolltet keinen Schimpf dulden, und der Romanos hat Euch angelassen wie einen Galgenvogel.« Ich sagte: »Er ist mein Oheim.« Sie hetzte weiter: »Das merkte man. Hätt' ich Euch nicht hinausgeführt, er hätte den Rohrstock hervorgeholt.« Schoß mir das Blut zu Kopfe, ich sagte aber gelassen: »Er ist mein Oheim und ein Priester, gleichwohl hätt' er sich nicht sollen an mir vergreifen. Das ist aber alles müßig, wie könnt' ein Prälat seiner Würde so vergessen, daß er zum Prügel griffe, gleich einem betrunkenen Handwerker!« Sie sagte zornig: »Der ist zu manchem fähig, die Welt kennt diesen Menschen nicht.

Seht den Goldfasan! Stolziert wie ein König im Goldmantel, aber seine Art ist nicht eines Edelvogels. Könnt' ich zaubern, ich macht' Euch zum Falken, daß Ihr ihn niederstießet. Wollt Ihr mein Falke sein?«

Da sie das sagte, hatte Francesca ihr Pferd dicht an meines gedrängt und sah mich mit ihren schwarzen Augen an, daß mich fast ein Grauen überkam. Ich antwortete höflich: »Schöne Dame, ich wäre gern Euer Falke, aber ich scheue die Kette am Fuß.«

Lachte sie schrill auf und gab ihrem Pferde einen Schlag, daß es sich aufbäumte und mit ihr davonging. So trieb auch ich mein Pferd an. Konnte sie nicht einholen, weil sie das edlere Pferd hatte, blieb ihr aber auf den Fersen. Das ging wohl eine halbe Stunde und war ein tolles Reiten, zumal die Straße, die noch aus der alten Römerzeit stammte, schlechter gehalten war, als die Straßen in Deutschland.

Als wir wieder im Schritt nebeneinander ritten, lachte sie mich an und rief: »Sagt mir, was Ihr denkt, Ritter Odo!« Ich sagte die Wahrheit, aber nicht die ganze, mein Gedanke sei, der Papst hätte unehrliche Beamte, da er der reichste Fürst auf Erden sei und gewiß nicht wolle, daß die Straßen in seinem Lande schlechter seien als anderswo.

Nun hatte ihr Lachen ein Ende, mir aber wurde so weh wie ihr. Sie besaß, wie schon gesagt, die Kunst, der Menschen Gedanken von der Stirn zu lesen. So wurde sie wieder frohen Mutes und sagte: »Wollt Ihr nicht mein Falke sein, so habt Ihr Euch doch zu meinem Schüler gelobt. Gebt Rechenschaft, Schüler Odo, was habt Ihr seit gestern geschafft?«

Ich sagte, ich wüßte nicht anzufangen, sie müßte mich unterweisen. Sie dachte, wie es schien, ernstlich nach und sagte zuletzt: »Die Sänger aller Zeiten und Länder vereinen ihre lieben Stimmen im Preise schöner Frauen. Setzt, ich wäre schön, so schön wie die Sonne dort im West. Die Aufgabe sei, mir das zu sagen, wie ein Dichter spricht.«

Man konnte ohne Beschwer in die Sonne sehen, sie war im Verscheiden. Das verstörte mir den Sinn und ich fragte erschrocken: »Wollt Ihr denn vergehen in Eurer Schönheit Blüte?«

Rief sie aus tiefer Brust: »Ja, wenn ich sterben kann, wie die Sonne versinkt!«

Gewann aber bald ihre Heiterkeit wieder, nickte mir zu und sagte: »Der Anfang war nicht übel für einen Schüler. Weiter, mein Sänger!«

Ich mußte sie ansehen, wie schön sie war in ihrem Frohsinn. Sagte, weil ich kein Ovidius wäre, wüßt' ich nur ohne Schmuck, aber auch ohne Falsch zu sagen, daß sie gewiß ein Wunderwerk des Schöpfers sei.

Warf sie den Kopf zurück und rief im Ärger: »Seid Ihr ein Gebetbuch oder ein Mensch? Ich glaube, Ihr habt wahrhaftig Milch in den Adern!«

Das wurmte mich. Streifte meinen Arm auf, gab ihr meinen Dolch und sagte: »Macht die Probe!«

Sie besann sich nicht und stach, daß mein Blut herausquoll. Da glaubt' ich, sie würde erschrecken, aber sie sagte mit Lachen: »Was ist doch Blut für ein edler Saft! Saht Ihr je einen Wein so herrlich funkeln? Das ist die wahre Schönheit!«

Ich blickte sie an, da hatte sie Augen, wie sie ein Tiger haben mag, wenn er zum Sprunge kauert. Sprach mein Engel: Sie ist eine Hexe, sag', dir wäre übel, reite gen Rom und fliehe ihren Anblick! Entgegnete mein böser Geist: Soll ein Weib einen Ritter in die Flucht jagen? Der behielt die Oberhand.

Francesca zeigte sich abermals verwandelt. Sie zog ihre Handschuhe aus, legte sie auf die Wunde und wickelte ihren Schleier darum. Diese Dinge verwahre ich noch. Ist ein Zauber darin, denn ich bring' es nicht über mich, sie in das Herdfeuer zu werfen, wie ich sollte.

Wurde in der Ferne eine Burg sichtbar. Francesca sagte: »Seht, das ist mein Kastell, dahin will ich Euch führen. Der Romanos hat es mir vor Jahren geschenkt. Der Geldsack will sich nicht erinnern, ich weiß aber, wie ich seinem Gedächtnisse aufhelfe.«

Kam mich die Lust an, sie zu reizen, und ich sagte: »Wie könnt' er verschenken, was unser beider ist?«

Sah sie mich groß an und entgegnete: »Das habt Ihr nicht gesprochen.«

So hatte sie mir auch diesmal meinen Gedanken von der Stirn gelesen. Fiel mir nichts ein, als daß ich ihr versprach, wenn die Burg in mein Erbteil käme, wollt' ich die Schenkung bestätigen. War ein leichtfertiges Wort. Erhielt' ich die Burg, mochte sie mein ganzes Erbe sein, denn es ist eine Feste, mit der sich der Wolfstein nicht messen darf. Das taten die Handschuhe und der Schleier. Sollte mich aber bald noch ein stärkerer Zauber verstricken.

Francesca fiel in ihre höhnische Laune und sagte: »Wenn Ihr aber weder die Burg noch sonst etwas erhaltet, mein sanfter Ritter?«

Da war ich betroffen, denn sie sprach mit großem Nachdruck und ihr Dämon blitzte aus ihren schwarzen Augen. So kamen wir schweigend vor der Burg an. Da sich nichts rührte, hob sich Francesca im Sattel, rief mit scharfer Stimme, ob das Volk eingeschlafen wäre, und schlug mit der Reitgerte ans Tor. Bald kam der Hausmeister mit einem Diener, die taten kläglich. Wunderte mich, daß Francesca ihre Dienerschaft in Furcht hielt. Da ich es näher bedachte, wunderte es mich nicht mehr. Der Hausmeister sah mich an, erstaunte und hätte gerne gesprochen, wagte es aber nicht.

Die Sonne war hinunter, Francesca wollte nicht lange rasten. Auf dem Burghofe standen ein Tisch und Stuhle, da sollt' ich sitzen. Sie ging hinein, wollte für einen guten Wein sorgen.

Die Burg war anders gebaut als bei uns die Burgen, auf drei Seiten waren hohe Mauern, nach vorn eine niedrige, und in den drei hohen waren Laubgänge, vier übereinander. Das war traulich anzusehen. Wurde mir wonnig zu Sinne, hatt' einen wachen Traum, als hält' ich mich, da ich ein Kind war, in der Fremde verloren und wäre nun heimgekehrt. Das war, was ich aber nicht wußte, weil meine Mutter in dieser Burg aufgewachsen war.

Kam Francesca wieder heraus, brachte selbst den Wein, einen goldnen Becher auf goldner Platte. Sie schritt rasch und hoch aufgereckt, wie sie pflegte, und ist doch nicht ein Tropfen übergeflossen. War ein Bild, das einen Maler froh gemacht hätte. Sie setzte die Platte auf den Tisch, nahm den Becher, sah mir ins Auge und trank mir zu. Da ich ihr Bescheid tun wollte, sagte sie: »Ist das Sitte in Deutschland, so taugt sie nichts, Ihr müßt mich ansehen!«

Mein Engel rief lauter, als ich ihn je vernommen habe: Tu das nicht! Aber sie bannte mich mit dem Blick, daß ich ihr ins Auge sehen und den Becher trinken mußte bis zur Neige.

Sie hatte einen Liebestrank in den Wein gemischt, der fuhr mir in die Adern, daß ich mich frischen Mutes fühlte und sie hätte mögen auf den Armen davontragen.

Von da an erschien sie mir wonnevoller denn alle Freuden des Paradieses. Hätte wohl um ihrer Liebe willen mein Unsterbliches den bösen Mächten überantwortet, wenn mein Engel mich nicht vor dieser Versuchung bewahrt hätte.

Wir saßen im Burghofe und sprachen miteinander, nicht von Liebe, aber in ihrer Glut.

Der Mond war aufgegangen, ohne daß ich seiner geachtet hätte. Da wir aber heimritten, gedachte ich, daß derselbe Mond auch über dem Wolfstein leuchtete, und daß ich in seinem Schein mit Else gesessen hatte. Da tat ich einen Seufzer. Francesca sagte, was mir sei. Schoß es mir in den Sinn, daß ich Eifersucht erregen wollte, um Liebesglut anzublasen. Sagte, ich müßt' einer holdseligen Jungfrau gedenken, hieße mit Recht die Heilige bei den Römern, die hätte gestern um diese Stunde über den Frieden der Nacht gesprochen. Wußte wohl, daß ich mich in eins an Maria und Else versündigte, wohl auch an Francesca. Der Liebeszauber wirkte aber dermaßen, daß ich mich noch anderer Dinge unterstanden hätte.

Wollte Gott, Francesca hätte auch diesmal meinen Gedanken gelesen. So grob die Falle war, sie ging hinein. Fragte mit Lachen, wer die Heilige sei. Danach höhnte sie, die Adorna kennte sie, das wäre eine Komödiantin, äße vor ihren Verehrern Rosenblätter, und wenn sie allein wäre Torten und Fleischpasteten. Das Lachen und Höhnen war aber anzuhören wie Furiengezisch.

Ich sprach dawider, nicht um sie zu reizen, sondern um die Wahrheit zu ehren. Sie sagte zuletzt, sie wollte selbst sehen, ich müßte versprechen, sie einzuführen. Das versprach ich ungern, denn was sollte daraus Gutes erwachsen.

Im Hause des Prälaten war es dunkel, Francesca sagte, er äße zu Nacht bei dem Agostino Chigi. Klopfte mein Herz, daß es mir fast wehetat, ich fragte aber harmlos, ob ich ihr Gesellschaft leisten sollte. Blitzten ihre Augen mich an und sie sprach: »Die Nacht ist voller Frieden, Ritter Odo; geht zu der heiligen Adorna!« Lachte hell auf und ließ mich stehen.

Im Einschlafen graute mir vor dem Gespenst in meinen Träumen. Das blieb aus. Ich wandelte aber in einer Einsamkeit mit Else und Maria. Stand eine Hexe mit grauenhaftem Blick in der Ferne, die glitt plötzlich heran und erwürgte beide Jungfrauen. Ich mußte es ansehen, vermochte kein Glied zu bewegen.

Kann sein, daß dieser Traum aus meinen Gedanken entstanden ist. Das bleibt aber bestehen, daß ich im Hause Valentini fast keine Nacht ohne bösen Traum zugebracht habe.

Des anderen Abends ließen wir, der Valentini und ich, uns in Sänften zum Vatikan tragen. War ein großer Einzug von Gästen, darunter so erlauchte, wie der Botschafter des Königs der Engländer, und so geringes Volk, wie bezahlte Narren und Poeten.

Ein Haushofmeister bezeigte den Vornehmen die Reverenz und wies die Geringeren an ihre Plätze. Fragte mich, ob ich der und der sei. Ich merkte wiederum, daß ich in Gunst war. Er bat mich sehr höflich, ihm zu folgen, führte mich in ein Gemach, da waren Haarkünstler an der Arbeit und Komödianten kleideten sich um. Stellte der Mensch mir das Ansinnen, ich sollte mich in leichte Schleier hüllen, als Ganymed auftreten. Ich erklärte kurz ab, das tät' ich nicht. Er sagte, ich sollte mich nicht sträuben, die Heiligkeit selbst hätte dies angeordnet. Entgegnete ich, wenn ich mein Leben in dieser und jener Welt verlöre, ich täte es nicht. Er ging mit einem tückischen Gesicht von mir. Ich trieb unter den Gästen. Keiner sah mich an. Der Valentini kam zu mir und sagte: »Was habt Ihr gemacht? Die Sonne der Gnade ist untergegangen, Ihr habt Fortuna lassen davonflattern.« Er blieb aber bei mir, da wurde ich ihm zugetan und dachte: Das ist ein treuer Freund.

Hörner wurden geblasen, das Festmahl sollte beginnen. Kam der Haushofmeister, neigte sich tief und sagte: »Edler Herr, Euer Platz ist neben der Heiligkeit.« Da war die Sonne wieder aufgegangen.

Der Papst war voller Güte, wollt' ich nicht sein Ganymed sein, so ernenne er mich für diese Nacht zu seinem Mundschenk. Er trank auch nicht von einem neuen Wein, ehe ich ihm vorgetrunken hatte. Man sagt, er argwöhne, die Franken wollten ihn vergiften.

Das hatt' ich in Deutschland nicht gedacht, daß ich bei dem Heiligen Vater ein Mahl einnehmen sollte wie keins in meinem Leben, noch daß es dermaßen ausgelassen dabei zuginge.

Ward ein Gericht aufgetragen von winzigen Fleischstücken, in Wein gesotten, das sagte mir nicht zu, ich ließ davon auf meinem Teller. Sah mich der Papst groß an und sagte: »Mein Sohn, weißt du auch, was du verschmähst? Das sind Papageienzungen, es hat auf des Lucullus' Tisch nie ein kostbareres Gericht gestanden.« Entgegnete ich, mir wäre eine wohlzubereitete Ochsenzunge kostbarer. Sei es, daß er mich necken oder meinen Verstand erproben wollte, er sagte: »Wohin du blickst, siehst du entzückte Gesichter, willst du klüger sein als mein Hof und meine Gäste?« Gab ich ihm zur Antwort: »Denen schmeckt nicht die Speise, sondern das Geld, das sie gekostet hat. Die Welt hat Narren jeder Art, sie muß auch Narren des Gaumens haben.«

Da ich das gesagt hatte, bereute ich es. Er blieb aber freundlich und sagte: »Du bist scharf, man muß sich vor dir hüten. Ich höre aber eine dreiste und witzige Antwort lieber, als eine alberne Schmeichelei.«

Bis in die Nacht hinein wurde getafelt. Mir wurde der Mut schwer, weil dergleichen nicht in mir liegt.

Nach Tisch deklamierte einer der Poeten ein lateinisches Gebet an Christus, Maria und alle Heiligen, sie sollten den Papst, dieser Mensch nannte ihn eine Gottheit, der Welt noch recht lange erhalten, weil sie ja im Himmel genug seien. Ich sah den Papst an, dachte, wenn ihn nicht der Frevel erzürnte, müßt' ihn doch das alberne Ding ärgern. Er war aber wohl zufrieden.

So ging ich hinaus, geriet in ein Zimmer, darin ein Schreibtisch war, setzte mich in einen Sessel. Die Wände waren hier nicht mit Gestalten des Himmels oder des Olympos bemalt, sondern dunkel gehalten. Das tat mir wohl nach all der Pracht. Mußte des himmlischen Marmorsaales gedenken, der sich mir, da ich im Tal schlief, geöffnet hatte, wieviel schlichter der war und wie man doch seiner Herrlichkeit nie könnte überdrüssig werden. Da hört' ich singen so schön, daß ich heute, wo ich schweren Mutes bin, fast wieder froh werde, wenn mir das Singen im Ohr klingt.

Es war aber ein Gesang in vier Stimmen, die einander flohen und wieder suchten. Dergleichen hatt' ich nie gehört. Glaubte, es wäre nicht ein Singen von Menschen, sondern von Cheruben und Seraphen.

Nun weiß ich nicht, wie das angefangen hat, es waren Mönche mit schwarzen Kappen um mich, die füllten bald alle Räume des Palastes, trugen Fackeln in den Händen und steckten sie an. Wurde aber nicht ein helles Feuer, sondern ein schwarzer Rauch, in dem kein Lebendiges atmen konnte. Ich wollte ins Freie, da verschwand das Gesicht. Mir war übel zu Sinne und ich blieb, wo ich war.

Öffnete sich die Tür, und es kamen zwei, der Papst und ein fremder Herr, den ich vorher nicht gesehen hatte. Ich wollte mich entfernen, aber der Papst fragte, ob ich des Hispanischen kundig sei, und da ich das verneinte, sollte ich bleiben.

Die beiden sprachen mehr als eine Stunde miteinander. Ich merkte wohl, daß es Staatsgespräche waren. Gewann abermals in einer neuen Art Ehrfurcht vor dem Papste, denn es war hoch hergegangen und war sonst alles voll Weines.

Als der Hispanier gegangen war, wandte der Papst sich zu mir und fragte: »Mein Sohn, warum hast du dich von den Fröhlichen abgesondert?«

Ich antwortete, es hätte mich getrieben, ich wüßte nicht was. Er sagte, das sei nicht gut, wie sollte es werden, wenn ich in die Jahre käme. Hiernach sah er mich mit seinen hellen Augen an und fuhr fort: »Du hast mir nicht die volle Wahrheit gesagt, sprich offen, was dich getrieben hat.« Da gedachte ich meiner Pflicht und sagte die Wahrheit, daß ich mich an dem Poeten geärgert hatte. Er war erstaunt, aber nicht beleidigt, sah mich abermals an und sprach: »Du hattest recht, daß du nicht Ganymed sein wolltest, hierin aber hast du unrecht. Das Gedicht war gar nicht übel, der Versbau ohne Tadel, das Lateinische von unantastbarer Klassizität, der Höhepunkt, daß sie im Himmel genug seien, sorgfältig vorbereitet und gut herausgehoben. Ihr Deutschen habt für diese Dinge wenig Sinn, dadurch entgeht euch mancher Genuß.«

Das traf mich dermaßen, daß ich meiner Jugend und seines Amtes Majestät vergaß und rief: »Soll denn ein Priester genießen?«

Er sprach in seiner freundlichen Weise fort: »Was die Vergnügungen des Geistes anbelangt, so sind sie nicht allein erlaubt, sondern sogar verdienstlich, schon weil sie von den groben Lüsten der Sinne ablenken. Die das leugnen, sind Bettelmönche ohne Erziehung und Geschmack. Aber auch die nicht dem Geiste angehörenden Freuden sind nicht verwerflich, sofern wir sie mit Maß betreiben und die Herrschaft über unsere Begierden nicht verlieren. So haben die edelsten Geister des Altertums, ein Platon, ein Cicero, ein Horatius und wie sie heißen, die Freuden des Lebens durchaus nicht verschmäht. Nur die Stoiker haben diese verdammt, aber aus Gründen, die ich nicht loben kann.

Weil nämlich mit allem Genießen notwendig Leiden verbunden sei, was Erfahrung und Philosophie allerdings bestätigen, halten sie einen Zustand der vollkommenen Gleichgültigkeit für den wünschenswertesten. So ist ihr Bestreben, wenn es sich auch auf einer höheren Stufe gehalten hat, doch nicht ohne eine gewisse Verwandtschaft mit dem jener schmutzigen Bettelmönche. Da mich aber dein erstauntes Auge zum zweitenmal an mein heiliges Amt zu erinnern scheint, so antworte ich ihm: Gott hat diese Welt nicht in Häßlichkeit geschaffen, sondern in Schönheit. Warum sollen wir seine Gaben nicht genießen, da er sie uns gegeben hat? Das wäre eher Undank denn frommer Sinn. Du magst dich ohne Skrupel mit uns an der Komödie ergötzen, die man nun spielen will. Oder hast du noch etwas zu fragen?«

Fuhr es mir heraus: »Ich danke Eurer Heiligkeit für die Lehre, aber der war doch ein Schmeichler.«

Lachte der Papst von Herzen und sagte: »Das ist wahrlich ein Deutscher von echtem Schlage!«

Ehe er weitersprechen konnte, öffnete sich die Tür und der Romanos kam herein. Er war übel betrunken und krächzte mit weinerlicher Stimme: »Da ist der lose Vogel! Die Heiligkeit verzeihe, ich muß diesen Lümmel umarmen!«

Ich schämte mich des Oheims und wehrte ihn ab, aber der Papst sagte ganz freundlich: »Laß uns allein, Romanos!« Da brach der Oheim in ein Geheul los, ließ sich aber von mir abführen.

Der Papst sagte mit Lachen: »Der alte Fuchs sitzt im Eisen, da treibt er tolle Dinge, sonst hat er sich bester in der Gewalt. Er soll aber nicht los, ohne daß er dir Gold läßt. Was nun dein letztes Wort betrifft, wähnst du, ich wäre so einfältig, daß ich die Schmeichler nicht durchschaute? Gib acht, es wird nicht lange dauern, so werden die Jungfrauen in Rom dir zulächeln, als wären sie alle in Liebe zu dir entbrannt. Einige werden das vermutlich auch sein, die anderen wissen, daß du des Papstes Günstling bist. Du aber würdest töricht handeln, wolltest, du dich nicht ohne gar zu strenge Prüfung an dem Lächeln aller wie an Blumendüften erfreuen. Sehr viele dieser Poeten sind mir zu Dank verpflichtet, einige sind mir gewiß dankbar. Ich freue mich, wenn es ihnen gelingt, den Dank in schöne Formen zu bringen, und frage nicht viel nach seiner Echtheit.«

Danach begab er sich mit mir in die Säle zurück und ich konnte wahrnehmen, daß ich im Umsehen ein großer Herr in Rom geworden war.

Von der Komödie aber schweige ich. Hier soll aufgeschrieben sein, wie alles entstanden und verlaufen ist, nicht aber ein solcher Unrat wie diese Komödie.

Hatt' ich vorhin wiederum Ehrfurcht vor dem Papst gefühlt wegen seiner Milde und Weisheit, so erschien es mir nun als der Komödie letzter Aktus, daß die aufbrechenden Gäste um seinen Segen baten. Schlich unbemerkt davon.

War mir wüst zu Sinn. Das Zechen versteht man zu Hause auch, aber es geht beizeiten an, und ich wüßte auch im Sommer nicht, daß es länger als bis zu der zehnten Stunde gedauert hätte. War auch immer übergenug. Hier dämmerte der Morgen, das machte mir Pein, gleich als müßte ich mich verstecken. Wenn ich nun bedachte, daß mein Gastgeber der Heilige Vater war, das Gewissen der Christenheit, wußt' ich nicht, ob mir nicht alles dies ein Traumkobold zuflüsterte und ich läge schlafend in meinem Turm auf dem Wolfstein. Wär' es so gewesen, es wäre viel Unheil nicht geschehen.

Der Valentini gesellte sich zu mir, wir saßen noch in seinem Saale zusammen. Das taten wir oft. War wohl so, daß uns beiden graute, schlafen zu gehen. Mag bei ihm sein Schutzengel gewesen sein, der ihn hat warnen wollen, aber umsonst.

Da ich über die Komödie schalt, sagte der Valentini mit dem Lächeln, das ich einzig an ihm gesehen habe, und das nur der Schatten eines Lächelns war: »Ich sagte ja, Ihr habt wohl Augen zu sehen. Diesmal aber nehme ich den Medici in Schutz. Derlei Komödien sind beliebt bei allen großen Herren, warum soll er eine Ausnahme sein?«

Antwortete ich trotzig, denn ich wollte mich nicht geben: »Weil er etwas Größeres ist als ein großer Herr.«

Der Valentini sagte höflich: »Ihr seid gewiß im Rechte, wenn Ihr über der Deutschen und aller Völker Gold, das hier zusammenfließt, Rechenschaft fordert. Es wird gewiß auch nicht in der Meinung verwandt, wie es gegeben ist. Dennoch muß ich auch hier den Medici bis zu einem gewissen Grade in Schutz nehmen. Rom ist wieder, was es im Altertum war, das Haupt der Welt, nur in anderer Art. Mag es um die Tugend und die Kriegstüchtigkeit bestellt sein, wie es will, die Wissenschaften und die Künste sind in der höchsten Blüte. Freilich, ein gutes Ohr hört im Vatikan das Ticken des Wurmes, der den Untergang weissagt.«

Der Valentini schwieg, und wir lauschten, wie der Holzwurm tickte.

Da erzählte ich ihm das Gesicht, das mir im Vatikan gekommen war.

Der Valentini sagte mit Ruhe: »Ihr habt die Zukunft geträumt. Entweder die Revolution Eures Luther siegt in der ganzen Welt, und es ist um das Papsttum geschehen. Oder dem Papste wächst seine Macht über den Kopf. Lange hat sich die Kirche reiten lassen wie ein Pferd, aber nun wird das ein Ende haben. Die Kirche wird nicht sein, oder sie wird stärker sein als der Papst. Unter dem Nachfolger des Medici, wenn nicht schon unter ihm, wird die Macht an die Bußprediger und die Ketzerrichter fallen. Wie es auch sei, die Zeiten des Glanzes gehen zu Ende. Raffaelo Santi ist zur rechten Zeit gestorben, Michelangelo hat Rom verlassen.

Es könnte sein, daß man später diese beiden höher einschätzen wird, als unsere lorbeerbekränzten Poeten zusammengenommen, und vielleicht gar den Michelangelo allein wiederum höher als die anderen. Der ist dem Medici nicht glatt genug, der Rovere wußt' ihn zu würdigen.«

Der Valentini schwieg abermals und schien zu träumen, ich aber mußt' ihn ansehen. Nie bin ich einem begegnet, der den Weltlauf so klar durchschaute wie er. Ihn zu hören, machte klug, aber nicht froh. Er hatte selbst keine Freude an den Menschen. Bald überkam mich eine Müdigkeit, daß ich mich schlafen legte, und schlief bis in den hohen Tag.

Da ich aufgestanden war, sagte der Valentini, der nicht geschlafen hatte: »Das ist gut, der Medici hat einen Boten gesandt, Ihr sollt um die Mittagsstunde im Vatikan sein. Er muß Euch für einen Poeten oder für einen Kenner halten, wir werden den ganzen Schwarm antreffen, wenn anders Euch meine Begleitung genehm ist.«

Da wir nun in den Saal geführt waren, saß der Papst in seinem Thronsessel, neben ihm standen einige seiner Großen, und ringsum lungerte ein Haufe dieser Leute, die sich Poeten nennen und nach seinen Goldstücken schnappen wie Hunde nach Knochen. Der Papst sah uns nicht, wie er denn kurz von Gesicht war. Ein Kardinal sagte ihm etwas, kam ein Diener und entbot mich zu ihm. Da ich das Knie vor ihm beugte, sprach er zu denen um ihn etwas von jenem Raffaelo Santi, daß der nicht hätte sterben sollen, und daß des Michelangelo Pinsel zu grob und sein Meißel zu gewaltsam seien. Sprach dann über die Maßen freundlich zu mir, ich sollte lernen auf rechte Art zu genießen, ließ einen Schemel bringen, und ich mußte zu seinen Füßen sitzen.

Trat einer vor, hieß Accolti, sang ein Lied zur Laute. Ich glaubte nun, die Worte wären das, worauf es einzig ankäme, und merkte nur auf diese. Waren abermals eitel Schmeichelverse auf den Papst. Da widerte mich dieser Lorbeergekrönten. Der Accolti schlug aber die Laute sehr schön, und in seiner Stimme war ein Schmerz, der doch Himmelslust war. Hörte bald nichts mehr von den albernen Versen. Währte nicht lange, so wußt' ich auch nicht mehr, daß ich im Vatikan, noch selbst daß ich der und der war.

Wachte auf, als er geendet hatte und ein Zujauchzen sich anhob, als hätten der Accolti und der Papst miteinander getauscht. Das liegt diesen Welschen in der Natur.

Der Papst hatte mich, wie ich nachher vom Valentini hörte, ohne Aufhören betrachtet. Nun sagte er: Ich müßte mich schlecht auf die Sprache des menschlichen Antlitzes verstehen, wenn nicht während des Gesanges unseres Accolti in diesem Haupte ein Kind der Musen gezeugt wurde. Ich sagte, ich hätte keinen Vers gemacht. Entgegnete er, das wüßte er wohl, das Kind wäre nur eben gezeugt, es müßte erst Gestalt annehmen. Ich sollte sagen, welche Gedanken mir gekommen wären. Da ich das nicht über mich brachte, verlangte er es ernstlich und wies den Accolti an, daß er zu meinen Worten leise die Laute spielte. Da stand ich auf, weil ich ihm gehorchen mußte, und sagte in einer Art von Singen, was ich zu sagen hatte.

Sang von einer Burg am rauhen Hercynenwald. Darin lebte eine junge Edelfrau, die hatte Liebreiz. Sie sang und spielte die Laute, sie ging ins Tal und pflückte Blumen, kleine blaue Glöcklein, die waren wie sie, lieblich und einsam. Der Graf hatte nicht bösen Willen, er wußte nichts von ihrer kleinen Welt. Sie bleichte hin und starb.

Sang von dem einsamen Weiler hoch oben im wilden Bergwald, wo die blauen Glöcklein blühen und verblühen. Niemand kommt und freut sich ihrer Schönheit.

Sang von einer Insel im stillen Südmeer. Nie wirft ein Schiff an ihren Gestaden Anker. Tief innen im Urwald steht ein Tempel, darin ist eine Göttin aus weißem Marmor, die schimmert rosig, wenn die Abendsonne scheint. Kein Auge sieht das Marmorbild, nur tückische Nashörner glotzen herein und Schlangen winden sich um die Säulen. –

Danach hatte ich nichts mehr zu sagen und schwieg. Die Poeten redeten unter sich, durften nicht laut reden, ehe der Papst sich äußerte. Der saß in Gedanken. Einer von denen, die um ihn standen, flüsterte etwas, da nickte er und sagte: »Mein Sohn, der Kardinal Soderini, der die Sitten der Völker zu kennen strebt, fragt an, welche Verrichtung dich hinauf in den Bergwald geführt hätte.« Da ich sagte, ich hätte es zu meiner Lust getan, verwunderten sich alle. Jener Kardinal fragte, ob das Sitte bei den Deutschen sei. Ich mußte bekennen, daß sich die Leute auch bei uns über mich verwunderten. Ging eine Bewegung durch den Saal, der Papst aber sagte mit Lächeln: »Mein Sohn, du bist jung. Auch wir haben in süßer Jugendtorheit manches getan, was uns heute unsinnig erscheint, wenn wir auch nicht gleich den Ziegen auf die Berge geklettert sind. Deine Dichtung aber ist, wie ich mir gedacht habe, ungestaltet. Wer von euch entschließt sich, diesen Apoll aus dem Hercynenwald die Versmaße zu lehren?«

Streckten alle Poeten die Hände hoch und schrien, sie wollten es und ich wäre wahrlich ein Apoll, nur der Accolti schwieg. Ich hätte mich um die Welt nicht zu einem von diesen in die Lehre gegeben. War aber schon dermaßen zum Hofmann geworden, daß ich sagte, die lieben Meister hätten wohl Besseres zu tun, mein Freund Valentini würde mir gewiß helfen. Des war der Papst zufrieden, denn er hielt Großes auf den Valentini. Ich aber gedachte insgeheim, auch den nicht zu bemühen, denn in meinen Adern brannte der Liebestrank.

Der Papst ließ dem Accolti einen Beutel Gold reichen, davon er sich einen mäßigen Grundbesitz kaufen konnte.

Da wir heimgingen, sagte ich im Ärger zu dem Valentini: »So wird unser gutes deutsches und aller Christenheit Geld vertan, daß diese hungrigen Poeten sich davon mästen!«

Der Valentini antwortete: »Es kam diesmal an den Rechten. Wenn Ihr dem Medici Euer Gedicht bringt, mögen Eure Verse sein wie sie wollen, Ihr werdet Euren Anteil an dem Golde der Christenheit empfangen. Um Eurer Kunst willen hat Euch der Medici nicht den Apoll vom Hercynenwald genannt.«

Sagt' ich voller Mißmut: »Die Meister wissen es wohl besser als Ihr.«

Der Valentini erwiderte mit sauerem Lachen: »Eben nanntet Ihr sie hungrige Poeten. Da der Papst gesagt hatte, der Santi hätt' Euch sollen malen, stießen sie einander an und fragten: Was hat er gesagt? Da der Accolti sang, ließ der Papst kein Auge von Euch, das haben sie sich gemerkt. Als Ihr mit Euren Schnurren zu Ende wart, sagten sie einander: Habt ihr auf die Folge der Wörter geachtet? Und die Deklamation? Und die edle Haltung? Denkt an mich, das ist ein Unsterblicher! Die lieben Meister wissen, daß Ihr fester als andere in der Gunst sitzt, denn der Medici ist der Knecht seines Auges. Eine traurige Knechtschaft, das Auge taugt nichts. Er hat einen Narren an Euch gefressen, weil er ein Narr der Schönheit ist. Seinem Auge sagt Ihr zu, der Geist hat nichts damit zu schaffen.«

So hetzte mich der Valentini und machte mich auf eine Zeit selber zum Narren, denn ich wollte nun als ein Dichter glänzen. Damals war ich in Rom bekannt unter dem Namen: Der Apoll vom Hercynenwalde.

Des Nachmittags ging ich zu dem Romanos. Francesca war ausgeritten, sollte erst zum Abend zurück sein. Er gebärdete sich, wie es nur diese Welschen vermögen, umarmte und küßte mich mit Hitze und schrie, er wüßte schon alles, ich wäre sein Stolz. Darauf ließ er Wein auftragen, den mußt' ich mit ihm trinken. Tat es ungern, der schwere italienische Wein sagte mir nicht zu, auch hatte der Oheim schon von seinem Mittagsmahl her einen roten Kopf. Ich dachte aber, Francesca sollte und müßte kommen.

Weiß nicht, ob der Liebeszauber so wirkte, daß sie wußte, wo ich war, oder ob ihr Dämon es ihr verriet. Sie stürmte die Treppe herauf, trat im Reitkleid und Federhut herein und rief mit Lachen: »Das wußt' ich! Nun darf ich den Apoll vom Hercynenwald meinen Schüler nennen. Der Kardinal Bembo hat es mir berichtet, da bin ich heimgeritten.«

Der Oheim fuhr dazwischen: »Was Schüler, was Bembo! Mein Neffe ist ein Meister, der soll dein Schüler nicht sein!«

Ich achtete seiner nicht und sagte, darum wär' ich gekommen, daß ich von ihr lernen wollte, der Papst verlangte das von mir. Sie warf sich in einen Sessel und rief: »Papa Leo ist kein Herrscher, aber es gefällt mir, daß er Euch erkannt hat, er ist der feinste Kopf in Rom. Laßt mich hören, was Ihr in Verse bringen sollt. Nehmt Euch den Schemel dort, der Schüler sitze zu des Meisters Füßen, so gehört es sich!«

Der Oheim war eingeschlafen und atmete rauh, ich sagte, zu der Laute des Accolti hätte sich's bester gesungen. Ließ sie ihre Laute bringen und schlug sie so schön wie der Accolti.

Da ich nun zu ihren Füßen saß und ihre großen Augen auf mir ruhten, wurde mir aus der Burg im Hercynenwald ein Kastell in der Campagna. Erfand einen Sang hinzu von einer hohen Seele, die ein dunkles Gestirn an eine niedrige angeschmiedet hätte, und welche Leiden sie erdulden müßte. Da wurde ich noch mehr ihr Eigen, als ich schon war. Wußte aber nicht und weiß auch heute nicht, wie mir das in den Sinn gekommen ist.

Als ich geendet hatte, war sie verwandelt und sagte ernsthaft: »Ihr sollt von mir wissen, welchen Namen Ihr Eurem Liede geben müßt', es ist das Lied von der einsamen Schönheit. Ich will Euch aber nicht helfen, es in Verse zu bringen. Ihr solltet nicht wieder an den Hof gehen, Odo, Ihr werdet sonst wie die anderen, Ihr und Euer Lied.«

Fiel mir der Valentini ein und sein Spott. Ich fragte, auf welche Art ich sonst ein Dichter sein könnte. Lachte sie mich an und rief: »Das weiß ich nicht! War vermessen, daß ich Euer Lehrer sein wollte, darin hat der Romanos recht.«

Da sein Name genannt wurde, wachte der Oheim auf, ohne daß wir seiner achteten.

Brannte der Liebestrank in meinen Adern, daß ich sie bat: »Wenn ich nicht Euer Schüler sein soll, was wollt Ihr denn, daß ich bin?«

Sie sagte mit einer Art von Zischen, das ihr zuweilen eigen war: »Mein Falke sollst du sein, willst du das?«

Krächzte der Oheim: »Nehmt Euch in acht, Neffe! Der Falke der Francesca Marcellini zu sein, das wird auch dem Stärksten zuviel, glaubt es mir!«

Francesca sprang auf und schrie: »Die Peitsche über dich Fettgesicht!« Fuhr auf ihn ein und schlug mit der Reitgerte nach ihm. Er wehrte sie ab, entriß ihr die Peitsche, schlug nach ihr und traf sie an den Arm. Das ging so rasch, daß ich nichts tun konnte. Francesca entblößte ihren Arm und klagte: »Will mein Falke das dulden?«

Da wußt' ich nicht mehr, was ich tat, lief zu meinem Schwerte, das ich abgelegt hatte, und schrie: »Euer Schwert, Romanos! Ich will Euer Blut!«

Der Oheim wollte entfliehen und warf den Tisch um, worauf noch Wein stand, daß ich darüber fallen sollte. Er hatte es aber versehen, verlor das Gleichgewicht, lag über dem Tische und brüllte um Hilfe.

Kam jener Gasparo hereingelaufen, hinter ihm andere Diener. Francesca sagte mit Ansehen: »Gasparo, Hochwürden hat einen Fall getan, bringt ihn zu Bette. Lebt wohl, Herr Odo, wir hoffen Euch bald wiederzusehen. Euer Oheim und ich.«

Reichte mir die Hand, und ich mußte gehen, solange die Bedienten noch im Zimmer waren. –

Da sich nun der Valentini erbot, mir die Kunst der Verse zu weisen, wollte ich nicht. Er sagte, lange dürfte ich nicht säumen, der Papst vergäße dergleichen nicht. Ich entgegnete, ich wäre des Hoflebens überdrüssig und ginge nicht mehr hin. Geriet er außer sich und rief: »Dieser Mann wirft Fortuna mit einem Fußtritt hinaus! Welcher Dämon ist in Euch gefahren?«

Fiel mir aufs Herz, daß es wohl ein Dämon sein konnte, wollte aber Francesca nicht nennen. Der Valentini grübelte, wie es in seiner Art lag, und sagte endlich: »Das letzte Erbe der Valentini, mein Haus, wollt' ich wetten, daß diese Karte von einer Frau gespielt ist: Nun ist die Frage, welcher Frau daran gelegen sein könnte, Euch von dem Medici fernzuhalten. Die Frage ist, wie getan, schon beantwortet. Ist der Romanos ruiniert, so ist es seine Kurtisane auch. Francesca Marcellini ist es, die Euch vom Hofe fernhalten will.«

Wußte ihm nicht zu antworten. Er sagte mißmutig: »Ihr sprecht nichts dawider, also ist es, wie ich sage. Ihr wißt wohl nicht, daß Francesca und ich das gleiche Schicksal haben. Auch die Marcellini sind von dem Höllenhund, dem Borgia, ausgerottet. Die Francesca hat der Lüstling Romanos in der Maske eines Edelmütigen zu sich genommen. Es verstimmt mich, daß sie in dieser Gemeinschaft ihres Blutes, des edelsten im Erdkreise, so ganz vergessen hat. Wie wir von Valentinus Maximus, so stammen die Marcellini von den Marciern.«

Es erschien mir nun selbst so, als ob Francesca ihr Spiel mit mir triebe, um das Geld ihres Galans zu retten. Wollte mir die Luft zum Atem ausgehen, sagte mir aber: Nimm dich zusammen, du bist ein Wolfsteiner! Tat gleichgültig und sagte laut: »Ihr habt doch nicht das gleiche Schicksal; mein Oheim, den Gott strafen wird, hat schändlich an der Marcellini gehandelt, die alte Bianca redlich an Euch.«

Er antwortete: »Diese alte Sibylle läßt niemand in ihr Herz blicken. Das Haus der Valentini stände längst im alten Glanze da, wenn es nach ihr ginge, das weiß ich. Ob sie dabei mehr an mich oder an sich denkt, und ob sie mich, wenn sie die letzte Hoffnung begraben müßte, beklagen oder hassen würde, das weiß ich nicht.«

In all meiner Pein schauderte mich vor dem kalten Herzen des Valentini. Als ich danach der alten Bianca ins Auge sah, schauderte mich zum anderen Male, denn ich sah eine so heiße Gier darin, daß man prophezeien mußte, die würde im Tode keine Ruhe finden.

In diesem Treibjagen von bösen Geistern beschlich mich ein Verlangen nach dem stillen Garten an der Stadtmauer. Es wollte Abend werden, dämmerte aber noch nicht, so ging ich hinaus. Traf diesmal Maria selbst, die lustwandelte im Garten. Begrüßte mich gar freundlich, stutzte aber und sagte erschrocken: »Wie seht Ihr aus, was müßt Ihr in den drei Tagen erlebt haben!«

Fiel es mir aufs Herz, daß es nur drei Tage waren. Ich antwortete aber: »Ihr sollt mich schelten, Maria, danach sollt Ihr mich lossprechen, wenn Ihr könnt. Ich habe mich vom Jähzorn reiten lassen und von aller menschlichen Narrheit.«

Führte sie mich in ihre Laube und sagte sanft: »Erzählt mir nichts, Ihr sollt ruhen und vergessen. Nehmt an, ich wäre gesund, Ihr aber wäret krank, denn so ist es wirklich. Soll ein Gesunder einen Kranken schelten? Erzählt mir dennoch, aber nicht von Rom, das kenn' ich viel zu gut, erzählt mir vom Wolfstein und vom Oheim Vulpesius.«

Ich tat, wie sie verlangte, da wurde mein Weh linde und war am Ende nur die Traurigkeit der Nacht, die Maria köstlicher genannt hatte denn alles Leuchten des Tages.

Die Mutter rief sie zum Essen, ich wollte nicht bleiben, sie brachte mich zur Gartentür. Da sie nun vor mir stand mit ihrem frommen Auge und ihrem goldbraunen Scheitel, kam es über mich, daß ich sagte: »Ihr seid wahrlich eine Heilige, Eure Nähe hat die Krankheit von meiner Seele genommen. Segnet mich, denn ich bin meiner Seele unsicher.«

Antwortete sie freundlich: »Was vermag eines Menschen Segen? Glaubt Ihr aber, daß mir eine Heilkraft verliehen ist, so kommt wieder, wenn Ihr Euch krank fühlt, denn dieser Glaube ist schon Erfüllung.«

Maria hatte dem Liebestranke seine Kraft genommen, auch konnte diese Nacht kein böser Traum an mich heran. Ich wollte aber auch am Tage nicht wieder an den Hof gehen; denn ich dachte, wenn ich Maria darum gefragt hätte, die hätte mir aus ihrem frommen Sinne nicht anders geraten, als Francesca aus ihrem Dämon.

Der Valentini sagte höflich: »Ihr habt recht, ich hab' es mir anders bedacht. Es ist, wie ich sagte, da wir aus dem Vatikan gingen, Ihr seid ein Kriegsmann. Was hat ein Kriegsmann, zumal ein Deutscher, mit den Musen zu schaffen? Wärt Ihr, was Euch der Medici im Scherz nannte, der Apoll vom Hercynenwald, es ließe Euch nicht Ruhe, daß Ihr den Lorbeer gewönnet.«

So wußte mich der Valentini mit den alten Schlangenkünsten aus dem Paradiese zu locken. Entweder war es ihm schon damals um einen Anteil an meinem Erbe zu tun, oder er wollte nur vor sich selbst erweisen, daß er auch noch da war. Denn er hatte sonst nichts in der Welt zu verrichten.

Ließ mich also vom Valentini unterweisen. Hätte nicht gedacht, daß die Dichtkunst ein so gelehrtes Werk sei. Das hat sie mir damals verleidet. Sollte mir Gott meinen frohen Mut wiedergeben, so wollt' ich mich wohl unterfangen, mein Lied zu singen. Sollte mich nicht verdrießen, daß es dem Papst wie rauer Barbarensang in den Ohren tönte, denn ihm wird deutsches Wesen ewig fremd sein. –

Er sandte desselben Tages, ich sollte vor ihn kommen. Zeigte sich, daß ich vom Romanos verklagt war, ich hält' ihn wollen totstechen. Der Papst ermahnte mich, daß ich den Zorn ablegen sollte. Verwies mich auf die Griechen, denen hätt' das schöne Maß als der Tugenden höchste gegolten. Das hätten dann auch die Besten unter den Römern eingesehen. Selbst der aus edlem Zorn über die Schande des Vaterlandes begangene Selbstmord eines Cato könne bewundert, aber nicht gelobt werden.

Zum Beschlusse sagte der Papst: »Du hast wohl auch die Francesca Marcellini kennen gelernt. Die hat sich manche Kunst und Wissenschaft aus eigenen Kräften angeeignet; ihre Jugend ermangelte der Leitung durch weise Erzieher leider gänzlich. Das zeigt sich durch ein ungebändigtes Wesen, wie mich nur ebendieser unverschuldete Mangel bewogen hat, sie wegen höchst unehrerbietiger Reden wider mich und die Kirche nicht zu bestrafen. Ich ermahne dich als dein Vater, daß du dich vor ihr in acht nimmst, das Weib hat eine Legion von Teufeln in sich. Die würde sich wohl auch den Kopf eines Heiligen auf einer Schüssel ertanzen, wenn sie sich beleidigt wähnte.« –

Ging nun kein Tag hin, daß der Papst mich nicht zu sich entbieten ließ, sei es, daß ich ihm vorlesen, mit ihm tafeln, jagen oder ihn sonst unterhalten mußte. Es kamen viele zu mir, die ein Anliegen an ihn hatten. Die wies ich ab, denn ich war doch nicht des Papstes Kurtisane.

Möchte glauben, daß mich dies noch in der Gunst des Papstes befestigte, er war es wohl anders gewohnt. Dagegen brachte ich es in der Erbschaftssache nicht vorwärts, das Instrument von der Kanzlei blieb aus, und wenn ich drängte, hieß es, der Papst wollte selbst prüfen, wäre aber zu beschäftigt. Er lag mir beständig an, ich sollte in einem Maskenzuge den Apoll vom Hercynenwald darstellen. Das wollt' ich nicht, ich achtete es als einen Schimpf, daß ein Wolfsteiner sich gleich einem fahrenden Komödianten sollte zur Schau stellen, ob um Löhnung oder umsonst. Sagte er mit Lachen: »Eine Hand wascht die andere. Tust du mir nicht den Willen, tu' ich ihn dir nicht!«

Dies ganze Treiben war mir zuwider, wußt' aber nicht, wie ich sollte ein Ende machen.

In dieser Zeit war ich viel bei Maria, denn ich konnte ihr mit Fug sagen, daß meine Seele des Arztes bedurfte. Den tiefsten Grund vermocht' ich ihr freilich nicht zu sagen, doch halt' ich mir vorgesetzt, die Villa Romanos nicht mehr zu betreten, wie auch mein Herz dawider schrie.

Manchmal traf ich Vornehme bei Maria, Männer und Frauen voller Gelehrsamkeit. Mit denen disputierte sie wie ein Magister. Ich ging dann bald meines Weges, war nicht die Maria, die ich suchte.

Kam eines Morgens unser Mathias, den ich mit den Pferden im Wirtshaus gelassen hatte, und brachte mir einen Brief. Ein Pilger hatte ihn vom Wolfstein für mich gebracht. War von meiner lieben frommen Else und soll ihr zu Ehren hier angeheftet sein. Ist wahrhaftig nicht ihre Schuld, daß auch der zu dem kommenden Unheil beigetragen hat. Ist eben alles in Gottes Rat bestimmt gewesen.


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