Ludvig Holberg
Heinrich und Pernille
Ludvig Holberg

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Zweiter Akt.

Erste Scene.

Leander allein.

Leander. Hab' ich mein Lebtag so etwas gehört, hier wird ja dieselbe Komödie mit mir gespielt wie mit dem Amphitryon? Mein Gesinde hält mich offenbar für einen Dummkopf. Ich befehle, sie antworten, ich habe nichts zu befehlen; ich frage nach meinem Diener, es heißt, er ist vor einer halben Stunde mit dem gnädigen Herrn ausgegangen. Ich sage, ich bin selbst der gnädige Herr; sie antworten: Ja, wo anders, aber nicht hier. Ich werde böse, sie zeigen mir die Thüre und drohen mir mit ihrem Herrn. Und wenn ich mich auf den Kopf stelle, so begreife ich nicht das Mindeste davon. Aber da sehe ich Arv. Höre, Arv!

Zweite Scene.

Arv, als Hausknecht. Leander.

Arv. Wer ruft nach mir? Ei, gnädiger Herr, willkommen in der Stadt!

Leander. Gut, daß Du mich nur kennst.

Arv. Wie sollte ich den gnädigen Herrn denn nicht kennen?

Leander. Ich dachte wirklich, ich wäre verwandelt, oder wenigstens, ich wäre in ein falsches Haus gekommen. Höre, Arv, wohne ich wirklich hier?

Arv. Ich weiß es wenigstens nicht anders. Aber warum thut der gnädige Herr solche Frage? 175

Leander. Wie ich ins Haus trete, will mich keiner für voll passiren lassen, diese neuen Bedienten, die Heinrich angenommen hat, behaupten vielmehr, ihr Herr wäre soeben ausgegangen. Was Teufel sind das für Durchstechereien? Wo ist Heinrich?

Arv. Ich habe ihn wahrhaftig erst ein einzig Mal gesehen, unmittelbar wie ich in die Stadt gekommen war, da schickte er mich einen Gang für den gnädigen Herrn; er ist, glaub' ich, noch zu Hause.

Leander. Könnt' ich den Schuft nur zu fassen kriegen und hören, wie das zusammenhängt, das ist ja doch wahrhaftig eine hirnverrückte Geschichte! Wohin pflegt er denn zu gehen, wenn er in der Stadt ist?

Arv. Er pflegt zum Christopher an der Ecke zu gehen; ich fürchte, da sitzt er jetzt auch und macht sein Spielchen.

Leander. Das soll ihm schlecht bekommen; ist hier etwa nichts anderes zu thun? Spring' hin und sieh, ob Du ihn findest. (Arv ab.) Das ist gewiß meines Schwiegervaters Haus; ich will doch mal eintreten und hören, ob er bereits zur Stadt gekommen ist. Aber da kommt ein Cavalier heraus; was mag der hier zu thun haben?

Dritte Scene.

Heinrich. Leander.

Heinrich (wirft der Pernille, die am Fenster ist, Kußhände zu). Adieu, so lange, mon cher, laß Dir die Zeit nicht lange werden, adieu, kleines Leonorchen! Daß ja alles um vier Uhr hübsch fertig ist, mein Schatz!

Leander. Das ist um verrückt zu werden, das ist tausendmal ärger als alles Bisherige.

Heinrich. Ha ha ha, die ist verliebt wie eine Ratte!

Leander. Heda, mein Herr, was hat Er hier im Hause zu thun? Was für einen Schatz oder Engel hat Er hier? – Aber das Gesicht, dächt' ich, müßte ich kennen? 176

Heinrich. Ach, gnädiger Herr, ich bitte tausendmal um Verzeihung.

Leander. Na, nun das wird ja immer besser? Heinrich, wo Teufel kommst Du her in diesem Aufzug?

Heinrich. Ach, gnädiger Herr, tretet doch nur nicht meinem Glück zu nahe; ich mache mein Glück in diesem Hause.

Leander. Durch wen?

Heinrich. Durch ein Fräulein vom Lande, mit Namen Leonore.

Leander. Die hier im Hause wohnt?

Heinrich. Ja, das ist ihres Vaters Haus.

Leander. Willst Du nichtsnutziger Spitzbube mich noch zum Narren halten? (Zieht den Degen, Heinrich fällt auf die Kniee.) Willst Du mir nun gleich sagen, was das für Possen sind?

Heinrich. Ach, gnädiger Herr, tretet doch nicht meinem Glück zu nahe, ich bin ja doch ein alter treuer Diener!

Leander. Ich spalte Dir auf der Stelle den Kopf, wenn Du mir nicht sofort sagst, was das bedeutet und was Du hier im Hause zu schaffen hast.

Heinrich. Ich will ja alles bekennen, vom Anfang bis zu Ende. Als der gnädige Herr mich in die Stadt schickte, um alles zum Empfang seiner Braut zurecht zu machen, und ich nun dem gnädigen Herrn seine Kleider und Sachen unter die Hände kriegte und auch neue Bediente annehmen sollte, so wandelte mich solch ein eigenthümliches Gelüste an (eine Frau in Wochen kann es nicht ärger haben), nämlich auch mal zu probiren, wie das thut, wenn man ein vornehmer Herr ist. Und während ich mich nun noch so anstellte, kriegte ich zu erfahren, daß sich unterdessen ein vornehmes Fräulein in mich verliebt hatte und mir nachstellte.

Leander. Was war das für ein Fräulein?

Heinrich. Ein Fräulein, das hier im Hause wohnt und Leonore heißt.

Leander. Höre, wenn Du Deine Possen jetzt noch weiter treibst, so bist Du des Todes!

Heinrich. Ich sage wahrhaftig nicht ein unwahres Wort. 177 Diese ihre Verliebtheit hat mich verleitet, meine Rolle weiter zu spielen, indem ich nämlich so bei mir selbst dachte: Wenn dem gnädigen Herrn auch zu Ohren kommt, daß ich seine Kleider angezogen habe, so nimmt er es doch nicht ungnädig, wenn er zugleich erfährt, daß sein alter treuer Diener dadurch sein Glück gemacht hat.

Leander. Weiter, weiter!

Heinrich. Zuletzt ließ sie durch ein altes Weib um meine Liebe werben; ich bin heute schon zweimal bei ihr gewesen und um vier Uhr wollten wir Hochzeit halten.

Leander. Wie heißt das Fräulein, sagst Du?

Heinrich. Sie heißt Leonore.

Leander. Und wohnt in diesem Hause?

Heinrich. Ja, es ist ihres Vaters Haus; für gewöhnlich wohnen sie auf dem Lande, aber wenn sie in der Stadt sind, so wohnen sie hier.

Leander. Ich weiß genug; Du bist ein Missethäter, Du mußt sterben.

Heinrich. Ach . . . . erbarmt Euch, gnädiger Herr, ich habe doch nichts Böses gethan, als blos, daß ich aus Narrheit des gnädigen Herrn Kleider angezogen habe, ihre eigenen Leute können mir bezeugen, daß sie mir keine Ruhe gelassen hat!

Leander. Nicht für Deine Thaten sollst Du sterben, sondern für Deine Lügen und weil Du einem vornehmen Fräulein solchen Schimpf anthust.

Heinrich. Wenn nicht alles wahr ist, was ich gesagt habe, so will ich für mein eigenes Geld den Strick kaufen, an dem der gnädige Herr mich aufhängen soll. Hier kommt Arv, der wird mir alles bestätigen.

Vierte Scene.

Arv. Heinrich. Leander.

Arv. Nein, er ist nirgend zu finden, gnädiger Herr.

Leander. Hierher, Du Hund, und bekenne die Wahrheit oder ich schlage Dich ebenfalls todt! 178

Arv (fällt auf die Kniee). Ah . . . . !

Leander. Ist das wahr, daß das Fräulein in dem Hause da drüben in Heinrich verliebt ist und noch heute Hochzeit mit ihm halten will?

Arv. Ja, das ist weiß Gott wahr, gnädiger Herr! Aber was kann ich dafür? Ich habe sie sagen hören, sie könne aus Liebe zu ihm nicht ruhig schlafen, auch habe ich gesehen, wie sie ihn geküßt hat; was sie sonst noch miteinander gemacht haben, das mögen sie und der Teufel wissen.

Heinrich. Ueberzeugt der gnädige Herr sich nun, daß ich nicht lüge? Ich habe noch das Porträt in der Tasche, das sie mir geschenkt hat.

Leander. Zeig' her – ach Himmel, ist es möglich? Steht nur beide auf, es soll Euch nichts Böses geschehen! Was soll ich davon denken? Was soll ich sagen? Was soll ich thun? Ist wol ein Schmerz so groß wie dieser? Ist je ein Mensch so plötzlich ins Elend gestürzt? Hat je ein Frauenzimmer sich so zu verstellen gewußt wie diese Leonore? Ueberlege ich ihren Stand und ihre vornehme Herkunft, ihre äußerliche Ehrbarkeit, Tugend und Züchtigkeit, so erscheint mir die Geschichte geradezu unglaublich; höre ich dagegen diese Aussagen, ja sehe ich ihr Porträt, so muß ich dennoch glauben. Mein Herz ist so voll Kummer und Sorge, mein Hirn so verwirrt, daß ich nicht weiß, welchen Entschluß ich fassen soll. Ich will das Haus erbrechen und die Verrätherin tödten; niemand wird mich deshalb tadeln, vielmehr werden alle es eine gerechte Rache nennen und zugestehen, daß, gäbe es noch eine größere Strafe in der Welt als den Tod, sie dieselbe ebenfalls verdient hätte. Und doch, wo will ich den Muth hernehmen, die zu tödten, die ich soeben noch geliebt habe wie mein eigenes Leben? Und wäre es denn Strafe genug für sie, durch meine Hand zu sterben? Nein, sie soll erfahren, daß es noch eine größere Strafe giebt, mich selbst will ich umbringen, sie aber soll leben in Schmach und Verachtung! (Geht auf und nieder.) Doch fragt solch ein Geschöpf nach Schmach und Verachtung? Nein, eine, die sich nicht geschämt hat, ihr gegebenes Gelübde zu brechen und sich in solchen Lump zu verlieben, die 179 würde sich auch freuen über meinen Tod, der ihr erst recht alle Hindernisse ans dem Wege räumte, so daß sie ihren niedrigen Neigungen nun ganz und gar folgen würde. Nein, durch Verachtung will ich sie strafen und will Heinrichs Liebe unterstützen, da sie ja doch eben gut für ihn ist. – Höre, Heinrich, weißt Du, wer Deine Geliebte ist? Es ist ebendieselbe, mit der ich Hochzeit halten wollte.

Heinrich. Ach, gnädiger Herr, Barmherzigkeit! Ich bin ihr, weiß Gott, noch nicht zu nahe gekommen und verzichte gern auf alle Ansprüche!

Leander. Nein, fahre nur fort, sie zu lieben wie bisher.

Heinrich. Ach nein, gnädiger Herr, da wär' ich ja die reine Canaille, wenn ich solchen braven gnädigen Herrn wollte zum Hahnrei machen.

Leander. Wenn Du sie heirathest, kann ich doch nicht Hahnrei werden?

Heinrich. Ach nein, gnädiger Herr, dazu bin ich viel zu geringe, Ihnen den Kauf zu verderben; ich will gleich hin und ihr entdecken, wer ich bin, und sagen, daß der gnädige Herr böse ist, so wird sie gewiß klein beigeben und der gnädige Herr kann noch heute Abend Hochzeit halten.

Leander. Hätte ich nicht mehr Ehre im Leibe als Du, Heinrich, so ginge das wol an. Nein, sei nur guten Muthes, sie soll noch heute Deine Frau werden; ich selbst werde Deine Liebe unterstützen, es ist die beste Art, mich zu rächen.

Heinrich. Nein, ehe ich meinen Herrn aus dem Sattel hebe, da will ich lieber sterben!

Leander. Höre, Heinrich, wenn Du Dich weigerst, so staffire ich den Arv dazu aus, daß der sich den Weg zu diesem Glücke bahnt.

Arv. Danke schön, Euer Gnaden; wenn er nicht will, so will ich.

Heinrich. Nichts da, Du Schlingel, dieser Bissen ist zu gut für Dich. Will der gnädige Herr sie denn wirklich nicht haben, so bin ich bereit.

Leander. Ihr könnt euch beide darein theilen, Du kannst 180 mit Arv umschichtig bei ihr liegen; denn ihr sind ja, wie ich merke, alle recht.

Heinrich. Nein, gnädiger Herr, dazu bin ich zu eifersüchtig. Wenn indessen der gnädige Herr selbst mir mitunter die Ehre erweisen will, so . . . .

Leander. Nein, Heinrich, ich werde Dir keinen Schaden thun. Fahre nur so fort und laß Dir nicht merken, daß wir einander gesprochen haben; ich wollte hundert Thaler darum geben, daß sie schon Deine Frau wäre.

Heinrich. Aber kann ich mich auch darauf verlassen, daß der gnädige Herr nicht blos seinen Spaß mit mir treibt?

Leander. Begreifst Du denn nicht, wie nichtswürdig sie mit mir umgegangen ist, daß ich keine bessere Rache an ihr nehmen kann, als daß ich ihr meinen Bedienten zum Manne gebe?

Heinrich. Aber wenn es nun herauskommt, daß ich blos ein armer Bedienter bin, so werde ich doch bestraft?

Leander. Nicht im mindesten; ich selbst werde Dich schützen, und jeder, der hört, wie falsch und nichtsnutzig sie gewesen ist, wird sich freuen über die Schmach, die ihr widerfahren.

Arv. Ich glaube, weiß Gott, mir ist sie auch nicht gerade böse; Du hast wol nichts dagegen, daß ich Dich ab und zu besuche, wenn sie erst Deine Frau ist?

Heinrich. Dich soll der Teufel holen, wenn Du mir ein einzig Mal über die Schwelle kommst!

Leander. Ihr werdet euch schon darüber vergleichen, wie es Freunden gebührt; jetzt aber kommt und laßt uns hineingehen.

(Gehen ab. Heinrich zieht Arv bei den Haaren und droht ihm unterwegs.)

Fünfte Scene.

Leonore. Pernille.

Pernille. Ach, wohlgebornes Fräulein, wenn Ihr erst die Veranlassung wißt, so wird Euer Zorn sich, hoffe ich, legen. 181

Leonore. Das sind nicht sowol die Kleider, weshalb ich böse bin, sondern deshalb, daß Du Narrenstreiche treibst, während hier noch so viel zu thun ist.

Pernille. Ich habe es wahrhaftig nicht zum bloßen Spaße gethan.

Leonore. Das Fieber von neulich, das Dich hier in der Stadt befiel, scheint noch nicht vorüber zu sein, es ist wol das Beste, Du legst Dich wieder hin. Aber was hat Dich zu solchen Narrenspossen veranlaßt?

Pernille. Ich mache ein großes Glück damit. Da ist nämlich ein reicher junger Herr, ebenso närrisch wie reich, der bildet sich ein, als ob ich ein vornehmes Fräulein wäre, und macht mir die Cour.

Leonore. Solche Geschichten dulde ich in meinem Hause nicht; ist es aus Habsucht oder aus Liederlichkeit, daß Du solche Streiche treibst? Pfui, schäme Dich, ich habe sonst immer so gut von Dir gedacht; solch ein Mensch wirft Dir eine Hand voll Ducaten hin und dann läßt er Dich laufen.

Pernille. Ach nein, Fräulein, so ist es nicht gemeint; er hat mir die Ehe versprochen und Glocke vier sollten wir getraut werden, darum bitte ich, nicht meinem Glück im Wege zu sein.

Leonore. Deinem Glück will ich nicht im Wege sein, Pernille, aber was glaubst Du wol, daß nachfolgen wird, wenn er hinterdrein erfährt, daß Du ein bloßes Dienstmädchen bist?

Pernille. Ach den kann jeder zum Narren halten. In mich ist er ganz verliebt und hat um mich angehalten, ohne auch nur mit einer Silbe nach meinem Stand und meinen Verhältnissen zu fragen; nicht ich betrüge ihn, sondern er betrügt sich selbst.

Leonore. Willst Du es riskiren, so habe ich nichts dagegen; aber ich fürchte, mein Vater kommt noch vorher zur Stadt.

Pernille. Wie bald kommt er wol?

Leonore. Als ich unser Landhaus verließ, sagte er, er wollte auf der Stelle nachkommen; er kommt gewiß noch vor Abend, da heute meine Hochzeit sein soll. Aber was für ein junger Herr ist es denn, der sich in Dich verliebt hat? 182

Pernille. Er wohnt in dem Hause hier geradeüber.

Leonore. In welchem Hause?

Pernille. Nun da in dem Hause.

Leonore. Bist Du verrückt, Mädchen? Vielleicht ist er da ein paarmal aus- und eingegangen, aber wohnen kann er da nicht; denn dieses Haus, wie ich genau weiß, gehört Leander.

Pernille. Ja richtig, Fräulein, Leander heißt er auch; seine Eltern haben ihn mit Einer versprochen, die er nicht ausstehen kann, und eben darum eilt er so mit unserer Hochzeit.

Leonore. Es ist, wie ich sagte. Mädchen, das Fieber hat bei Dir noch nicht ausgerast.

Pernille. Nein wahrhaftig, es ist, wie ich sage, die alte Magdelone, die hier in unserm Hinterhause wohnt, kann mir bezeugen, daß eben der Leander, der dort in dem Hause wohnt, mir die Ehe versprochen hat. Magdelone, Magdelone! komm' mal schnell ein bischen heraus!

Sechste Scene.

Pernille. Magdelone. Leonore.

Pernille. Ist es nicht wahr, Magdelone, daß ich mit einem jungen Herrn versprochen bin, der Leander heißt und hier geradeüber wohnt?

Magdelone. Ja, wahr ist das. Aber, bestes Fräulein, hindert sie doch nicht in ihrem Glücke, sie hat Euch ja doch so lange so treulich gedient; sie wird zwar auf die Art eine reiche und vornehme Dame, wird aber, darauf könnt Ihr Euch verlassen, immer dankbar bleiben.

Leonore. Wie doch? Habt Ihr Euch etwa verabredet, mich zum Narren zu halten?

Magdelone. Ei, wie käme uns so etwas in den Sinn, liebstes Fräulein, es ist wahrhaftig alles, wie ich sage!

Pernille. Ich unterwerfe mich bereitwillig jeder Strafe, wenn das gnädige Fräulein die geringste Unwahrheit findet in dem, was ich sagte. 183

Leonore. Leander, sagst Du, heißt er?

Pernille. Ja.

Leonore. Und wohnt in dem Hause geradeüber?

Pernille. Ja, aber für gewöhnlich wohnt er auf dem Lande.

Leonore. Aber was ist das für ein Ring, den Du da am Finger trägst?

Pernille. Den Ring hat er mir heute geschenkt.

Leonore. Ach, haltet mich, ich falle in Ohnmacht!

Magdelone. Hab' ich es mir nicht gedacht, daß es so gehen würde? Aber warum nimmt das Fräulein sich das auch so zu Herzen? Es ist ja so was Natürliches, daß der Mensch sein Glück machen will.

Leonore (bei Seite). Ja, es ist sein Ring; so unglaublich die Geschichte auch ist, so ist doch alles, wie sie sagen. Ach, wenn ich das größte Verbrechen begangen hätte, könnte der Himmel mich ja nicht ärger strafen! Wer kann jetzt noch auf irgend eines Menschen Gelübde bauen? Wer kann noch aus Mienen und Geberden schließen, wie es im Herzen bestellt ist? So lange habe ich gezögert, mich zu verehelichen, mehr als eine ansehnliche Partie habe ich ausgeschlagen, keiner rührte mein Herz, als nur dieser Leander, von dem ich nun entdecken muß, daß er der verworfenste Mensch ist, der sich nur irgend denken läßt! Was soll ich thun? Welche Rache soll ich nehmen? Die Treulosigkeit ist so groß, daß keine Rache jemals zu furchtbar sein kann. Ach, unselige Leonore, zu einer unseligen Stunde kam dieser Mensch in Deines Vaters Haus. Zu einer unseligen Stunde kamst Du selbst in die Stadt, dies zu vernehmen! Allein was thue ich? Worüber beklage ich mich? Warum nenne ich dies eine unselige Stunde? Vielmehr den glücklichsten Tag meines ganzen Lebens sollte ich ihn nennen, da solche Treulosigkeit aufgedeckt wird und ich der Gefahr entgehe, dem nichtswürdigsten aller Menschen in die Hände zu fallen! – Höre, Pernille: der Herr, der Dich liebt, ist ebenderselbe, mit dem ich versprochen war.

Pernille. Ach, wohlgebornes Fräulein, nur keine Uebereilung, es könnte ja doch ein Irrthum sein! Woher will Sie das denn wissen? 184

Leonore. Gewiß, Pernille, es sind der Beweise nur zu viele. Er selbst hat mir gesagt, daß er erst kürzlich das Haus hier geradeüber gekauft hat, um mit mir darin zu wohnen, wenn wir in der Stadt wären; er wohnt für gewöhnlich auf dem Lande, er heißt Leander und zum Ueberfluß kenne ich seinen Ring!

Pernille. Ach, ich sterbe vor Angst und Schrecken!

Leonore. Und ich vor Erbitterung und Verlangen nach Rache!

Pernille. Ach, Fräulein, bringt mich doch um!

Leonore. Im Gegentheil, mein ganzer Trost besteht darin, daß Du leben bleibst; denn das ist die beste Art mich zu rächen, daß er zur Strafe mein Dienstmädchen heirathet.

Pernille. Aber wie kam das Fräulein dazu, sich mit solchem Menschen zu verloben?

Leonore. Es sind jetzt sechs Wochen, daß er zu meinem Vater kam, mit dem er Geschäfte hatte. Da verliebte er sich in mich und bat um meine Hand. Jetzt habe ich die Geduld nicht, Dir das Uebrige zu erzählen, mein ganzes Blut kocht nach Rache, ich reise augenblicks nach unserm Gute zurück.

Pernille. Und ich reise mit. Ach, daß ich doch niemals in die Stadt gekommen wäre, meinem gnädigen Fräulein solchen Schaden anzurichten!

Leonore. Hör' an, Pernille, wenn Du mich noch im mindesten achtest und liebst, so bleibst Du hier und führst die Komödie zu Ende, ohne Dir merken zu lassen, daß ich hier gewesen bin und Dich gesprochen habe. Setzest Du die Rolle nicht fort, die Du angefangen, so siehst Du mich heute zum letzten Mal; denn wenn ich mich nicht räche, so sterbe ich, und eine andere Art, mich zu rächen, giebt es nicht.

Pernille. Ach, ach, Fräulein, ist es möglich, daß . . . .?!

Magdelone. Na, Du Maulaffe, so thu' doch, was das gnädige Fräulein haben will; auf die Art wird sie gerächt, Du wirst eine große Dame und ich kriege das Geld, das Du mir versprochen hast.

Leonore. Mein einziger Trost, sage ich Dir noch einmal, Pernille, besteht darin, daß Du Deine Rolle gut spielst; es ist ja gewissermaßen zu Deinem Glücke, da er in der That sehr reich ist.

Pernille. Ja, das ist freilich richtig, für mich ist er noch sachte gut genug. Na, wenn das Fräulein es denn so haben will, so will ich, weiß Gott, meine Rolle so gut spielen, wie ich nur immer vermag.

Leonore. Geh' nur hinein und thue genau, was ich Dir befohlen habe; ich gehe jetzt zu einer guten Freundin, die mich nach unserm Landhause begleiten soll. (Pernille und Magdelone ab.)

Siebente Scene.

Leander. Leonore.

Leonore. So groß meine Liebe war, so heftig ist jetzt meine Erbitterung.

Leander (zu Heinrich, der draußen bleibt). Wie gesagt, Heinrich, jetzt geh' ich ein wenig fort.

Leonore. Den ich bisher liebte wie mein eignes Leben, hasse ich nun am meisten von allen Menschen auf Erden. Aber wer spricht da? Ach Himmel, da kommt der Verräther!

Leander. Ist das nicht Leonore? Ei, geht Sie weg? Hat Sie etwa Furcht vor mir? Sie tugendhaftes Fräulein?

Leonore (wieder umkehrend). Wohlgeborner Junker, wie könnte wol bei mir oder irgend jemand noch von Tugend die Rede sein? Er hat ja alle Tugenden allein gegessen, so daß für die Andern nichts übrig geblieben ist.

Leander. Ha ha ha, keusche Lucretia!

Leonore. Ha ha ha, keuscher Joseph!

Leander. Ich bewundere Sie, Fräulein!

Leonore. Und solche Junker wie Er giebt es nicht mehr auf Erden.

Leander. Kennt Sie dies Porträt, Sie tugendhaftes Fräulein?

Leonore. Nein, nicht in Seinen Händen. 186

Leander (indem er ihr das Porträt hinwirft). Sieh her, da hat Sie es wieder!

Leonore. Kennst Du tugendsamer Junker dies Porträt?

Leander. Ja, leider.

Leonore. Sieh da, da liegt es!

Leander. Und da liegt die Tabaksdose, die Sie mir geschenkt hat!

Leonore. Und da liegt Sein lumpiges Armband!

Leander. Und da liegt Ihr lumpiger Stock mit dem goldnen Knopf!

Leonore. Und da liegen Seine lumpigen Ohrringe!

Leander (indem er ausspeit). Und da liegt die Liebe und Treue, die Sie mir gewidmet!

Leonore. Twi, und da liegt sie ebenfalls!

Leander. Adieu, tugendsames Fräulein, einen schönen Gruß an Ihre Eltern!

Leonore. Adieu, unvergleichlicher Junker, prosit Mahlzeit! (Sie geht ab.)

Leander. Was für ein unverschämtes Weibsbild, weit entfernt, sich ihrer Unthat zu schämen, trotzt sie noch obenein! Doch wird es eine geeignete Rache für mich sein, wenn sie hört, daß ihr neuer Liebhaber sich in einen gemeinen Lakai verwandelt. (Geht ab.)

Achte Scene.

Arv allein.

Arv. Mir war doch, als hörte ich hier etwas zanken, nun aber ist niemand da? Nein, da ist niemand; sollte ich etwa geträumt haben? – Ich muß noch immer an den verwetterten Heinrich denken, was der heute für ein Glück macht. Es ist doch ein höllischer Sprung, so auf einmal von so einem Lumpier zu einem vornehmen Herrn; neidisch bin ich gerade nicht, das aber kann ich nicht leugnen, könnt' ich ihm in guter Manier den Hals umdrehen, so thäte ich's. Denn welche größeren Verdienste hat er denn als ich? Ich habe ebenso lange und ebenso treu 187 gedient wie er, und aussehen thue ich ebenso gut wie der Schlingel. Wäre ich an seiner Stelle zuerst in die Stadt geschickt worden, ich hätte vermuthlich gerade dasselbe Glück machen können. Weil ich aber zu spät gekommen, so bin und bleibe ich ein Schlingel und er wird Euer Wohlgeboren. Ich will mich aber nur trösten von wegen der fünfzig Thaler, die er mir versprochen hat. Vielleicht macht es sich auch, daß ich mich noch an demselben Ofen wärme; die Marielle, die er kriegt, wird sich auch nicht mit einem Manne begnügen. Wäre das alte Weib nur hier, wollte ich ihr schon zureden, ein gutes Wort für mich einzulegen; ich will doch mal durch die Thürritze gucken, ob ich nichts von ihr entdecken kann.

Neunte Scene.

Heinrich. Arv.

Heinrich. Wo zum Henker steckt nur Arv? Ich brauche ihn eben. Aber sieh, da steht er und guckt zur Thür hinein; ei, das ist doch zum Tollwerden! (Schleicht sich sachte heran und zieht ihn bei den Haaren zurück.)

Arv. Ah . . .!

Heinrich. Willst Du Hund wol Deine Nase davon halten!

Arv. Was thu' ich denn Schlimmes, Heinrich?

Heinrich. Fort hier, sag' ich!

Arv. Darf ich denn nicht auf der Straße stehen?

Heinrich. Aber nicht vor diesem Hause; wenn ich merke, daß Du noch einen einzigen Blick nach diesem Hause wirfst, so lasse ich Dich zum Fenster hinaushängen, Andern zum abschreckenden Exempel.

Arv. Dazu hast Du das Recht nicht.

Heinrich. Ha ha, ein Mann mit einer halben Tonne Goldes, wie ich, sollte nicht das Recht haben, einen Hausknecht aushängen zu lassen?

Arv. Und wenn Du ein Mann von einer ganzen Tonne Goldes wärst, so bist Du doch vom Hause aus nur ein Lakai; 188 es ist immer noch ein großer Unterschied, ein reicher Mann und ein vornehmer Mann.

Heinrich. Nicht der mindeste Unterschied. Setzen wir, ich bin Verwalter eines großen Herrn, so bin ich doch mit ihm verglichen nur ein ordinärer Kerl; weiß ich aber durch Spitzbüberei mich in den Besitz seiner Güter zu setzen, gleich bin ich vornehmer als er, auch wenn er dieselben Titel behält wie bisher und ich blos schlecht und recht Heinrich heiße wie zuvor.

Arv. Ja, siehst Du wol, vornehm wirst Du darum also doch nicht.

Heinrich. Ja, gewiß werd' ich es. Denn wenn dann ich und mein Herr zusammen ins Wirthshaus kommen, so giebt der Wirth dem Herrn zwar den vornehmsten Platz, aber mir den besten. Wird ein Kapaun tranchirt, so kriegt mein Herr zwar das erste Stück, etwa so vom Hals oder Rücken, ich dagegen kriege die Brust; meinem Herrn werden Complimente geschnitten um seiner Titel willen, mir aber wird solide Ehre erwiesen von wegen meines Geldes und weil ich dem Wirth bei Gelegenheit mal wieder das Doppelte kann vorsetzen lassen. Bevor ich zu Monsieur Leander kam, diente ich bei einem vornehmen Manne, mit dem es rückwärts gegangen war. Dieser, erinnere ich mich, wurde einmal an einem gewissen Orte zum Kaffe geladen, zugleich mit einem reichen Krämer. Die Leute stellten sich, als thäten sie meinem Herrn die größte Ehre an und schenkten ihm zuerst ein, in der That aber geschah es blos, um an seiner Tasse zu versuchen, ob der Kaffe schon gehörig gezogen hätte; der Krämer kriegte jedesmal zwar die letzte, aber auch die stärkste Tasse. Der Grund war leicht zu merken, nämlich wenn der Wirth meinem Herrn den Gegenbesuch machte, so kriegte er blos eine Prise Tabak, bei dem Krämer aber ein gutes Mittagsessen. Es begegnen Dir gleichzeitig zwei Personen, Arv, die eine sitzt im Wagen, die andere dagegen patscht zu Fuße im Schmutz, wenn auch allerdings dem Fahrenden zur höheren Hand; welcher von beiden denkst Du nun wol, daß der vornehmere ist?

Arv. Nun, der fährt.

Heinrich. Das meine ich ebenfalls, obwol der Fußgänger 189 zuoberst geht. Und darum, und weil denn also derjenige der Vornehmste ist, dem die gründlichste Ehre erwiesen wird, ist auch ein reicher Handwerksmann jederzeit vornehmer als ein armer Edelmann; der eine wird vornehm titulirt und der andere ist es wirklich. Darum, Arv, wenn ich durch diese Dame so reich werde, wie mein Herr ist, so werde ich auch vollkommen so vornehm als er, und darum mußt Du Dich dann nachher auch auf einen andern Fuß mit mir setzen.

Arv. Es will mir noch nicht zu Kopf.

Heinrich. Höre, Arv, wenn ich Dir zwanzig Thaler Lohn mehr gebe als Leander, wem von uns beiden willst Du da lieber dienen?

Arv. Nun versteht sich, Dir.

Heinrich. Es wird aber nichts daraus, Arv, ich sage es blos so beispielsweise. Willst Du wol nicht nach dem Hause sehen, Du Schuft? Marsch hinein, es giebt noch allerhand zu thun. (Stößt Arv hinein.) Es ist doch was Närrisches: heirathet man solche reiche Kokette, so muß man ihr im Anfang zu Willen sein und das ganze erste Jahr offene Tafel halten; sitze ich jedoch erst etwas fester im Sattel, so kehre ich das Rauhe nach außen, und zuletzt muß meine gute Frau tanzen, wie ich pfeife. Anfangs muß ich mich hübsch demüthig und fügsam stellen, bis ich das Geld in Händen habe; nachher soll es ihr nicht besser gehen als andern solchen Damen, die auf eben die Art zum Manne gekommen sind. (Geht hinein.) 190


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