Ludvig Holberg
Jacob von Tyboe oder Der großsprecherische Soldat
Ludvig Holberg

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Erster Akt.

Erste Scene.

Jesper Oldfuchs.

Jesper. Will Einer meinen Namen wissen, so heiße ich, mit Respect zu sagen, Oldfuchs. Will Einer meine Hantierung wissen, so bin ich ein Schmarotzer, zu dienen. Will Einer wissen, was mein Vater war, auch ein Schmarotzer; mein Großvater, auch ein Schmarotzer; mein Urgroßvater, auch ein Schmarotzer. Von dieser Art kann ich gut meine sechzehn Ahnen aufzählen. Fragt aber Einer, mit wem ich gut Freund bin, so antworte ich: mit aller Welt. Will Einer wissen, wem ich treu bin, so antworte ich: niemand außer Monsieur Leonard. Will Einer wissen, warum ich ihm treu bin, so stutze ich, und die Schamröthe steigt mir ins Antlitz; denn in diesem Punkt versündige ich mich gegen meine Profession und weiche von dem Pfade meiner theuren Ahnen, die mit niemand eine Ausnahme machten. In diesem Hause hier linker Hand wohnt eine vornehme, aber unbemittelte Dame, Namens Leonora; sie hat eine schöne Tochter, die Lucilia heißt und in die sich drei Personen verliebt haben. Der erste nennt sich Jacob von Tyboe, ein Kerl, nach meinem Dafürhalten, dem eine Schraube im Kopfe los ist; er behauptet, in ausländischen Diensten gestanden zu haben, kann jedoch weder Paß noch Abschied aufweisen. Die übrigen Offiziere hier in der Stadt stehen auf gutem Fuß mit ihm und tituliren ihn bald Herr Kapitän, bald Herr Major, bald Herr Oberst, je nachdem er sie seltener oder öfter freihält. Erzählt er von seinen Thaten, so stellen sie 8 sich, als ob sie ihm mit Verwunderung zuhörten; tritt ihm Einer zu nahe, so nehmen sie ihn in Schutz; braucht er Soldaten, stellen sie ihm welche zur Verfügung und richten sie ab, ihm den gehörigen Respect zu erweisen. Summa Summarum: er ist das Amüsement der ganzen Garnison. Der zweite heißt Styge Stygesen, seit er jedoch von Rostock zurück ist, schreibt er sich Magister Stygotius; er spielt unter den Gelehrten dieselbe Rolle wie jener unter den Offizieren. Der dritte ist ein vornehmer junger Herr mit Namen Leonard, der freilich zur Zeit noch kein Vermögen besitzt, wol aber die Aussicht hat, einen reichen Oheim zu beerben, der schon mit einem Fuß im Grabe steht. Diese bewerben sich alle drei um Fräulein Lucilia. Die Mutter und das Kammermädchen Pernille, das in dem Hause das große Wort führt, sind für einen von den beiden ersteren, das Fräulein selbst dagegen ist für den dritten. Ich für meine Person stehe auf gutem Fuß mit Stygotius sowol wie mit Tyboe, theils wegen der fetten Bissen, die ich von ihnen lucrire, theils um ihre Anschläge auszuspioniren und Monsieur Leonard in Kenntniß davon zu setzen. Aber da seh' ich Monsieur Leonard kommen; ich sprach erst kürzlich mit ihm von seiner Liebschaft, mußte jedoch abbrechen, weil etwas dazwischen kam.

Zweite Scene.

Leonard. Jesper Oldfuchs.

Leonard. Ach Jesper, was könnte ich nun wol noch hoffen, da ich zwei solche mächtige Rivalen habe?

Jesper. Das mein' ich auch, zwei verwetterte Rivalen: der Eine ist ein Narr und der Andere ein Pedant.

Leonard. Was will das helfen, Jesper?

Jesper. Das will so viel helfen, daß Fräulein Lucilia trotz ihrer Jugend doch nachgerade geschickt genug ist, sich niemals in Einen von diesen zu verlieben; denn wenn man sie beide zusammenthut mitsammt ihrem Verstand, ihrer Tugend und Liebenswürdigkeit, so kommt in Summa noch nicht so viel dabei heraus, wie bei 9 einem mittelmäßigen Pferd zu finden. Der Eine ist so toll im Kopfe, daß ich ihm weißmachen kann, er hätte größere Thaten verrichtet als Alexander Magnus, und was die Schönheit betrifft, so reichte Prinz Absalon ihm nicht das Wasser, und jedesmal, so oft in der Kirche geläutet wird, so wäre das wegen eines Frauenzimmers, das aus Liebe zu ihm gestorben. Der Andere ist närrisch vor lauter lateinischen Glossen und Distinctionen, spricht griechisch sogar mit Frauenzimmern, macht die Cour in lauter Syllogismen und hat zu alledem ein solches Schulmeistergesicht und solche Magistermanieren, daß, wenn Ihr ihn von Weitem seht, er Euch vorkommt, als wäre er ein alter lateinischer Autor classicus und Gott und die Natur hätten ihn allein dazu erschaffen, auf einem Büchergestell zu stehen zwischen andern Folianten und Quartanten. Meint Monsieur denn wirklich, daß Fräulein Lucilia sich verlieben könnte in ein altes Schweinsleder, in einen Autor, einen . . . .

Leonard. Aber, Jesper, Du kennst die Situation ja so gut wie ich, und daß sie beherrscht wird von einer geizigen Mutter, die lediglich aufs Geld sieht?

Jesper. Darum macht Euch nur keine Sorgen, Monsieur, ich will schon etwas aussinnen, was Euch helfen soll.

Leonard. Du hast ja wol freien Zutritt zu beiden?

Jesper. Nicht blos freien Zutritt habe ich zu ihnen, sondern ich bin sogar ihr intimster Freund, dem sie alles vertrauen, was ihnen auf dem Herzen liegt. Aber hier sehe ich Tyboe's Diener Peter kommen, der erst seit Kurzem seine Livree trägt; laßt uns ein wenig bei Seite treten.

(Treten bei Seite.)

Dritte Scene.

Peter allein.

Peter. Es muß doch ein schönes Geschäft sein, Poet zu sein; dabei kann man Geld verdienen wie Heu. Ich begreife deshalb auch nicht, warum die Mehrzahl von ihnen so verlumpt aussieht. Denn wenn ich einen Menschen sehe in einem alten 10 schwarzen Rock, mit Flicken auf den Ellenbogen, so bin ich jedesmal sicher, daß es ein Poet ist. Sie werden wol trinken, die Hunde; was sie verdienen, jagen sie sofort durch die Kehle. Mein Herr von Tyboe hat mich ausgeschickt, einen Poeten aufzusuchen, und hat mir zwei Reichsthaler mitgegeben zu einem Gedicht, welches er Fräulein Lucilia schicken will, weil er nämlich durch ihr Kammermädchen, Mamsell Pernille, in Erfahrung gebracht hat, daß heute des Fräuleins Namenstag ist. Weil aber mein Herr gerade solch ein Poet ist wie ich, so müssen wir fremde Köpfe für uns arbeiten lassen. Das ist ein verwettertes Mädel, die Pernille. Ich habe sie freilich nur erst ein paarmal gesprochen, weil ich erst kürzlich bei Tyboe in Dienst getreten bin; so viel aber habe ich in dieser kurzen Zeit schon bemerkt, daß die Aufmerksamkeiten, welche sie uns dem Fräulein zu erweisen räth, immer nur in Gedichten und Nachtmusiken bestehen, die Aufmerksamkeiten dagegen, die sie für sich selbst in Anspruch nimmt, die bestehen allemal in Geld und noch dazu in Kronthalern, für die wir, das kann ich beschwören, neulich vierzehn Procent gegeben haben bei dem verfluchten Juden, der hier in der Straße wohnt und der noch obenein der billigste sein soll. Es ist doch eine eigenthümliche Sorte, diese Juden, man sollte wirklich glauben, daß sie nicht die Spur von Christenthum oder Gewissen haben. Aber jetzt muß ich sehen, wo ich einen Poeten herkriege; wenn man das Teufelszeug braucht, so ist keiner zu finden, braucht man sie aber nicht, so giebt es ihrer so viele wie Fliegen im September. Aber da kommt jemand, sollte das nicht ein Poet sein? Nein, es ist ein Mensch. Mit dem Burschen muß ich sprechen, er hat so was Närrisches im Gesichte.

Vierte Scene.

Peter. Jens.

Peter (winkt ihm). Hör', Kamerad, auf ein Wort!

Jens. Ist da jemand, der mich sprechen will?

Peter. Nein, ich wahrhaftig nicht. 11

Jens. Was willst Du denn?

Peter. Hab' ich Dir etwa Rechenschaft zu geben, was ich will?

Jens. Du mußt nicht richtig im Kopfe sein. Erst ruft er mich, und nachher, wenn man ihn fragt, was er will, da nimmt er es übel.

Peter. Ich will wahrhaftig nichts als Dich sehen; nämlich, die Wahrheit zu sagen, sah ich Dich an unserm Thorweg vorübergehen, und da kam es mir vor, als hättest Du so was Närrisches im Gesichte.

Jens. Der Kerl ist wirklich nicht richtig im Kopfe. Bei wem dienst Du denn?

Peter. Bei meinem gnädigen Herrn.

Jens. Das war noch das Klügste, was ich von Dir gehört habe. Aber hast Du mich schon früher gesehen?

Peter. Ja, es ist mir so, als hätt' ich letztes Frühjahr die Ehre gehabt, Dich auf einem Ostindienfahrer zu sehen, da lagst Du aber auf Deck an der Kette, und warst rauh über den ganzen Leib und hattest vier Beine.

Jens. Hol' Dich der Henker, Du Spottvogel! Du bist noch eher ein Affe als ich; denn Du siehst nicht blos aus wie ein Affe, sondern Du hast auch Manieren wie ein Affe.

Peter. Ei, Landsmann, das mußt Du mir nicht übel nehmen, daß ich ein bischen Faxen mache, ich sehe gar zu viel Tollheiten in dem Hause, wo ich diene.

Jens. Wo dienst Du denn?

Peter. Ich bin kürzlich in den Dienst getreten bei einem Kriegsmann, mit Namen Jacob.

Jens. Ja, nun bin ich noch so klug wie vorher, wenn Du mir nicht seinen Zunamen sagen kannst.

Peter. Er heißt Jacob von Tyboe.

Jens. Ach, den kenn' ich, der ist ja ein Narr.

Peter. Der Klügste ist er nicht, da hast Du allerdings Recht, indessen ist er doch so ziemlich bei Verstande. Aber bei wem dienst Du denn?

Jens. Ich diene bei Magister Stygotius. 12

Peter. Ach, den kenn' ich, der ist ja ein Narr.

Jens. Ei, Possen, ein wohlstudirter Mann ist er. Ich habe schon mehr als Einen sich wundern hören, wie er nur hat so gelehrt werden können, da er doch blos in der Christenbernikov-Straße geboren ist.

Peter. Je nun, vielleicht ist er im Studentenhofe oder in der RegenzDer Studentenhof, eine Art Collegium, in welchem viele Studenten zusammenwohnen; die Regenz, ein königliches Gebäude zu gleichem Zweck. A.d.Ü. gesetzt und in der Christenbernikov-Straße blos herausgegeben worden.

Jens. Mag er gemacht sein, wo er will, so ist er jedenfalls so gelehrt, daß er, wenn es sein müßte, eine Postille sein könnte.

Peter. Kann er denn jedes dänische Buch lesen, das er will?

Jens. O Du Tölpel, er sollte Magister sein und nicht lesen können?!

Peter. Ja, was weiß ich denn, was zu einem Magister gehört. Im Uebrigen will ich gern zugeben, daß er sehr gelehrt ist, aber ein Narr kann er doch sein, nämlich ein hochgelahrter Narr.

Jens. Da kommst Du der Wahrheit ziemlich nahe.

Peter. Na, da sind wir ja so gut wie Schwäger, da es ja eine Familie ist, in der wir dienen. Aber hör', Kamerad, nun laß uns mal wirklich im Ernst sprechen. Da wir nun doch Schwäger sind, so sag' mir mal, was das Wort »von« so eigentlich im Deutschen heißen will?Der ächte alte dänische Adel nannte sich nie »von«; letztere Bezeichnung wurde erst seit Mitte des 17. Jahrhunderts durch den deutschen Adel eingeführt, der sich damals massenhaft in Dänemark niederzulassen anfing, und griff dann freilich sehr rasch um sich. A.d.Ü. Ich verstehe nämlich, ohne mich zu rühmen, so ziemlich alles im Deutschen, blos einige Worte giebt es noch, die ich nicht verstehe; schreiben kann ich es perfect, aber nur nicht lesen.

Jens. Was interessirt Dich aber das Wort »von« so sehr?

Peter. Je nun, weil ich gehört habe, daß mein Herr vor diesem, als er noch nicht so vornehm war wie jetzt, blos Jacob Tyboe geheißen hat; seitdem er aber höher aufgerückt ist, läßt er sich von Tyboe nennen. Warum nennt sich denn Dein Herr nicht auch von Stygotius?

Jens. Na, bei uns Gelehrten ist das nicht Mode. Wo die Kriegsleute das Wort »von« zu ihrem Namen setzen, da 13 brauchen wir das Wort »us«, und zwar setzen wir uns das hinten an.

Peter. Wie hieß denn Dein Herr, bevor er den Grad nahm?

Jens. Styge.

Peter. So müßte er ja nun heißen Stygeus?

Jens. Nein, das wäre zu einfach; man setzt gern, um des Wohllauts willen, noch einige Buchstaben zu.

Peter. Aber steht das fest, daß das Wort jedesmal hinten angehängt wird, so daß man niemals sagen kann »Us Styg«?

Jens. Nä, die Redensart ist bei uns nicht Mode; wir machen es hierin wie in allen andern Stücken gerade umgekehrt wie Ihr. Wäre beispielsweise Dein Herr ein Gelehrter, so nennte er sich statt von Tyboe Tybotius.

Peter. Ah so, nun verstehe ich, was Du meinst; wir bevortheilen unsere Herren und Ihr hängt ihnen hinten was an, wenn sie zu etwas kommen. Aber im Grunde ist dies doch nicht der Gegenstand, von dem ich sprechen wollte, ich wollte blos wissen, was das Wort »von« bedeutet, wenn es zu einem Namen gesetzt wird.

Jens. »Von« bedeutet bei Euch dasselbe wie »us« bei uns in der Kanikestraße.

Peter. Ja, nun bin ich noch gerade so klug wie vorher.

Jens. Es ist auch ein seltsamer Einfall von Dir, daß ich Vernunft in eine Sache bringen soll, wo keine Vernunft drin ist. Warum heißt Einer, der krummbeinig zur Welt gekommen, wohlgeboren? Warum nennt man heute Einen hochgelahrt, der gestern kaum noch Buchstaben kannte? Warum schreibt man eine französische Adresse auf einen Brief, der nicht weiter geht als von Slagelse nach Ringsted? Warum kann man nicht ein anderes Wort gebrauchen für Franco? Und so tausend Dinge, die ich unmöglich alle aufzählen kann.

Peter. Es ist wahrlich, wie Du sagst; ich bin nur ein armer Bedienter, aber daß dies Narrheit ist, das begreife ich doch. Oder wäre ein Wechsel nicht ebenso gut, wenn das Wort »Valuta« auf Dänisch geschrieben wäre? 14

Jens. Das meine ich auch, gerade wie Dein Herr nicht um ein Haar besser ist, seitdem er sich von Tyboe nennen läßt, als da er noch schlecht und recht Tyboe hieß. Indessen das sind Dinge, über die man nicht allzu viel nachdenken muß, vielmehr muß man es machen wie Andere und sich damit zufrieden geben, daß es nun einmal so Mode ist.

Peter. Ja, aber Mode oder nicht, und wenn ich auch was werde, von Peter nenn' ich mich doch nicht.

Jens. Nein freilich, Du Narr, Du müßtest ja auch erst einen Zunamen haben.

Peter. Ja, wo zum Henker soll ich den wol herkriegen? Mein Vater hieß blos schlecht und recht Peter, mein Großvater und Urgroßvater ebenso; es fehlt nicht viel, so kann ich meine sechzehn Ahnen aufzählen von lauter Petern, die niemals einen Zunamen weiter gehabt haben.

Jens. Ei nun, da ließe sich noch einmal helfen; wo bist Du geboren?

Peter. In Europa.

Jens. Ja, das glaub' ich wohl, schon an Deiner Sprache höre ich ja, daß Du ein Europäer bist und kein Polacke. Aber an welchem Ort im Lande bist Du geboren?

Peter. In Kopenhagen.

Jens. In welcher Straße in Kopenhagen?

Peter. In den Tuchlauben.Eine bekannte Straße in Kopenhagen (Klaederbörne). Ebenso Apenrade, dazumal in der Vorstadt, nahe am Thor belegen. A.d.Ü.

Jens. Ja, so kannst Du Dich ja nennen lassen: Peter oder Peiter von Tuchlauben.

Peter. Na, mir wird es schlecht gehen, daß ich hier müßig stehe, da ich doch so viel für meinen Herrn zu besorgen habe. Er will ein französisches Gedicht gemacht haben auf ein Mädchen, in das er verliebt ist; aber weil er selber nicht studirt hat, so hat er mich ausgeschickt, einen Poeten aufzusuchen, der so was in aller Schnelligkeit zu Stande bringt.

Jens. Ich werde Dir einen nachweisen, der Verse macht für einen billigen Preis.

Peter. Wo wohnt er?

Jens. Er wohnt in Apenrade, dicht beim Goldschmied. 15

Peter. Wie heißt er?

Jens. Ich glaube, er heißt gar nicht; wenigstens hab' ich ihn niemals anders nennen hören als den Poeten in Apenrade.

Peter. Na, aber das weiß ich doch, daß die Poeten so gut getauft sind wie andere Menschen?

Jens. So ganz genau kann ich Dir das nicht sagen, jedenfalls wird es schon genügen, Du fragst nach dem Poeten in Apenrade.

Peter. Dank für guten Bescheid. Erst will ich aber mal ein bischen bei Christoph hineingehen und einen Krug Bier trinken; nachher will ich sehen, daß ich den guten Poeten treffe. Adiös. (Ab.)

Jens. Serviteur. Wer Henker mag das sein, in die er verliebt ist? Das geht ja in diesen Tagen um wie eine Krankheit; mit meinem Herrn, scheint mir, ist es auch nicht ganz geheuer. (Ab.)

Fünfte Scene.

Leonard. Jesper.

Jesper. Donnerwetter, Monsieur, das war schön, daß wir das herausgebracht haben, nämlich, daß er ein Gedicht auf Fräulein Lucilia gemacht haben will.

Leonard. Aber was folgt daraus?

Jesper. Daraus folgt so viel, daß . . . . Laßt mich nur machen.

Leonard. Ach, sage mir doch, was Du vor hast?

Jesper. Ich werde ihn an einen Poeten recommandiren, der soll ihm ein so wahnwitziges Gedicht machen, daß er sich damit um seinen ganzen Credit bringt.

Leonard. Aber es versteht sich ja doch von selbst, daß er das Gedicht vorher liest?

Jesper. Aber Ihr hört ja doch, daß er ein französisches Gedicht haben will.

Leonard. Aber wenn er es nun jemand anders zeigt?

Jesper. Das thut er gewiß nicht, er hat aller Welt 16 eingebildet, als ob er perfect Französisch verstehe, und darum läßt er sich das Gedicht gewiß von niemand übersetzen. Außerdem soll auch niemand wissen, daß er jemand die Cour macht; denn alle seine Erzählungen gehen darauf hinaus, daß alle Frauenzimmer in seine Schönheit verliebt sind, so daß er weder Tag noch Nacht Ruhe vor ihnen finden kann.

Leonard. Willst Du den Poeten vorstellen, so mußt Du Dich sputen, ehe der Bediente zurückkommt.

Jesper. Nein, Monsieur, Ihr selber müßt ihn machen. Aber da kommt Magister Stygotius, der soll uns dabei helfen, er konnte uns zu gar keiner gelegeneren Zeit kommen. Geht Ihr inzwischen ein wenig bei Seite.

(Leonard ab.)

Sechste Scene.

Stygotius. Jens. Jesper.

Stygotius. Höre, Jens, hast Du wirklich nichts anderes zu thun, als Dich auf der Straße herumzutreiben und Maulaffen feil zu halten? Otium est pulvinar Diaboli, Müßiggang ist des Teufels Ruhebank. Ich habe dieser Tage her so viel verrücktes Zeug im Kopfe, daß es mir an Zeit fehlt, selbst das Nöthigste zu bedenken. Es ist doch ein Scandal, daß die Schrift, die ich so lange versprochen habe, publici juris facere, noch immer ungedruckt ist. Aber ach, wenn dem Menschen erst Amors Grillen im Kopfe stecken, dann muß Philosophia sub scamno liegen. Wenn Veneris Sohn, ich will sagen Cupido, einmal seinen Einzug gehalten hat in eines Philosophi Herz, so geht Minerva oder, wie sie apud poetas auch genannt wird, Pallas flöten. So bin auch ich jetzt zu meinem eigenen Unglück et etiam maximo reipublicae literariae detrimento getroffen von Cupido's Pfeilen. Ach, Fräulein Lucilia, das war eine unglückselige Stunde, da ich Dich zuerst erblickte! Alle meine Ruhe hast Du mir genommen, Du bist das Objectum, das mir jetzt allein vor Augen steht, so daß ich weder Gedanken noch Neigung mehr habe zum Studiren. 17 Mein einziges Vergnügen ist, hinaus zu wandern aufs Land und mich im Walde zu ergehen und zu seufzen und meine Noth den Bäumen zu klagen, nach der alten Hirten Weise.

Jens. Und was antworten die Bäume?

Stygotius. Halt' den Mund, Du Narr! Sie geben mir dieselbe Antwort, die sie einst den Hirten gaben.

Jens. Ei Herr, nehmt Euch das nicht so nahe, es giebt ja doch keine Festung, die so stark wäre, daß sie nicht zuletzt doch eingenommen würde. Es ist ja keine Lucretia, keine Nonne, in die Ihr Euch verliebt habt, sondern eine Dame, die vermuthlich ebenso zahm ist wie die übrigen. Ich habe freilich nicht die Ehre sie zu kennen, doch denk' ich mir, sie wird wol auch nur ein Mensch sein.

Stygotius. Allerdings könnte ich mir einige Hoffnung machen, wäre nur nicht ein gewisser Offizier, der sich Jacob Tyboe nennt, mein Rival. Sed hinc illae lacrymae, da liegt der Hund begraben! Er trägt sich vornehm und hat mehr Geld als ich. Ich will Dir die ganze Sache klar darlegen: ich habe mich kürzlich in eine junge Dame verliebt, welche ein Kammermädchen hat, das bei der Dame in großem Ansehen steht; es ist das Außenwerk, das erst erstürmt werden muß, bevor man in die Festung selbst gelangen kann, und zwar kann dieses nicht anders geschehen, als mit aureis et argenteis armis, will sagen: durch Gold und Silber. Zuweilen stellt sie sich, als wäre sie auf meiner Seite, aber den Tag drauf kehrt sie mir wieder den Rücken, und da kann ich mir denn schon denken, daß sie sich von Tyboe hat schmieren lassen. Die Mutter schwankt noch zwischen uns beiden. Doch geh' an Dein Geschäft, Jens. (Jens ab.) Hier sehe ich Jesper kommen, der in Tyboe's Hause aus- und eingeht. Der brave Kerl meint es gut mit mir; denn so viel Gutes ihm auch in Tyboe's Hause widerfährt, so habe ich doch bemerkt, daß er mir mehr zugethan ist als ihm.

Jesper (tritt auf). Serviteur, Herr Magister. Das ist gut, daß ich Ihn finde; wie geht es mit der Liebe?

Stygotius. Ja, wie soll es damit gehen, Monsieur Jesper. Ihr wißt ja wol selbst, daß mein Rival besser im Stande ist, 18 Mamsell Pernille zu schmieren, als ich. Aber was macht denn von Tyboe?

Jesper. Der Narr! Das kann ich den Herrn Magister versichern, daß die guten Bissen, die ich von ihm habe, sauer verdient sind. Muß ich doch so viel dummes und thörichtes Zeug von ihm hören, daß mir geradezu ist, als müßte ich platzen! Nein, da ist es doch ein ganz anderer Genuß, mit solchen Leuten umzugehen wie der Herr Magister.

Stygotius. Ich bin nur nicht in der Lage, Euch so viel Angenehmes zu erweisen wie er.

Jesper. Was will das sagen? Kann ich nur mit gelehrten Männern umgehen, so frage ich nichts nach Essen noch Trinken. Hört, Herr, ich habe mir etwas ausgedacht, womit wir dem Jacob von Tyboe bei Fräulein Lucilia so ziemlich das Spiel verderben können.

Stygotius. Nämlich womit?

Jesper. Eben war ich zugegen, wie Tyboe's Bedienter erzählte, daß sein Herr dem Fräulein ein Gratulationscarmen zu ihrem heutigen Namenstag schicken will.

Stygotius. Ist es möglich?!

Jesper. Nun wißt Ihr ja, daß Tyboe ein Pferd ist und nicht einmal seinen eigenen Namen in Prosa schreiben kann, geschweige in Versen, und deswegen hat er denn seinen Bedienten ausgeschickt nach einem Studenten, der ihm für Geld ein paar Verse zurecht machen soll.

Stygotius. Aber was hat das alles zu bedeuten?

Jesper. Nun, meine ich, müssen wir jemand dazu anstellen, daß er ihm ein paar recht verrückte Verse macht, die das Fräulein vor den Kopf stoßen. Die Verse müssen in einer Sprache abgefaßt sein, die er nicht versteht.

Stygotius. Aber wo wollen wir jemand auftreiben, der den Poeten macht?

Jesper. Ich wollte ihn gerne machen, wenn sein Diener mich nur nicht kennte. Will der Herr Magister die Rolle nicht selbst übernehmen?

Stygotius. Es wäre mir lieber, wenn es ein Anderer thäte; 19 denn ich für meinen Theil habe einen Eid darauf abgelegt, nichts zu thun, was eines Philosophen unwürdig ist. Aber hier kommt mein guter Freund Petronius, er ist ein aufgeweckter Kopf, einen besseren könnten wir gar nicht dazu finden.

Siebente Scene.

Stygotius. Jesper. Petronius.

Stygotius. Domine frater, wir sind eben dabei, einem Bedienten, der hier gleich aus dem Wirthshause kommen wird, einen Possen zu spielen. Er will für seinen Herrn ein Gedicht gemacht haben für das Fräulein Lucilia, das Ihr ja kennt; wollt Ihr Euch wol für einen Poeten ausgeben und ihm ein paar verrückte Verse machen, durch die er sich um seinen Credit bringt?

Petronius. Alle solche Schwänke mach' ich mit Plaisir.

Jesper. Da kommt er; nun macht Euch nur an ihn, wir gehen indessen bei Seite.

(Jesper und Stygotius ab.)

Achte Scene.

Peter. Petronius.

Peter. Das ist ein verfluchtes Ende Weg in solchem Schneetreiben, von hier bis nach Apenrade zu gehen. Diese Hundsfötter von Poeten müßten hübsch mitten in der Stadt wohnen, wie das andere Volk, das was zu verkaufen hat. Aber vermuthlich wohnen sie so nah am Wald, damit sie Sommers doch auch was Grünes zu sehen kriegen.

Petronius. Jetzt muß ich nur vor und ihm auf halbem Wege entgegen kommen.

(Geht langsam auf und nieder, wie Einer, der in tiefen Gedanken ist.)

Peter. Aber wer mag das sein? Entweder ein Verrückter oder ein Poet. Seid Ihr nicht ein Poet, Monsieur? 20 (Hier bekommt Peter eine ungeheure Maulschelle und beginnt zu rufen:) Was schlagt Ihr mich denn, ich thue Euch ja doch nichts Böses?!

Petronius. Um Verzeihung, ich that es in Gedanken. Wenn Einer kommt und mir in mein Concept hineinredet, da kriegt er jedesmal Prügel; daran soll man erkennen, was ein rechter Poet ist.

Peter. Poet oder Prophet, einerlei was Ihr seid, so sollt Ihr mir diesen Schlag theuer bezahlen; ein armer Bedienter kriegt auch noch Recht.

Petronius. Ei, Unsinn, hast Du nie von der licentia poetica gehört?

Peter. Das Mensch kenn' ich nicht.

Petronius. Hast Du nicht gehört, daß nach allen Gesetzbüchern die Poeten gewisse Vorrechte haben?

Peter. In welchem Kapitel des Gesetzbuchs steht das?

Petronius. In dem Kapitel von den Poeten.

Peter (bei Seite). Es wird wol das Beste sein, ich bleibe bei diesem; von dem in Apenrade, weil er ja doch der beste Poet in der Stadt ist, krieg' ich am Ende doppelte Prügel. (Laut) Monsieur, ich möchte gern in aller Eile ein Gedicht haben; was kosten sie jetzt nach dem Marktpreis?

Petronius. Was für eine Gattung von Versen willst Du haben, französisch oder dänisch, deutsch, italienisch, spanisch, moskowitisch, elamitisch, mesopotamisch, lateinisch, schwerinisch oder lübisch?

Peter. Verzeihung, mein Herr, daß ich den Hut aufbehalten: ich habe nicht gewußt, daß Er so gelehrt ist. Ich wollte unterthänigst bitten um ein paar französische Verse für Geld und gute Worte.

Petronius. Willst Du haben heroische, satirische, panegyrische, lyrische, sapphische, spagyrische, dromedarische, malabarische u. s. w. u. s. w.?

Peter. Der Herr Doctor wird das wol selbst am besten einrichten; das Gedicht soll für Eine sein, die Lucilia heißt und hier in der Straße wohnt, aber nächsten Michaelis zieht sie aus. 21

Petronius. Das thut nichts zur Sache; soll das Gedicht lang oder kurz sein?

Peter. Ja, mein Herr wird wol selbst am besten wissen, wie viel Ellen zu einem Gratulationscarmen gehören.

Petronius. Nach der Elle wird das nicht verkauft, indessen gebe ich Dir mein Wort darauf, daß Du haben sollst, was sich gehört, nur aber unter der Bedingung, daß Du es keinem andern Poeten zeigst; denn wie niemals ein Kleidungsstück von einem Schneider gerühmt wird, der es nicht gemacht hat, so wird auch niemals ein Gedicht von einem andern Poeten gerühmt. Ich selbst, unter uns gesagt, habe so einen Nagel im Kopfe; und wenn mir Einer den Stock vor die Nase hielte, so könnte ich es doch nicht über mich gewinnen, einen fremden Vers zu loben, und wäre es der beste von der Welt. Es war ja wol ein französisches Gedicht, das Du haben wolltest? (Zieht einen Bleistift heraus und schreibt auf ein Stück Papier.)

Peter. Seid so gut und lest es mir vor.

Petronius. Mater tua lena est, tu meretrix, ancilla prostibulum

Peter. Das ist meiner Treu ein schöner Vers, aber nur ein bischen kurz.

Petronius. Darin eben besteht die Kunst, in wenigen Worten einen großen Gedanken auszusprechen; ich bin sicher, Ovidius selbst hätte das nicht besser gemacht.

Peter. Ovidius, der Schneider in Aalborg? Der macht keine guten Verse; da will ich mich verpflichten, sie ebenso gut zu machen.

Petronius. Nicht doch, ich meine einen alten Poeten Ovidius.

Peter. Und was soll das Gedicht nun kosten?

Petronius. Wär' es für einen Andern, so thäte ich es nicht unter zwei Mark, Ihr aber sollt es für achtundzwanzig Schillinge haben. Du mußt nämlich bedenken, daß Verse theurer sind als andere Schriften, sintemalen die Poesie die Sprache der Götter ist.

Peter (bei Seite). Vielmehr, dünkt mich, die Sprache der 22 Bettler; denn alle Poeten, die ich bis jetzt kennen gelernt habe, waren Lumpen. (Laut) Ach, Herr Doctor, mit zehn Schillingen, mein' ich, wird es wol auch bezahlt sein.

Petronius. Ja, da mußt Du noch zwei Schillinge zulegen; es ist überhaupt nicht sowol des Geldes, als der Ehre halber, daß ich schreibe.

Peter. Da habt Ihr sie denn.

Petronius. Adieu.

Peter. Serviteur.

Neunte Scene.

Peter allein.

Peter. Das ist doch ein wunderlicher Menschenschlag, diese Poeten. Giebt Einem ein anderer ehrlicher Mann in Gedanken eine Maulschelle, so schleppt man ihn in den Narrenthurm; bei denen jedoch ist so etwas ein Merkmal von Gelehrsamkeit und Geschicklichkeit. Uebrigens habe ich mit dem Gedichte doch einen guten Kauf gemacht. Menschen, die so wenig eigennützig sind, verdienen wirklich einige Vorrechte; denn was wollen zwölf Schillinge bedeuten für solchen gelehrten Herrn? Allerdings verstehe ich mich nicht auf Gedichte; daß dies aber sein Geld werth ist, das sehe ich doch. Meinem Herrn werde ich nun einbilden, ich habe zwei Reichsthaler dafür gegeben, so bringt das Geschäft mir elf Mark und vier Schillinge. Der Lohn, den ich kriege, ist nur klein, aber dafür nähre ich mich redlich mit Commissionen. Es ist mancher brave Mann hier in Kopenhagen, der sich mit Frau und Kindern davon durchbringt; wovon sollten die armen Kerle sonst auch leben? Verstände ich meinem Herrn den Hof zu machen, wie Jesper thut, könnte ich auch die fetten Bissen und die Geschenke haben, die er kriegt. Aber, ohne mich selbst zu rühmen: ich bin ein ehrlicher Kerl, der nie anders spricht, als er denkt. Wenn mein Herr anfängt von den Heldenthaten zu erzählen, die er im brabantischen Kriege vollbracht hat, so schweigt Peter mausestill; ich weiß 23 nämlich, daß er niemals jenseit des Beltes gewesen ist, geschweige denn in Brabant, das noch ein paar tausend Meilen weiter liegt. Nein, ehrlich währt doch am längsten. Ich sage mit dem Holländer: Thue Unrecht und scheue den Teufel. Ja, wenn ich so gut Deutsch könnte wie Holländisch, da wäre Peter wol ein anderer Mann, als er ist; hab' ich Schulmeister Alexander doch oft sagen hören: Wer Deutsch kann und das Geld dazu hat, dem steht ganz Europa offen. Aber der Teufel hole dies »der, die, das«Er meint den Artikel »der, die, das«, dessen Anwendung dem Dänen, der den Artikel als Suffix hinten an das Wort setzt, ebenso ungewohnt ist und ebenso viel Schwierigkeiten macht wie uns Deutschen der dänische Gebrauch. A.d.Ü., da braucht man allein vierzehn Tage dazu und weiß es doch noch nicht. (Ab.) 24


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