Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Das Gasthaus zum wilden Löwen liegt in der Mitte meiner Heimat. Es ist zwei Stock hoch und hat einen Stall, aber in diesem Stall stehen keine Pferde mehr drinnen, denn die Eisenbahn wurde schon längst erfunden und die Kraftfahrzeuge auch.
Ja früher, als das alles noch nicht erfunden worden war, da standen im Stall ständig Pferde – große und kleine, dünne und dicke, alte und junge, dumme und kluge, feurige und traurige, schöne und häßliche, störrische und folgsame, Araber, Lipizzaner, Belgier, Tiroler. Rappen, Füchse, Schimmel, Hengste, Stuten, Wallache, Fohlen und Mißgeburten. Edle und unedle, treue und böse.
Damals hat sogar mal ein richtiger König im wilden Löwen übernachten müssen, weil es die Deichsel seiner Staatskarosse zerrissen hat. Der König hat sehr geflucht, hat sich betrunken, ist auf sein Zimmer hinauf und um ein Haar hätt er seinen Verbündeten den Krieg erklärt, wenn er noch hätte unterschreiben können vor lauter Rausch. Aber er hat vor lauter Rausch nicht mehr gewußt, wie er mit dem Vornamen heißt. Und als ihm der eingefallen ist, hat er nicht gewußt, der Wievielte er ist.
Ja, das waren noch andere Zeiten – aber heute? Heute wird die Welt immer enger, die Pferde immer weniger und die Leut immer mehr. Bald werden sie keinen Platz mehr haben und werden verhungern, obwohl, wie es sich die Kapazitäten haarscharf ausgerechnet haben, auf dieser kleinen Erde so viel wächst, daß ein jeder Mensch so viel fressen könnt, und so lange, bis es ihm gar nicht mehr schmeckt. Aber leider haben es sich halt die Kapazitäten noch nicht ausgerechnet, wie man diesen Überfluß verteilt, so daß sich ein jeder überfressen kann, bis er krank wird. »Wir sind halt alle miteinander zu dumm«, pflegte der Löwenwirt zu sagen, »und gescheiter werden wir auch nicht.« Der Löwenwirt war ein Pessimist, denn infolge der schlechten Zeiten kam keiner außer uns. Wir machten zwar jeden Abend eine hübsche Zeche, und oft fing so ein Abend abends an und dauerte bis zum nächsten Abend. Ja, ich bekenne es reumütig, wir haben wirklich über das erlaubte Maß hinaus getrunken und haben uns wenig gekümmert um unsere Mitmenschen, eigentlich nur dann, wenn sie uns im Trinken gestört hatten. Wir haben nichts gearbeitet, wir hätten ja auch keine Arbeit bekommen – woher hatten wir aber das Geld? Das Geld war ein Wunder. Das alles war ein Wunder, und ihr werdet es mir nicht glauben, wir haben das Geld gewonnen. In einer Lotterie für Mutterschutz. Wir haben uns zusammen ein Los gekauft um eine Mark und haben dann drei Wochen später zehntausend Mark bekommen. Und die haben wir in vier Teile geteilt – und dann haben wir uns hingesetzt und haben das Geld versoffen. Meistens beim Löwenwirt. Wir wollten nichts mehr wissen von der Zeit, wir hatten alle kein Geld gehabt, wir haben im größten Rausch Schach gespielt und haben im Wirtshaus übernachtet. Zuerst haben wir auch noch tüchtig gegessen, aber dann haben wir nur gegessen, damit wir besser trinken können. Besonders der Ludwig hat das so getrieben. Dieser Ludwig war ein Herr in den besten Jahren und hatte einst Grundstücke gehabt geerbt von seinen Eltern, aber jetzt hatte er keine Seele auf der weiten Welt – die Grundstücke hat er verspielt und verloren, durch Pech im Spiel und die Inflation. Alles, was er noch besaß, das war ein Motorboot, das ihm keiner abkaufen wollte. Dieses Motorboot hatte er sich, knapp nach der Ziehung des Loses, in seinem Saurausch gekauft von einer Konkursmasse einer Schiffahrtsgesellschaft. Es war das ein sehr schönes Motorboot, aber viel zu groß.
Der Heinrich Kowarek hatte den Weltkrieg als sehr junger Mensch kennen gelernt, vorher war er Dentist, aber seit den Aufregungen des Krieges hat er eine unsichere Hand bekommen und hat mit seinen Patienten direkt lebensgefährliche Sachen angestellt. Folgerichtig hat er die Praxis verloren und war dann halt auch nichts. Und der Jüngste, das war ein gewisser Christian Schlamperl, der hat die Schule verlassen und war noch nie etwas. Aber er war immer ein tadelloser Fußballspieler und so hatte er Fußball gespielt im Fußballklub meiner Heimat und war eine Fußballhoffnung. Und die Fußballmäzene haben ihn unterstützt, weil er so in seine Kopfbälle verliebt waren. Aber wie er gewonnen hat, hat er den Fußball vernachlässigt, das Training vernachlässigt, seine Fußballzukunft war ihm immer wurschter, er hat sich mit Weibern herumgetrieben und ist unfair geworden. Betrunken stand er am Platz trat er an in wichtigen Punktspielen, hat er nur gegen den Mann gespielt, nie gegen den Ball – auf sein Konto gehen: er hat einem anderen Fußballer das Wadenbein gebrochen, zweien das Schlüsselbein, einem den Knöchel und vieren den Arm. Zuerst wurde er verwarnt, dann ausgestellt, dann gesperrt für drei Spiele, dann disqualifiziert für ein Jahr und dann am Ende für sein ganzes Leben. Nie mehr durfte er spielen, aber das war ihm wurscht, denn er hatte ja gewonnen und hat nun alles nur versoffen.
Oh wie schlecht sind die Folgen des Geldhabens! Geld ruiniert den Charakter, zerstört die moralischen Grundsätze, die sozialen Triebe! Und wenn das Geld dann zur Neige geht, und man hat nichts mehr zum Saufen, dann erwacht ein so eigenartiges Wesen, das Gewissen, steht auf, setzt sich an dein Bett und rechnet es dir vor, was du alles verspielt hast, was du alles falsch gemacht hast – und dann liegst du da schlaflos in der Nacht und schwitzt vor lauter Angst, und schaust heimlich zum Fenster hinaus, ob nicht ein schwarzer Mann über die Straße geht und unten steht. So ein schwarzer Mann, wie er auf alten Bildern abgemalt ist, derauf einem schwarzen Roß reitet. Und dann fällt dir ein, daß du als Kind gespielt hast »Fürchtest du den schwarzen Mann?« »Nein!« hast du gerufen. »Wenn er aber kommt?« »Dann laufen wir davon!«
Aber du kannst nicht weglaufen und der schwarze Mann steht unten auf der Straße und wartet. Und dann kommt er zu dir ins Zimmer und fragt dich: Fürchtest du den schwarzen Mann? Und du sagst »Ja«. Dann ist er zufrieden und geht wieder fort. Wenn du »Nein« sagen würdest, würd er dich holen, und das ist dein Trost.
Aber dann geht die Sonne wieder auf und schon schaust du nach dem Wirtshaus. Und im Wirtshaus erwarten dich die Kameraden – du begrüßt sie scheu, aber nach kurzer Zeit wirst du geschwätzig und wagemutig. »Meine Herren!« schrie eines Abends der Kowarek, »es ist uns bekannt, daß wir insgesamt nicht mehr sehr viel Geld haben, und es ist uns ferner mathematisch bekannt, daß die Göttin des Glückes uns kein zweites Mal auf unsere Stirnen küssen wird. Ich werde jetzt eine Rede halten, meine Herren – ich bin zwar ansonsten ein schweigsamer Mensch, denn ich habe in meiner Jugend, so gleich nach dem Weltkrieg viel geredet, ob ihr mir das jetzt glaubt oder nicht – ich habe die Welt verbessern wollen, aber es ist mir nicht gelungen, die Welt zu verbessern und ich habe dazu geschwiegen. Besonders seit wir da gesoffen haben, aber ich kann nicht wieder ohne Sauferei sein, was soll ich denn machen, ich kann noch nicht wieder die Welt verbessern wollen, dazu gehört Energie, obwohl es nichts nützt, aber diese Energie hab ich jetzt nicht mehr, weil ich zuviel gesoffen hab, und ich schlage nun vor, daß wir etwas Kühnes unternehmen! Noch haben wir das Geld, um von hier fortzukommen, vielleicht finden wir irgendwo das Schlaraffenland! Meine Herren, ich hab heut die ganze Nacht darüber nachgedacht, da haben wir doch unten unser Motorboot vom Freund Ludwig, setzen wir uns hinein, nehmen wir uns um den Rest unseres Vermögens Wein, wieder Wein, Bier, Schnaps und etwas Lebensmittel und fahren wir los!«
Logischerweise kann es niemand verwundern, daß dieser kühne Vorschlag Heinrich Kowareks begeisterten Beifall gefunden hat. Ludwig sprang auf und beglückwünschte ihn und der Christian Schlamperl zog sich schon seinen Rock an, setzte sich seinen Hut auf – dann verabschiedeten sie sich von dem Löwenwirt, kauften ihm den Keller leer und eilten hinunter zum See. Zum Motorboot.
Die Nacht war schwarz und die Wolken hingen tief und es war unheimlich still. Es war eine Herbstnacht, die Erde roch und die drei bestiegen das Motorboot, verließen die Erde und trauten sich dem Wasser an.
Das Motorboot war, wie gesagt, zu groß. Aber schön und gediegen. Es konnten tatsächlich zwei Personen schlafen, eine essen, eine steuern. Trinken konnten alle zu dritt. Es war auch eine kleine Bibliothek da, lauter Bücher über das Motorboot. Da stand drinnen, was man machen muß, wenn das Motorboot kaputt geht. Auch viele Fahnen waren da – von allen Ländern, Handels- und Kriegsflaggen, und Seeräuberflaggen und die Quarantäneflagge.
Lautlos glitt das Motorboot vom Steg fort – und stach in den kleinen See. Jetzt wurde die Nacht heller, die Tannen standen schwarz an den Uferhügeln und der Mond lag im Wasser. -
Den See verließen sie durch einen kleinen Kanal und da warfen sie noch einen letzten Blick auf ihre Heimat und mitten drin auf das Gasthaus zum wilden Löwen. Eine stille Wehmut zog in ihre Herzen, aber bald sollten sie auf andere Gedanken kommen. Die Wehmut hatte nicht viel Sinn, denn eigentlich verließen sie ihre Heimat nicht tragisch – Wehmut, und sie dachten an die schönen seligen Wirtshausstunden und grüßten den wilden Löwen.
So fuhren sie immer weiter weg vom Land und die Erde drehte sich und sie fuhren in entgegengesetzter Richtung – und als die Sonne kam, sahen sie nur mehr Wasser um sich, kein Fleckchen Erde, nicht einmal einen Hauch Erde am ganzen Horizont. Himmel und Wasser und beides fast gleich blau – und das Meer lag still und gemütlich da, ein großer braver Bruder der stillen Weiher der Kindheit inmitten schwarzer Wälder.
Ludwig schlief noch und Kowarek trank gerade etwas Schnaps, weil er einen schlechten Magen hatte, eine Magenverstimmung, weil er den Abend vorher zuviel Schnaps getrunken hat, da rief plötzlich Schlamperl, der am Steuer saß: »Kreuzkruzifix, jetzt merk ichs erst, daß wir keinen Kompaß haben! Na das ist ja eine feine Bescherung! Ohne Kompaß kann man doch nichts erreichen, suchts ihn auch, Kowarek! He, Ludwig, wach auf, und such den Kompaß! Ohne Kompaß kann es uns leicht passieren, daß wir immer nur im Kreis rumfahren und dazu hab ich keine Lust!«
Aber sie fanden keinen Kompaß, obwohl sie alles durchwühlten – nur in der Bibliothek fanden sie ein Buch. Aus diesem Buch bestand die ganze Bibliothek. Das Buch hieß »Der Kompaß. Eine historische Untersuchung« und Ludwig schlug die Seiten auf und las auf gut Glück: »Die Chinesen sollen den Kompaß schon 121 v. Chr. benutzt haben. Die früheste Kunde von der Nordweisung treffen wir bei Alexander Neckam, dem Milchbruder von Richard Löwenherz, und etwas später bei Guiot von Provins, und es ist nicht sicher, ob die Nadel aus China unmittelbar oder durch die Hände der Araber nach Europa gelangt ist.«
»Was nützt uns das, diese historischen Reminiszenzen?« sagte Kowarek und machte einen resignierten Eindruck, auch Schlamperl hatte das Steuer resigniert verlassen.
»Irrtum«, sagte Ludwig, »wir müssen durch die Geschichte lernen. Und was lernen wir durch diesen Bericht? Etwas für uns ungeheuerlich Nützliches, mit praktischen Folgen für unsere Lage – die Geschichte ist die beste Lehrmeisterin! Wir lernen daraus, daß der Kompaß im besten Falle 121 v. Chr. erfunden worden ist, und zwar in China – und was haben die Leut bis dahin gemacht, he? Sind sie nicht gefahren? Denkt nur an die Wikinger, Römer, Griechen, Phönizier? Sind die vielleicht nicht gefahren? Die Wikinger sind ja sogar nach Amerika! Und was haben die Chinesen gemacht vor 121 v. Chr.? Sind die vielleicht nur gelaufen und gegangen – oh nein! Die hatten auch schon eine Flotte! Kriege haben sie sogar geführt ohne Kompaß! Ich erinnere nur an die römischen Entenbrücken und an deren Erfinder! Ganz abgesehen davon, daß wir hier in Europa im besten Falle erst durch Alexander Neckam, dem Milchbruder von Richard Löwenherz, erfahren haben, was ein Kompaß ist! Da lest es mal selber! Das ist ein sehr kluges, aufschlußreiches Werk! Da könnt ihr viel lernen! So, und jetzt übernehme ich das Steuer! Weg da! Hoppla, jetzt komm ich! Prost!«
Während Ludwig das erzählte, bewölkte sich der Himmel etwas und überallher kamen kleine Wellen auf das Boot zu. »Hoffentlich kommt kein Orkan«, meinte Schlamperl besorgt, »das fängt immer so klein an« – aber kaum hatte er ausgesprochen, zogen die Wolken schnell weg und die kleinen Wellen beruhigten sich, hörten auf, und es gab wieder nur Sonne und Meer. »Wir haben Glück«, konstatierte Ludwig.
So fuhren sie ohne Kompaß dahin. Jetzt stand der Ludwig am Steuer, der Schlamperl schlief und träumte von einem alten Jahrgang – und der Kowarek lag am Bauch und stierte in das Meer hinab. Das war ungewöhnlich durchsichtig und wurde es noch immer mehr. Er konnte bis zum Boden hinabsehen, und was es da alles gab! Seltsame große Wälder, Tintenfische und Medusen, fleischfressende Pflanzen, Wracke, Kriegsschiffe, aller Zeiten, eine Galeere mit angeketteten Skeletten – Tiefseefische, die haben sich selber geleuchtet. Und der Sägefisch hat gesägt, und die Muscheln und die Perlen – und alle möglichen Formen, kurze und dünne, er konnte sich gar nicht von dem Anblick trennen, bis es Nacht wurde. – War das ein Leben!
Drei Tage und drei Nächte fuhren sie nun so ohne Kompaß über das Meer. Es war ihnen direkt schon etwas langweilig und besonders steuern wollte keiner mehr, jeder drückte sich vor dieser Arbeit. Sie war auch eigentlich sinnlos, so ließen sie also nur den Motor laufen und spielten Karten. Tarock, Skat, Siebzehnundvier. Sechsundsechzig. Poker. Back.
Und sie merkten es gar nicht, daß sie sich einer Insel näherten, so vertieft waren sie. Erst im letzten Augenblick – als sie schon fast mit dem steilabfallenden weißen Felsen aus Kalk zusammenstießen, merkten sie was, denn der Felsen warf einen Schatten auf sie. Entsetzt sprangen sie auf und rissen alle drei das Steuer herum, und nur Ludwig ließ seine Karten nicht fallen, denn er hatte ein gutes Blatt.
Aber die beiden anderen, wollten nicht mehr weiterspielen, denn die Insel hatte sie zu sehr aufgeregt. Und alle drei faßten den festen Entschluß, hier mal ans Land zu gehen, denn sie wollten mal wieder Erde unter sich fühlen.
Die Insel war eine sehr kleine Insel und machte, trotz der steilen Felsen einen lieblichen Eindruck, besonders von der anderen Seite. Sie fuhren zuerst dreimal um die Insel herum, und das dauerte eine halbe Stunde. Dann einigten sie sich endlich, wo sie landen werden. Es ging glatt. Schlamperl war der erste, der die Insel betrat.
Diese Insel war ein kleines Paradies, gegen die rauhen Winde schützten es Felsen – drinnen wuchsen Bananen und Äpfel, Obst und Trauben, Gemüse – man sah nur nirgends ein animalisches Wesen. Kein Vogel sang. Da – plötzlich bellte ein Hund, dann noch einer und noch einer, eine ganze Meute. Und schon stürmte die Meute aus den Büschen, bellte fürchterlich und als sie die Fremden erblickte, wedelten sie mit dem Schwanz und machten Männchen. Es waren keine reinrassigen Hunde, sagte Kowarek, der etwas davon verstand. Möpse, eine unmoderne Rasse, die es eigentlich nicht mehr gibt? Wie kommen denn da die Möpse auf die Insel?
Und immer mehr Möpse kamen, überallher – »Das ist ja die reinste Mopsinsel«, sagte Ludwig, »große Möpse, kleine, dicke, feurige, alte, junge, und alle wedelten mit dem Schweife und machten Männchen, küßten ihnen die Hand. »Artige Tiere«, meinte Ludwig.
»Und gut gepflegt, die müssen jeden Tag gebürstet werden. Wer bürstet denn da die Möpse?« wollte er gerade fragen, da erblickte er einen Mann, ein sonderbares Wesen, er hatte ein Blattgewand an, lange Haare und einen langen Bart – »Bieber«, sagte Schlamperl, »vierundfünfzig Punkte«.
Der Bieber stand regungslos da und starrte die Leute an, die ihn grüßten – aber er starrte noch immer, als hätte er noch nie einen Menschen gesehen. Aber dann kam er langsam näher und fragte »Wer seid ihr?«
»Wir? Wir sind hier mit einem Motorboot.«
»Motorboot?«
»Ja. Warum?«
»Was ist das: Motorboot?«
»Dort.«
»Aha!«
»Wer bist denn du?«
»Ich bin ein Mensch! Oh wie bin ich froh wieder Menschen zu sehen! Nein, das ist ja kaum glaublich! Seit vierzig Jahren sitz ich hier auf dieser Insel, ich bin nämlich ein Schiffbrüchiger der einzige Überlebende, an einer Planke hab ich mich gehalten und bin hierher gespült worden, vierzig Jahre lang hab ich gehofft, und jetzt ist endlich wer da, der mich mitnimmt! Nein, ist das wunderbar! Wunderbar!«
Und so war es auch. Der Bieber hat sich auf die Insel gerettet, das Schiff war gesunken vor vierzig Jahren, er wollte auswandern, aber er kam nicht dazu. Nun baute er sich hier ein Haus, eine Hütte – als er sich an der Planke festhielt, sah er einen Mops im Wasser schwimmen, er setzte den Mops auf die Planke, der Mops war aber eine Möpsin und noch dazu trächtig, kaum auf der Insel angelangt, warf die Möpsin, und das waren ihre Nachkommen – rund tausend, sagte der Bieber, und jeder hat seinen Namen, Mandi, Azorl, usw.
Der Bieber kannte die Möpse genau und ihre ganze Genealogie, die Geschichte dieser ganzen Mopsgeschlechter.
Und der Bieber erzählte, was er für Sehnsucht hat nach der Erde, nach den Menschen und nach einem richtigen Schweinskotelett mit Gurkensalat. Denn auf der Insel gab es nur Gemüse, nur Pflanzen – und einen Mops essen, nein, das bringt er nicht übers Herz.
Die Hütte des Biebers war komfortabel. Auf einem Lager weichen Grases schlief er. Und der Mond war größer wie in der Heimat und lächelte freundlicher. Es war herrlich – Der Bieber servierte einen wunderbaren Palmwein und dafür erhielt er vom Kowarek ein Stück Schinken. Er geriet in Verzückung, verschluckte sich und wäre fast erstickt, so gierig hat er es hinuntergefressen.
»Wir müssen ihn mitnehmen, das ist menschliche Ehrenpflicht«, sagte Ludwig, »hoffentlich sauft er uns nicht alles weg.« Unter einer Bedingung, wenn er nicht zu viel trinkt und er wandte sich an den Bieber: »Trinken Sie?«
Der Bieber grinste. »Natürlich«, sagte er. »Und was trinken Sie?« fragte Kowarek. »Alles«, sagte der Bieber, »was kommt. Bier, Schnaps, Wein, Champagner.«
»Den können wir doch nicht mitnehmen«, meinte Schlamperl, »das geht zu weit! Wir werden uns doch nicht opfern wegen dem! Der sauft uns garantiert alles zusammen! Wenn der vierzig Jahr da gesessen ist, dann kann er auch noch weiter sitzen!«
»Lieber Schlamperl«, meinte Ludwig ernst, »so darf man nicht denken, wir nehmen ihn natürlich mit, keine Frage! Aber trinken darf er nichts, sowie er was trinkt, haun wir ihm die Schaufel nauf und werfen ihn ins Wasser! Basta!«
Der Schlamperl knurrte noch etwas von unnötigen Komplikationen, aber dann schwieg er – von Komplikationen, die sich die Menschen bereiten, und man könnt sich sein Leben viel einfacher einrichten.
Dieses Buch behandelt eine sonderbare Reise dreier Zeitgenossen, die wo das große Los gezogen haben – und sich nun um ihr ganzes Geld ein schönes großes komplettes Motorboot mit Proviant gekauft haben, anstatt mit dem Gelde sich eine Existenz zu gründen, oder anderen zu helfen, aber maßen sie sehr liederlich und leichtsinnig waren.
Eigentlich, daß muß der Verfasser gestehen, hat er diese drei Zeitgenossen noch niemals ganz nüchtern gesehen. Entweder traf er sie im Wirtshaus oder sie kamen gerade aus dem Wirtshaus. Nur sehr selten oder gingen ins Wirtshaus, dann waren sie vom Tag vorher noch voll. Am nüchternsten waren sie noch drinnen im Wirtshaus, und das sagt ja genug.
Der Verfasser will dieses Buch schreiben für Leute, denen es schlecht geht – die sollen es lesen, und falls sie aber überhaupt nichts mehr lesen wollen, was verständlich ist, dann sollen sie es sich vorlesen lassen. Falls sie aber auch nichts mehr hören wollen, dann werden sie aber auch nicht lachen über dieses Buch, und dann sollen sie es garnicht lesen.
Nach wie vor gilt aber dem Verfasser als höchster Spruch: Gegen Lüge und Dummheit. Werdet aufrichtig, erkennt euch selbst! Nehmt euch nicht zu ernst, es steht euch weder an noch gut.