Ludvig Holberg
Don Ranudo de Colibrados oder Armuth und Hoffart
Ludvig Holberg

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Vierter Akt.

Erste Scene.

Leonora. Isabella.

Leonora. Nun, Madame, was meint Euer Bruder Gonzalo zu diesem Vorschlag?

Isabella. Es gefällt ihm ganz wohl, und auch mir scheint dieser Weg offenbar der sicherste.

Leonora. Er soll sich für den Sohn eines Königs aus Mohrenland ausgeben und soll sich nennen: Caspar Melchior Balthasar Ariel Theophrastus Bombastus, Prinz von Aethiopien.

Isabella. Das ist ein prächtiger Name; schon allein der Name Bombastus gefällt, glaube ich, Deiner Herrschaft so gut, daß sie ihm Donna Maria zur Frau geben. Aber ist es nicht ein wenig gar zu auffallend, sich für einen äthiopischen Prinzen auszugeben? Der Einfall erscheint mir etwas gar zu verwegen, selbst auf dem Theater würde man ihn nicht ertragen. Nimmt man ja doch schon in dem »Bürger als Edelmann«»Le bourgeois gentilhomme«, ein ebenso bekanntes wie beliebtes Lustspiel von Molière. Anstoß daran, daß ein Kaufmann sich aufbinden läßt, der Sohn des türkischen Kaisers wäre nach Paris gekommen, um seine Tochter zu heirathen.

Leonora. Nein, Madame, so ungereimt die Erfindung in jener Komödie ist, so leicht läßt sie sich hier ins Werk setzen. Denn einem Kaufmann weiß zu machen, des türkischen Kaisers Sohn mitsammt dem Großmufti und der übrigen Geistlichkeit käme tief nach Europa hinein gereist, blos um sich mit einer unbekannten Pariser Bürgerstochter zu verheirathen, das ist 400 allerdings eine Erfindung, gerade so keck wie jener war, der sich für den Gesandten des Kaisers im Monde ausgab, um eine Heirath zwischen seiner kaiserlichen Majestät und einer Doctorstochter zu Stande zu bringen. In diesem Falle dagegen kommt ein christlicher Prinz aus Afrika nach Spanien, unter dem Vorgeben, als ob er die römische Religion angenommen, der viele vornehme Herren in Aethiopien zugethan sind, und als ob er sich umdeswillen nur mit einer der vornehmsten Familien in Spanien zu verschwägern sucht, als wofür er die Familie der Colibrados hält. Darin ist also nichts, was einen Scrupel machen könnte, ausgenommen, daß er schwarz ist. Indessen das ist ja ein Punkt, der allein die Braut angeht. Im Uebrigen wißt Ihr ja, daß in ganz Spanien keine Familie ist, auf welche meine Herrschaft nicht mit Geringschätzung herabblickt.

Zweite Scene.

Pedro. Die Vorigen.

Pedro. Hei, Leonora!

Leonora. Was giebt es denn?

Pedro. Mach' schnell, Du sollst herein kommen und versiegelt werden mitsammt den übrigen Möbeln im Hause.

Leonora. Versiegelt werden, was soll das heißen?

Pedro. Das heißt: es soll Euch ein Stempel aufgedrückt werden. Das war ein Spectakel im Hause, nicht ein Schrank ist da, den die Gläubiger nicht haben versiegeln lassen; alles, was nicht niet- und nagelfest, haben sie mitgenommen, selbst die Kleider, die der gnädige Herr und die gnädige Frau auf dem Leibe trugen.

Leonora. Na, das soll ihnen schön bekommen; die Kleider, die ich habe, sind sämmtlich mein Eigenthum, auch habe ich sie besessen, ehe ich hier ins Haus kam.

Pedro. Das hilft dabei nichts, ich machte denselben Einwand, wurde jedoch abgewiesen; der Gerichtsdiener ging mit 401 seinen sämmtlichen Hoppheichen ab, und tröstete mich damit, daß ich ja Regreß an meine Herrschaft nehmen könnte.

Leonora. Allerdings, das war ein schöner Trost.

Pedro. Auch nach dem Kammermädchen fragten sie, ich war jedoch so ehrlich und sagte, sie wäre nicht zu Hause, bat auch, sie möchten sich nur ein Stündchen gedulden, sie würde gleich wieder kommen.

Leonora. Nein, sieh einmal, was der ehrlich ist!

Pedro. Eure Hoppheichen würden sie wahrhaftig auch nicht verschont haben, wenn ich mich anders auf das Rechtswesen verstehe.

Leonora. Ich habe nichts, was das Einschließen verlohnt, meinetwegen mögen sie nehmen, was sie finden. Aber was sagen der gnädige Herr und die gnädige Frau dazu?

Pedro. Sie sind noch gerade so hoffärtig wie vorher, obschon sie kaum noch ihre Blöße decken können; im ganzen Hause ist, so viel ich weiß, nichts mehr zu finden, womit der gnädige Herr seinen armseligen Leichnam bedecken kann, als ein alter Trauermantel.

Leonora. Ach, da tritt einem doch das Wasser in die Augen, so was hören zu müssen!

Isabella. Nur Geduld, Leonora, es wird bald besser werden.

Pedro. Wie soll das besser werden? Wie soll das besser werden?

Isabella. Aber Du weißt ja doch, was wir miteinander verabredet haben. Doch da kommt Gusman.

Dritte Scene.

Gusman. Die Vorigen.

Gusman (für sich). Hol' Euch der Henker, Ihr Vogel Greifs, wie Ihr da gebacken seid! Wollt Ihr mir etwa das Fell über die Ohren ziehen? Das nützt Euch ja doch nichts. Oder wollt Ihr 402 meine Kleider nehmen? Die sind ja keinen Heller werth. Wollt Ihr mir etwa meinen Pagentitel abpfänden? Das wäre mir gerade recht, so käme ich doch vielleicht bei honneten Leuten als Bratenwender unter. Aber es wird Euch schon noch zu Hause kommen, Ihr Gripomenesse, wie Ihr mit der Herrschaft umgegangen seid! Erst nahmen sie alles, was im Hause zu finden war, und hinterdrein verhöhnten sie die Herrschaft noch. Erst nahmen sie dem gnädigen Herrn den Hut vom Kopfe, dann den Rock, dann, mit Respect zu sagen, das Halstuch, so daß ihm endlich nichts übrig geblieben als ein Trauermantel. Kurz zu sagen: im ganzen Hause ist nichts mehr vorhanden, womit der gnädige Herr seinen Leichnam bedecken könnte, als blos ein Trauermantel, und in dem sieht er aus schlimmer als der Teufel. Aber der Sinn steht ihm bei alledem noch ebenso hoch wie früher; denn er sagte zu mir: Sieh her, Gusman, in all dem Unglück habe ich doch meinen Stammbaum gerettet.

Leonora. Sieh da, Gusman, was giebt es Neues?

Gusman. Allerdings wird es wol Neues geben müssen, da ja das Alte alles rein weg ist. Doch da kommt die gnädige Frau.

Isabella. So will ich mich nur entfernen. (Ab.)

Vierte Scene.

Donna Olympia. Leonora. Pedro. Gusman.

Donna Olympia. Ach, ich sterbe vor Kummer! O Unverschämtheit sondergleichen! Rache muß ich haben und wenn es mich mein ganzes Vermögen kosten sollte!

Gusman (bei Seite). Ja, das ist ja aber schon lange flöten.

Donna Olympia. Sowie ich blos daran denke, kocht mir das adelige Blut in sämmtlichen Adern!

Pedro (bei Seite). Na, dann kocht doch wenigstens etwas im Hause, in der Küche hat es schon lange nicht mehr gekocht.

Donna Olympia. Ach, ich platze!

Pedro (bei Seite). Aber gewiß nicht von zu vielem Essen. 403

Donna Olympia. Hat das Pack denn nur ganz vergessen, wer ich bin?

Pedro (bei Seite). Nein, das ist ja eben das Unglück, daß sie uns nicht vergessen haben; sonst hätten wir doch das Wenige behalten, das noch übrig war.

Donna Olympia. Aber wo nur meine Leute sein mögen, ich muß mit ihnen überlegen, was anfangen.

Leonora. Hier sind wir alle zusammen; was hat die gnädige Frau zu befehlen?

Donna Olympia. Ach, Leonora, Du bist mir von jeher eine treue Dienerin gewesen.

Leonora. Ich habe jederzeit nur meine Pflicht gethan.

Donna Olympia. Ach, Leonora, weißt Du auch, was für eine Beschimpfung mir widerfahren ist?

Leonora. Nur allzu gut, leider!

Donna Olympia. Aber wie wird so etwas nur so bald ruchbar?

Leonora. Wie sollte so etwas nicht ruchbar werden? Wir sind ja alle im Hause in derselben Verdammniß.

Donna Olympia. Was für treue Diener, so an dem Schimpf ihrer Herrschaft Theil zu nehmen!

Leonora. Der Schimpf ließe sich noch ertragen, aber der Schaden.

Donna Olympia. So kannst Du unmöglich wissen, was uns begegnet ist!

Leonora. O gewiß weiß ich, der Gerichtsdiener hat –

Donna Olympia. Ei, das ist noch gar nichts! Nein, uns ist noch etwas ganz anderes widerfahren, das noch weit schlimmer ist. Kaum, daß der Gerichtsdiener fort war, kam ein Kammermädchen geradewegs in mein Zimmer, ohne sich melden zu lassen, und sagte folgende spöttische Worte: Ein Compliment von meiner Herrschaft, sie nähme herzlichen Antheil an der Unannehmlichkeit, welche uns betroffen, und bäte, die gnädige Frau wollte doch dies seidene Kleid nicht zurückweisen, es wäre erst zweimal getragen. – Aber nein, die Wuth erstickt mir die Stimme! (Ab.) 404

Fünfte Scene.

Don Ranudo, im schwarzen Trauermantel. Leonora. Pedro.

(Wie die beiden letzteren ihn sehen, fallen sie auf die Kniee und bekreuzigen sich.)

Don Ranudo. Ei, nicht doch, Kinderchen, das ist der Demuth zu viel, ich bin ja doch kein Heiliger, ein hochgeborner Edelmann bin ich allerdings, aber immerhin ein Mensch.

Pedro. Ach, seid Ihr es, gnädiger Herr?

Don Ranudo. Nun, das siehst Du ja, steh' nur auf, ich verlange eine derartige Verehrung von meinen Dienstleuten nicht.

Pedro. Aber es ist auch, weiß Gott, nicht aus Demuth geschehen, sondern weil ich dachte, der gnädige Herr wäre ein Gespenst.

Don Ranudo. Ja freilich, das macht der schlechte Mantel, den ich umhabe. Indessen so wahr ich Don Ranudo de Colibrados heiße, so soll das nicht ungerächt bleiben, was mir heute passirt ist, sondern meine Gläubiger sollen vernichtet werden, sammt ihren Frauen und Kindern. Was meinst Du wol, wenn das angezeigt wird, ob die Uebelthäter nicht an Vermögen und Gütern bestraft, der gesammten Stadt aber ihre Privilegien entzogen werden?

Pedro. Ach, gnädiger Herr, nur die Stadt bitte ich zu verschonen, was können andere ehrliche Leute dafür?

Don Ranudo. In solchen Fällen leidet der Unschuldige mit dem Schuldigen.

Pedro. Aber wenn solch ein vornehmer Mann, wie der gnädige Herr, eine Fürbitte für die Stadt einlegt, so wird sie gewiß verschont.

Don Ranudo. Gut, Pedro, wenn es so weit ist, so werde ich sehen, was sich thun läßt.

Pedro. Ich danke dem gnädigen Herrn im Namen der Stadt.

Don Ranudo. Aber was war das für ein Frauenzimmer. das hier eben weglief?

Pedro. Das war das Kammermädchen bei dem Prinzen, der hier angelangt ist. 405

Don Ranudo. Wie nennt sich der Herr?

Leonora. Er nennt sich Melchior Caspar Balthasar Theophrastus Bombastus Uriel David Georgius, Prinz von Aethiopien.

Don Ranudo. Alle Wetter! Aber woher kennt ihn das Kammermädchen?

Leonora. Ihre Herrschaft, nämlich die Mutter des gedachten Herrn und Schwester des Kaisers, will nicht haben, daß sie mit Dienstboten aus andern Häusern umgeht als allein aus unserm, und deshalb machte sie mir die Visite.

Don Ranudo. Das gefällt mir, die Leute wissen, merke ich, was sich schickt; denn, die Wahrheit zu sagen, ist im Uebrigen in der That in der ganzen Stadt nicht eine Familie, mit der man umgehen kann.

Leonora. So viel ich merke, ist jedoch noch etwas anderes dabei im Spiel. Wie das Kammermädchen nämlich zu verstehen gab, ist mehrgedachter Prinz lediglich zu dem Ende hergekommen, um sich mit uns näher zu verbinden und unser Fräulein zu heirathen. Er ist nicht allein ein sehr mächtiger, sondern auch ein höchst christlicher Prinz, was Ihr schon daraus merken könnt, daß er nach den heiligen drei Königen getauft ist.

Don Ranudo. Wäre es möglich, Leonora? Ruf' schnell die gnädige Frau, damit sie es ebenfalls erfährt!

Sechste Scene.

Donna Olympia. Die Vorigen.

Donna Olympia. Ach, Don Ranudo, ich schäme mich, in dieser bürgerlichen Tracht mich sehen zu lassen.

Leonora (bei Seite). Das ist meiner Treu ein altes Kleid von mir, das die gnädige Frau an hat.

Don Ranudo. Nur gemach, Donna Olympia! Soeben ist ein mächtiger Prinz angekommen, der mit unserer Familie in Verbindung treten will. 406

Donna Olympia. Vermuthlich einer von den neu creirten Prinzen?

Don Ranudo. Im Gegentheil, einer der ältesten in der Welt. Er stammt geradewegs von der Königin von Saba; es ist ein äthiopischer Prinz, Leonora weiß den Namen.

Leonora. Er heißt Melchior Caspar Balthasar Theophrastus Bombastus Uriel David Georgius.

Donna Olympia. Ist es möglich?!

Leonora. Ich glaube ganz sicher, er macht noch heute Visite bei uns. Nur Eines macht mich besorgt: das gnädige Fräulein wird ihn nicht mögen, weil er nämlich schwarz ist.

Donna Olympia. Das hat nichts zu sagen, wenn er nur von richtigem alten Adel ist. O welch ein Glück!

Don Ranudo. Aber ich kann doch nicht einen solchen Herrn in diesem Aufzuge empfangen. Höre, Pedro, hier ist ein fremder Prinz angekommen, der unsere Tochter zur Ehe begehrt, und zwar ein Prinz aus Mohrenland.

Pedro. Pfui, will der gnädige Herr sein Fräulein Tochter einem Tartaren an den Hals werfen?

Don Ranudo. Das will nun weiter nichts helfen, sie kommt dadurch in einen ganz vornehmen Stand. Aber wo soll ich einen Anzug herbekommen?

Pedro. Nur ein klein wenig Geduld, gnädigster Herr, ich werde augenblicks einen Anzug schaffen, ich werde ihn auf meinen Namen borgen.

Don Ranudo. Aber nur hübsch schnell, lieber Pedro!

Pedro. Ich bin im Augenblick wieder da. (Geht ab.)

Don Ranudo. Aber was klopft da an der Thüre?

Donna Olympia. Lauf', Leonora, und sieh zu, was es ist.

Leonora. Ach, der Dolmetscher des Prinzen ist draußen und wünscht die gnädige Herrschaft zu sprechen.

Don Ranudo. Ach, ist es möglich?! Was sollen wir nun anfangen? Ihr müßt sagen, Leonora, wir wären nicht zu Hause.

Donna Olympia. Nein, wahrhaftig, das geht nicht, den 407 Boten eines solchen Herrn darf man nicht vor den Kopf stoßen, wir müssen etwas anderes ausdenken.

Don Ranudo. Aber hier ist nichts auszudenken, ich kann mich doch in diesem Anzug nicht sehen lassen?

Leonora. Mir fällt etwas ein, das kann uns vielleicht doch noch helfen: der gnädige Herr muß sich krank stellen und sagen, der Doctor hätte ihm gerathen, solchen Mantel umzubinden, das wäre bei dieser Art Krankheit ein besonders kräftiges Heilmittel.

Don Ranudo. Nein, das geht nicht.

Leonora. Oder noch etwas anderes: der gnädige Herr kann sich ja stellen, als ob er seinen Leib kasteiete, um Pönitenz zu thun, und da hätte er diesen Mantel daher aus lauter Frömmigkeit angezogen.

Don Ranudo. Ja, das geht, Leonora, laß ihn nur sofort hereinkommen.

Siebente Scene.

Der Dolmetsch. Die Vorigen.

Leonora. Der Herr wolle sich nicht verwundern über die Situation, in welcher er meine gnädige Herrschaft findet. Mein gnädiger Herr, Don Ranudo, ist nicht nur der vornehmste Mann in der Stadt, sondern auch der frömmste; nach König Nabuchodonosors Vorgang hat er sich dermaßen gedemüthigt, daß er einem wilden Thiere ähnlicher sieht als einem Menschen und hat sich vorgesetzt, seiner Sünden halber seinen Leib volle vierzehn Tage lang zu kasteien. Anfangs beschloß er barfuß zu gehen, doch schien ihm diese Art der Buße nicht hinreichend, so daß er endlich die wahrhaft königliche Resolution faßte, sich eben so tief zu erniedrigen wie einst Sanct Nabuchodonosor, von dem er übrigens, so viel mir bekannt, selbst abstammt. Seine Familie ist nämlich beinahe die älteste in ganz Spanien. Eigentlich wollte er auch auf allen Vieren kriechen, wie Nabuchodonosor, doch haben wir ihn sämmtlich durch kniefälliges Bitten und Seufzen und Weinen davon abgebracht. Und auch das würde 408 uns nicht gelungen sein, hätte nicht der Erzbischof selbst nebst der gesammten Clerisei ihn durch eine Deputation ermahnen lassen, seinen frommen Eifer ein wenig zu mäßigen.

Der Dolmetsch. Ach, Don Ranudo, es giebt also, wie ich merke, nicht nur große Helden in der Colibradosschen Familie, sondern auch große Heilige.

Don Ranudo. O nein, mein Freund, davon bin ich sehr weit entfernt, mich für einen Heiligen auszugeben, ich bin im Gegentheil überzeugt, daß ich der größte Sünder bin und daß, wenn meine Buße meinem Verbrechen gleich kommen sollte, diese Züchtigung noch lange nicht hinreichend wäre.

Der Dolmetsch. Gerade an diesem Bekenntniß, Don Ranudo, erkennt man den Heiligen; denn sowie ein Heiliger erst selbst daran glaubt, daß er ein Heiliger ist, so ist er kein Heiliger mehr. Aber wo ist Donna Olympia, Dero Frau Gemahlin?

Don Ranudo. Dort steht sie in der Gestalt einer gemeinen Bürgersfrau, in eben der Erniedrigung, in der wir beschlossen haben, volle vierzehn Tage zu verharren.

Der Dolmetsch. Ich darf darüber nicht streiten, vielleicht ist irgend eine außerordentliche Missethat die Veranlassung zu dieser außerordentlichen Buße.

Don Ranudo. Ich hatte vorgestern einen häßlichen, unanständigen Traum, ich beging im Schlaf eine vollständige Sünde, und das ist der Grund, weshalb ich mich dieser Buße unterwerfe.

Der Dolmetsch. Ah, dafür allein schon verdient Ihr heilig gesprochen zu werden. Im Uebrigen bin ich hierher gekommen, Euer Wohlgeboren anzuzeigen, daß der hochgeborene Prinz von Abyssinien, mein gnädiger Herr, in hiesiger Stadt angekommen ist. Doch ist dies weder mein einziger, noch mein vornehmster Auftrag, vielmehr erschien ich hier hauptsächlich, eine Allianz zwischen Dero hohen Häusern in Vorschlag zu bringen und Dero werthe Tochter, Fräulein Maria, für meinen gnädigen Herrn zur Ehe zu begehren.

Don Ranudo. Ein recht ehrenvoller Antrag. Allein dürfte ich Seine Excellenz wol fragen, wie der Prinz auf diesen Gedanken gekommen ist? 409

Der Dolmetsch. Die Veranlassung, um Dero willen Seine Durchlaucht sich auf eine so weite Reise begeben haben, ist diese: in Aethiopien oder Abyssinien sind zwar der Kaiser sowol wie die Unterthanen Christen, allein in einigen Punkten weichen sie doch von dem Lehrbegriff der römischen Kirche ab. Und aus diesem Grunde sind auch zahlreiche portugiesische Jesuiten hingeschickt worden, um Abyssinien dem römischen Stuhle wieder zu gewinnen. Durch die Vorstellungen und Predigten dieser Jesuiten ist mein gnädiger Herr nun dermaßen gerührt und überzeugt worden, daß er unter den Jesuiten selbst für einen durchaus rechtgläubigen Katholiken gilt. Auch seinem Oheim, dem Kaiser, ist dieser Umstand gar wol bekannt, doch läßt er ihm nicht nur, wie allen Uebrigen, volle Gewissensfreiheit, sondern er hat ihm auch gestattet, sich nach Belieben eine hochadlige Dame aus Spanien oder Italien auszusuchen. Zu diesem Ende hat er mich, Jago de las Cores, seinen vornehmsten Dolmetsch und einen gebornen Spanier, um Rath gefragt und hat sich bei mir nach den vornehmsten spanischen Familien erkundigt, unter denen ich Seine Durchlaucht denn sofort auf das Colibradossche Haus aufmerksam gemacht habe, als das erste und älteste katholische Haus in Spanien und somit in ganz Europa. Nur bei uns in Abyssinien sind allerdings Familien, die bedeutend älter sind; der Stammbaum Seiner Durchlaucht geht Mann für Mann bis auf die Königin von Saba zurück, seine ersten christlichen Ahnen aber waren die heiligen drei Könige.

Don Ranudo. So weit freilich reicht mein Stammbaum nicht.

Leonora. Das kann Euer Wohlgeboren nicht wissen; verschiedene gelehrte Männer habe ich bereits so unter der Hand davon sprechen hören, daß die Colibradosse in gerader Linie von einem Sohn Noahs herkommen mit Namen Sem, Ham und Japhet.

Don Ranudo. Das ist auch gar nicht unwahrscheinlich; schade nur, daß es in alten Zeiten nicht gehörig aufgezeichnet worden ist.

Der Dolmetsch. Das Einzige, was Dero Wohlgeboren vielleicht abhalten könnte, meinem gnädigen Herrn Dero Tochter zu geben, ist, daß Seine Gnaden gerade so schwarz sind wie die Mohren überhaupt. 410

Don Ranudo. Das hat nichts zu sagen, die Spanier haben ja auch einen kleinen Stich ins Schwärzliche.

Der Dolmetsch. Ich habe ebenfalls keinen Anstand genommen, eine Eingeborene zu heirathen, nämlich die Helicon Comtra, dermalen Oberleibwaschfrau des Kaisers, ein Amt, das in Abyssinien nur stets die allervornehmsten Damen bekleiden. Euer Wohlgeboren weiß ja, jedes Land hat so seine eigenen Manieren. Das Befremdlichste indessen, das Einem in Abyssinien aufstößt, ist doch die Sprache, die nicht sowol eine Sprache ist als ein Gesang. Als zum Exempel: spreche ich das Wort Tahunki im Baß aus, so bedeutet es einen Tisch; eine Terz höher »Tahunki« bedeutet es einen Berg; noch einen Ton höher »Tahunki« bedeutet es eine Kirche und endlich noch einen Ton höher »Tahunki« bedeutet es einen Elephanten.

Don Ranudo. Alle Wetter, die Sprache lernt meine Tochter im Leben nicht.

Der Dolmetsch. Binnen hier und einem Jahre wird sie dieselbe so geläufig sprechen wie eine eingeborene Abyssinierin.

Don Ranudo. Ich fürchte nur, meine Tochter wird die große Hitze nicht vertragen können, die in Abyssinien herrscht.

Der Dolmetsch. Ei, in der kaiserlichen Residenz ist ein ganz temperirtes Klima. Aber unter dem Volke, da giebt es allerdings welche, die unter der Linie wohnen, und da ist es denn freilich so heiß, daß man Schwefelfaden an ihnen anzünden kann; ja wenn sie ihr Essen kochen wollen, so brauchen sie blos aufs Holz zu niesen, da haben sie sofort Feuer.

Don Ranudo. Wunderbar!

Der Dolmetsch. Ja allerdings, die Natur ist sehr wunderbar. Auf Eines aber muß ich noch aufmerksam machen, nämlich, daß der gnädige Herr, wenn der abyssinische Prinz zu ihm kommt, die Güte hat, das Haupt zu entblößen und die erste Verbeugung zu machen, das ist eine Ehrenbezeigung, die er von allen Unterthanen fremder Fürsten fordert, welche nicht selbst aus königlichem Blute stammen.

Don Ranudo. Nein, dazu entschließe ich mich nimmermehr! Was? Ein Colibrados, ein Grand d'Espagne, der das 411 Privilegium hat, bedeckten Hauptes mit dem König von Spanien selbst zu sprechen, sollte vor einem fremden Prinzen den Hut abnehmen?

Leonora (bei Seite). Das ist doch um die Schwerenoth zu kriegen! Aber es ist echt spanisch; er ist so arm, daß er weder Mütze, noch Hut hat, und doch weigert er sich, sein Haupt zu entblößen.

Der Dolmetsch. Dann wird aus der Sache freilich nichts werden können; es ist dies die einzige Bedingung, unter welcher Seine Gnaden sich zu einer Zusammenkunft herbeiläßt.

Don Ranudo. Ich bedaure, daß aus solcher ansehnlichen Heirath nichts werden soll, will jedoch lieber vor Armuth sterben, als irgend etwas thun, was der Hoheit meines Ranges zum Präjudiz gereichen könnte.

Leonora (bei Seite). Wie gesagt, echt spanisch!

Donna Olympia. Und wenn Don Ranudo sich dazu überreden ließe, so würde ich sofort auf Scheidung von Tisch und Bett antragen.

Don Ranudo. Wieder ein Ausspruch, der mit goldenen Buchstaben über die Thüre unseres Vorsaales geschrieben zu werden verdient.

Leonora (bei Seite). Ja richtig, mit gewissen andern Buchstaben an einem gewissen andern Flecke.

Der Dolmetsch. So sehe ich denn wol, daß Seine Gnaden unverrichteter Sache wird abreisen müssen.

Don Ranudo. Das bedaure ich, kann mich aber nicht dazu entschließen, und wenn ich mich damit vom Tode erretten könnte.

Donna Olympia. Mit der Muttermilch haben wir das Bewußtsein unseres Standes eingesogen.

Leonora (bei Seite). In der That, erzspanisch!

Don Ranudo. Lieber mag meine Tochter ins Kloster gehen.

Leonora (bei Seite). Und ihr beide in den Narrenthurm.

Der Dolmetsch. So muß ich mich denn empfehlen und die abschlägige Antwort Seiner Durchlaucht hinterbringen. (Ab.)

Don Ranudo. Nun, Leonora, was sagst Du nun? Wissen wir nicht für unsere Ehre gut zu stehen? 412

Leonora. Ja allerdings, so gut steht Ihr, daß Ihr sie mit Füßen tretet. Denn was die Herrschaft Ehre und schuldigen Respect nennt, das rechnen Andere vielmehr für unauslöschlichen Spott, Schimpf und Schande. Dieser Hochmuth geht wirklich zu weit, eine ganze Komödie könnte man davon schreiben. Das Schönste dabei ist, daß der gnädige Herr gar keinen Hut hat.

Don Ranudo. Höre, Leonora, um Deiner langjährigen treuen Dienste willen muß man Dir schon etwas durch die Finger sehen.

Leonora. Das Reden müssen Euer Gnaden mir schon frei lassen, denn seit vier Jahren bekomme ich geringe Kost und keinen Lohn.

Achte Scene.

Pedro. Die Vorigen.

Pedro. Hier ist ein Rock, gnädiger Herr, ich habe aber heilig versprechen müssen, ihn binnen hier und drei Tagen wiederzubringen.

Don Ranudo. Ja nun ist das zu spät, des Prinzen Dolmetsch war hier, ist aber unverrichteter Sache wieder fortgegangen, so daß aus der Partie nichts wird.

Donna Olympia. Es wird vielleicht doch noch was; wir können nicht wissen, ob der Prinz nicht von seinen Prätensionen absteht und noch einmal herschickt. Laßt uns unterdessen fortgehen. (Sie gehen fort.)

Pedro. Was ist denn der Grund, Leonora, daß die Herrschaft auf einmal anderen Sinnes geworden ist?

Leonora. Der gnädige Herr wollte sich ein für allemal nicht entschließen, den Prinzen mit entblößtem Haupte zu empfangen.

Pedro. Aber was soll auch dieses närrische Verlangen?

Leonora. Damit sie ihn desto sicherer für einen Prinzen halten. Laß mich nur sorgen, es wird schon alles gut gehen. Der falsche Prinz kann seine Prätensionen ja jederzeit 413 zurücknehmen. Aber hier kommt der gnädige Herr zurück, und zwar umgekleidet.

(Don Ranudo und Donna Olympia kommen zurück.)

Don Ranudo. Nein, wie groß unsere Armuth auch sei, so werde ich mich doch dazu niemals herbeilassen.

Donna Olympia. Ei was Armuth, das ist auch so ein Wort, das die gemeinen Leute im Munde führen; Leute von unserem Range sind niemals arm.

Pedro. Aber wenn die gnädige Herrschaft nun Hungers stürbe, wie sollte man das nun mit offenen ehrlichen Worten nennen?

Donna Olympia. Vor Hunger sterben ist noch nicht vor Armuth sterben, man nennt das vielmehr einen heroischen Tod, und edelgesinnte Herzen wählen denselben freiwillig, ehe sie sich erniedrigen.

Pedro. Ich fürchte nur, der gnädigen Herrschaft wird man aufs Grab schreiben: Hier ruhet Don Ranudo mit seiner hochgeborenen Frau Gemahlin; um der Armuth zu entgehen, starben sie vor Hunger. – Aber sieh da, da kommt der Abgesandte wieder!

Neunte Scene.

Der Dolmetsch. Die Vorigen.

Der Dolmetsch. Seine Durchlaucht, mein gnädigster Herr, fühlen sich durch Euer Wohlgeboren Widerstand nicht im mindesten beleidigt, im Gegentheil, sie bewundern diese Hochherzigkeit um so mehr und achten Euer Wohlgeboren um so höher, überlassen es auch Dero eigenem Ermessen, ob Sie ihm die verlangte Ehrenbezeigung erweisen wollen oder nicht.

Don Ranudo. Sintemalen der Prinz es nicht als ein Recht verlangt, so will ich mich aus freien Stücken dazu herbeilassen.

Donna Olympia. Wie?

Don Ranudo. Ja, Donna Olympia, wir können jedem selbst die größte Ehre gewähren, sobald sie uns nicht abgezwungen wird, das heißt dann blos Höflichkeit, nicht 414 Schuldigkeit. Aus der spanischen Chronik kann ich Euch beweisen, daß Einer unserer Ahnen, Don Sancho, den Hut abzog vor einem gemeinen Soldaten, der in der großen Feldschlacht bei Xeres de la Frontera acht Mohren niedergemacht hatte.

Der Dolmetsch. So gratulire ich Euer Wohlgeboren denn zu dieser großen und glänzenden Schwägerschaft und werde in Zeit einer Stunde die Ehre haben, Seine Durchlaucht mit Ihrem ganzen Gefolge herzuführen. 415


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