Ludvig Holberg
Don Ranudo de Colibrados oder Armuth und Hoffart
Ludvig Holberg

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Dritter Akt.

Erste Scene.

Donna Maria. Leonora.

Donna Maria. Ach, Leonora, die Thorheit meiner Eltern und unsere Armuth sind gleich unbeschreiblich; Glück und Wohlstand wird uns geboten und aus reinem Hochmuth weisen wir es zurück. Wäre es eine gemeine Bürgerfamilie, die mit uns in eine derartige Verbindung treten wollte, so könnte man es doch begreifen; aber nein, der um meine Hand anhält, ist aus einem alten adeligen Hause und einer der reichsten und liebenswürdigsten Männer der Provinz.

Leonora. Mein theuerstes Fräulein, Ihr sündigt gegen Euch selbst, wenn Ihr Euren Eltern noch den mindesten Gehorsam erweist; das ist nicht mehr Ehrgeiz, das ist Tollheit.

Donna Maria. Ach, theure Leonora, Du bist mir wegen Deiner Treue zu mir so lieb wie mein eigenes Leben. Auch weiß ich, daß Du uns schon lange verlassen hättest, wäre es nicht um meinetwillen. Ich freilich kann Dir Deine Treue nicht belohnen, aber der Himmel wird es thun. Ich verlasse mich in dieser Angelegenheit ganz auf Dich und folge Deinem Rathe. (Sie weint.)

Leonora. Weint nicht, gnädiges Fräulein, wir wollen schon noch einen Ausweg finden. Keine Mauer ist so stark, ich reiße sie nieder, kein Riegel so fest, ich habe einen Schlüssel dazu. Folgt nur blindlings meinem Rathe, so soll alles schon noch gut werden. Ich habe mir mit Gonzalo's Schwester Isabella etwas 382 ausgedacht, das soll, hoffe ich, glücken. Und wenn es nicht glückt, so müssen wir Ernst machen und uns entführen lassen. Aber da kommen Eure Eltern, geht nur bei Seite. (Beide ab.)

Zweite Scene.

Don Ranudo. Donna Olympia. Pedro.

Don Ranudo. Nun, Pedro, was sagte der Kaufmann?

Pedro. Er antwortete kurz und gut: sag' Deiner betrügerischen Herrschaft, Du Schlingel, ich ließe sie grüßen und sie möchte mir erst bezahlen, was sie noch schuldig ist. Wenn man den Kaufleuten schuldig ist, da ist mit ihnen nicht zu spaßen; wenn man dann in dergleichen Berührungen mit ihnen kommt, so fallen ihre Complimente eben nicht feiner aus.

Don Ranudo. Hast Du keine Zeugen zu seinen Worten?

Pedro. Das ist eben das Unglück, Euer Gnaden, daß er gar nicht mit Worten gesprochen hat, sondern blos mit Geberden, nach der türkischen Mode in Constantinopel. Nämlich erst gab er mir rechts eine Maulschelle, das war so viel, als ob er sagte: Du Schlingel! und dann links eine zweite, die übersetzte ich mir: grüß' Deine betrügerische Herrschaft. Hernach schlug er mir den Hut vom Kopfe, das übertrug ich mir: bezahle erst, was Du schuldig bist; zuletzt, da ich fortlief, drohte er noch mit der geballten Faust hinter mir drein, das verstand ich so: will Deine Herrschaft nicht mit Gutem bezahlen, so werde ich sie von Gerichtswegen dazu zwingen. Selbst kann ich die Geberdensprache nicht sprechen, aber an andern verstehe ich sie perfect.

Donna Olympia. Es sind so verwünscht viel ordinäre Canaillen in dieser Stadt, da ist gar kein Respect mehr vor den Vornehmen.

Pedro. Gewiß, gnädige Frau, sie müßten es sich ja zur Ehre schätzen, von solcher Herrschaft betrogen zu werden.

Don Ranudo. Nun, nun, Pedro, menagire Dich nur etwas mit Deinen Expressionen, und jetzt geh' mal ein bischen hinaus, ich will mit der gnädigen Frau allein sein. 383

Donna Olympia. Heiß' meine jüngste Tochter, Fräulein Eugenia, kommen, da kannst Du hören, was die, wiewol sie nur erst ein Kind ist, doch schon für nobles sentiments hat.

Pedro (leise). Darin, glaub' ich, verrechnet die gnädige Frau sich, die ist klüger als die Eltern alle beide.

Donna Olympia. So oft ich das Kind sehe, Don Ranudo, freue ich mich jedesmal.

Don Ranudo. Sie gleicht in allen Stücken ihren Eltern, und zwar mehr als ihre Schwester.

Donna Olympia. So oft ich sie sehe, ist es mir jedesmal, als stünde meine Mutter Donna Elvira vor mir, sie ist ihr leibhaftiges Ebenbild und hat dasselbe Bewußtsein ihres hohen Ranges wie jene.

Don Ranudo. Ja, Eure Mutter wußte jederzeit, daß ihr Rang und der Name ihres Geschlechts ihr größtes Kleinod.

Donna Olympia. Das wird, wenn ich mich nicht täusche, Eugenia ebenfalls thun, ihre Schwester dagegen hat in Haltung und Mienen etwas Bürgerliches, das mir gar nicht ansteht. Mir scheint auch, als ob sie sich ab und zu mit Leuten geringen Standes familiarisirt; vergangene Woche sah ich sie mit einer Bürgersfran sprechen, als wäre sie ihresgleichen. Aber ich habe ihr auch den Kopf dafür zurechtgesetzt.

Don Ranudo. Das hätten Sie doch lieber nicht thun sollen, Madame, man kann sich familiarisiren mit Bauern und Bürgern, ja mit seinen eigenen Dienstboten, ohne sich dabei etwas zu vergeben. Dagegen wenn man mit Leuten zu thun hat, die sich einbilden, als wären sie unsersgleichen, da muß man fest auf seiner Würde halten; denn jene empfangen unsere Familiarität als eine Gnadenbezeugung, diese dagegen beanspruchen sie als ein Recht.

Donna Olympia. So ist es. Aber da kommt sie. 384

Vierte Scene.

Donna Olympia. Don Ranudo. Eugenia. Pedro.

Donna Olympia. Komm mal her, Du allerliebste kleine Eugenia, Du bist doch das leibhafte Ebenbild Deiner Großmutter Elvira und ich hoffe, daß Du ihr auch übrigens nachfolgen wirst.

Eugenia. Was that sie denn?

Donna Olympia. Sie hatte jederzeit ihren Stand und ihre Würde vor Augen und hielt sie höher als irgend etwas in der Welt.

Eugenia. Das will ich ebenfalls thun, nur –

Donna Olympia. Was willst Du mit diesem Nur sagen?

Eugenia. Nichts, Mama, nur –

Donna Olympia. Was soll dies Nur heißen?

Pedro. Kann Euer Gnaden wirklich nicht errathen, was dies Nur bedeuten soll? Sie will damit ja offenbar sagen: nur habe ich heute sehr schlecht gefrühstückt.

Donna Olympia. Was hat sie denn heute gefrühstückt?

Pedro. Genau dasselbe wie wir andern, wir sind alle noch nüchtern, ausgenommen der schwarze Kater, der sich von der Jagd nährt.

Donna Olympia. Ihr gemeines Volk macht doch geradezu Euren Magen zu Eurem Gott und denkt an nichts als essen und trinken.

Pedro. Fragt nur das gnädige Fräulein, ob es nicht ganz ebenso denkt.

Donna Olympia. Sag' mal, mein Kind, was achtest Du höher, Deinen Adel oder Geld?

Eugenia. Geld achte ich am höchsten.

Donna Olympia. Was? Geld achtest Du am höchsten? Warum ist Dir Geld das Höchste?

Eugenia. Weil man sich für Geld Kleider und Essen und Trinken kaufen kann, aber für seinen Adel kriegt man gar nichts.

Pedro. Darin hat das gnädige Fräulein vollkommen 385 recht; für fünfzig Ahnen kriegt man auf dem Markte noch nicht ein Bund Schwefelfaden zu kaufen.

Donna Olympia. Hast Du das von mir gelernt, meine Tochter?

Eugenia. Nein, Mama.

Donna Olympia. Warum sagst Du denn so was?

Eugenia. Weil der gnädigen Mama ihre Lehren falsch sind.

Donna Olympia. Meine Lehren sind falsch?

Pedro. Ja, und wenn ich frei von der Leber weg sprechen darf, so hat der gnädigen Frau ihr Katechismus ein Loch.

Donna Olympia. Du, halt' nur den Mund, ich weiß doch schon, wer mir das Kind verführt hat. Ach Himmel, ist es möglich, daß ich so was an diesem Kinde erleben muß, von dem ich gerade so gut gedacht habe?! Hör' an, Eugenia, es heißt, eine Person, von niedrigem Stande verglichen mit unserm Hause, hat ein Auge auf Deine Schwester geworfen; gefällt Dir das?

Eugenia. Nein, es gefällt mir ganz und gar nicht, weil ich den jungen Mann für mich selber haben will. (Fängt an zu weinen.)

Donna Olympia. Ach, der Kummer bringt mich noch um meinen Verstand. Höre Du, ich schicke Dich ins Kloster.

Eugenia. Da werde ich doch wenigstens keine Noth leiden.

Donna Olympia. Ich enterbe Dich.

Eugenia. Enterben? Ha ha ha, hi hi hi!

Donna Olympia. Lachst Du noch darüber?

Eugenia. Ihr habt ja gar nichts zu vererben!

Donna Olympia. Aus meinen Augen, Du ungerathenes Mädchen!

Eugenia. Enterben, ha ha ha, hi hi hi! (Geht ab.)

Donna Olympia. Sieh mal, wie trotzig sie noch obendrein ist und ihrer Eltern spottet.

Pedro. Wohlgeborne Frau, wenn Kinder und Dienstboten nicht kriegen, was ihnen gehört, da achten sie weder Eltern noch Herrschaft, gleichviel von welchem Stande sie sind.

Donna Olympia. Ja wol, die verfluchten Dienstboten, die haben das Kind verführt. 386

Pedro. Keineswegs. Aber Natur geht über Erziehung; was sagt nicht Seneca?

Donna Olympia. Er sagt, daß solche lumpigen Kerle, wie Du bist, nicht so dreist sein sollen.

Pedro. Er sagt aber auch: Mulier taceat in ecclesia.

Don Ranudo. Hinaus, Du Meister Philosoph, und laß uns allein! (Pedro ab.)

Fünfte Scene.

Don Ranudo. Donna Olympia.

Don Ranudo. Die Aufführung unserer jüngsten Tochter hat mich ganz aus der Fassung gebracht.

Donna Olympia. Sie ist durch die Dienstboten verführt worden; ich will schon noch herauskriegen, wer daran schuld ist.

Don Ranudo. Da sieht man, was beim Umgang mit gemeinen Leuten herauskommt; das Kind ist ja so verändert, daß man es gar nicht wiedererkennt.

Donna Olympia. Man muß sie nur verhindern, diese Art von Umgang fortzusetzen, so wird sie schon auf den rechten Weg, zu ihrem alten edlen Stolze zurückkehren.

Don Ranudo. Ach, ach, einen größeren Kummer giebt es doch nicht, als wenn Eltern sehen müssen, wie die Kinder aus der Art schlagen! Sagt aber, Madame, was werden wir heute essen?

Donna Olympia. Ja, was werden wir anders essen, als was wir gestern und vorgestern und alle die Zeit her gegessen haben? Zum ersten Gericht Erbsen, zum zweiten Gericht wieder Erbsen und zum dritten Gericht nochmals Erbsen.

Don Ranudo. Aber lange können wir auf diese Art doch nicht mehr fortleben; meine Kräfte haben schon dermaßen abgenommen, daß ich mich kaum noch auf den Beinen halten kann.

Donna Olympia. Ach, wenn es sich doch nur für mich schickte, zu arbeiten und mein Brod zu verdienen; Hunger thut doch weh. 387

Don Ranudo. Da sitzt ein armer Bauer vor unserer Thüre und ißt; in diesem Punkte ist er glücklicher als wir.

Donna Olympia. Glücklicher als wir kann er nicht sein; denn wie gut es ihm auch geht, so ist und bleibt er doch immer nur ein Bauer. Uebrigens thut mir der arme Mann ordentlich leid, daß er da so unter freiem Himmel sitzen und essen muß.

Don Ranudo. Aber was mag wol schlimmer sein, unter freiem Himmel zu essen oder unter Dach und Fach zu hungern?

Donna Olympia. Es ist beides schlimm; das Eine ist gemein, macht aber satt, das Andere ist vornehm, macht aber nicht satt.

Don Ranudo. Laß uns den armen Mann hereinrufen, damit er hier innen in Ruhe essen kann; draußen lassen ihm ja Sonne und Wind, Fliegen, Menschen und Hunde keine Ruhe.

Donna Olympia. Ja, er soll hereinkommen. Ein Bauer oder Bürger ist mir in meinem Hause willkommener, als einer von schlechtem Adel; denn jene legen es mir als christliche Demuth aus, dieser dagegen will für meinesgleichen gehalten sein und nimmt es als ein Recht in Anspruch, mit mir umzugehen.

Sechste Scene.

Don Ranudo. Donna Olympia. Der Bauer.

Don Ranudo. Hör', Du armer Mann, komm nur herein mit Deinem Ranzen!

Der Bauer. Dazu bin ich viel zu gering, wohlgeborner Herr, in solch ein Haus zu treten.

Don Ranudo. Wir sind alle Menschen; Du thatst mir leid, wie ich Dich da so unter freiem Himmel sitzen und essen sah. Hier, setz' Dich auf den Stuhl, da kannst Du doch wenigstens in Ruhe essen.

Der Bauer. Schön Dank, wohlgeborne Herrschaft.

Don Ranudo. Wo wohnst Du?

Der Bauer. Vier Meilen von hier.

Don Ranudo. Was hast Du heute zur Stadt gebracht? 388

Der Bauer. Ein paar Dutzend junge Hühner, die ich auf dem Markte verkauft habe.

Don Ranudo. Wenn Du ein ander Mal so ein paar recht fette Kapaunen hast, die kannst Du nur zu uns bringen.

Der Bauer. Will die Herrschaft keine jungen Hühner haben?

Don Ranudo. Nein, aus jungen Hühnern mache ich mir nichts; wir essen überhaupt blos Kapaunen und Wildpret, das ist das einzige Fleisch, das wir essen.

Der Bauer. Ja, das sieht man der gnädigen Herrschaft auch an, sie sehen alle beide ein bischen mager aus.

(Beide fahren sich mit der Hand übers Gesicht.)

Don Ranudo. Wie heißt Du, mein guter Mann?

Der Bauer. Ich heiße Juan.

Don Ranudo. Bewohnte Dein Vater denselben Hof, den Du bewohnst?

Der Bauer. Ja.

Don Ranudo. Wie hieß er denn?

Der Bauer. Das weiß ich wahrhaftig nicht.

Don Ranudo. Das ist doch was Entsetzliches, nicht mal den Namen seiner Eltern zu wissen; das größte Glück in der Welt besteht ja doch darin, den Namen seiner Eltern zu wissen und aus welchem Hause man stammt.

Der Bauer. Bei uns auf dem Lande wird es für das größte Glück gehalten, wenn das Land hübsch Korn und Früchte trägt, daß man zu leben hat, wenn die Weiber alle Jahre ein Kind kriegen und wenn die Kinder tüchtig wachsen, damit sie uns bald an die Hand gehen können.

Don Ranudo. Das ist eigenthümlich. Wir Vornehmen halten es für ein Unglück, viele Kinder zu haben; je mehr Kinder, je mehr Ausgaben.

Der Bauer. Bei uns heißt es umgekehrt: je mehr Kinder, je mehr Einkünfte. Je mehr Edelleute, je mehr Verzehrer im Lande, aber je mehr Bauern, je mehr Arbeiter.

Don Ranudo. In der That, Du sprichst wie ein Philosoph. Aber wie alt warst Du, als Du Dich verheirathetest?

Der Bauer. Ich war just achtzehn Jahre. 389

Don Ranudo. Das war aber doch wol ein bischen zu zeitig. Wir Vornehmen heirathen nicht so zeitig; mitunter müssen wir sogar bis ins vierzigste oder fünfzigste Jahr warten, bis wir in der Lage sind, unsre Familien auf demselben großen Fuße zu erhalten wie unsere Väter.

Der Bauer. Wir im Gegentheil heirathen, sowie wir im Stande sind, uns fortzupflanzen. Denn für uns sind Weiber und Kinder keine Last; je mehr Hände im Hause, je mehr Arbeiter giebt es ja, und je mehr Arbeiter, je mehr bringt man ja vor sich.

Don Ranudo. Dieser Mann spricht in der That wie ein Weiser, Donna Olympia, der Bauernstand hat es darin wirklich gut. Gewiß ist dies auch der Grund, weshalb die Kinder der Bauern gesünder und stärker sind als die Kinder der Vornehmen, weil jene erzeugt werden, während ihre Eltern noch im vollen Besitz ihrer Kräfte sind.

Der Bauer. Wenn der gnädige Herr es nicht ungnädig aufnehmen will, so ist das, glaub' ich, auch die Ursache, weshalb unter uns Bauern nicht so viel Hahnreie sind als unter den Vornehmen. Denn wenn die Vornehmen bis in ihr fünfzigstes Jahr warten, bis sie im Stande sind, ein Haus zu versorgen, so sind sie dann auch nicht mehr im Stande, eine Frau zu versorgen; es müßte denn sein, daß die Frauen der Vornehmen nichts weiter brauchen als Essen und Trinken, was jedoch bei uns auf dem Lande keineswegs der Fall ist.

Don Ranudo. Ha ha ha, es ist wirklich unterhaltend, einen gemeinen Bauer über so was räsonniren zu hören. Uebrigens sehe ich mit Bewunderung, wie Du diese gemeine Kost mit so vielem Appetit verzehrst.

Der Bauer. Ei, das Brod und der Käse schmeckt mir vermuthlich besser als der gnädigen Herrschaft der beste Braten. Alle Kost ist gleich gut, es kommt nur darauf an, wie der Magen sich gewöhnt hat.

Don Ranudo. Man muß alles in der Welt versuchen; laß mich mal curiositätshalber von Deinem Käse kosten, ich muß doch mal sehen, ob ich ihn hinunterkriegen kann. 390

Donna Olympia. Ach, Don Ranudo, das geht ja doch nimmermehr!

Der Bauer. Will der gnädige Herr mal versuchen?

Don Ranudo. Nun ja, aber blos curiositätshalber. – Ei, das schmeckt wirklich gar nicht so schlecht.

Der Bauer. Die gnädige Frau sollte auch ein Stück nehmen.

Donna Olympia. In der That, der Käse schmeckt nicht übel, ich hätte es wirklich nicht gedacht.

Don Ranudo. Ha ha ha, ich muß wahrhaftig noch ein Stück nehmen, das ist ein merkwürdiges Abenteuer, das ich nie zu erleben gedacht hätte, und von dem ich noch meinen Enkeln erzählen werde. Schneide nur ein ganz gehöriges Stück ab, Juan, und gieb uns etwas von Deinem groben Brod dazu. (Sie essen beide tüchtig.)

Donna Olympia. Das soll wahrhaftig das Erste sein, was ich erzähle, sowie ich wieder nach Hofe komme, daß ich mit einem Bauern Brod und Käse gegessen habe.

Don Ranudo. Ha ha ha, gieb uns noch ein Stück, Juan, ich will doch wirklich mal essen, so lange es mir schmeckt.

Der Bauer. Ich zweifle nur, wohlgeborner Herr, ob mein Käse noch viele solche Schnitte aushalten wird.

Don Ranudo. Ha ha ha! (Er nimmt den Käse eigenhändig und schneidet die Hälfte davon ab.) Nun sollst Du Dich überzeugen, Juan, daß weder die gnädige Frau, noch ich gemeine Bauernkost verschmähen.

(Der Bauer thut seine Eßwaren wieder in den Ranzen und kratzt sich im Kopfe.)

Donna Olympia. Gieb mir noch ein Stück, ich muß doch sehen, ob mein Fräulein Tochter ebenfalls im Stande ist, solche grobe Kost zu genießen. Ha ha ha, so zur Veränderung ist das wirklich gar nicht übel.

Der Bauer. Das Stück, das der gnädige Herr vorhin abschnitt, war groß genug für eine ganze Familie, nicht blos zum Kosten, sondern sogar um sich satt daran zu essen.

Don Ranudo. Wenn Du wieder zur Stadt kommst, so laß Dich nur dreist bei uns sehen. 391

Der Bauer. Mich bei der gnädigen Herrschaft gehorsamst zu bedanken. (Leise) Aber der Teufel soll den holen, der seinen Eßkober wieder mitbringt!

Don Ranudo. Wenn Du nach Hause kommst, Juan, wirst Du, hoffe ich, unsere Herablassung zu rühmen wissen.

Der Bauer. Versteht sich, besonders, wenn der gnädige Herr so gut sein will, mir eine kleine Entschädigung zu geben; die Wahrheit zu sagen, hatte ich nur gerade so viel zu essen bei mir, als ich selbst unterwegs brauche.

Don Ranudo. Was sollen wir diesem ehrlichen Manne wol geben, Donna Olympia? Soeben erst habe ich einem guten Freunde zweitausend Rosenobel geliehen, so daß ich für den Augenblick auch nicht ein Goldstück mehr in der Tasche habe, und Silbermünzen als Geschenk zu geben, das schickt sich doch nicht für mich, noch für irgend jemand aus dem Colibradosschen Hause.

Der Bauer. Ei, gnädigste Herrschaft, ich will gern mit Silbergeld zufrieden sein.

Don Ranudo. Nein, Juan, das geht nicht an, der Ruf unseres Hauses würde darunter leiden; die Belohnungen, die wir austheilen, sind allemal Gold oder Ehre.

Der Bauer. Aber weil die gnädige Herrschaft doch jetzt gerade kein Gold hat, und weil ich selbst genau so viel Ehre habe, als ich brauche, so möchte ich doch gehorsamst um eine kleine Entschädigung in Silbergeld gebeten haben, damit ich mir wieder etwas zu essen kaufen kann.

Don Ranudo. Wollen wir ihm denn eine Hand voll Drittel reichen, Donna Olympia? das heißt: unter der Bedingung, daß es niemand nachsagt.

Donna Olympia. Nein, gnädiger Herr, das lasse ich nicht zu, das wäre ja eine ewige Schande für unser Haus.

Der Bauer. Ich will es ganz gewiß niemand nachsagen, daß ich Silbergeld bekommen habe.

Don Ranudo. Höre, Juan, ich bin überzeugt, wenn Du nach Hause kommst und den übrigen Bauern erzählst, was Dir 392 begegnet ist, so wirst Du in Zukunft der angesehenste Mann im Dorfe.

Der Bauer. Wenn die gnädige Herrschaft denn gar nicht bei Gelde ist, so möchte ich doch demüthigst gebeten haben, mir etwas aus Dero Küche geben zu lassen, theils um unterwegs davon zu leben, theils um es den andern Bauern zu zeigen, zum Beweise, daß ich auch wirklich in der gnädigen Herrschaft ihrem Hause gewesen bin.

Don Ranudo. Ich werde Dir einen Abdruck unseres Wappens geben, den kannst Du mit nach Hause nehmen zum Beweise, daß Du wirklich bei der Herrschaft im Hause gewesen bist.

Der Bauer. Werde ich da auch so ein vornehmer Herr, wenn der gnädige Herr mir sein Wappen schenkt?

Don Ranudo. Ei, warum nicht gar!

Der Bauer. Ich dachte, mit dem Wappen wäre alles gethan; giebt es ja doch manch Einen, der seinen hohen Rang durch nichts anderes beweisen kann, als durch die Wappen seiner Vorfahren. Allein da mir das auf die Art doch nichts helfen kann, so gebt mir nur lieber etwas Eßbares, damit ich doch nicht unterwegs zu hungern brauche.

Don Ranudo. Wenn jemand einen Zweifel erhebt und sagen sollte: wie könnte das wol möglich gewesen sein, daß Don Ranudo de Colibrados, der da abstammt von Antonio Prospero Alfonso, Gonzalvo Hippolito Stephano Mustacho . . . .

Der Bauer. Aber, gnädigster Herr –

Don Ranudo. Lopez Melchior, Gusman Theodosio, Theophrasto, Theodoro Carlos, Philippo Manuel, Balthasar . . . ..

Der Bauer. Aber gnädigster Herr –

Don Ranudo. Manuel Juan Aurelio, Sancho Ramirez, Don Jago, Juliano Sebastiano, Valentino Stemogeniano, Melchior Lopez . . .

Der Bauer. Aber, gnädigster Herr, ich sollte –

Don Ranudo. Casparo Ranudo, Trincalo Ventoso &c. &c. &c. 393

Der Bauer. Davon habe ich noch immer nichts zu essen, gnädigster Herr.

Don Ranudo (zeigt ihm die Reihe der Namen auf seinem Stammbaum und sagt). Etcetera, etcetera, etcetera!

Der Bauer. Der gnädige Herr mag mir so viele Don Juliane und sonstige Anen, so viele Don Quichoten und Don Sancho Pansa's herrechnen, als er will, so giebt mir das . . . .

Don Ranudo. Wenn jemand, sage ich, Zweifel daran erheben und sagen sollte: wie sollte das möglich gewesen sein, daß ein solcher Herr einem armen Bauer solche Ehre erwiesen hätte, so hast Du nichts weiter zu thun, als ihm diesen Abdruck zu zeigen.

Der Bauer. Aber will die gnädige Herrschaft mir nicht wenigstens einen Schluck Wein geben lassen?

Don Ranudo. Höre, Donna Olympia, da liegt gerade ein Abdruck auf dem Tische, den kann der gute Mann mitnehmen als Erinnerung, daß er wirklich hier gewesen.

Der Bauer. Aber dürfte ich nicht erst nach dem Lakaien rufen, daß er mir mein Fläschchen füllt?

Don Ranudo. Sieh hier, Juan, verwahre das wol, und nimm Dich in Acht, daß es Dir nicht unterwegs entzwei geht.

Der Bauer. Aber darf ich nicht selbst in die Küche springen und den Kellermeister rufen?

Don Ranudo. Nun will ich Dir auch erklären, Juan, was alles in dem Wappen steht. Hier in diesem ersten Felde ist ein blauer Falke –

Der Bauer (leise). Na da soll mich doch dieser und jener holen, wenn ich meinen Eßkober hier wieder herbringe!

Don Ranudo. In dem zweiten Felde ist ein Leopard –

Der Bauer. Ich kann mich nicht länger aufhalten, ich muß gehen.

Don Ranudo. In diesem dritten sind vier Lilien –

Der Bauer. Meinetwegen können es sechzehn sein.

Don Ranudo. In dem vierten befindet sich ein Schwert –

Der Bauer. Hol' sie der Teufel alle beide, das Schwert so gut wie die Lilien! 394

Don Ranudo. Nun werde ich Dir aber auch erklären, was das alles zu bedeuten hat –

Der Bauer. Empfehle mich der gnädigen Herrschaft und bedanke mich vielmals für die Ehre, die sie mir angethan, indem sie mir meinen Käse und Brod aufgegessen hat. (Ab.)

Siebente Scene.

Donna Olympia. Don Ranudo.

Don Ranudo. Wie wird der Bauer uns rühmen und preisen, wenn er nach Hause kommt!

Donna Olympia. Ja gewiß, ich weiß aufs Haar, was er sagen wird, nämlich: was ist das für eine gnädige Herrschaft, da ist ja mancher Bauer nicht so herablassend wie der wohlgeborne Herr nebst Frau Gemahlin.

Don Ranudo. Allerdings würden nicht viele unseres Standes so mit einem armen Bauer umgegangen sein wie wir.

Donna Olympia. Das hat nichts zu sagen, Don Ranudo, das thut unserer Ehre nicht das Mindeste. Ich bin gewiß nicht hochmüthig, aber eben darum kann ich auch nicht leiden, wenn Einer was vorstellen will, was er doch nicht ist. Bauern geben sich als Bauern, und die Ehre, die man ihnen erweist, sehen sie als eine Gnade an. Aber da sind so gewisse Leute, so ein Monsieur und Madame (Ihr wißt schon wen ich meine), die geben sich solch vornehmes Ansehen und doch guckt ihnen der Bürger überall hervor, wie sehr sie ihn auch zu verstecken suchen. Es geht ihnen, wie einem gewissen Lakaien nacherzählt wird, der so viel Geld in der Lotterie gewann, daß er selbst den Herrn machen und ein prächtiges Leben führen konnte; einmal aber versah er es doch, denn statt sich in die Kutsche zu setzen, stellte er sich hinten auf. So schlägt auch den Leuten, von denen ich spreche, der Bürger noch immer in den Nacken. Ich kann mich wahrhaft ärgern, wenn ich sehe, wie Madame (der Name thut nichts zur Sache) in ihrer Portechaise sitzt, den Kopf auf der linken Schulter mit einem melancholischen Ausdruck wie aus 395 Unzufriedenheit, daß ihr Mann es noch nicht weiter gebracht hat – und doch, wenn sie sich nur erinnern wollte, daß ihre Frau Mutter in Sevilla auf öffentlichem Markte Feigen verkauft hat, so müßte sie ja ganz schwindelich im Kopfe werden und sich mit beiden Händen an der Portechaise festhalten. Aber freilich, von ihrer Grandmama pflegt sie nicht zu sprechen, gerade wie Monsieur nicht von seinen Eltern zu sprechen pflegt. In der That, mein theurer Ranudo, ich könnte gleich vor Aerger platzen, so oft in an diese Sorte denke.

Don Ranudo. Ei was, mein Schatz, Sie müssen sich darüber nicht so sehr ärgern, es ist ja nicht der Mühe werth.

Donna Olympia. Wenn sie blos einmal die Frechheit hätten und wollten mir die Visite machen, sie sollten mir, weiß Gott, eine ganze Stunde im Vorzimmer warten, das sage ich und darauf schwöre ich. Was will das –

Don Ranudo. Hilf Himmel, wird der gnädigen Frau übel? Sie wird wahrhaftig ohnmächtig; hätte ich doch nur rasch etwas zu riechen! Hier, riecht an das Stückchen Käse, vielleicht wird es davon besser. Ah, das nenne ich noch adeliges Gefühl! (Sie kommt wieder zu sich.)

Donna Olympia. Eine ganze Stunde, sag' ich, Don Ranudo, sollte sie im Vorzimmer warten, das wäre gerade gut für sie, ich achte sie nicht so viel wie das Stück Käse, das Ihr da in der Hand habt.

(Mit diesen Worten nimmt sie ihm den Käse aus der Hand und ißt ihn auf.)

Achte Scene.

Pedro. Die Vorigen.

Pedro. Na nun ist der Teufel los! Da sind die Gläubiger mit dem Gerichtsdiener, die wollen Execution vollstrecken und tragen alles fort, was sie finden.

Don Ranudo. Wo sind sie?

Pedro. Die grüne Stube haben sie schon erbrochen.

Don Ranudo. Komm, laß uns gehen. 396

Neunte Scene.

Gerichtsdiener. Die Vorigen.

Gerichtsdiener (mit einer tiefen Verbeugung). Ich bitte die gnädige Herrschaft allerunterthänigst um Verzeihung, daß ich hier in solchem unangenehmen Auftrag erscheine; ich bin nur ein geringer Diener, der bei Verlust seines Amtes thun muß, was die Obrigkeit befiehlt.

Don Ranudo. Zu welchem Ende hat man Ihn hergeschickt?

Gerichtsdiener. Ich bin angewiesen, eine allerunterthänigste Execution bei Dero Gnaden zu vollstrecken und kraft des vor vierzehn Tagen ergangenen Urtheils alles fortzunehmen, was ich in Dero hochadeligem Hause finde, selbst auch die hochadeligen Kleider nicht ausgenommen, die Ihro Gnaden auf dem Leibe tragen.

Don Ranudo. Ich hoffe doch, daß Ihr ein wenig anders mit mir umgehen werdet als mit einem gemeinen Bürger.

Gerichtsdiener. Das wird wol nicht angehen; wo es sich um Geldsachen handelt, macht das Gesetz leider keinen Unterschied zwischen den Leuten.

Don Ranudo. Seht Euch wohl vor, was Ihr thut, Monsieur.

Gerichtsdiener. Ich habe mich sehr wohl vorgesehen, die wenigen paar Möbel, die sich in den andern Zimmern befinden. habe ich bereits durch meine Leute in Beschlag genommen. Da das alles jedoch für die schuldigen Summen bei weitem nicht zureicht, so muß ich schon so frei sein, Hand an die Kleider zu legen, die Euer Gnaden auf dem Leibe haben, bitte jedoch allerunterthänigst, es ja nicht ungnädig aufzunehmen.

Don Ranudo. Kann so etwas auch gnädig aufgenommen werden? Ihr könnt mir gewiß keinen Grund angeben, solch ein Verfahren zu rechtfertigen?

Gerichtsdiener. Gründe anzugeben ist für diesmal keine Zeit. Im Uebrigen werde ich mit der größten Schonung 397 verfahren und dem gnädigen Herrn, mit Rücksicht auf Dero hohen Stand, die Unterhosen lassen.

Don Ranudo. Das ist eine erstaunliche Höflichkeit, das muß ich bekennen!

Gerichtsdiener. Ei ja, ich weiß was jedem gebührt.

(Zieht ihm den Rock ab, indem er drei tiefe Verbeugungen dabei macht.)

Don Ranudo. O Himmel, in welchen Zeiten leben wir!

Gerichtsdiener. Nun muß ich mich mit demselben Anliegen auch an die gnädige Frau wenden.

Donna Olympia. Das kann den Hals kosten, Hand an eine Dame zu legen, wie ich bin, bedenkt das wohl!

Gerichtsdiener. Der Himmel ist mein Zeuge, daß ich aufs Aeußerste darüber betrübt bin, diese Execution vollstrecken zu müssen; allein ich bin lediglich das unschuldige Werkzeug, dessen die Obrigkeit sich bedient.

Donna Olympia. Dann sagt dem Magistrat nur, daß er dafür exemplarisch bestraft werden soll.

Gerichtsdiener. Werde unterthänigst alles bestellen, was die gnädige Frau befiehlt; jetzt aber muß ich mir die Freiheit nehmen und muß mich als Abrechnung auf die Schuld ihrer Kleider bemächtigen.

(Zieht ihr das Kleid ab, indem er der gnädigen Frau dabei die Schürze küßt.)

Donna Olympia. Ach Himmel, ich sterbe vor Scham!

Don Ranudo (mit seiner Tabaksdose in der Hand). Ei, Madame, wir wollen das mit Verachtung behandeln, um zu zeigen, daß unsere Denkweise nicht minder hoch ist als unsere Geburt. – Monsieur, wir nehmen Ihm das in der That nicht übel, seht da, will Er eine Prise?

Gerichtsdiener. Dürfte ich wol fragen, ob die Dose dem gnädigen Herrn gehört?

Don Ranudo. Ja wem denn sonst?

Gerichtsdiener. Dann muß der gnädige Herr entschuldigen, wenn ich sie ebenfalls auf Abrechnung mitnehme.

(Don Ranudo geht mit gesenktem Kopf und brummt ein Lied in den Bart.)

Wetter, wie ich sehe, ist hier nichts; haben Ihro Gnaden sonst noch was zu befehlen? (Macht drei tiefe Verbeugungen und geht ab.) 398

Pedro. Die Dose hätte der gnädige Herr wol noch retten können.

Don Ranudo. Es hat nichts zu sagen, Pedro, laß uns hineingehen.

Pedro. Das war ein verteufelter Kerl! der versteht sich darauf, Einem mit der höflichsten Manier das Fell vom Leibe zu ziehen. Aber ich merke schon, er ist noch nicht weg, er wird wol die übrigen Zimmer auch noch durchschnüffeln; da muß ich nur laufen und mein bischen Armuth auf die Seite bringen. 399


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