Ludvig Holberg
Der politische Kannengießer
Ludvig Holberg

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Zweiter Act.

Erste Scene.

Hermann. Heinrich. Später das Collegium politicum.

Hermann. Nu mach' alles fertig, Heinrich! Kannen und Pfeifen auf den Tisch! Gleich werden sie da sein!

(Heinrich macht alles fertig. Einer kommt nach dem Andern; sie setzen sich um den Tisch und Hermann von Bremen setzt sich obenan.)

Hermann. Guten Tag allerseits, Ihr wackern Männer! Wo blieben wir das letzte Mal stehen?

Richard der Bürstenbinder. Bei der deutschen Frage.

Geert der Kürschner. Richtig, jetzt erinnere ich mich. Auf dem nächsten Reichstag wird sich das schon alles geben. Wenn es nur erst so weit wäre! Dem Kurfürsten von Mainz wollte ich schon was ins Ohr sagen, wofür er mir Dank wissen sollte. Die guten Leute wissen nur nicht, worin Deutschlands wahres Interesse besteht. Wo hat man je von einer kaiserlichen Residenzstadt gehört, wie Wien, ohne Flotte oder doch wenigstens ohne Galeeren? Eine Kriegsflotte zur Vertheidigung des Reichs könnten sie ja wol halten, es gibt ja doch Kriegssteuern genug und Römermonate dazu. Da seh' mal einer den Türken an, ob der nicht klüger ist! Wir können nie besser Krieg führen lernen als von ihm. Da sind ja Wälder die Menge in Oestreich und Prag, wenn man sie nur benutzen wollte, zu Schiffen und Masten. Hätten wir eine Flotte in Oestreich oder Prag, da würde wol weder Türke noch Franzmann mehr dran denken, Wien zu belagern, und wir könnten direkt auf Konstantinopel gehen. Aber an so was denkt Keiner. 29

Siebert der Thorschreiber. Nein, keine Menschenseele weit und breit. Unsere Vorfahren verstanden die Sache besser. Es kommt alles auf die Einrichtung an. Deutschland ist jetzt nicht größer, als es vor diesem war, da wir uns nicht allein rühmlich gegen alle unsere Nachbarn vertheidigten, sondern auch ganze Stücke von Frankreich abrissen und Paris belagerten, sowohl zu Lande als zu Wasser.

Franz der Messerschmied. Aber Paris ist ja keine Seestadt.

Siebert. Dann muß ich meine Landkarte schlecht verstehen. Ich weiß ganz wohl, wo Paris liegt; hier liegt ja England, genau hier, wo ich meinen Finger halte. Hier läuft die Canalie, hier liegt Bordeus und hier Paris.

Franz. Nein Bruder, hier liegt ja Deutschland, und hier gleich daneben ist Frankreich, das mit Deutschland zusammenhängt, ergo kann ja Paris keine Seestadt sein.

Siebert. Ist denn da kein Meer bei Frankreich?

Franz. Keine Spur; ein Franzose, der nicht außer Landes gereist ist, weiß nicht, weder was ein Schiff, noch was ein Boot ist. Fragt nur Meister Hermann; ist das nicht, wie ich sage, Meister Hermann?

Hermann. Ich werde den Streit gleich entscheiden. Heinrich, reich' mal die Landkarte von Europa her! Dankwarths LandkarteEine Landkarte dieses Namens hat es nie gegeben, wol aber ein sehr bekanntes und verbreitetes geographisches Buch von Caspar Dankwerth (nicht Dankwarth), eine »Landesbeschreibung der Herzogthümer Schleswig und Holstein«, mit einer für ihre Zeit vortrefflichen Karte von Joh. Mayer, zuerst erschienen 1652. A.d.Ü..

Der Wirth. Hier ist eine, aber sie ist etwas zerrissen.

Hermann. Das hat nichts zu sagen, ich weiß recht gut, wo Paris liegt, ich will die Landkarte blos haben, um die Andern zu überführen. Seht Ihr nun, Siebert, hier liegt Deutschland –

Siebert. Das ist schon recht, ich sehe es am Donaustrom, der hier fließt.

(Indem er auf die Donau weist, stößt er mit dem Ellbogen den Krug um, so daß das Bier über die Karte fließt.)

Der Wirth. Der Donaustrom fließt etwas zu stark!

(Alle lachen: Ha, ha, ha.)

Hermann. Hört, liebe Männer, wir sprechen so viel von fremden Angelegenheiten, laßt uns auch etwas von Hamburg 30 reden. Das ist eine Materie, die kann uns noch genug zu schaffen machen. Ich habe darüber nachgedacht, woher das wol kommt, daß wir keine Niederlassungen in Indien besitzen, sondern die Waare aus zweiter Hand kaufen. Das ist eine Sache, die Bürgermeister und Rath wohl erwägen sollten.

Richard. Sprich nicht von Bürgermeister und Rath; wenn wir warten wollen, bis die das erwägen, können wir lange warten. Hier in Hamburg macht sich ein Bürgermeister allein damit berühmt, daß er eine löbliche Bürgerschaft tyrannisirt.

Hermann. Ich meine, Ihr guten Männer, es wäre noch nicht zu spät. Denn warum sollte der König von Indien nicht uns so gut den Handel gönnen wie den Holländern, die doch nichts weiter auszuführen haben, als Käse und Butter, was noch dazu gewöhnlich unterwegs verdirbt? Wir thäten, mein' ich, wohl, wenn wir dem Rath eine Vorstellung darüber eingäben; wie viel sind wir hier bei einander?

Der Wirth. Wir sind nur sechs, die andern Sechs, glaub' ich, kommen nicht mehr.

Hermann. Das ist auch genug; was ist Eure Meinung, Herr Wirth? Laßt uns zur Abstimmung schreiten.

Der Wirth. Ich bin nicht ganz für den Vorschlag; solche Reisen entfernen viel brave Leute aus der Stadt, an denen ich täglich meinen Schilling verdiene.

Siebert. Ich halte dafür, man muß mehr auf das allgemeine Beste sehen, als auf sein eigenes Interesse, und darum scheint mir Meister Hermanns Vorschlag der vorzüglichste, der seit Langem gemacht ist. Je mehr Handel wir treiben, je mehr florirt ja die Stadt; je mehr Schiffe ankommen, je besser ist es ja für uns kleine Beamte. Doch das Letztere ist nicht der eigentliche Grund, weshalb ich dem Vorschlage beistimme, sondern allein der Nutzen und die Wohlfahrt der Stadt treibt mich dazu, ihn zu recommandiren.

Geert. Ich kann diesem Vorschlage durchaus nicht zustimmen, vielmehr rathe ich zur Errichtung einer Compagnie in Grönland und der Davidsstraße, das ist ein Handel, der der Stadt viel nützlicher und besser ist. 31

Franz. Geert scheint mir mit seinem Votum mehr auf seinen eigenen Nutzen zu sehen als aufs Beste der Republik. Denn wer nach Indien reisen will, braucht den Kürschner freilich nicht so nöthig, als zu einer Reise nach dem Norden. Ich für meine Person halte dafür, daß der Handel mit Indien allen andern an Wichtigkeit vorgeht. Denn in Indien kann man nicht selten für ein Messer, eine Gabel oder Scheere von den Wilden einen Klumpen Gold kriegen von demselben Gewicht. Wir müssen es nur so einrichten, daß die Vorstellung, die wir beim Rath einreichen, nicht nach Eigennutz riecht; denn sonst kommen wir damit nicht durch.

Richard. Ich bin derselben Meinung wie Niels der Schreiber.

Hermann. Du votirst wie ein Bürstenbinder: Niels der Schreiber ist ja gar nicht hier. Aber was will das Weibsstück hier? Das ist wahrhaftig meine Frau!

Zweite Scene.

Geske. Das Collegium politicum.

Geske. Seid Ihr hier, Ihr Herumtreiber? Es wäre wahrhaftig besser, Ihr arbeitetet oder zum wenigsten Ihr gäbt Acht auf die Leute; durch Eure Versäumniß verlieren wir eine Arbeit nach der andern.

Hermann. Nur stille, Frau, Du wirst Burgemeisterin, eh' Du ein Wort davon weißt. Denkst Du, ich gehe blos zum Zeitvertreib aus? Ja richtig, ich habe zehnmal mehr Arbeit als alle Uebrigen im Hause: Ihr Andern arbeitet blos mit den Händen, aber ich mit dem Kopfe.

Geske. Das thun die Verrückten alle, die bauen wie Ihr Schlösser in die Luft und füllen sich den Kopf an mit Thorheiten und Narrenspossen und denken Wunder, was sie thun, während es doch in Wahrheit nichts ist.

Geert der Kürschner. Wär' das meine Frau, die sollte das nicht zum zweiten Mal sagen. 32

Hermann. Ei Geert, auf so was muß ein Politikus nicht achten. Ein oder zwei Jahre früher hätte ich meiner Frau für solche Redensarten den Buckel durchgeschmiert; seit ich aber angefangen habe, mich in politischen Büchern umzuthun, habe ich gelernt, so was zu verachten. Qui nescit simulare, nescit regnareWahlspruch König Jacobs I. von England; auch Ludwig XI. von Frankreich und Friedrich II. von Dänemark (1559–1588) sollen ihn häufig im Munde geführt haben. – Der gleich darauf erwähnte Agrippa ist natürlich kein anderer als Cornelius Heinrich Agrippa von Nettesheim, der berühmte Polyhistor, Arzt und Schwarzkünstler, geboren 1486 zu Köln, gestorben zu Grenoble 1535. Albertus Magnus ist der berühmte Philosoph und Naturforscher, der Vater der mittelalterlichen Botanik, auch als Schwarzkünstler der Held zahlreicher Sagen und Wundergeschichten, geboren 1205 (oder 1193?), gestorben 1280. A.d.Ü., sagt ein alter Politikus, und der war nicht auf den Kopf gefallen, ich glaube, er hieß Agrippa oder Albertus Magnus. Denn das ist die Grundlage aller Politik in der Welt; wer nicht im Stande ist, ein böses Wort von einem hitzigen und thörichten Weibe zu hören, der taugt zu keiner höheren Verrichtung. Kaltblütigkeit ist die allergrößte Tugend, der Edelstein, der Regenten und Obrigkeiten am meisten schmückt. Darum halte ich dafür, daß keiner hier in der Stadt in den Rath kommen sollte, bevor er nicht Proben abgelegt hat von seiner Kaltblütigkeit und hat sehen lassen, wie er Scheltworte, Püffe und Ohrfeigen vertragen kann. Von Natur bin ich hitzig, aber ich studire darauf, meine Natur zu überwinden. Ich habe eine Geschichte gelesen in einem Buche, betitelt »Der politische Stockfisch«Erschien zu Merseburg 1681 und war nicht sowol ein politisches Buch, als vielmehr ein galanter Roman im Geschmack der Weise Menantes &c.; als Verfasser wird ein Johann Riemer genannt, der 1714 als Prediger in Hamburg starb. A.d.Ü., daß, wenn einer vom Zorn bewältigt wird, so soll er nur bis zehn zählen, unterdessen geht der Zorn vorüber.

Geert. Das könnte mir nicht helfen, und wenn ich bis hundert zählte.

Hermann. Ja so taugt Ihr auch blos zum Subalternen. Heinrich, gib meiner Frau einen Krug Bier von dem kleinen Tisch.

Geske. Ei, Du Schlingel, denkst Du, ich bin hierher gekommen, zu trinken?

Hermann. Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht, neun, zehn, elf, zwölf, dreizehn. Nun ist es schon vorüber. Höre, Mutter, Du mußt Deinen Mann nicht so grob anfahren, das klingt ja, als wäre es böse gemeint.

Geske. Ist's etwa weniger böse, zu betteln? Soll eine Frau nicht zanken, wenn sie solchen Herumtreiber zum Manne hat, der so seine Wirthschaft versäumt und Frau und Kinder Noth leiden läßt? 33

Hermann. Heinrich, gieb ihr ein Glas Branntwein, sie hat sich ereifert.

Geske. Heinrich, gieb meinem Mann, dem Schlingel, ein paar Ohrfeigen.

Heinrich. Das thut Ihr nur selber, für solche Commission bedanke ich mich.

Geske. Na, dann thu' ich es selbst. (Giebt ihm Ohrfeigen.)

Hermann Eins, zwei, drei, vier, fünf (bis zwanzig). (Er thut, als ob er wieder schlagen will, fängt aber aufs neue an, bis zwanzig zu zählen.) Wär' ich nicht ein Politikus, so sollte Dich das Donnerwetter regieren!

Geert. Wollt Ihr Eure Frau nicht im Zaum halten, so thue ich es. Marsch, fort! Hinaus!

(Geske wird herausgebracht und schilt draußen weiter.)

Dritte Scene.

Das Collegium politicum. Heinrich.

Geert. Ich werde sie lehren, sich ein andermal hübsch zu Hause zu halten. Das bekenne ich: wenn das politisch ist, sich von seiner Frau an den Haaren ziehen zu lassen, so werde ich mein Lebtag kein Politikus.

Hermann. Ach, ach! Qui nescit simulare, nescit regnare; das ist leicht gesagt, aber schwer gethan. Ich gebe zu, es war eine große Schmach, die mir meine Frau gethan hat, ja ich glaube, ich laufe ihr nach und prügle sie noch auf der Straße durch . . . . Doch – eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht, neun, zehn, elf, zwölf, dreizehn, vierzehn, funfzehn, sechzehn, siebzehn, achtzehn, neunzehn. Nun ist das gut, nun laßt uns von was Anderem sprechen.

Franz. Das Weibsvolk hat hier in Hamburg zu viel zu sagen.

Geert. Ja. das ist gewiß; ich habe schon oft daran gedacht, in der Beziehung einen Vorschlag zu machen. Es hat nur seine 34 Schwierigkeiten, sich mit den Weibern in Streit einzulassen. Uebrigens ist der Vorschlag selbst ganz gut.

Hermann. Worin besteht der Vorschlag?

Geert. Es sind nur wenige Artikel. Erstens wollt' ich, daß die Ehecontracte nicht auf ewig gemacht würden, sondern blos auf gewisse Jahre, so daß, wenn ein Mann mit seiner Frau nicht zufrieden ist, er mit einer andern contrahiren kann; doch müßte er verpflichtet sein, ihr ein Vierteljahr vor dem Ziehtag aufzusagen, und der Ziehtag müßte Ostern oder Michaelis sein. Ist er jedoch mit ihr zufrieden, so kann der Contract verlängert werden. Würde solch ein Gesetz gemacht, so fände sich, glaubt mir, in ganz Hamburg nicht Ein böses Weib, sondern jede würde sich die größte Mühe geben und würde dem Mann um den Bart gehen, um den Contract verlängert zu kriegen. Was meint Ihr, lieben Leute, zu dem Artikel? Franz, Du schmunzelst so schalkhaft, Du hast gewiß etwas einzuwenden, laß uns hören.

Franz. Aber könnte eine Frau nicht mitunter ihre Rechnung dabei finden, von ihrem Manne geschieden zu werden, wenn der sie nun schlecht behandelt oder ein Herumtreiber ist, der blos ißt und trinkt und nicht arbeiten will, Frau und Kinder zu ernähren? Oder sie kriegte Lust zu einem Andern und machte es dem Manne so bunt, daß er sie gegen seinen Willen müßte laufen lassen? Nach meinem Dafürhalten könnten daraus große Ungelegenheiten entstehen; man hat ja noch Mittel, eine Frau zu zwingen. Wollte Jeder, wie Ihr, Meister Hermann, wenn er eine Ohrfeige kriegt, sich damit zufrieden geben, daß er bis zwanzig zählt, so würden wir einen Haufen schöner Weiber zusammenkriegen. Nach meinem unvorgreiflichen Dafürhalten ist das beste Mittel, wenn eine Frau kopfdämlich wird, daß der Mann ihr droht, allein zu schlafen und nicht ins Bett zu ihr zu kommen, bis sie sich bessert.

Geert. Das könnte ich nicht halten; den meisten Männern würde das ebenso schwer fallen, als den Frauen.

Franz. So kann der Mann ja extra gehen.

Geert. So kann die Frau ja auch extra gehen.

Franz. Aber, Geert, laß uns die übrigen Artikel hören. 35

Geert. Ja, da seht zu, ob ich das thue! Du willst doch vermuthlich blos Deinen Spott treiben; kein Ding ist so gut, daß sich nicht etwas dagegen einwenden läßt.

Hermann Laßt uns denn von was Anderem sprechen; wer uns hörte, müßte denken, wir hielten Consistorium oder EhegerichtEin geistliches Gericht, das in allen Ehestreitigkeiten entschied und bis 1771 bestand; im Dänischen hieß es »Tamperret«, von den sogenannten Quatembern, indem es den letzten Mittwoch jeden Vierteljahrs gehalten ward. A.d.Ü.. Letzte Nacht, als ich nicht schlafen konnte, dachte ich darüber nach, wie wol die Regierung von Hamburg am besten eingerichtet würde, so daß gewisse Familien, die heutzutage gleichsam als Bürgermeister und Rathsherren zur Welt kommen, von den höchsten Aemtern ausgeschlossen und eine vollkommene Freiheit hergestellt würde. Ich dächte, man sollte die Bürgermeister abwechselnd jetzt aus dem einen Gewerk nehmen und jetzt aus dem andern, so nähme die sämmtliche Bürgerschaft an der Regierung Theil, und alle Stände kämen in Flor. Denn zum Exempel, wenn ein Goldschmied Bürgermeister würde, so sähe er auf das Interesse der Goldschmiede, ein Schneider auf das Aufblühen der Schneider, ein Kanngießer auf das der Kanngießer, und keiner sollte länger Bürgermeister sein, als einen Monat, damit nicht ein Gewerk mehr in Flor käme als das andere. Erst wenn die Regierung so eingerichtet würde, würden wir mit Recht ein freies Volk heißen.

Alle. Der Vorschlag ist herrlich, Meister Hermann, Ihr sprecht wie ein Salomo.

Franz. Der Vorschlag ist wohl gut. Nur . . .

Geert. Du kommst immer mit Deinem Nur, ich glaube, Du bist ein geborener Nurenberger.

Hermann Laß ihn nur seine Meinung sagen. Was willst Du sagen, was meinst Du mit Deinem Nur?

Franz. Ich denke, ob das nicht sehr schwierig sein sollte, in jedem Gewerk einen guten Bürgermeister zu finden. An Meister Hermann ist nichts auszusetzen, der hat seine Studien gemacht; aber wenn er todt ist, wo finden wir gleich einen andern Kanngießer, der zu solchem Amte tauglich ist? Denn wenn die Republik einmal einen Knacks weg hat, so ist das nicht so leicht, sie wieder auszubessern, als wenn man einen Teller oder eine Kanne umgießt, wenn sie verdorben sind. 36

Geert. Ach Bagatell, tüchtige Männer finden sich genug, auch unter den Handwerksleuten.

Hermann. Höre, Franz, Du bist noch ein junger Mann und darum kannst Du noch nicht so tief in die Sachen eindringen wie die Andern, obschon ich merke, Du hast einen guten Kopf und mit der Zeit kann was aus Dir werden. Ich will Dir nur in Kürze beweisen, daß diese Instanz keinen Grund hat, blos an unsern eigenen Personen. Wir sind in diesem Verein über zwölf Personen, lauter Handwerksleute, und doch kann Jeder von uns hundert Fehler bemerken, welche im Rath begangen werden. Stelle Dir nun vor, daß Einer von uns Bürgermeister würde und änderte die Fehler, die wir so oft besprochen haben und die der Rath nicht sehen kann, meinst Du wol wirklich, daß die Stadt Hamburg bei solchem Bürgermeister Schaden hätte? Wenn es Euch denn also gut dünkt, Ihr lieben Herren, will ich den Vorschlag eingeben.

Alle. Ja gewiß.

Hermann. Aber nun genug von der Materie; die Zeit geht hin und wir haben noch keine Zeitungen gelesen. Heinrich, reich mal die neueste Zeitung her!

Heinrich. Hier ist die neueste Zeitung.

Hermann. Gieb sie an Richard den Bürstenbinder, der pflegt zu lesen.

Richard. Man schreibt aus dem Hauptquartier am Rhein, daß man Recruten erwartet.

Hermann. Ei, das hat man schon zwölfmal hintereinander geschrieben; setz' über den Rhein! Ich muß mich jedesmal ärgern, so oft ich von der Sache höre. Was schreibt man aus Italien?

Richard. Aus Italien schreibt man, daß Prinz Eugenius mit seinem Lager aufgebrochen ist, den Fluß Padus passirt und alle Festungen vorbeigegangen ist, um die feindliche Armee zu überrumpeln, die infolge dessen in größter Eile sich vier Meilen rückwärts retirirt hat; Duc de VendômeEr meint den Herzog Ludwig Joseph von Vendôme, geboren 1654, gestorben 1712, den Sieger in der Schlacht bei Villa Viciosa (December 1710), durch welche ganz Spanien für Philipp V. erobert ward. Dagegen hatte er einige Jahre früher (1708) die berühmte Schlacht von Oudenarde gegen Marlborough verloren. A.d.Ü. sengt und brennt auf der Retirade überall im eigenen Lande. 37

Hermann. Ach, ach, seine Durchlauchtigkeit sind mit Blindheit geschlagen, das kostet uns den Hals. Nicht mehr vier Schillinge gebe ich für die ganze Armee in Italien.

Geert. Im Gegentheil, ich halte dafür, daß der Prinz Recht gethan hat. Das ist von jeher mein Vorschlag gewesen; habe ich nicht erst neulich gesagt, Franz Messerschmied, daß man es so machen müßte?

Franz. Nein, ich weiß nichts davon.

Geert. Ja wahrhaftig, ich hab's hundertmal gesagt, wozu soll die Armee da liegen und lungern? Der Prinz hat meiner Treu Recht gethan, das will ich verantworten gegen wen es sei.

Hermann. Heinrich, gieb mir ein Glas Branntwein. Ich kann darauf schwören, Ihr Herren, es ist mir ganz schwarz vor den Augen geworden, wie ich diese Nachricht hörte. Eure Gesundheit, Messieurs! Nun das bekenn' ich, das ist ein Hauptversehen, die Festungen vorbeizugehen.

Siebert. Hätte ich die Armee zu commandiren gehabt, ich hätt' es meiner Treu ebenso gemacht..

Franz. Ja richtig, dahin wird's auch noch kommen, daß man Thorschreiber zu Generalen macht.

Siebert. Du brauchst nicht zu spotten, ich würde meine Sache so gut machen wie ein Anderer.

Geert. Darin hat Siebert Recht, meiner Treu, daß der Prinz wohlgethan hat, geradewegs auf den Feind loszugehen.

Hermann. Ei mein guter Geert, Ihr seid gar zu altklug, Ihr habt noch Manches zu lernen.

Geert. Aber von Franz Messerschmied lern' ich das nicht.

(Sie gerathen in einen heftigen Zank, nehmen einander das Wort vorm Munde weg, stehen von den Stühlen auf, drohen und lärmen.)

Hermann (schlägt auf den Tisch, laut rufend). Stille, stille, Ihr Herren! Laßt uns nicht mehr davon reden, Jeder kann seine Meinung behalten. Hört, Ihr Herren, gebt doch Friede! Meint Ihr wirklich, daß Duc de Vendôme aus Furcht retirirt und das Land verwüstet hat? Nein, der Kerl hat Alexander 38 Magnusen seine Chronik gelesen, der machte es ebenso, als Darius ihn verfolgte, und hat dadurch einen Sieg davon getragen, so groß wie der, den wir bei Hochstädt gewonnen.

Heinrich. Eben hat die Uhr auf dem Posthof Zwölf geschlagen.

Hermann. So müssen wir denn gehen.

(Gehen ab. Unterwegs zanken und streiten sie sich noch über das Frühere.) 39


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