Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Heinrich als Cavalier.
Heinrich. Ha ha ha ha ha ha! Die Sache macht sich, sie beißt richtig an; was doch die lumpigen Kleider thun! Ich hatte weiß Gott nichts anderes im Sinne, als ein bischen Narrenspossen zu treiben in meines Herrn Kleidern und Equipage; mein Glück damit zu machen, fiel mir nicht im Traume ein. Nun geht es mir wie dem Kohlenbrenner, der sich einen Doctorrock anzog, um sich von den Leuten als Doctor grüßen zu lassen, und mit der Narrheit zuletzt ein wirklicher Doctor wurde. Ich werde wol ein wirklicher Hahnrei werden, denn kokett ist die gute Dame wie nichts Gutes. Indessen, was hat das zu sagen? Avancire ich doch auf die Art immer vom armen Teufel zum vornehmen Hahnrei. Die Hauptsache besteht jetzt nur darin, daß ich mich recht anständig betrage und nichts von dem alten Lakaienwesen merken lasse, das mich verrathen könnte. Gestern hätte ich beinahe einen verfluchten Bock geschossen; nämlich wie ich den fremden Leuten, die ich für meinen Herrn in Dienst genommen, Befehl gebe anzuspannen, so vergesse ich, daß ich der Herr bin, und will hinten auf den Wagen steigen, worüber der Kutscher denn zu grinzen anfing und sagte: Wo wollen Euer Wohlgeboren denn hin? Ich war ganz beschämt und ließ den Kopf hängen wie ein Esel, zog mich indessen doch noch so ziemlich aus der Verlegenheit, indem ich mich stellte, als hätte ich noch einen Fehler am Wagenhimmel gesehen. Gestern war ich auch in 158 einer Assemblee, blos um vornehme Manieren zu lernen; da sah ich unter Andern einen Edelmann, der frisch aus Frankreich zurückgekehrt, den will ich nun gehörig nachmachen, blos ausgenommen, daß ich nicht so durch die Nase sprechen werde, wozu der freilich seine aparten Gründe hatte, indem er nämlich ganz frisch aus Paris gekommen. Uebrigens habe ich ihm alle seine galanten Manieren wegstibitzt, als zum Exempel (zieht seine Uhr hervor, pfeift, schlägt Entrechats, singt. holt einen Spiegel aus der Tasche und bringt seine Perücke in Ordnung). So bin ich mit mir zufrieden, ja ich bin verliebt in mich selbst, das Fräulein hat par dieu einen guten Geschmack.
Arv. Heinrich.
Arv. Was Teufel ist das für ein Kerl? der muß verrückt im Kopfe sein.
Heinrich. Was Henker seh' ich da? Das ist ja wahrhaftig Arv, den mein Herr vom Lande in die Stadt geschickt hat.
Arv. Wenn die Leute auf dem Lande sich so aufführen wollten, würde der Dorfrichter sie gewiß für verrückt erklären, bis sie vom Gericht in der Stadt, wo so was Mode ist, wieder freigesprochen würden.
Heinrich. Ich muß mich ihm zu erkennen geben. Aber erst will ich ihn noch ein bischen zum Narren halten. Höre Du, wer ist das, mit dem Du da sprichst?
Arv. Das bin ich.
Heinrich. Was für ein Ich? Wie kann man so antworten?
Arv. Das bin ich, Arv.
Heinrich. Ein Schlingel bist Du, das hört man schon an Deinem Namen. Diable m'emporte, par tout dans la France, comment vous portez vous? Aber was ich sagen wollte, Canaille, verstehst Du Französisch?
Arv. Nein, das versteh' ich nicht.
Heinrich. Italienisch?
Arv. Ebenso wenig. 159
Heinrich. Spanisch?
Arv. Nein.
Heinrich. So bist Du ja wirklich ärger als ein unvernünftiges Vieh?
Arv. Nein, ich verstehe davon wirklich nichts, mein ehrlicher Herr.
Heinrich. Ehrlicher Herr? Wofür nimmst Du mich, Du Schlingel? Ich bin nicht ehrlich, ich bin wohlgeboren; wenn Du mit einem Deines Gelichters sprichst, da kannst Du sagen: Mein ehrlicher Mann.
Arv. Um Vergebung, wohlgeborner Herr, ich dachte wirklich nicht anders, als Er wäre ehrlich.
Heinrich. Nein, das ist aus der Mode gekommen für Leute meines Standes; wo bist Du aber zu Hause?
Arv. Ich diene bei einem jungen Herrn, mit Namen Leander.
Heinrich. Leander? Wie kann der Flegel sich unterstehen den Namen zu führen? Ich heiße Leander.
Arv. So sind Ihro Wohlgeboren wol auch ein Flegel?
Heinrich. Weißt Du auch, was ein Flegel ist?
Arv. Nein, das weiß ich meiner Seele nicht, ich denke mir blos, es muß etwas Vornehmes sein, weil Er ja sagt, daß mein Herr und Er selbst es sind.
Heinrich. Das ist ein Glück, daß Du es nicht weißt. Aber wie kann Dein Herr sich unterstehen, den Namen Leander zu führen? Hätt' ich ihn hier, so sollte ihn das Donnerwetter regieren, nun aber will ich Dich auf seine Rechnung umbringen! (Zieht den Degen.)
Arv (kniet). Ach, wohlgeborner Herr Flegel, laßt mich leben, ich bin ja blos sein Hausknecht! Aber hier in der Stadt hat er einen Bedienten, den werde ich dem Herrn gleich holen, an dem kann Er Seine Rache weit besser befriedigen.
Heinrich. Wo ist der Bediente? Wie heißt er?
Arv. Er heißt Heinrich, sollte aber Taugenichts heißen; er ist der größte Spitzbube, den ich jemals gesehen.
Heinrich. Ha ha ha, nun halt' ich es nicht länger aus! 160 Steh' auf, Arv, kennst Du mich denn nicht? Ich bin ja der Heinrich, dem Du eben so viel Gutes nachsagst!
Arv. Nein, da soll Dich doch wirklich der Henker holen, Einem so Angst zu machen!
Heinrich. Und Dich soll der Henker ebenfalls holen, daß Du so schlecht von mir sprichst.
Arv. Deine Thaten zeigen doch, daß ich nichts Unwahres sage; wie zum Kukuk kamst Du auf den verrückten Einfall, in des Herrn Kleidern herumzulaufen?
Heinrich. Arv, Du bist ja wol ein armer Teufel, der nicht zehn Thaler im Jahr für seine Arbeit kriegt?
Arv. Zehn Teufel verdiene ich, aber nicht zehn Thaler.
Heinrich. Noch diesen Abend sollst Du fünfzig Thaler verdienen, wenn Du Dich ruhig halten und mir in meinem Anschlag beistehen willst.
Arv. Wie Teufel willst Du mir fünfzig Thaler schaffen, außer Du müßtest sie stehlen?
Heinrich. Hör' die Geschichte an, Arv, und alles wird Dir begreiflich werden. Leander, weißt Du, hat mich vor vierzehn Tagen in die Stadt geschickt, sein Haus in Stand zu setzen und neue Dienerschaft und einen neuen Kutscher für ihn zu engagiren, damit alles fertig ist, wenn seine Braut kommt.
Arv. Ja, gewiß weiß ich das. Aber was mag das wol für ein Fräulein sein, das er heirathet?
Heinrich. In diesem Punkte bin ich so klug wie Du, kein Mensch weiß es, außer Christoph, der andere Bediente, der mit ihm auf Reisen war, als er sich verliebte; ich weiß nicht eine Silbe davon. Denn als er zurück kam, sagte er blos: Heinrich, in vierzehn Tagen halte ich Hochzeit in der Stadt, Du mußt auf der Stelle hin und alles in Stand setzen; laß den Wagen lackiren und nimm noch ein paar Bediente an, denn Christoph hat mir unterwegs einen Streich gespielt, daß ich ihn habe laufen lassen. Ich war nun freilich naseweis genug zu fragen, wer die Braut denn wäre, er aber lachte blos dazu und sagte: es ist ein Frauenzimmer, Du wirst sie schon noch zu sehen kriegen, jetzt mach' nur, daß Du in die Stadt kommst und thue, was ich Dir 161 befehle. Darauf habe ich denn ein paar Bediente engagirt und einen Kutscher und habe alles so eingerichtet, daß er damit zufrieden sein soll. Aber wie ich nun so freie Verfügung hatte über meines Herrn Haus und Equipage, da kam mir die Lust an, selber den großen Herrn zu spielen.
Arv. Was für ein verfluchter Einfall!
Heinrich. Ja, das sagst Du nun so, Arv. Tag für Tag fuhr ich in der Kutsche mit zwei Bedienten hinten auf, in des Herrn besten Kleidern, und hatte weiß Gott keine andere Absicht dabei, als blos den Kitzel zu büßen, der mich angekommen war, und doch auch mal zu sehen, wie es thut, ein vornehmer Herr zu sein.
Arv. Aber haben der Kutscher und die Bedienten Dir denn immer willig aufgewartet?
Heinrich. Der Kutscher und die Bedienten wissen nicht anders, als daß ich der Herr selber bin.
Arv. Ha ha ha, daß Dich das Donnerwetter, das ist eine nette Geschichte!
Heinrich. Nun höre weiter, Arv. Hier im Hause wohnt eine fremde Dame vom Lande, die Leonore heißt und außerordentlich reich ist; sie führt ein Leben wie eine Prinzessin. Selbiges Fräulein hat mich öfters in meinem Staat gesehen und hat sich darüber dermaßen in mich verliebt, daß sie mir ein altes Weib geschickt hat, den Zustand meines Herzens zu erforschen, und so gedenke ich denn noch heute Abend Hochzeit mit ihr zu halten. Begreifst Du nun, Arv, wie es mir möglich wird, Dir fünfzig Thaler zu geben, ja noch fünfzig dazu?
Arv. Du bist nicht bei Trost, Heinrich, an den Galgen kannst Du kommen, wenn es herauskommt, wer Du bist, und daß Du eine vornehme Dame so betrogen hast.
Heinrich. Aber so höre doch nur erst das Weitere! Ich betrüge sie nicht, sie selbst ist es, die sich betrügt, indem sie mir keine Ruhe läßt. Ich habe ihr nichts vorgeredet, als ob ich reich wäre und von vornehmer Geburt, ich habe blos gesagt, daß ich in dem Hause ihr gegenüber wohne. Sie läuft mir nach, nicht ich ihr; es ist so Eine, die mit Teufels Gewalt unter die 162 Haube will. Locker wird sie wol sein, wie nichts Gutes, und Hahnrei werde ich ganz gewiß. Indessen das hat nichts zu sagen, ich werde durch diese Heirath so reich, daß ich meine Hörner mit Anstand tragen kann, und kann sie mir vergolden lassen.
Arv. Aber mit alledem giebst Du Dich doch für einen vornehmen Herrn aus und führst ein Fräulein hinter's Licht?
Heinrich. Du weißt nur nicht, Arv, was das hier in der Stadt für Menschen sind; hätte ich einen Thaler für jeden Lump und jeden Bettler, der hier im Sammtrock geht, ich wäre ein reicher Mann. Für das, was ich auf die Art thue, bin ich niemand Rechenschaft schuldig als blos meinem Herrn. Warum zum Henker erkundigt sie sich nicht, wer ich bin? Warum läßt sie mich überhaupt nicht in Frieden? Ich kann einen Eid darauf ablegen, daß ich ihr nicht die geringste Veranlassung gegeben habe. Wohl aber versichert das alte Weib, sie wäre im Begriff vor Liebe zu mir zu platzen, so daß es offenbar blos meine Person ist, in die sie sich verliebt hat, und riskire ich also nicht das Mindeste dabei, wenn ich auf diese Weise mein Glück mache.
Arv. Ja, allerdings, so kann sich das schon machen; ha ha ha, eine verfluchte Geschichte!
Heinrich. Hier meine Hand, Arv, heute Abend kriegst Du fünfzig Thaler!
Arv. Für fünfzig Thaler kann man schon etwas thun; was willst Du denn, daß ich thue?
Heinrich. Ich verlange nichts weiter, als daß Du Dich ruhig verhältst. Im Uebrigen kannst Du meinen Jäger vorstellen.
Arv. Das will ich wol thun.
Heinrich. Weswegen aber kommst Du heute in die Stadt?
Arv. Ich sollte nur nachsehen, ob alles in Ordnung wäre; denn der gnädige Herr will noch heute hereinkommen.
Heinrich. Potz tausend, was sagst Du da? Will heute hereinkommen? Da muß ich mich ja wahrhaftig sputen. Höre, Arv, in einer halben Stunde, so haben wir es abgeredet, mache ich meiner verliebten Dame meine Aufwartung; da mußt Du 163 dazukommen und nach Herrn Leander fragen und mir einen Brief überreichen.
Arv. Aber wenn unser Herr die Streiche zu erfahren kriegt?
Heinrich. So wird er darüber lachen. Oder denkst Du, daß mein Herr mir mein Glück nicht gönnt? Gerade weil ich seine Güte kenne, habe ich dies Wagestück unternommen. Aber jetzt komm' und laß uns erst noch ein bischen nach Hause gehen.
(Beide ab)
Pernille. Magdelone.
Pernille. Hier sehe ich ja niemand, Magdelone.
Magdelone. Dann muß er eben fortgegangen sein, ich sah ihn, weiß Gott, noch diese Minute hier stehen und deshalb lief ich hinein und sagte es Dir, Pernille.
Pernille. Ach, liebe Magdelone, lauf' ihm nach, vielleicht ist er hier gewesen und hat nicht herein gekonnt.
Magdelone. Nein, Pernille, das geht nicht, alles mit Maßen; je zurückhaltender Du Dich zeigst, je eher fängst Du ihn. Er kommt gewiß pünktlich, wie er mir versprochen, nämlich zwei Stunden vor Mittag, und jetzt ist es ja noch nicht viel über neun.
Pernille. Aber, Magdelone, nun erzähle mir recht ausführlich, wie die Geschäfte abgelaufen.
Magdelone. Ich habe meine Commission aufs Beste ausgeführt; Du hast Glück, Pernille, aus einem geringen Dienstmädchen solche vornehme Dame zu werden. Seinen rechten Verstand hat er freilich nicht, aber viel Geld, wie es scheint.
Pernille. Je weniger Verstand, desto besser, und zwar aus zwei Gründen. Denn erstlich, wenn es herauskommt, von was für niedrigem Stande und niedrigen Verhältnissen ich bin, so werden die Leute, statt mich als Intriguantin zu verdammen, weil ich einen jungen vornehmen Herrn so angeführt habe, vielmehr darüber lachen und sagen: Daran ist dem Narren recht 164 geschehen, er hat es nicht besser verdient, eine Dame von seinem Rang und Stand hätte er doch nicht bekommen. Zweitens aber wird mir seine Einfalt auch noch in anderer Hinsicht von Nutzen sein, wenn wir erst verheirathet sind. Ein Frauenzimmer, das sich einen klugen Mann nimmt, versteht ihr Interesse nur schlecht. Habe ich einen reichen Dummkopf zum Mann, so bin ich es, die das Regiment führt und er nur den Titel. Denn um die Herrschaft ist es uns doch zu thun, und die bekommen wir nicht bei einem klugen Manne, als höchstens nach langer Anstrengung und vieler Mühe. Solchen Dummköpfen dagegen geloben wir heute im Ehecontracte Gehorsam und Treue, morgen machen wir schon einige Nachträge zu dem Contracte, übermorgen machen wir einen Strich quer durch, überübermorgen haben wir das Scepter in der Hand, und bevor die Woche zu Ende ist, regieren wir das ganze Haus.
Magdelone. Das läßt sich begreifen.
Pernille. Wäre er nicht so einfältig, wie er ist, nie hätte ein armes Dienstmädchen wie ich sich so was unterstanden. Aber da ich sah, was der Pinsel für Streiche trieb, so gerieth ich auf den Einfall, mich zu stellen, als ob ich eine große Dame wäre, und machte Gebrauch von meines Fräuleins Möbeln, Kleidern und Equipagen.
Magdelone. Wann denkst Du wol, daß Dein Fräulein in die Stadt kommt?
Pernille. Sie kommt heute oder morgen, ich soll alles zu heute in Bereitschaft halten. Kommt sie, bevor ich mit meinem Liebhaber getraut bin, so sage ich ihr alles rein heraus, wie es ist, daß ich im Begriff bin, ein großes Glück zu machen, und daß ich mich zu dem Ende ihrer Kleider bedient habe; ich bin sicher, daß sie, statt mich deshalb zu strafen, sich vielmehr ganz ruhig verhalten und mich in meinem Vorhaben sogar unterstützen wird. Aber nun erzähle mir ausführlich, Magdelone, wie es mit Deiner Commission zugegangen.
Magdelone. Ich nahm die zwei Stücke Brocat, ging zu ihm und fragte, ob der gnädige Herr nicht was kaufen wollte, so recht was für einen vornehmen Herrn und doch nicht zu 165 theuer. Wie er nun mit mir zu handeln anfing, sagte ich: Ach, wohlgeborner Herr, wenn Ihr wüßtet, was ich weiß, Ihr nähmet es gewiß nicht so genau; da ist in dem Hause hier gegenüber ein vornehmes Fräulein . . . . Apropos, fiel er mir ins Wort, das Fräulein sieht mich immer so freundlich an, wenn ich an ihrem Fenster vorübergehe; wißt Ihr vielleicht, wer es ist, Mütterchen? Ei ja wohl! gab ich zur Antwort, ich gehe in dem Hause täglich ein und aus; sie ist erst kürzlich vom Lande hereingekommen und erwartet mit nächstem ihren Vater hier. Hör', Großmutter, sagte er, gesteh' die Wahrheit: ist Dein Fräulein mir wol ein bischen gut? Sie hat mir schon zwei- oder dreimal Kußhände zugeworfen. Wie ich das hörte, fing ich denn an, ihm die ganze Sache auseinanderzusetzen und habe ihn um zehn Uhr herbestellt.
Pernille. Vortrefflich. Wir müssen es durchaus so einrichten, daß er heute anbeißt; denn sonst könnte jemand vom Lande hereinkommen, der mich kennt, und könnte verrathen, wer ich bin.
Magdelone. Nun sag' mal aber, Pernille, wie heißt denn eigentlich Deinem Fräulein sein Bräutigam?
Pernille. Das weiß ich wahrhaftig nicht. Wie ich das letzte Mal mit ihr in der Stadt war, war ich krank und mußte sie allein zurückreisen lassen; wie ich aber wieder gesund war und ihr eben nachreisen wollte, hörte ich, daß das Fräulein verlobt wäre, und wurde angewiesen, alles in Stand zu setzen, bis sie käme. Aber kommt hier nicht ein Jäger? Der gehört gewiß dem Edelmann.
Arv (als Jäger). Pernille. Magdelone.
Arv. Serviteur, wohlgeborne Mamsell, ich weiß nicht, ob Sie mich kennt?
Pernille. Nein, ganz und gar nicht.
Arv. Ich heiße Hasenschreck und bin unwürdiger Jäger bei dem jungen gnädigen Herrn, der hier geradeüber wohnt; er 166 läßt sein gehorsamstes Compliment vermelden und läßt fragen, ob, wenn es Ihro Wohlgeboren genehm ist, sie ihm die Ehre erweisen will, daß er der Mamsell aufwarten darf.
Pernille. Er soll mir herzlich willkommen sein; aber seid doch so gut und erzählt mir ein bischen von Eurem Herrn, was für ein Mann er eigentlich ist.
Arv. Das ist ein unvergleichlicher Kerl, der trifft ein Zweischillingstück gerade in die Mitte. Aber freilich hat er auch ein paar Büchsen, solche Büchsen giebt es auf der Welt nicht mehr.
Pernille. Ist er denn solch großer Jagdliebhaber?
Arv. Ja, davon wissen unsere Hirsche und Hasen zu sagen; die haut er alle Tage dermaßen in die Pfanne, daß es zum Gotterbarmen ist. Aber ich weiß nicht, ob die wohlgeborne Madame schon gehört hat, daß sein bester Spürhund Fairfax todt ist?
Pernille. Nein wirklich, das hab' ich noch nicht gehört.
Arv. Ja, leider, der ist todt und begraben und mein Herr hat um ihn getrauert, als ob es sein eigener Bruder wäre. Aber es war auch ein tout-à-fait-Vieh, wenn es sich anders schickt, eines großen Herrn Hund so zu nennen. Ich weiß, hol' mich der Teufel, nicht, wie er es machte; er packte die Hasen so säuberlich, daß nicht einmal zu sehen war, wo er sie hingebissen. Als zum Exempel: Ihr seid nun ein Hase, Großmutter, da kriegte er ihn so beim Genick und knack, da war es vorbei mit ihm.
Magdelone. Au, au! Ihr faßt etwas derb an, Jäger!
Pernille. Ist Euer Herr noch Junggesell, oder war er bereits früher verheirathet?
Arv. Nein, nicht so recht eigentlich. Sein Vater hat ihn zwar öfters bald hier, bald da verheirathen wollen, er aber will Keine haben, die nicht nach seinem Geschmack ist. Euer Wohlgeboren zu dienen, er hat meiner Seel' Recht; warum sollte solch ein reicher Edelmann auch wol eine heirathen, die ihm nicht gefällt? Nein, wahrhaftig, in so was muß der Mensch sich selbst rathen. Da ist jetzt wieder so was im Gange, der Henker weiß, was es ist. Indessen er läßt sich nicht zwingen; denn unter uns 167 gesagt, wohlgebornes Fräulein, er ist vollständig verscharmeriert in Dero werthe Person.
Pernille. Ich kann nicht in Abrede stellen, daß auch er mir besser gefällt als alle, die ich bisher gesehen habe; ich darf gar nicht nachsagen, wie viel unruhige Nächte ich schon seinetwegen gehabt habe.
Arv. Daß Sie mit ihm nicht betrogen wird, dafür stehe ich gut, ein Paar Waden hat er, die sind nicht für die Langeweile. Gäb' es bessere Waden im ganzen Lande, er ließe sich wahrhaftig die Beine abschneiden; ich möchte darauf wetten, gnädiges Fräulein, das Erste, was Ihr kriegt, das werden gleich Zwillinge. Aber jetzt muß ich laufen und Antwort bringen.
(Geht ab.)
Magdelone. Pernille.
Pernille. Ha, ha, ha! das hat Mühe gekostet nicht loszulachen; aber je einfältiger er ist, um so besser für mich, um so leichter fällt er mir in die Klauen.
Magdelone. An dem Jäger konnte man merken, wie der Herr ist.
Pernille. Er ist gut genug, Magdelone, ich bin gerade zufrieden mit ihm; wäre er gebildeter und manierlicher, so kriegte ich ihn nicht. Oder glaubst Du, daß eine Dame von Stand wirklich einen solchen Gecken nehmen würde?
Magdelone. Sieh her, da kommt er gewiß.
Heinrich (in der Sänfte). Pernille. Magdelone. Nachher Arv.
Heinrich. Hal . . .t! Stillgestanden, Ihr Canaillen! Hör', Christoph, bleib' Du zu Hause und wenn Einer vom Hofe kommt, mich einzuladen, so sag' nur, ich könnte heute nicht kommen, ich wäre anderweitig engagirt. Ach, mon cher, 168 verzeiht nur, daran sind die Porteurs schuld, daß ich hier so nahebei aussteigen muß. Mit diesem Miethsgesindel hat man doch nichts als Verdruß, es ist so dumm wie das liebe Vieh; wär' es nicht aus Respect vor dem Fräulein, ich ließe Euch auf der Stelle aufhängen.
Pernille. Ach, mein Herr, pardonnirt sie um meinetwillen!
Heinrich. Um Ihretwillen thue ich, weiß Gott, alles, wohlgebornes Fräulein. Apropos, mon cher, ich komme hier, Ihr den Proceß zu machen von wegen eines gewissen kleinen Diebstahls, den Sie begangen hat.
Pernille. Was? Ich einen Diebstahl begangen?
Heinrich. Ja, Sie hat mir mein Herz gestohlen.
Pernille. Ach, mein Herr, aus demselben Grunde muß ich Ihn ebenfalls verklagen. Zwar weiß ich wohl, daß es der Modestie unseres Geschlechtes zuwider ist, sich so etwas merken zu lassen: dennoch muß ich frei heraus bekennen, daß . . . Ach, ich weiß nichts weiter zu sagen, der Hals ist mir wie zugeschnürt!
Heinrich. Ich bin die reine Canaille, wenn ich Ihretwegen seit drei Nächten ein Auge zugethan habe.
Pernille. Ach, mein Herr, mir geht es nicht um ein Haar besser, die Pfeile Seiner Blicke sind bis in die innerste Kammer meines Herzens gedrungen . . .
Heinrich. Ah pardi, das war schön gesagt, dafür muß ich ma foi ein Küßchen haben.
Pernille. Eine große Ehre für mich. (Heinrich küßt sie.)
Heinrich. Hört, Fräulein, mein Papa will mich mit einer andern vornehmen und reichen Dame verheirathen, aber eher will ich mich in Stücke schneiden und Wurst aus mir machen lassen, ehe ich mich entschließe, Sie zu verlassen, mon cher!
Pernille. Ach, ist es möglich? Ich bin wahrhaftig just in derselben Desperation; doch soll uns nichts scheiden als der Tod.
Heinrich. Hier meine Hand auf ewige Liebe und Treue!
Pernille. Hier hat Er ebenfalls meine Hand und daß ich mir nie einen Andern aufzwingen lasse. (Sie umarmen sich.) Will 169 Er aber nicht ein wenig näher kommen und sich mein Meublement ansehen?
Heinrich. Gern, meine Allertheuerste. (Sie gehen ab.)
Magdelone (allein). Na nun hat sie ihn sicher, wenn er erst alle die schönen Sachen sieht, die seiner Meinung nach Pernillens Eigenthum sind, während ihr doch nicht für vier Schillinge Werth davon gehört. Ha, ha, ha, was wird das für eine verfluchte Geschichte werden, wenn der Junker dahinterkommt, daß er sich so nichtswürdig verrechnet hat und hat statt einer reichen Dame eine gemeine Dienstmagd geheirathet! Indessen wie reich er auch sein mag, und von wie vornehmem Stande, zu gut für sie ist er nicht; denn er ist der größte Pinsel, den es auf Erden geben kann, und hat nichts Vornehmes an sich, als seinen Reichthum und seine vornehme Herkunft. Könnte nur alles abgemacht werden, bevor Fräulein Leonore zur Stadt kommt, darauf kommt alles an. Pernille hat mir vierhundert Thaler für meine Bemühung versprochen. Aber ich muß hinein und sehen, was sie machen, sonst halten sie am Ende gar Hochzeit auf eigene Hand. (Ab.)
Heinrich (kommt). Ha ha ha, hi hi, ha ha ha! Heinrich, nun bist Du oben drauf! Die hat, hol' mich der Teufel, ihre richtigen Tausende, und ich komme wie durch Zufall zu einem Wohlstand, den ich mir niemals geträumt habe. Wahr aber ist es, ihren Reichthum abgerechnet, ist sie ein ganz ordinäres Mädchen, man müßte denn das für vornehm rechnen, daß sie so kokett ist. Indessen für solchen hungrigen Hund, wie ich bin, ist Geld die Hauptsache. Ihre Zimmer sind ausstaffirt, als wäre sie eine Gräfin, wollte mir Einer eine halbe Tonne Gold für das Vermögen geben, ich nähme sie noch nicht einmal. Jetzt ist sie in ihr Boudoir gegangen, um sich anders anzuziehen; denn, wie sie sagt, zieht sie sich alle Stunden anders an, was zwar verrückt, aber doch ein Zeichen von großem Reichthum ist. Wir sagen schon Du zu einander, wie alte Liebesleute, und sie nennt mich ihr Herz. Aber da kommt sie in einer prächtigen Adrienne.
Pernille (kommt). Entschuldige nur, mein Herz, daß ich Dich habe so lange warten lassen: wie gefällt Dir diese Adrienne? 170
Heinrich. Sie ist recht propre, mein Hühnchen; meine Schwester, Fräulein Fieke, hat eine just von demselben Zeug, ja ma foi von demselben Zeug, ich will ein Hundsfott sein, wenn es nicht dasselbe ist; was hast Du für die Elle gegeben, mein Syrupsfäßchen?
Pernille. Denkst Du, daß ich mich um so was kümmere? Wenn das Kammermädchen nach Hause kommt, können wir es erfahren. Aber hast Du viele Geschwister, mein Engel?
Heinrich. Blos eine Schwester. Aber von den Stammgütern kriegt sie nichts, sie kriegt blos Geld und Juwelen. Aber sieh, da kommt Hasenschreck, mein Jäger.
Arv (kommt). Hier ist ein Brief vom Lande an den wohlgebornen Junker.
Heinrich. Der ist gewiß von meinem Vater, wollte sagen meinem Papa; er schreibt mir immer französisch oder italienisch. Kannst Du Französisch, meine Seele?
Pernille. Nein, das ist eine Sprache, die ich niemals habe leiden können, sie ist so verflucht ordinär.
Heinrich. Ich muß doch lesen, was er schreibt (liest): Vous plait-il dans la France comment, à Paris à cette heure, très humble non pas. Na richtig, da werden wir was Neues erfahren; aber ich muß weiter lesen. Roncollavet Bourdeaux fermez la porte, diantre. Na ja, da haben wir's, da möchte man doch toll werden! Weiter: Diable m'emporte pluraliter, voulez vous dormir, nominativus, genitivus, dativus. Jean fonte comment vous portez raportant autrement bestialement spaelamdisimo. Ach, ach, was für verwünschtes Zeug! (Geht auf und ab, indem er sich den Schweiß abtrocknet.)
Pernille. Ach, was giebt es, Du Hälfte meiner Seele?
Heinrich. Das wäre ja doch verwünscht! Zwingen will er mich dazu, so heißt es am Schluß? Ja wahrhaftig! Autrement spaelamdisimo bestialement autrement! Aber ich stehe meinen Mann!
Pernille. Ach, was hast Du denn nur, mein Schnutchen?
Heinrich. Und wenn alles Andere fehl schlägt, so bleiben 171 mir doch noch immer die beiden Rittergüter, die ich von meiner Mutter geerbt habe.
Pernille. Aber sag' mir doch nur, was Du hast, mein Balsambüchschen?
Heinrich. Er ist mein Papa, das ist richtig, und ich bin ihm Respect schuldig, aber meinetwegen kann ihn der Teufel holen!
Pernille. Was hat er denn geschrieben?
Heinrich. Er soll erfahren pardi, daß ich, diable m'emporte, die Kinderschuhe ausgezogen habe!
Pernille. Ach, verschweig' es mir doch nicht länger!
Heinrich. Ich will darauf sterben, daß das wieder so eine Intrigue von meiner Schwester Fräulein Fieke ist; der Teufel soll mich bei lebendigem Leibe holen, wenn das nicht so ist!
Pernille. Was sind das denn für Intriguen?
Heinrich. Aber wart' nur, Du kleine Canaille, bist Du meine ma soeur, so will ich Dir zeigen, daß ich Dein mon frère bin!
Pernille. Aber so sprich doch, süßes Herz, oder ich sterbe?!
Heinrich. Weißt Du, mein Püppchen, was es ist? Mein Papa schreibt mir, er habe mit großem Kummer vernommen, daß ich mich hier umhertreibe und einem Frauenzimmer in der Stadt die Cour mache. Pardi, bin ich denn nicht alt genug, um zu wissen, was ich thue? In diesen Stücken läßt sich doch jeder nur von seinem eigenen Herzen rathen.
Pernille. Der Ansicht bin ich ebenfalls.
Heinrich. Ich bin schon ein Kerl, der sich dreimal die Woche rasiren läßt.
Pernille. Was schreibt er aber weiter, daß Du so aufgebracht bist?
Heinrich. Ich bin ein Kerl, der sein Französisch und Italienisch versteht, als wär' es seine Muttersprache, und sollte nicht wissen, was mir gut ist? Aber ihr sollt mit langer Nase abziehen, mon cher papa!
Pernille Was hat denn Dein Papa mit Dir vor, mein Schatz? 172
Heinrich. Er für seine Person, mein Püppchen, ist gar nicht so übel, aber er hat sich verführen lassen; es ist gar nicht zu sagen, was meine Schwester Fräulein Fieke für Ränke im Kopfe hat.
Pernille. Was macht sie denn?
Heinrich. Ach, ich weiß schon, wonach ihr die Nase juckt, gnädiges Fräulein! Aber Du weißt nur nicht, was für Freunde ich bei Hofe habe, und daß der König erst neulich öffentlich bei Tafel zu mir gesagt hat: Der junge Herr hat sehr was Apartes. Hör', mein Püppchen, mein Vater hat eine Heirath verabredet zwischen mir und einer Dame auf dem Lande und verlangt, daß ich sofort Hochzeit mit ihr halte.
Pernille. Ach, Magdelone, halte mich, ich falle in Ohnmacht!
Heinrich. Sei nur ruhig, mein Hühnchen, da wird in Ewigkeit nichts draus! Weißt Du was? Um dem auf einmal zuvorzukommen, wollen wir noch heute Abend Hochzeit halten.
Pernille. Ja, das wird allerdings wol das Beste sein.
Heinrich. Hasenschreck!
Arv. Wohlgeborner Junker!
Heinrich. Tarantala praeteritum perfectum je ne fais pas generosement dans la France par couvert; verstehst Du wol?
Arv. Copis in sandung Spaeckavet fripon Monsieur ovis fort bien. (Ab.)
Heinrich. Ich habe meinem Jäger aufgetragen, den Boten mit Redensarten so lange aufzuhalten, bis ich nach Hause komme; durch ihn werde ich meinem Papa einen Brief zustellen, worin ich ihm meine Meinung sagen, aber nichts davon erwähnen werde, daß wir noch heute Abend Hochzeit halten, weil er sonst Hals über Kopf zur Stadt kommt.
Pernille. Das ist richtig, davon müssen wir still sein.
Heinrich. Ich sollte Dir wol einige Geschenke machen, mein Engel, aber die Zeit ist wirklich zu kurz dazu.
Pernille. Ach, ach, laß uns nur erst Hochzeit halten, das Uebrige findet sich schon.
Heinrich. Ich will Dir nur ein geringes Zeichen meiner 173 Liebe geben; hier nimm den kleinen Ring mit dem Namenszuge, die eigentlichen Geschenke sollen dann schon besser ausfallen.
Pernille. Ja, so muß ich Dir wol auch Spaßes halber irgend eine Kleinigkeit schenken; da hier ist mein Porträt in Miniatur.
Heinrich. Aber das ist nicht besonders ähnlich, mein Schnutchen?
Pernille. Nein, allerdings, das ist es nicht, aber ich habe auch ein anderes in Arbeit bei einem andern Maler.
Heinrich. Schlag vier komme ich zur Copulation.
Pernille. Bis dahin soll alles fertig sein.
Heinrich. Adieu so lange, mein Putchen.
Pernille. Adieu, mein Engel.
(Heinrich stößt in seine Pfeife, die Sänftenträger kommen mit der Sänfte, in die er sich setzt, indem er zum Abschied Kußhände wirft. Sie thut desgleichen; er nimmt einen Spiegel aus der Tasche und bringt sich in der Sänfte die Haare in Ordnung. Dann ab.)
Pernille. Magdelone.
Pernille. Was meinst Du nun, Magdelone? Haben wir das Spiel nun gewonnen?
Magdelone. Ja, wenn nur nicht noch bis vier Uhr ein Hinderniß eintritt. Aber was war das für ein Bildniß, das Du ihm gabst?
Pernille. Das war Fräulein Eleonorens Porträt.
Magdelone. Hast Du denn den Verstand verloren, Pernille? Wie darfst Du so etwas wagen?
Pernille. Wenn das Fräulein hört, daß ich auf diese Weise mein Glück gemacht habe, so wird sie nicht böse sein, sondern lachen und ihr Vergnügen daran haben. Komm, Magdelone, laß uns hineingehen und alles zu seiner Ankunft vorbereiten. (Beide ab.) 174