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Ferdinand steht mit einem Spazierstock an einer Straßenkreuzung und kennt sich nicht aus.
Schminke begegnet ihm.
Ferdinand Verzeihung. Ich bin nämlich fremd und kenn mich nicht aus. Ich möchte in das Restaurant Miramar und weiß nicht, wo es liegt.
Schminke Restaurant?
Ferdinand Miramar.
Schminke Das ist kein Restaurant.
Ferdinand Vielleicht ein Caférestaurant?
Schminke Nein. Das ist ein Bordell.
Ferdinand Interessant!
Schminke Auch das.
Ferdinand Komisch. Eigentlich wollt ich nur meinen Bruder Alfred besuchen, der ist nämlich Kellner in diesem Miramar, und im November werden es drei Jahre –
Schminke Ich pflege prinzipiell keine Auskunft über Bordelle zu geben.
Ferdinand Aber ich möcht doch nur meinen Bruder Alfred besuchen.
Schminke Prinzipiell nicht.
Ferdinand ›Prinzipiell‹ – dieser Ton. Ich kenn doch diesen Ton – ›prinzipiell‹. Sie heißen doch Schminke? Nicht?
Schminke Sie kennen mich? Woher?
Ferdinand Prinzipiell, Herr Schminke.
Schminke Wer ist denn das?
Ferdinand Ich selbst, Herr Schminke. Komisch. Ja, das macht mich direkt stutzig. Nämlich: wenn Sie mich nicht kennen, so werden Sie meine Schwester wahrscheinlich auch vergessen haben.
Schminke Wer ist denn Ihre Schwester?
Ferdinand Meine Schwester ist tot.
Schminke Ich verbitte mir das.
Ferdinand Bitte. Bitte!
Schminke ab.
Ein schlechter Mensch.
Luise Gift kommt.
Verzeihung. Ich bin nämlich fremd und kenn mich nicht aus. Kennen Sie einen Tanzpalast namens Miramar?
Luise Gift ›Tanzpalast‹ ist gut.
Ferdinand Ein Etablissement.
Luise Gift Ein Stadion.
Ferdinand Ein maison de discrétion.
Luise Gift Junge, Junge!
Ferdinand Ich hab nämlich gehört, daß dieses Miramar ein etwas diskretes Lokal sein soll.
Luise Gift Haben Sie gehört?
Ferdinand Soeben.
Stille.
Luise Gift Muß es unbedingt im Miramar sein?
Ferdinand Zu freundlich!
Luise Gift Oh, bitte! Sie werden es nicht bereuen.
Ferdinand Man soll den Teufel nicht an die Wand malen.
Luise Gift Sind Sie auch so abergläubisch?
Ferdinand Was mich betrifft: ja.
Luise Gift Ich trau mich oft nicht vors Haus. Besonders wenn alles beflaggt ist.
Ferdinand Also apropos Haus: wo liegt nun jenes Haus?
Luise Gift Jenes liegt nirgends. Jenes ist nämlich abgebrannt.
Ferdinand Abgebrannt?
Luise Gift Im April.
Ferdinand Um Gottes Willen!
Luise Gift Man vermutet Brandstiftung. Aus Neid.
Ferdinand Sagen Sie: wer ist denn alles verbrannt?
Luise Gift Wen meinen Sie?
Ferdinand Eigentlich wollt ich nur meinen Bruder Alfred besuchen.
Luise Gift Alfred? Ist das Ihr Bruder?
Luise Gift Leider.
Ferdinand Lebt er noch?
Luise Gift Leider. Er ist nämlich ein kompletter Schuft.
Ferdinand Immer wieder?
Luise Gift Er hat sein Ehrenwort gebrochen.
Ferdinand Komisch. Was war das für ein Ehrenwort?
Luise Gift Er hat mir sein Ehrenwort gegeben, daß er es niemandem sagen wird, daß ich mein Ehrenwort gebrochen habe. Aber er will mich nicht ärgern, es ist ja bekannt, daß man sein Ehrenwort nicht halten kann.
Ferdinand Als ich das erste Mal mein Ehrenwort gebrochen hab, da war ich zehn Jahre alt. Ich erinner mich gern, weil ich gern melancholisch werd. Es wird so angenehm ruhig, wenn man an sein erstes gebrochenes Ehrenwort denkt.
Luise Gift Ich glaub, Sie sind ein guter Mensch.
Ferdinand zieht den Hut: Danke.
Luise Gift Bitte.
Schminke kommt wieder und scheint etwas zu suchen.
Ferdinand Guten Abend, Herr Schminke!
Schminke zuckt zusammen, erkennt Ferdinand und nähert sich ihm: Herr! Sie haben zuvor behauptet, ich hätte Ihre verstorbene Schwester gekannt. Was war denn Ihre Schwester?
Ferdinand Nutte.
Schminke Was wollen Sie damit sagen?
Ferdinand Ich hatte zwo Schwestern. Die jüngere starb nach elf Minuten und die ältere war Nutte.
Schminke Was soll ich mit ihrer elfminutenalten Schwester?
Ferdinand Ich wollte damit nur sagen, daß nicht alle meine beiden Schwestern Nutten waren. Und was meine verstorbene ältere Schwester, die Nutte, betrifft, die Sie vergessen haben –: ich wollte Sie nur erinnern, daß Sie dieser verstorbenen Nutte noch etwa dreiundfünfzig Mark schulden und da sie mich als alleinigen Erben eingesetzt –
Schminke Herr! Ich habe noch nie mit Nutten verkehrt!
Ferdinand Ich meine diesen Verkehr in einer geistigen Hinsicht. Sie sind doch ein geistiger Mensch. Ich, zum Beispiel, ich bin kein geistiger Mensch, aber auch geistige Menschen müssen ihre Schulden bezahlen.
Schminke Ich habe keine Schulden!
Ferdinand Sie sind doch Journalist?
Schminke Na und?
Ferdinand Und meine verstorbene Schwester, die Nutte, lieferte Ihnen das gesamte Material für einen so langen Artikel.
Schminke Material? Betreffs?
Ferdinand Betreffs Bekämpfung der Prostitution. Sie haben das gesamte Material dieser verstorbenen Nutte verwertet, ohne ihr einen Pfennig zu bezahlen.
Schminke Ich bin auch nicht verpflichtet.
Ferdinand Gesetzlich nicht. Aber moralisch.
Schminke Ich bin ausgesprochener Moralist.
Ferdinand Mit achtzehn Pfennig pro Zeile. Sie hätten ohne meine Schwester höchstens eine halbe Zeile schreiben können. Macht fünfzig Prozent. Ist gleich etwa dreiundfünfzig Mark.
Schminke Hier dreht es sich nicht um Ihre Nutte, sondern um die Bekämpfung der Prostitution. Ja um noch mehr! Um eine Idee.
Ferdinand Für achtzehn Pfennig die Zeile.
Schminke Man muß doch leben, um für eine Idee kämpfen zu können!
Ferdinand Man hört auch andere Ansichten.
Schminke Soll ich mich kreuzigen lassen?
Ferdinand Bin ich der liebe Gott?
Schminke Es gibt keinen lieben Gott! Basta!
Ferdinand Hm!
Schminke ab.
Luise Gift Wer war denn das?
Ferdinand Ein schlechter Mensch.
Ferdinand Weil er nicht bezahlen will, was er einer toten Nutte schuldet.
Luise Gift Lassen Sie bitte die Toten ruhen.
Ferdinand Es gibt keine Toten, sofern es sich um dreiundfünfzig Mark dreht. Wir Menschen haben eine unsterbliche Seele.
Luise Gift betrachtet sich im Spiegel mit dem Lippenstift: Ich auch. Ich auch. Sie schminkt und pudert sich und summt dazu den Totenmarsch von Chopin; plötzlich: Alfred ist im Café Klups.
Ferdinand Klups? Klups klingt solid. Ist Alfred jetzt in diesem Klups Kellner? Ist er eigentlich schon Oberkellner geworden?
Luise Gift Nein. Er spielt Billard.
Ferdinand So?
Luise Gift Und Karten. Und Schach. Und dann spielt er wieder Billard.
Ferdinand Von was lebt er denn eigentlich?
Luise Gift Eigentlich von mir.
Stille.
Ferdinand Komisch. Also: wo liegt denn dieses Café Klups?
Luise Gift Da gehen Sie einfach immer rechts. Oder links.
Ferdinand Danke.
Luise Gift Bitte.
Ferdinand Komisch.
Luise Gift Sie können es eigentlich gar nicht verfehlen.
Ferdinand Mein Kompliment!
Luise Gift Leben Sie wohl!
Ferdinand Ergebenster Diener!
Luise Gift Sie mich auch!
Ferdinand Gute Nacht!
Luise Gift Ein guter Mensch.
Ferdinand Auf Wiedersehen!
Luise Gift Grüß Gott!
Ferdinand ab.
Das Fräulein kommt.
Jetzt bin ich aber erschrocken! Ich dacht, es kommt wer anders.
Das Fräulein Wer?
Luise Gift Ich weiß es nicht.
Das Fräulein Das bin nur ich.
Stille.
Luise Gift Nun?
Das Fräulein Ich hab es mir überlegt.
Stille.
Ja. Du hast sehr recht. Man soll sich dafür bezahlen lassen.
Luise Gift Na endlich!
Das Fräulein Endlich.
Luise Gift Ich hab es schon immer gesagt, daß du intelligent bist.
Das Fräulein Ich hab es schon immer gewußt, daß du recht hast, aber ich wollt es nicht sagen. Jetzt sag ichs. Ich machs genau wie du.
Luise Gift Es geht immer leichter und leichter.
Das Fräulein Wer sagt das?
Luise Gift Coué. Stille.
Weißt du, was ich dir nicht glaub? Daß du noch niemals dafür Geld genommen hast. Das glaub ich nicht. Du hast doch schon? Was?
Das Fräulein Ich hab erst einmal dafür Geld genommen.
Luise Gift Wann?
Das Fräulein Vorgestern.
Luise Gift Nu und?
Das Fräulein Zwölf Mark.
Luise Gift Gratuliere.
Das Fräulein Ist das viel?
Luise Gift Genug.
Das Fräulein Ich dachte, das wäre normal.
Luise Gift Du Kind. Kindchen. Zwölf Mark sind Henry Ford. Für zwölf Mark verlangt man schon was Elegantes.
Du mußt wer sein. Was vorstellen. Geh mal auf und ab.
Das Fräulein geht auf und ab.
Wie du jetzt so wirkst, kostest du nicht mehr als zwo.
Das Fräulein Ich bin doch kein Tier.
Luise Gift Du sprichst so gewählt.
Das Fräulein Das kommt wahrscheinlich daher, weil ich viel Romane gelesen hab.
Luise Gift Viel Lesen ist ungesund.
Das Fräulein Ich kannte mal einen, der schrieb Romane. In einem hübschen Blockhaus.
Luise Gift Man sieht jetzt sehr hübsche Blockhäuser.
Das Fräulein In der Nähe liegt ein See.
Stille.
Luise Gift Wir werdens schon auch schön haben. Du wohnst natürlich bei mir. Solang du magst.
Stille.
Das Fräulein Du hast mich neulich gefragt, wie alt ich bin. Ich hab gesagt dreiundzwanzig, aber ich werd erst dreiundzwanzig. Im September.
Luise Gift Warum erzählst du mir das jetzt?
Das Fräulein Nur so.
Stille.
Luise Gift Ich seh jünger aus. Nicht?
Das Fräulein Jünger als ich?
Luise Gift Nein, als ich.
Das Fräulein Sicher.
Stille.
Luise Gift Ich hab den ›Generalanzeiger‹ abonniert. Es wird schon gemütlich. Wenn wir uns mal schlecht fühlen, machen wir uns einen Tee und bleiben auch abends daheim. Was hast du jetzt vor?
Das Fräulein Es ist mir gleich.
Luise Gift Dann geh zu mir, ich komm bald nach. Blätter mal in dem Buch auf der Kommode. Man muß sich da auskennen, besonders im zweiten Teil. Es ist ein medizinisches Werk: ›Das Liebesleben in der Natur.‹ Mit Anhang.
Das Fräulein Das kenn ich schon.
Luise Gift Auch den Anhang? Man muß da vorsichtig sein.
Das Fräulein Wohin gehst du jetzt?
Luise Gift Zum Doktor. Sie kreischt plötzlich: Glotz mich doch nicht so an!
Alfred erscheint und überblickt die Situation: Daß du immer kreischen mußt. Er geht auf und ab. Piano, Luise! Piano! Jetzt fletscht sie wieder die Hauer. Zum Fräulein: Guten Abend!
Luise Gift Ich hab keine Hauer.
Alfred Natürlich hast du Hauer.
Luise Gift Ich hab Zähne.
Alfred Das kann jeder sagen. Ist das jenes Fräulein?
Luise Gift Was fürn Fräulein?
Alfred Jenes.
Luise Gift Wo?
Alfred Da.
Luise Gift Dort? Dort ist kein Fräulein.
Alfred Na wer ist denn das?
Luise Gift Das ist nichts.
Stille.
Alfred nähert sich Luise Gift: Luise. Du machst mich mal wieder korrekt nervös. Das ist unverantwortlich von dir für dich. Du hast mir doch erst gestern von einem Fräulein berichtet, das es sich noch überlegen wollte –
Luise Gift unterbricht ihn: Jenes Fräulein geht dich nichts an.
Alfred Piano!
Luise Gift Jenes Fräulein wünscht nämlich nur mich. Sonst niemand. Hörst du?
Alfred zum Fräulein: Haben Sie das gehört, Fräulein?
Das Fräulein Ja.
Alfred zum Fräulein: Sie lügt, was?
Das Fräulein schweigt.
Luise Gift nähert sich Alfred; leise: Laß es mir bitte.
Alfred spöttisch: Das ›Nichts‹?
Luise Gift Du hast mir dein Ehrenwort gegeben –
Alfred unterbricht sie: Bitte stell mir das Fräulein vor.
Luise Gift Bestie.
Alfred Kusch.
Luise Gift weint.
Das Fräulein So beruhig dich doch! Ist ja widerlich!
Alfred Und ob!
Luise Gift starrt das Fräulein an: Wie war das?
Alfred W wie wir, i wie ich, d wie du, e wie elegant, r wie Rücksicht, l wie Luder, i wie infam, ch wie Chonte.
Luise Gift Widerlich.
Das Fräulein Ja.
Alfred Ja.
Luise Gift Sehr widerlich?
Das Fräulein Sehr.
Luise Gift Bestie.
Stille.
Alfred zum Fräulein: Hier sehen Sie eine Abart der Hysterie. Luise ist eben kränklich. Bereits als Kind litt sie unter einer allseits porösen Haut. Luischen! Ist die Leber noch frisch? Was hat denn der Doktor gesagt?
Luise Gift erschlagen: Ich wollte gerade zum Doktor.
Alfred Na man rasch! Gesundsein ist Trumpf. Bazillen verpflichten! Du solltest Leichtathletik treiben.
Das Fräulein kichert.
Hundert Meter. Diskus. Hürden. Stabhoch!
Luise Gift tonlos: Produzier dich nur, produzier dich nur.
Alfred verbeugt sich vor dem Fräulein und steppt etwas: Voilà!
Das Fräulein lacht.
Luise Gift Jetzt geh ich. Ja. Jetzt geh ich. Sie rührt sich nicht vom Fleck.
Alfred zum Fräulein: Ich bin der Alfred.
Das Fräulein Ich hab mirs gleich gedacht.
Alfred Wieso? Hat sie mich verleumdet?
Das Fräulein Im Gegenteil.
Alfred Soweit ich die Gesamtsituation überblicken kann, haben Sie es sich überlegt.
Das Fräulein Ja.
Luise Gift zum Fräulein; apathisch: Das ist der Alfred.
Alfred Sie hatte bereits das Vergnügen.
Luise Gift Alfred muß gemein sein, er kann nicht anders.
Alfred Sie lügt.
Luise Gift will langsam ab, bleibt plötzlich stehen: Alfred. Ich hab zuvor deinen Bruder gesprochen.
Alfred Bruder? Ist denn der hier? Seit wann?
Luise Gift Ich hab ihn zufällig kennen gelernt.
Alfred Ich bin nur zufällig sein Bruder, er ist nämlich ein Trottel.
Luise Gift Er ist ein guter Mensch.
Alfred Wirds bald?
Luise Gift Ich geh schon.
Alfred Marsch.
Luise Gift ab.
Stille.
Sagen Sie Fräulein: haben Sie sich schon mal das Horoskop stellen lassen?
Das Fräulein Nein. Verstehen Sie was von Planeten?
Alfred Immerhin. Ich beschäftige mich mit okkulten Dingen. Luischen, zum Beispiel, ist im Sternbilde des positiven Wassermann geboren.
Das Fräulein Was bedeutet das?
Alfred Daß man keine Seele hat.
Das Fräulein Sie ist aber sehr aufmerksam zu mir. Sie sagt mir, wie ich gehen muß und alles. Sie hilft mir. Ich kann, zum Beispiel, bei ihr wohnen.
Alfred Weil sie, zum Beispiel, schwül mit u schreibt.
Das Fräulein Ist sie sehr krank?
Alfred Sie wird voraussichtlich erblinden.
Das Fräulein Was fehlt ihr denn?
Alfred Unter anderem ist sie auch mondsüchtig. Ja: bei Vollmond steigt sie aus dem Fenster, klettert die Fassade hoch und tanzt den Tanz ihrer Jugend: Kwadrille! Sie ist nämlich schon stellenweise grau. Sie sind doch blond?
Das Fräulein Wer?
Alfred Sie.
Das Fräulein Blond? Ja.
Alfred Echt?
Das Fräulein nimmt den Hut ab.
Bravo! Bravo.
Stille.
Sagen Sie, gnädiges Fräulein: hätten Sie Sehnsucht, monatlich fünfhundert Mark zu verdienen?
Das Fräulein Wie?
Alfred Monatlich.
Das Fräulein Fünf –
Alfred Hundert. Bar. Fest. Sie.
Stille.
Das Fräulein Danke nein.
Alfred Sie sind wohl total verblödet?
Das Fräulein Möglich.
Alfred Ihr Profil ist zwar begabt.
Das Fräulein Ich hab Angst.
Alfred Vor mir? Wie kann man vor mir Angst haben? Ich hab ja vor mir selbst keine Angst!
Stille.
Das Fräulein Was wird man von mir verlangen für fünfhundert Mark?
Alfred Das Normale.
Das Fräulein Wer?
Alfred Ein gewisser Ibanez aus Parana.
Das Fräulein Ibanez persönlich?
Alfred Nicht ganz.
Das Fräulein Ich geh in keine Kaserne.
Alfred Parana kennt keine kasernierte Liebe! Parana besteht in diesem Punkte lediglich aus Appartements. Ein Haus, ein Fräulein! Das ist Gesetz in Parana, um die schamlose Ausbeutung der Fräuleins zu verhindern und den anständigen Mädchenhandel zu schützen. Die paranensische Reichsregierung –
Das Fräulein unterbricht ihn: Wo liegt Parana?
Alfred In Südamerika.
Das Fräulein Nein.
Stille.
Neineinein –
Alfred Lieben Sie Europa?
Das Fräulein Ich geh nicht in die Kolonien.
Alfred Geographie schwach. Außer britisch, französisch und niederländisch Guyanna gibt es in Südamerika bekanntlich keine Kolonien, nur souveräne Staaten. Freie demokratische Republiken. Die Bevölkerung ist vorzüglich spanisch und portugiesisch, mittelgroß, leidenschaftlich und schwarz. Infolgedessen sind Blondinen tatsächlich bevorzugt.
Luise Gift erscheint.
Schon zurück vom Doktor?
Das Fräulein Ich war nicht beim Doktor. Ich hab gehorcht.
Stille.
Alfred Auf Wiedersehen, gnädiges Fräulein! Ab.
Stille.
Das Fräulein Vielleicht fahr ich nach Südamerika.
Das Fräulein Sei nicht boshaft.
Das Fräulein Ich bin nicht boshaft.
Das Fräulein Aus Südamerika kommt keine zurück.
Das Fräulein So bleib ich eben dort.
Das Fräulein Du bleibst bei mir.
Das Fräulein Ich bin nicht so veranlagt.
Das Fräulein Ich bin überhaupt nicht veranlagt!
Sie nähert sich ihr.
Ich bin ja ganz anders, aber ich komme so selten dazu –
Sie fährt ihr durch die Haare und zerrt sie plötzlich.
Das Fräulein Au! Laß mich los!
Sie reißt sich los und schlägt sie vor die Brust, daß sie zurücktaumelt.
So laß mich doch! Sie läuft davon.
Das Fräulein lacht: Auf Wiedersehen! Auf Wiedersehen! Sie lauscht auf Antwort.
Stille.
Sie brüllt: Auf Wiedersehen! Sie lauscht wieder.
Stille.
Sie wimmert.