Ludvig Holberg
Jacob von Tyboe oder Der großsprecherische Soldat
Ludvig Holberg

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Vierter Akt.

Erste Scene.

Leonard. Jesper.

Leonard. Das war in der That eine charmante Idee, Jesper; auf die Art, hoff' ich, wird Tyboe seinen ganzen Credit ruiniren. Denke nur, wenn sie dieses Gedicht zu sehen kriegt, wie wird ihr zu Muthe werden!

Jesper. Die Hauptkunst besteht darin, daß Einer den Andern hinters Licht führt, während Ihr ganz aus dem Spiele bleibt. Denn wie der Magister Stygotius den Tyboe um seinen Credit gebracht hat, so soll Tyboe ihn wieder um den seinen bringen; sie müssen erst beide mit Fräulein Lucilia in Streit gerathen, nachher müssen sie Einer dem Andern in die Haare gerathen und Monsieur trägt den Preis davon.

Leonard. Ach, Jesper, das ist Trost für mein Herz, das eben noch ganz verzweifelt war; es ist doch das größte Unglück, das es giebt, zu lieben, wo man niemals hoffen darf zu besitzen.

Jesper. Gebt Euch nur zufrieden und geht einstweilen bei Seite, ich sehe Tyboe kommen; da will ich ihm gleich einen guten Rath geben, wie er seinen Rivalen hinters Licht führen soll. 53

Zweite Scene.

Jesper. Tyboe.

Tyboe. Sieh da, Jesper, bist Du hier? Du verkehrst also, wie ich merke, auch mit meinem Rivalen; was soll das bedeuten?

Jesper. Das will bedeuten, daß ich alle Intriguen ausspionire.

Tyboe. Ah so, wenn das ist, so magst Du immerhin mit ihm umgehen. Aber welchen Plan schmiedet er denn jetzt?

Jesper. Binnen hier und einer Stunde soll des Magisters Diener der Mamsell Pernille einen versiegelten Geldsack bringen; das hat der Magister selbst mir soeben mitgetheilt; er hält mich nämlich für seinen intimsten Freund und dafür soll ihm nun von mir ein Streich gespielt werden.

Tyboe. Du willst vermuthlich das Geld unterwegs für Dich selbst wegschnappen?

Jesper. Ei nein, was könnte das wol helfen? Ich habe einen andern Plan, bei dem Christoph mir beistehen soll. Der gnädige Herr muß Christoph einen großen Sack voll Kupfergeld geben, und wenn er das hinbringt und dabei dem Bedienten des Magisters begegnet, so muß er sich stellen, als wäre er total betrunken.

Tyboe. Was aber weiter?

Jesper. Ich werde ihm dann einbilden, daß in des gnädigen Herrn Beutel noch mal so viel Geld ist, und werde ihm zureden, des gnädigen Herrn Diener mit sich ins Wirthshaus zu nehmen und da den Geldbeutel zu vertauschen. Denkt Euch, wie blamirt der Magister vor Mamsell Pernille dastehen wird, wenn er ihr ein Geschenk bringen wird, bestehend in einem Beutel mit Rechenpfennigen und Hellern! Was meint der gnädige Herr zu dem Einfall?

Tyboe. Das ist ein admirabler Einfall; ich weiß gar nicht, wie ich mich Dir dankbar erzeigen soll.

Jesper. Belieben der gnädige Herr jetzt nur hineinzugehen 54 und die Rechenpfennige und Heller anzuschaffen, inzwischen will ich den Christoph schon abrichten, wie er sich zu benehmen hat. Denn der andre Diener, der Peter, taugt dazu nicht, das ist ein Kümmeltürke, und überdies ist er auch erst zu kurze Zeit in des gnädigen Herrn Diensten.

Jesper. Christoph, kannst Du wol einen Betrunkenen machen?

Christoph. Versteht sich, ausgezeichnet, besonders wenn ich so meine zwei Quart Branntwein im Leibe habe.

Jesper. Ja, da kann es Jeder; nein, Du mußt nüchtern sein und doch aussehen, als wärst Du betrunken. Laß mal sehen, wie Du die Sache machst, damit ich nachhelfen kann, wenn noch was fehlt. (Christoph taumelt hin und her wie ein Betrunkener.) Du mußt aber auch was sprechen!

Christoph. Was soll ich denn sprechen?

Jesper. Je verrückter, je besser; Du mußt spectakeln und randaliren.

Christoph. Hie . . . . hie . . . . bist Du da, Jesper Schmarotzer? Jesper Fuchsschwanz? . . . .

Jesper. Nicht übel, Christoph, Du fängst das Ding ganz hübsch an, merk' ich.

Christoph (fortfahrend). He, Du Hund, bist Du da? Du Tagedieb, der nie Lust zur Arbeit hat, sondern umherläuft und vor aller Welt mit dem Schwanze wedelt, wo es irgend einen guten Bissen zu erhaschen giebt?

Jesper. Gar nicht übel, sag' ich, ich zweifle jetzt nicht länger an Deinen Talenten.

Christoph. Komm' an, Du Hund, Du Ohrenbläser, Du Heuchler, der immer anders spricht, als er es meint, Du Freund nicht der Menschen, sondern der Küchen und Keller, komm' an! Halloh, Du Fresser! 55

Jesper. Ei, so hör' auf, in des Teufels Namen, ich habe schon mehr gehört, als mir lieb ist!

Christoph. So muß man mit solchen Scheinheiligen umgehen! (Zieht Jesper bei den Haaren.)

Jesper. Laß los, oder das Donnerwetter soll Dich regieren! Heda, Herr von Tyboe, zu Hülfe!

Christoph. Na, Jesper, versteh' ich mich nun darauf, einen Betrunkenen zu machen?

Jesper. Hol' Dich der Teufel, Du bist klüger, als ich dachte.

Christoph. Ich kann es auch noch auf eine andere Manier machen; der Erste war Einer, der sich in Bier betrunken hat, nun will ich mal Einen vorstellen, der sich in Branntwein betrunken hat. Als zum Exempel . . . .

Jesper. Halt' ein in des Teufels Namen, ich habe genug an dem Biersäufer. Und nun hör' zu, Christoph: sobald Du des Magisters Diener mit einem Geldsack erblickst, so mußt Du Dich stellen, als wärst Du betrunken, und wenn er Dich dann ins Wirthshaus führt, so mußt Du Deinen Beutel in die Ecke werfen, und wenn er sie dann verwechselt, so mußt Du Dich stellen, als ob Du nichts davon merkst; hast Du das begriffen?

Christoph. Das ist nicht schwer zu begreifen; ich soll thun, als ob er mich betrügt, und dabei betrügt er sich selbst.

Jesper. So ist es. Nun aber lauf' und hole Deinen Beutel. Sieh' da, hier kommt der Magister, eben zur rechten Zeit.

(Christoph ab.)

Vierte Scene.

Stygotius. Jens. Jesper.

Stygotius. Das hätte gar nicht besser ablaufen können, Jens; er nahm also wirklich das Gedicht, das seinen Herrn um allen Credit bringen wird? Ich muß jetzt zu einer Disputation, Du indessen, um mein Spiel noch zu verstärken, geh' auf der Stelle zu Mamsell Pernille und bring' ihr diesen Sack mit Geld, so daß sie dem Tyboe sein niederträchtiges Gedicht und mein Geschenk beides in derselben Stunde kriegt. Spute Dich, 56 daß Du zurückkommst, und bring' mir Bescheid. (Zu Jesper) Quid novi ex Africa?

Jesper. Tyboe's Diener ist eben auf dem Wege zu Mamsell Pernille mit einem ungeheuren Geldsack.

Stygotius. Wird da wol mehr Geld drin sein, als in diesem Sack?

Jesper.. Der Sack ist gerade noch mal so groß.

Stygotius. Das war mir ein schlimmer nuntius. Ach, Himmel, omnibus artibus contremisco!

Jesper. Der Diener ist aber so betrunken, daß er nicht auf den Beinen stehen kann, und da könnte man ihm denn einen Streich spielen, der noch ärger wäre als der vorige, nämlich dergestalt, daß Jens ihn unterwegs ins Wirthshaus lockt, ihn völlig um seinen Verstand bringt und die Geldsäcke heimlich vertauscht. Versteht der Herr Magister, wie ich's meine?

Stygotius. Capio mentem tuam et laudo artificem.

Jesper. Und dann laßt Ihr den Jens frischweg mit dem großen Geldsack zu Pernille gehen und ihr ihn in Eurem Namen überreichen.

Stygotius. Optime! optime! Höre, Jane!

Jens. Ita.

Stygotius. Sieh' her, da hast Du einen Beutel, mit dem gehst Du auf die Straße und promenirst auf und ab, bis Du Tyboe's Diener gewahr wirst, der nämlich total betrunken ist, mit dem läßt Du Dich dann ins Plaudern ein, bittest ihn, mit Dir ins Wirthshaus zu kommen, und machst ihn da immer betrunkener und dabei vertauschest Du dann die Geldbeutel.

Jens. Er wird sich schon in Acht nehmen, er ist ein schlauer Bruder.

Jesper. Heute hält es nicht schwer, ihn hinters Licht zu führen, er ist so im Thran, wie ich ihn noch nie gesehen habe.

Stygotius. So wollen wir es denn auf den Versuch ankommen lassen. Sieh', da ist der Beutel, abi bonis avibus. 57

Fünfte Scene.

Jens. Christoph.

Christoph. Ich gehe hier und treibe mich umher, um des Magisters Diener einen Streich zu spielen und den Plan auszuführen, den Jesper entworfen hat. Aber da kommt er schon, nun muß ich nur schnell thun, als ob ich totalbetrunken wäre. – Rund – rund – rund! So freudiglich, so freudiglich, der Becher geht im Kreise rund!

Jens. Seh' ich recht, so ist das Tyboe's Christoph, und zwar betrunken über die Maßen – und dabei hat er, hol' mich dieser und jener, einen ungeheuren Geldsack unterm Arm.

Christoph. Rund, rund, rund! So freudiglich, so freudiglich! Der Becher geht im Kreise rund!

Jens. Er ist grausam besoffen; hätte ich ihn nur erst im Wirthshaus, so wollte ich ihm das Geld schon abnehmen oder wenigstens die Geldsäcke vertauschen; denn seiner ist noch mal so groß wie meiner.

Christoph. So freudiglich, so freudiglich, so freudiglich, so freudiglich!

Jens. Wo geht die Reise denn hin, Christoph?

Christoph. Heda, lustig! frisch eingeschenkt! Rund, rund, rund, rund!

Jens. Aber so hör' doch, Christoph!

Christoph. Wer da?

Jens. Gut Freund.

Christoph. Bist Du es, Jens? Du kannst Deinen Herrn nur heute Abend bitten, daß er sich aufhängt, noch ehe er zu Bette geht.

Jens. Weshalb denn?

Christoph. Hier in diesem Sack sind vierzig Thaler, das ist mehr, als Dein Herr aus dem Stroh bringen kann! Rund, rund, rund, rund, rund, rund! Sollen wir erst mal zusammen zu Christoffer 'reingehen?

Jens. Ei ja. (Leise) Nun hab' ich mein Spiel gewonnen. 58

Christoph. Ich bin meiner Treu so durstig wie ein Hund.

Jens. Dann laß uns nur 'reingehen. Heda, Christoffer, aufgemacht, hier giebt's einen Groschen zu verdienen!

(Der Wirth kommt heraus.)

Sechste Scene.

Christoph. Jens. Der Wirth.

Christoph. Guten Morgen, Christoffer!

Wirth. So sagen die Diebe im Dunkeln.

Christoph. Ich bin besoffen wie ein Schwein, Christoffer.

Wirth. Wir sind alle Menschen, einmal ist keinmal.

Christoph. Und das vom bloßen Branntwein.

Wirth. Wo seid Ihr denn gewesen?

Christoph. In Meister Daniel seinem Garten; da hab' ich Kegel gespielt und hab' das Herz aus dem Leibe geschoben und Acht um den König und damit hab' ich zwei Mark gewonnen und die hab' ich versoffen. Rund, rund, rund! So freudiglich, so freudiglich, so . . . . (Fällt um.)

Wirth. Ach der arme Kerl! Wenn er sich nur nicht gestoßen hat; wenn Einer im Thran ist, da hab' ich allemal das größte Mitleid. Wißt Ihr auch wol, was das Beste ist, wenn man zu viel getrunken hat?

Christoph. Ein Hundsfott, der es weiß.

Wirth. Von vorne anfangen mit Trinken; mancher möchte zwar denken, ich sagte so blos aus Eigennutz, aber in vielen Fällen hat es wirklich schon geholfen.

Christoph. Bring' uns denn noch einen Humpen Branntwein heraus, ich trinke das Zeug zwar eigentlich nie, als blos wenn ich Magendrücken habe, ich bin nur leider niemals ohne Magendrücken. (Wirth ab.)

Jens. Das Beste wird wol sein, wir geben dem Wirth unsere Beutel in Verwahrung.

Christoph. Richtig. Hör', Christoffer, setz' mal diese beiden Säcke mit Geld so lange in Deinen Schrank, unterdessen wir 59 trinken. Hei, fratres, laßt uns lustig sein! Celerestote sepost molestum senectutam, post molestum senectutam nos habebat humus.

Jens. Kennst Du nicht die Melodie, Christoph: »Zu Leipzig war ein Mann«, das geht allerliebst.

Christoph. Nein, die deutschen Melodien kann ich nicht leiden, ich singe blos dänisch und lateinisch. Parva scintillula habet contemptula magnum magnum citabat incendium.

(Stellt sich, als ob er bewußtlos wird, fällt an die Erde und schläft ein.)

Jens. Ach, Herr Wirth, laßt den guten Kerl doch hier liegen und seinen Rausch bei Euch ausschlafen; hätte ich nicht eine gar so eilige Besorgung, würde ich selber bei ihm bleiben, es ist der beste Freund, den ich in der ganzen Stadt habe. (Christoph wird zu Bett gebracht.) Herr Wirth, hier ist auch das Geld für den Branntwein und dann seid auch so gut und gebt mir meinen Beutel.

Wirth. Ja, nun weiß ich nicht, welcher von beiden es ist; sie stehen alle beide auf dem Ladentisch.

Jens (Geht hinein und hebt den größten Beutel, der mit Rechenpfennigen gefüllt ist). Herr Wirth, gebt nur gut Acht auf meinen Kameraden und hebt ihm sein Geld gut auf, in einer halben Stunde bin ich wieder da.

Wirth. Da könnt Ihr ganz ruhig sein, da ist wahrhaftig kein Mensch, der sagen könnte, in Christoffers Hause wäre ihm auch nur ein Schilling weggekommen.

Jens. Adieu.

Wirth. Serviteur; seid so gut und laßt Euch bald mal wieder sehen. (Wirth ab.)

Siebente Scene.

Jens. Nachher Pernille.

Jens. So ist Tyboe's Diener denn also richtig angeführt, solch ein schlauer Kunde er sonst auch ist. Nun will ich nur 60 schnell das überflüssige Geld nehmen und es in meine Tasche stecken.

Pernille (kommt). Was machst Du denn da, Jens? Wenn Dein Herr das erfährt, daß Du ihm die Geldbeutel auf der Straße aufmachst, dann wird es Dir schlecht ergehen.

Jens. Nein über das Unglück, daß sie auch gerade kommen muß, ehe . . .

Pernille. Dein Herr schenkt Dir viel zu viel Vertrauen. Wie darfst Du wol etwas aufmachen, das Dir verschlossen übergeben ist?

Jens. Ich bin unterwegs gefallen und da wollte ich blos nachsehen, ob auch keins von den Geldstücken entzwei gegangen ist.

Pernille. Eine herrliche Entschuldigung!

Jens. Nicht einen Schilling hab' ich genommen, weiß Gott; ich wollte ja lieber etwas zulegen, als wegnehmen.

Pernille. Ja richtig, so pflegen es die Bedienten in Kopenhagen auch zu halten, daß sie Geld zulegen. Aber dies Geld, weiß ich, ist für mich.

Jens. Ja, mein Herr bittet, gütigst vorlieb zu nehmen.

Pernille. Grüße Deinen Herrn vielmals und versichere ihn meiner guten Dienste. Sowie er kommt, will ich ihn gleich einlassen. (Jens geht weinend ab.)

Achte Scene.

Pernille allein.

Pernille. Stygotius hat sich diesmal ja wahrhaftig recht angegriffen, es soll ihm nicht unbelohnt bleiben; in diesem Beutel sind ja, glaub' ich, mehr als vierzig Thaler. Leg' ich das nun zu dem übrigen Gelde, das ich zu Hause habe, so kann ich ja die schönste Mantille dafür kriegen, die jemals getragen ward. Gebt nur Acht, nächsten Sonntag, wie geputzt ich sein werde, da werden diese Tugendspiegel von Mädchen in ihren Lumpen dann wieder räsonniren: die Pernille ist doch reinweg des Teufels, 61 kein Mensch kann begreifen, wo sie die vielen schönen neuen Kleider herkriegt, es scheint wirklich, als ob sie hexen kann! Aber dieses Gewäsche läßt mich kühl. Nun muß ich doch aber mal das Geld nachzählen; ich glaube wahrhaftig, es sind lauter Achtschillingstücke! Ach, wenn es doch lauter Achtschillingstücke wären! – Ach Himmel, was seh' ich? Ach, ich platze vor Aerger! Das sind ja Rechenpfennige und Heller?! Na, die Schmach soll nicht ungeahndet bleiben, so wahr ich Pernille heiße!

Neunte Scene.

Lucilia. Pernille.

Lucilia (wirft Pernille das Papier ins Gesicht). Sieh' da, Pernille, komm' Du mir noch einmal mit Deinen Recommandationen! Weder Du, noch so ein Schlingel sollen mich je wieder zum Narren haben; meine Mutter nennt er eine Kupplerin, mich eine Dirne, und Du bist auch nicht vergessen.

Pernille. Wie denn, hat sich denn schon wieder was Neues ereignet?

Lucilia. Niemand kann mir etwas Uebles nachsagen, darum braucht er mich auch nicht in seinem Gedicht auf so höhnische Weise zu mißhandeln. Ich habe das Gedicht zwei Herren gezeigt, jedem einzeln, und beide übersetzten es folgendermaßen: Deine Mutter ist eine Kupplerin, Du selbst bist eine Courtisane, und Dein Mädchen ist eine Allerweltsdirne. Es freut mich nur, daß meine Mutter den Spitzbuben auf die Art kennen gelernt hat; würde ihr der Andere nur ebenso verhaßt, so wäre ich sie alle beide los.

Pernille. Ach, ach, nun merke ich den Zusammenhang Die beiden Rivalen haben sich vertragen und haben einen Frieden geschlossen, bei welchem, wie es so zu geschehen pflegt, derjenige als Opfer gefallen ist, der die Veranlassung zu ihrem Zwist gegeben hat. Eben in diesem Augenblick, meine allerliebste Lucilia, kriege ich von Stygotius einen Sack, angefüllt mit 62 Rechenpfennigen und Hellern. Ach, ich sterbe, wenn ich nicht Rache nehmen kann, noch ehe die Sonne untergeht!

Lucilia. Hab' ich es Dir nicht immer gesagt, Pernille, daß den Männern nicht zu trauen ist? Uns nennen sie hinterlistig und unstät, ja sie bringen den Wankelmuth der Frauenzimmer aufs Theater und machen ein öffentliches Spectakel daraus und doch sind sie selbst die ärgsten Wetterfahnen, die es giebt; jetzt thun sie, als wollten sie sterben vor Liebe, und ein ander Mal machen sie sich ein Vergnügen daraus, uns zu beschimpfen. Und davon nehme ich keinen aus, als blos Leonard, denn der, weiß ich, ist treu und hat ein edles Herz.

Pernille. Laßt uns bei Seite treten, da kommt Tyboe; vermuthlich hat er sich die Sache anders überlegt und kommt, um Verzeihung zu bitten. Nun gebt nur Acht, wie hübsch ich mich rächen werde!

Zehnte Scene.

Tyboe. Ein Musikant.

Tyboe. Das Fräulein, dünkt mich, steht am Fenster; schleichen wir uns nun leise heran, Du aber stelle Dich beim Musiciren so, daß man Dich blos hört, ohne Dich zu sehen.

(Der Musikant duckt sich nieder, nimmt seine Violine da Gamba hervor und spielt darauf, während Tyboe das Liebeslied singt, das er oben in Akt 2, Scene 2 dem Jesper mitgetheilt hat. Pernille steckt den Kopf zum Fenster hinaus, sieht hinunter, bittet, das Stück noch einmal zu wiederholen; sie singen und spielen noch einmal.)

Lucilia (gießt dem Tyboe ein Gefäß mit Wasser über den Kopf und sagt:) Für solche Poeten gehört ein solcher Kranz!

(Tyboe und der Musikant gehen beschämt ab, während die im Hause sie auslachen.) 63

Elfte Scene.

Stygotius. Jens.

Stygotius. Das war das größte Meisterstück, das noch jemals gemacht ist!

Jens. Ja Herr, da könnt Ihr Euch darauf verlassen, mit uns lateinischen Jungen ist nicht zu spaßen.

Stygotius. Dein Latein wird Dir wol nicht viel dabei geholfen haben, Jens, denn das drückt Dich überhaupt nicht sehr.

Jens. Ei nun, Herr, was so zum täglichen Gebrauch gehört, das weiß ich doch so ziemlich; bin ja aber auch mehr als hundertmal im Collegienhause gewesen, da muß doch wol endlich etwas hängen bleiben.

Stygotius. Ja, was denkst Du denn wol, daß ich für ein Mann sein muß, der ich so viele Bücher gelesen habe? Aber wie fingst Du es an, die Beutel zu vertauschen?

Jens. Er begegnete mir mit einem großen Geldsack, ganz im Thrane, aber doch nicht so, daß ihm nicht noch ein bischen Verstand geblieben wäre; da dachte ich: halt, hier mußt Du Deinem lateinischen Kopf Ehre machen und mußt sehen, wie Du ihn ganz und gar ins Netz kriegst. Sofort lud ich ihn ein, mit mir zu Christoffer dem Bierschenker zu gehen und fing an, mit ihm von frischem zu trinken. Nachdem ich ihn aber überredet hatte, dem Wirth die beiden Geldbeutel in Verwahrung zu geben, klemmte ich mich auf ihn mit Branntweintrinken, bis er unter die Bank fiel und einschlief, darauf ging ich zum Wirth und bat ihn, auf meinen Kameraden Acht zu geben, bis ich mein Geschäft besorgt und wieder käme. Der Wirth, der uns für gute Freunde hielt, versprach es mir und hieß mich selbst meinen Beutel wiedernehmen. Da machte ich mich denn rasch dabei, seinen Beutel für meinen zu nehmen, und wie ich den großen Sack nur erst hatte, der über dreißig Thaler mehr enthielt als meiner, so lief ich, als ob mir der Teufel auf den Fersen säße. 64

Stygotius. Na der Tausend, das geht gut, wir sind obenauf, in portu navigamus; laß uns nur gleich hingehen. (Jens pocht.)

Pernille (sieht aus dem Fenster, sagt, sie würde sie gleich hereinlassen, gießt ihnen aber gleich darauf ein Gefäß mit Wasser über den Kopf und sagt:) Nun kommt mir ein ander Mal wieder mit Hellern und Rechenpfennigen! (Sie gehen beschämt ab.) 65


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