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Zweiter Akt

Es ist Nacht geworden, der Mond scheint und das Meer summt. Toxilus tritt aus der Villa, hält vor den Säulen und blickt in die menschenleere Welt hinaus.

Toxilus  Ich kann nicht schlafen.

Oh, Lemniselenis – warum hast du so einen langen Namen? Woher soll sich ein armer Bursche die Zeit nehmen, um dich immer wieder aussprechen zu können? Du bist zu lang für einen Bettler.

Wie gern würd ich dich freikaufen, um dein Sklave werden zu dürfen, zu sollen, zu müssen – aber sechshundert Silberling! Oh du mein armer Toxilus! Woher nehmen und nicht stehlen?

Matrosa  kommt aus der Villa; unterdrückt: He, hallo!

Toxilus  schrickt etwas zusammen: Ach, du bists! Was willst du?

Matrosa  Nur auf ein Wort. Ich weiß, du bist mir böse, weil ich Fenster und Türen versperrt hab, damit du nicht zu meiner Herrin kannst –

Toxilus  Willst du sie nun öffnen?

Matrosa  Nein.

Toxilus  Dann fahr ab und laß mich allein!

Matrosa  Ich fahr nicht ab, denn das verbietet mir mein Mitleid.

Toxilus  perplex: Dein was?

Matrosa  Mein Mitleid. Sie nimmt die Maske ab; eine brave, gutmütige Frau wird sichtbar.

Toxilus  starrt sie interessiert an: »Mitleid«? Was ist das?

Matrosa  einfach: Du tust mir leid.

Toxilus  grimmig: Das freut mich!

Matrosa  Ich weiß, du findest keinen Schlaf, als hättest du bittere Zahnschmerzen –

Toxilus  fällt ihr ins Wort: öffne Lemniselenis Tür und es tut mir garantiert nichts mehr weh!

Matrosa  Lieber mög dich alles brennen –

Toxilus  grimmig: Wie freundlich!

Matrosa  ehrlich: Ich fühle mit dir –

Toxilus  braust auf: Jetzt aber noch ein Wort und ich hau dir eine auf deinen Mund, daß dir alle deine gelben Zähne im Gänsemarsch hinten hinausmarschieren! Fahr ab!

Stille.

Drohend. Du bist noch da?

Matrosa  fährt ihn plötzlich an: Wenn du das Mädel ehrlich liebst, dann darfst du ihm nicht so den Kopf verdrehen! Was soll denn diese Wichtigtuerei?! Die Ärmste wälzt sich drin herum –

Toxilus  unterbricht sie: Wälzt sich?!

Matrosa  Hin und her und auf und ab!

Toxilus  Oh Götter! Sie wälzt sich!

Matrosa  Sie kann nicht schlafen –

Toxilus  Schweig, Furie!

Matrosa  So nimm doch Vernunft an! Die Liebe ist allerdings ein Vesuv, der in einer Tour ausbrechen möcht, aber ein Sklave hat kein Krater zu sein, sondern höchstens ein sanfter Hügel! Spar deine Lava und beherrsch dich! Du bringst ja noch eine sittsame Hetäre dazu, daß sie dich wirklich liebt, ohne daß du ihr was bieten kannst – also das schlägt jedem Moralbegriff ins Gesicht, abgesehen davon, daß es der Kaiser feierlich verboten hat, daß sich ein Sklav mit einer Hetär –

Toxilus  unterbricht sie barsch: Schluß! Schluß! Beiseite. Sie wälzt sich! Laut. Geh und sag deiner Herrin meinen lieblichsten Gruß – ich, ich Toxilus, würde sie freikaufen.

Matrosa  Du?

Toxilus  Ja. Bis morgen bring ich sechshundert Silberling – tot oder lebendig. Sags ihr!

Matrosa  Nein, das sag ich ihr nicht. Ich werd mich schön hüten, einen solchen Blödsinn auszurichten!

Toxilus  Blödsinn?! Wenn Toxilus sagt, daß er bis morgen sechshundert –

Matrosa  unterbricht ihn: Daß ich nicht wieher!

Toxilus  Wieher nur, altes Pferd! Aber richt es aus!

Matrosa  Fällt mir nicht ein!

Toxilus  Du – bring mich nicht zur Raserei!

Matrosa  Halt andere zum Narren, aber nicht uns, mich und meine sanfte Herrin!

Toxilus  Weib, sag ich dir, richt es ihr aus – sonst passiert noch ein Unglück! Ich kauf deine Sanfte frei, unter allen Umständen, in jeder Weise, auf jede Art – und wenn ich einen reichen Gauner erschlagen und berauben müßt!

Matrosa  Verblendet, verblendet! Du endest noch am Kreuz!

Toxilus  Scher dich, Unke! Unk anderswo! Sonst häng ich dich ins Meer hinein! Mit dem Kopf nach unten, damit dich die Polypen kitzeln! Marsch – marsch!

Matrosa  Ein ungehobelter Mensch! Rasch ab in die Villa.

Toxilus  allein; er fährt sich etwas erschöpft mit der Hand über die Augen und seufzt: Lemniselenis wälzt sich – und ich steh da! Achjaja, wer als Habenichts eindringt in die Pforten der Liebe, der überflügelt mit seiner Qual selbst die Qualen des Herkules. Lieber als mit Amor möcht ich mit der Hydra selber kämpfen – oder mit dem Eber aus Ätolien, den stymphalischen Vögeln, ja lieber sogar mit dem Riesen Antäus persönlich! So martere ich mein Gehirn: woher nimmst du sechshundert Silberling? Und ich weiß doch im voraus: die, die ich um einen Pump bitten könnt, die würden alle nur sagen: »Ich habe selber nichts« Er hat sich gesetzt und vergräbt seinen Kopf in den Händen.

Bagnio  ein davongelaufener Sklave, der auf die schiefe Ebene geraten ist, schleicht sich mit einem dicken Prügel bewaffnet, gefolgt von zwei Kumpanen, die desgleichen adjustiert sind, von links an die Villa heran; unterdrückt: Da wären wir. Dort habt Ihr also besagte Villa – Säulen, als wärs ein Tempel des Jupiter, derweil ist es nur der ländliche Lustsitz eines alten Wucherers, Erpressers, Wechsel- und Kontofälschers, Witwen- und Waisengeldbehälters! Das lebt sich, diese punische Banksau, Zinsenhengst von Cäsars Gnaden –

Er herrscht den einen Kumpanen an.

Tritt auf keinen dürren Ast, sonst spring ich dir auf den Nabel, miserabler Anfänger! Das Tor ist versperrt, wir treten durchs Fenster ein, und zwar durch das fünfte von links, ich kenn mich da aus, denn hier war ich zuhaus –

Hier lebt ich einst als armer Sklav Fleißig, ehrlich, bieder, brav Hab geschuftet Tag und Nacht Bis ich habs herausgebracht: Warum schuften, warum plagen Warum an den Knochen nagen? Machs doch, wie der Herre Dein Achte weder Sein noch Mein! Nimm, was er den Sklaven nimmt Und Dein ganzes Leben stimmt!

Alle Drei 

Nimm, was er den Sklaven nimmt
Und Dein ganzes Leben stimmt!

Bagnio 

Trara! Trara! Die Einbrecher sind da!

Alle Drei 

Trara! Trara! Die Einbrecher sind da!

Toxilus  horcht auf: Wer murmelt denn da?

Die Drei erblicken erst jetzt Toxilus und zucken zusammen.

Toxilus  erblickt die Drei nicht. Sonderbar. Sollt ich schon Gespenster hören? Jaja, wenn die Liebe erwacht, sitzt man auf seinem Verstand – Er lächelt wehmütig und grübelt wieder vor sich hin.

Bagnio  sehr leise zu seinen Kumpanen: Folget mir vorsichtig nach, Freunde! Ich werd mal jenem Burschen dort ein bisserl den Kürbis spalten – Er schleicht sich mit seinem dicken Prügel an Toxilus heran.

Toxilus  erblickt nun Bagnio und schnellt empor: Halt!

Bagnio  unterdrückt: Schrei nicht! Ich bin zu dritt und sags dir im Guten, respektive im Bösen: ein lautes Wort und du hörst den Zerberus bellen!

Toxilus  horcht auf: Wer seid ihr?

Bagnio  Kindische Frage! Ein Dieb natürlich! Ein Aus- und Einbrecher, Haus-, Garten- und Straßenräuber, Gewalttäter, auch Totschläger, wenn ihrs mal versuchen wolltet –

Toxilus  wie zuvor: Diese Stimme kenn ich doch, dieses rauhe Organ –

Bagnio  Mein Organ ist allerdings etwas heiser durch den übermäßigen Genuß des Weines.

Toxilus  Ist das nicht Bagnio?

Bagnio  perplex: Du kennst mich?

Toxilus  Bagnio! Du möchst mich erschlagen? Mich?!

Bagnio  Ich pfleg mich nicht vorher zu erkundigen, wen ich hinterher erschlagen hab.

Toxilus  Ich bin Toxilus.

Bagnio  hocherfreut und -überrascht: Was?! Toxilus?! Oh Jupiter Venus Apollo! Ist das aber eine Überraschung! Na, das hätt mir aber itzo ehrlich leid getan, wenn ich dir deinen Kürbis demoliert hätt! Zu seinen Kumpanen. Wißt ihr, wer das ist? Das ist der einzige Sklav in meinem Leben, der mal ein Mitgefühl mit mir gehabt hat, wie man mich auf den Block gespannt hat, weil ich meine Mitsklaven bestohlen hab! Alle haben mich gehaßt, nur er hat mich verteidigt – das vergeß ich dir nimmer! Wie gehts, wie stehts, lieber guter alter Freund? Bist noch immer artig folgsam, ha?

Toxilus  Ich fürchte – fürcht, bald werd ichs nimmer sein –

Er lächelt wieder wehmütig.

Bagnio  Anständig, sehr anständig!

Toxilus  Ich benötig nämlich dringendst Geld.

Bagnio  So fängts an! Wieviel?

Toxilus  Sechshundert Silberling.

Bagnio  Sechshundert? Respekt vor deinem Appetit!

Toxilus  Ich grübl schon die halbe Nacht, wer mir etwa soviel leihen tät –

Bagnio  fällt ihm ins Wort: Leihen? Dir? Was fällt dir ein, unverschämter Kerl?!

Toxilus  Ich weiß, ich bin verwirrt – Verzeih!

Bagnio  Na also!

Stille.

Toxilus  Drinnen im Haus ist eine Kasse.

Bagnio  Ich kann mich noch erinnern.

Toxilus  Im dritten Zimmer.

Bagnio  Gleich rechterhand.

Toxilus  Wenn man von links kommt.

Bagnio  mit geschlossenen Augen: Ich seh sie noch vor mir.

Stille.

Toxilus  Man kann auch durchs Fenster.

Bagnio  Stimmt. Durchs fünfte von links.

Toxilus  Nein. Dort schläft heut wer. Durchs vierte von rechts.

Bagnio  Aha.

Stille.

Toxilus  Die Herrschaft ist verreist.

Bagnio  Ehschonwissen! Drum bin ich ja da.

Toxilus  Aha.

Stille.

Bagnio  Was ist denn in der Kasse?

Toxilus  Neunhundert Silberling.

Bagnio  faßt sich ans Herz: Sags nochmal!

Toxilus  Neunhundert.

Bagnio  Wie das klingt! Neun-hun-dert – das zerrinnt auf der Zunge, wie Butter –

Stille.

Toxilus  plötzlich entschlossen: Wenn du mir sechshundert abgibst, garantier ich dir, daß dich niemand entdeckt.

Bagnio  Lieb von dir. Zwar hab ich keine Angst, entdeckt zu werden, denn es ist noch keine neue Strafe ersonnen worden, an die ich mich nicht schon gewöhnt hätt – jedoch: gemacht! Du kriegst deine sechshundert – Zu seinen Kumpanen. Aufgehts, los! Durchs fünfte Fenster von links –

Toxilus  fällt ihm ins Wort: Aber – aber! Durchs vierte von rechts!

Bagnio  herrscht ihn an: Verzweifel nur nicht gleich, wenn sich mal einer verspricht! Übrigens: was machst du eigentlich mit soviel Geld? Willst du fliehen?

Toxilus  Nein. Ich möchte jemand freikaufen.

Bagnio  Freikaufen? Wer ist denn heutzutag noch soviel wert?

Toxilus  Die, die ich meine, wäre sechstausend wert, und es war immer noch zu wenig.

Bagnio  begreift voll Verachtung: Ach, ein Weib –

Toxilus  Amor hat mein Herz durchbohrt.

Bagnio  stutzt: Wer? Ja, lieben denn Sklaven auch?

Toxilus  Was tun? Den Göttern trotzen? Bin ich ein Titane?

Bagnio  Du bist ein Tepp. Aber verlaß dich auf mich – Zu seinen Kumpanen. Mir nach! Ab mit ihnen hinter die Villa.

Lemniselenis  tritt im Nachtgewand aus der Villa, sieht sich um, erblickt Toxilus, nähert sich ihm unhörbar und hält ihm plötzlich von hinten mit beiden Händen die Augen zu; leise: Wer bin ich?

Toxilus  erschrickt und reißt sich los: Wer da?! Ach – Er starrt sie entgeistert an.

Lemniselenis  lächelt: Dreimal darfst du raten – Toxilus nähert sich ihr langsam und reißt sie plötzlich stürmisch an sich.

Nicht so laut! sie läßt sich von ihm umarmen, umarmt ihn, und beide küssen sich; dann löst sie sich langsam los. Die brave Matrosa schläft –

Toxilus   Endlich!

Lemniselenis  Ich hab ihr in ihren Erfrischungstee mein stärkstes Pülverchen hineingeschmuggelt – jetzt schnarcht sie, daß die Betten zittern.

Toxilus   Hoffentlich zittern sie lang!

Lemniselenis  traurig: Wer weiß! Sie blickt zum Himmel empor.

Oh Venus!

Steinig und steil sind die Straßen der liebenden Herzen
Denen die Götter die Freiheit der Küsse nicht gönnen.
Arm ist das Mädchen, das heimlich sich fortschleichen muß
Angstvoll zu leeren den Becher der hastigen Lust.

Arm ist das Mädchen, das in fremde Gedanken verstrickt
Zwischen zwei Türen, furchtsam bei jedem Geknarre erschrickt.
Wie gern wär ich unbewacht, gekettet an Dich allein.
Hinter verriegelten Fenstern und Türen im eigenen Heim.

Toxilus   Ach, Lemniselenis – Ich finde keine Worte, nur deinen Namen.

Lemniselenis  Oh, jetzt gehts mir gut! Plötzlich bin ich reich. Was gehört mir nicht alles! Das Meer und die Luft, die Wolken, der Mond und die silbernen Farben der Nacht! Das alles hast du mir geschenkt. Ich danke dir.

Toxilus   Dank mir nicht, sonst bricht mir das Herz –

Lemniselenis  Wenn man nur keinen Kopf hätte!

Toxilus   Sei so gut!

Lemniselenis  Wenn man nur nicht denken müßt – denn was wird schon morgen sein? Morgen schon wird gesungen: »Schmücke Dich, Mädchen, schmücke Dich, es kommt der Sklavenhändler« –

Toxilus   Also den laß ruhig kommen.

Lemniselenis  Wie einfach du das sagst

Toxilus  Ich sag es einfach, weil es einfach ist. Du wirst nämlich morgen einfach frei. Ich kauf dich frei – ganz einfach!

Lemniselenis  Du? Woher willst denn du dir das viele Geld hernehmen?!

Toxilus  Ein Freund wirds mir beschaffen, er gab mir sein Wort.

Lemniselenis  Was ist das für ein Freund?

Toxilus  Ein alter Bekannter. Ein verläßlicher Mensch.

Lemniselenis  Und der hat soviel Geld?

Toxilus  Er hat. Beruhig dich, er hat.

Lemniselenis  Ist er denn so reich?

Toxilus  Reich ist gar kein Ausdruck! Wenn er will, gehört ihm die ganze Welt, er muß nur zugreifen – Er macht die Geste des Stehlens.

Lemniselenis  Jetzt hab ich Angst.

Toxilus  Warum, Liebste?

Lemniselenis  Du – du wirst doch nicht stehlen?

Toxilus  Ich? Was denkst du von mir? Warum nicht?

Lemniselenis  entsetzt: Nein!

Toxilus  Für dich: ja!

Lemniselenis  wie zuvor: Nein, nicht für mich, nie! Versprich es mir, daß du mich lieber nicht freikaufst, als daß du mich auf verbrecherische Art erwirbst – versprich es mir, bitte – bitte! Ich bin doch besorgt um dein leibliches Wohl, man wird dich noch vierteilen!

Toxilus  fixiert sie: Liebst du mich?

Lemniselenis  Ja, aber –

Toxilus  unterbricht sie: Dann laß mich stehlen! Stille.

Lemniselenis  Oh Götter, ahnt ich es doch!

Toxilus  Höre: in meinen Augen gibt es nur ein Verbrechen: Dich weiter im Joche der Sklaverei zu belassen, dich wieder weiterzuverkaufen, zu verschachern, zu vertrödeln, wie ein lebloses Ding – Heut kenne ich nur dieses einzige Verbrechen, und sonst sei mir alles Recht!

Lemniselenis  Wenn mein Verkauf ein Verbrechen ist, dann ist doch auch jeder Verkauf eines Menschen –

Toxilus  fällt ihr ins Wort: Ist er auch, ist er auch! Alles Verbrechen, lauter Verbrechen! Man hat uns alle gestohlen, alle – alle!

Lemniselenis  Nicht so laut! Sie sieht sich ängstlich um.

Toxilus  Dann sag ichs leise: du wirst noch sehen, wir stehlen uns alle zurück, alle!

Stille.

Lemniselenis  Hast du gehört, daß es einen neuen Gott geben soll?

Toxilus  Einen neuen Gott?

Lemniselenis  Ja. Er soll unsichtbar sein.

Toxilus  Unsichtbar?

Lemniselenis  Er soll immer um einen herum sein – um einen jeden von uns, denn er sagt, daß alle Menschen gleich sind –

Toxilus  Wo hast du das gehört?

Lemniselenis  Matrosa hats mir erzählt. Sie war mal da, wo sich die Leut treffen, die zu dem neuen Gott gehören – sie kommen unter der Erde zusammen.

Toxilus  Was machen sie denn dort?

Lemniselenis  Sie singen. Überall unter der Erde – halb Rom soll schon ganz unterhöhlt sein.

Stille.

Toxilus  Man hört immer wieder von neuen Göttern, man weiß schon garnicht mehr, was man glauben soll. Ich glaube nur, daß ich dich wirklich liebe –

Matrosa  schreit in der Villa auf und stürzt heraus: Hilfe! Hilfe! Hilfe! Einbrecher, Räuber, Mörder!

Lemniselenis  Um der Himmel Willen!

Toxilus  ist erschrocken, faßte sich jedoch rasch und herrscht nun Matrosa an: Was plärrst du da und weckst das Haus?! Hier gibts doch keine Räuber und Mörder – die hätt ich doch sehen müssen, wo ich die ganze Weil heraußen steh! Du hast geträumt!

Matrosa  Und dieser blaue Fleck da?! Hab ich den etwa auch nur geträumt?! Mit einem Prügel hat mich der Schurke über den Schädel geschlagen –

Toxilus  unterbricht sie: Du wirst dich im Traum selber über deinen Schädel –

Matrosa  erblickt erst jetzt Lemniselenis und unterbricht Toxilus: Was seh ich?! Und das Mädel hier ist vielleicht auch nur ein Traum?! Zu Lemniselenis. Hinein mit Euch!

Lemniselenis  herrscht sie an: Du hast mir nichts zu befehlen, du bist meine Dienerin, merk dir das endlich!

Matrosa  Die Dienerin einer Hetäre ist wie die Mutter einer freien Frau! Ich weiß, wenn ihr verkauft werdet, gelte ich nur als Zuwaag, aber trotzdem bin ich Euer schützender Geist!

Toxilus  zu Matrosa: Fahr ab!

Lemniselenis  Morgen werd ich frei!

Toxilus  schielt nach der Villa: Hoffentlich –

Matrosa  Lächerlich! Schwätzt nicht, Herrin!

Lemniselenis  Ich schwätze nicht! Sie faßt sich plötzlich ans Herz. Oh, jetzt fühl ichs so stark, dies brennende Weh: man liebt nur einmal im Leben – Amor, Amor!

Matrosa  blickt zum Himmel empor, sieht nichts und macht eine wegwerfende Geste: Ich möcht nicht wissen, wie oft Ihr noch lieben werdet mit Eueren lumpigen achtzehn Jahren!

Lemniselenis  traurig: Ich lebe nicht lang.

Matrosa  Jetzt das auch noch!

Aufseher  kommt rasch von links: Hallo, ihr seid hier alle vor dem Tor? Mitten in der Nacht?! Was gibts denn?!

Toxilus  Nichts. Wir können nur alle nicht schlafen.

Aufseher  Komisch. Ich komm grad aus Pompeji vom Dordalus, der alte Schäbbige wird sich das Fräulein morgen in aller Früh abholen – er bringt auch gleich ein paar Kunden mit, mir scheint, aus Britannien!

Toxilus  zum Lemniselenis: Verlaß dich auf mich –

Lemniselenis  Ja.

Paegnium  stürzt aus der Villa: Toxilus, Toxilus! Die Kasse ist geplündert! Geplündert!

Aufseher  Was?! Die Kasse?!

Paegnium  Drei warens, drei Verbrecher! Ich hab sie deutlich gesehen! Kommt schnell, schnell – vielleicht erwischt Ihr sie noch!

Aufseher  Ich dreh ihnen die Hälse um! Rasch ab mit Paegnium in die Villa.

Matrosa  zu Toxilus: Na, hab ich geträumt?

Toxilus  Nein. Den Göttern sei Dank –

Matrosa  horcht auf: Was murmelst du da?

Matrosa  blickt ihn mißtrauisch an; zu Lemniselenis: Kommt!

Lemniselenis  Nein.

Matrosa zuckt die Schultern und ab in die Villa.

Toxilus lauscht in die Nacht.

Sind sie entkommen?

Toxilus  wie zuvor: Wenn sich nichts rührt, dann ja –

Stille.

Lemniselenis  Ich höre nichts.

Toxilus  Ich auch nichts – Er legt seinen Arm um ihre Schultern und blickt zum Himmel empor.

Oh Jupiter, allmächtiger, hehrer Sohn der Rhea
Höchster Gott!
Aus dessen Händen Reichtum, Hoffnung, Heil entströmt
Aus tiefstem Herzen bringe ich Dir Opfer dar
Weil hilfreich Du dem Freund zur Flucht verhalfst
Weil freundlich Du dem Freund Gelegenheit gabst
Mir den allergrößten Dienst zu tun:
Gestohlenes Geld zu bringen in Geldesnot.
Lemniselenis!
Morgen bist du frei!


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