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In einer Dämmerung unter Bäumen saß eine gute Gesellschaft von Frauen und Männern. Die Frauen waren von der edlen Art, was man am ganzen Zug des Gespräches erkannte, das doch nur die Männer führten. Es wurden keine niederen Spässe gemacht, wie frei man auch über Manches redete, und Keiner dachte an Klatsch oder geringe Tagesneuigkeiten. Für den Ton in einer Gesellschaft sind immer die Frauen verantwortlich, weil die Männer ihnen Alles an den Augen absehen, das Hohe wie das Gemeine. In dieser Gesellschaft nun wagte man es zuweilen, laut zu phantasieren und moderne Märchen zu erzählen, die in einer andern Umgebung lächerlich geklungen hätten.
Einer, der eben von Paris zurückgekehrt war, berichtete über gesehene Dinge. Er sprach von den neuen Moden, aber nicht wie ein Schneider, sondern bemühte sich, die Herkunft und den Sinn der Erscheinungen aufzuklären. Vom Fahrrad ging er aus, und wie es das Straßenbild verändere. Wer hätte vor wenigen Jahren gedacht, welche Umwälzungen diese Spielerei hervorrufen würde. Nun tauchen die Wagen ohne Pferde auf. Was werden diese bringen? Jede Verkehrserneuerung kann gewaltige und unerwartete Folgen haben. Sonderbar äußert sich das im Leben der Massen, in ihrer Wohlfahrt und Sittlichkeit. Es entstehen neue Krankheiten, oder der Menschenschlag wird gesünder. Die Bedingungen des Daseins ändern sich gegenwärtig rascher als in irgend einer Zeit der Geschichte.
Hierüber sprachen sie eine Weile. Da sagte der Doktor ironisch: »Es wundert mich, daß noch Niemand das lenkbare Luftschiff erwähnt hat.«
»Wir haben Alle daran gedacht,« erwiderte der Maler Robert ruhig.
»Jawohl,« meinte der Pariser, »denn die Erfindung wird doch früher oder später gemacht werden. Vielleicht lebt der Mann schon, der dem menschlichen Geschlechte diese größte aller Ueberraschungen bereiten soll. Wie dann die Welt aussehen wird, möchte ich erraten.«
»Und ich,« sagte leise eine der Frauen, »möchte mir den Mann vorstellen, der das findet: ein Held, ein Halbgott!«
»Ich glaube eher,« lachte der Doktor, »daß er eine närrische Figur sein wird, ein schrullenhafter, ungeschickter armer Teufel. Das Geheimnis dürfte er sich stehlen lassen, Andere werden sich daran bereichern, und er bekommt nichts, als ein Denkmal – nach dem Tode. Sein Leben aber wird man ihm vermutlich gehörig verbittern. Und mit Recht! Es wird eine ganz einfache, naheliegende Entdeckung sein. Warum sind wir Alle daran vorbeigegangen? Welche Beleidigung für uns. Ich glaube, wenn ich vernähme, daß einer meiner Bekannten das lenkbare Luftschiff erfunden hat, ich würde ihn ohrfeigen. Warum er, warum nicht ich?«
Da hörte man die tiefe Stimme des Malers Robert: »Das lenkbare Luftschiff ist schon erfunden worden, und ich kenne den Mann.«
Es war schon so dunkel, daß man die Züge des Sprechers nicht deutlich sah. Er liebte die Dämmerung von Geschichten zwischen Scherz und Ernst, das wußten die Frauen, und sie baten: »Erzählen Sie es uns!«
Und der Maler Robert erzählte:
»Er hieß Joseph Müller. Das ist kein großartiger Name, aber er hatte ihn von seinem Vater. Aeltere Bewohner der Laudongasse im achten Bezirke werden sich noch des Vaters erinnern, der in einem kleinen Gewölbe nahe der Kochgasse alte Schuhe flickte und dabei heiter dreinsah, wie irgend ein griechischer Philosoph. Ich gebe absichtlich Namen und Wohnort so genau an, damit Sie diese Geschichte nicht für eine gänzlich aus der Luft gegriffene halten. Doktor, erkundigen Sie sich in der Laudongasse, ob dort nicht ein Schuhmacher Müller gelebt habe.
Joseph Müller kam zu einem Mechaniker in die Lehre, wurde mit der Zeit Gehilfe und eines Tages erfand er das lenkbare Luftschiff. Es scheint, daß er das Prinzip durch beharrliches Nachdenken entdeckte. Ich verstehe nicht viel von der Physik, meine Erklärung wird daher Einiges zu wünschen übrig lassen.
Ich weiß nur so viel, daß Joseph Müller von einem Apfel ausging. Er hatte bemerkt, daß ein Apfel sich in der Luft wesentlich anders benehme, als zum Beispiel der Erdball. Ein Apfel muß auf den Tisch gelegt werden, wenn er nicht zu Boden fallen soll. Die Erde hingegen schwebt ganz frei im Weltraum. Die Bewegung ersetzt also die Stützen, und ein Körper kann sich beliebig lang in der Luft halten, wenn seine Bewegung und Drehung in einem gewissen Verhältnisse zu seinem Gewichte ist. Joseph Müller rechnete dieses Verhältnis aus, und er fand auch die zur fortwährenden Erzeugung der Bewegung nötige Kraft in Sprengstoffen, deren Namen mir in diesem Augenblicke nicht einfallen. Er hatte nämlich in seinen freien Stunden Chemie studiert, weil er schon lange vermutete, daß die Bewegung in der Luft nur durch eine ununterbrochene Reihe kleiner, sozusagen gebändigter Explosionen bewirkt werden könne. Wie er die Kraft der Explosionen übertrug, wie er die Sprenggase, bevor er sie entweichen ließ, zur Drehung und Lenkung des ganzen Fahrzeuges verwendete, das will ich Ihnen nicht auseinandersetzen. Es würde die Damen ermüden. Ich will ja auch gar nicht das Luftschiff schildern, sondern das eigentümliche Schicksal seines Erfinders.
Vierzehn Jahre hatte Joseph Müller nachgedacht, studiert, gerechnet und versucht. Dabei versäumte er das Handwerk nicht und war seinem Meister ein fleißiger Arbeiter. Nur zu Unterhaltungen und Liebschaften nahm er sich nicht Zeit. Erst in seinem fünfunddreißigsten Jahre, in dem er auch die Entdeckung machte, lernte er in der Nachbarschaft eine schnippische Jungfer kennen, die es ihm antat. Im Uebrigen war er ein vernünftiger Mensch. Das zeigte sich am besten an der Art, wie er selbst später von seiner Erfindung sprach. Er wollte sie rein zufällig gemacht haben, es wäre eigentlich gar nicht sein Verdienst, er sei nur im Herumtappen darauf gestoßen. Freilich, der Augenblick, in dem er erkannte, daß er das Flugproblem gelöst habe, bedeutete für ihn eine große Erschütterung. Er brach in Tränen aus und schluchzte lange in der Einsamkeit seiner armen Stube. Es war vorläufig nur das einfache Prinzip, das er hatte, gleichsam die Melodie; aber er wußte auch sofort die ganze Instrumentierung, er ahnte die herrliche Aufführung und den Rausch, den Jubel der Menge voraus.
Dann sammelte er sich und arbeitete seine Entwürfe im Einzelnen aus. Es war wieder eine lange Mühe. Als er die Zeichnungen, Berechnungen und Kostenüberschläge fertig hatte, trat er damit vor seinen Meister hin. Er wollte, daß der Meister sich mit anderen Meistern zusammentue, und daß diese Vereinigung, verstärkt durch eine Anzahl gelehrter Techniker, einen öffentlichen Aufruf zur Beschaffung der Kosten erlasse. Denn es war ein großer Betrag erforderlich, ungefähr zwei Millionen Gulden. Es mußte nämlich eine eigene Fabrik zur Herstellung der einzelnen Bestandteile gebaut werden. Ferner waren besondere Laboratorien für die Erzeugung der Sprengstoffe nötig. Kurz und gut, zwei Millionen; anders ging es nicht.
Der Meister lachte ihm ins Gesicht: er möge sich diese Narrheit aus dem Kopfe schlagen, das sei eine vollkommen verrückte Geschichte, auf die kein denkender Mensch jemals eingehen werde. Joseph Müller schlich beschämt von dannen, war aber von seiner Erfindung durchaus nicht abgebracht. Er sagte sich nur, daß er auf das Wohlwollen und die Hilfe anderer nicht rechnen dürfe. Und mit seiner eisernen Beharrlichkeit begann er nun nach praktischen Auskunftsmitteln zu suchen.
Indessen war es in der Werkstatt ruchbar geworden, daß Joseph Müller übergeschnappt sei. Die anderen Arbeiter fingen an, ihn mit dem lenkbaren Luftschiff zu hänseln, und er lachte gutmütig mit über die derben Dummheiten. Es gab unter den Gesellen einen Spaßmacher, den Hanswurst, der sich überall findet, wo ein paar Menschen beisammen sind. Dieser trieb es besonders arg. Joseph Müller ließ das eine Zeitlang ruhig über sich ergehen. Einmal verhöhnte ihn aber der Hanswurst auch vor der schnippischen Jungfer, und sie lachte dazu sehr laut, so daß es dem armen Erfinder ordentlich ins Herz schnitt. Sie fügte sogar einige Bosheiten aus Eigenem hinzu; doch machte Joseph Müller in seinem Innern auch dafür den Hanswurst verantwortlich, weil er die strohgelbe Jungfer noch liebte und sich ihre Herzlosigkeit nicht eingestehen wollte. Als nun der Spaßmacher am andern Morgen wieder mit seinen Albernheiten kam, verabreichte Müller ihm eine solche Tracht Prügel, daß ihm die Schwarten knackten. Man trug den windigen Kerl für leblos hinaus auf den Hof, wo er sich übrigens bald erholte. Joseph Müller ging hierauf beruhigt an seine Arbeit, umgeben von einer gewissen Achtung der Genossen. Ein paar Stunden später rief ihn der Meister ab; es waren zwei fremde Herren da, die vom lenkbaren Luftschiff gehört hatten und mit ihm reden wollten. Bereitwillig und feurig setzte Joseph Müller ihnen Alles auseinander. Die Sache gefiel ihnen sichtlich, und sie baten ihn, sie zu begleiten. Er stieg in ihren Wagen, und sie fuhren mit ihm nach dem Irrenhause. Es gab dort noch andere Erfinder von lenkbaren Luftschiffen, und Joseph Müller befreundete sich mit ihnen herzlich und überlegen. Er hörte ihre krausen Reden geduldig an. Seinen eigenen Fehler hatte er rasch eingesehen: ein Erfinder, wie er, durfte keine heftigen Aufwallungen haben; denn wer etwas Großes plant, dem nehmen die Menschen Alles übel. Wegen einer derartigen Prügelei wäre ein anderer Geselle sicher nicht in den Narrenturm gekommen. Zum Glück hatte Joseph Müller eine bedeutende Heiterkeit in seinem Gemüte. Er trug das Schicksal gelassen. Gern fütterte er im schönen Irrengarten die Vögel, lauschte ihrem Gesang der frühen Sommerszeit und beobachtete ihre Art, zu fliegen, wobei er auf einige Verbesserungen seiner Maschine geriet. Den Aerzten wußte er freilich allmählich die Meinung beizubringen, daß er genesen sei. Und so entließ man ihn denn nach mehreren Monaten als geheilt.
Joseph Müller war nicht dumm, obwohl er ein Genie war. Er hatte den Sinn für das Wirkliche und sah mit lichten Augen in die Bedürfnisse des gewöhnlichen Lebens hinein. Er sagte sich, daß er seine Einbildungskraft nur herunterzuschrauben brauche, um ein sogenanntes nützliches Mitglied der menschlichen Gesellschaft zu werden. Er ging zu einem Elektriker und verbesserte diesem binnen kurzer Zeit mehrere Apparate, so daß ihn der eiligst zum Geschäftsteilhaber machte, um sich ihn zu erhalten. Vom lenkbaren Luftschiffe war nicht mehr die Rede. Wohl aber schuf er einen neuen Korkzieher, einen Hosenstrecker, eine Wäscherolle, ein Sparbügeleisen für Schneider, kurz, Erfindungen, durch die man sich die bürgerliche Achtung erwirbt. Sie trugen ihm sonst nicht viel ein, weil er sie nicht in allen Ländern patentieren ließ. Auch diesen letzten Rest von Idealismus streifte er ab, als er die selbsttätige Bremse für Eisenbahnen konstruiert hatte. Er verkaufte die Bremsen-Idee für fünfzigtausend Gulden an einen Unternehmer, der daran reich wurde. Als jene schnippische Jungfer davon hörte, bettelte sie sich mit ihrer Liebe und Bewunderung an ihn heran. Er gab ihr einiges Geld und bat sie, ihn nicht weiter zu behelligen. Er wurde immer praktischer und geehrter. Jetzt erfand er einen unzerreißbaren Gummischlauch für Fahrräder und verdiente damit seine erste Million. Eine neue Gasglühlampe brachte ihm zwei Millionen und den Weltruhm. Endlich errichtete er eine große Maschinenfabrik, aus der die gewaltigsten Lokomotiven hervorgingen.
Als Joseph Müller so weit war, übergab er alle seine Unternehmungen den Geschäftsführern und reiste ab. Er hatte sich eine stolze Yacht bauen lassen, welche er »Aegaeon« nannte. Bei mir bestellte er die Wandfüllungen für Speisezimmer und Salon. Damals lernte ich ihn kennen. Er war ein heiterer Mann, der die Menschen verachtete und sich sein Glück eigenmächtig herstellte. Auf dem schönen »Aegaeon« fuhr er häufig von Triest nach einer der südlichen Cykladen. Was er dort zu tun hatte, wußte Niemand. Auch seinen Vertrauten sagte er nur, daß er auf jener Insel eine neue Fabrik einrichte. Wären mir seine früheren Schicksale schon bekannt gewesen, so hätte ich vielleicht vermutet, was er insgeheim schaffe. Ich erfuhr es erst, als er mich mit noch zwei anderen Herren zu einer Frühlingsfahrt auf dem »Aegaeon« einlud. Unterwegs erzählte er uns seine Geschichte. Er habe ein glücklicher Erfinder sein wollen, nicht einer der Märtyrer des Fortschrittes, die man ihr Lebenlang quält, und darum sei er den praktischen Weg gegangen, vom Korkzieher bis zur Lokomotive.
Nachts langten wir vor der Insel an. Auf der Höhe des Felsens bemerkten wir die Umrisse von Gebäuden, und aus mehreren glänzte elektrisches Licht. Joseph Müller bat uns, zur Ruhe zu gehen; er selbst fuhr im Boot ans Land. Wir Drei plauderten aber noch ein Stündchen auf dem Verdeck. Plötzlich, gleichzeitig stießen wir alle Drei einen Schrei aus. Die dunkle Vordermauer des einen Gebäudes dort oben war gesunken, eine Lichtflut sprang auf das Meer hinaus, und durch die weite Oeffnung stob, rauschte, sauste etwas Großes mit glühenden Augen ins Freie. Es war schon in der Nacht verschwunden, ehe wir zur Besinnung kamen und erschüttert ausriefen:
»Das Luftschiff!«
Nach aufgeregten Stunden, in denen wir vergeblich auf die Rückkehr des Vogels warteten, überwältigte uns die Müdigkeit. Wir schliefen ein, wo wir saßen. Im ersten Sonnenschein weckte uns Joseph Müller lächelnd auf:
»Sie haben meine »Halkyone« schon gesehen? Ich war mit ihr heute Nachts über Konstantinopel und Cypern. Ich will sie Ihnen jetzt bei Tage zeigen.«
Er führte uns den Berg hinauf. In dem Gebäude, das dicht am steilen Abhänge des Felsens lag und einem Bootshause ähnelte, ruhte die »Halkyone« auf eisernen Schienen. Ihre Form war etwa die einer Libelle, ihre harten Bestandteile waren aus Aluminium, die weichen aus hundertblättriger weißer Seide. Joseph Müller bestieg das wundersame Fahrzeug und wendete sich mit einer fragenden Gebärde an uns. Wir folgten ihm. Mir schlug das Herz heftig. Zwei griechische Jünglinge, denen diese Luftreise schon vertraut war, schnallten uns an den Sitzen fest und schwangen sich dann behend hinten auf. Der Herr gab ein Zeichen, und wir glitten hinaus, hinauf. Ich hatte zuerst eine rechte Angst, aber dann wurde mir hoch und frei zu Mute. Wir saßen hinter dem keilförmigen Windschirm aus Bergkrystall und empfanden kein Unbehagen, wie jäh wir auch dahinrasten. Aber zuweilen schwebten wir regungslos oder kreisten in einer weiten Spirale abwärts, wobei die schimmernden Flügel der »Halkyone« denen des Adlers glichen. Waren wir dann schon dem Meeresspiegel nahe, so genügte der Druck auf einen Taster, um uns wieder schräg in die Höhe zu treiben. Einer der Griechen besaß ein goldenes Saitenspiel und jauchzte dazu alte Strophen. Ich nahm ihm die Harfe aus der Hand, um das Frühlingslied aus der »Walküre« zu singen. Wir Alle sangen, wir konnten nicht sprechen. Nur der Herr der »Halkyone« blieb schweigsam und ernst, indes er uns durch die Lüfte steuerte.
Zwei Tage verbrachten wir so über allen Küsten des mittelländischen Meeres. Joseph Müller hatte auf mehreren Berggipfeln Halteplätze eingerichtet, wo unser Fahrzeug mit Chemikalien gespeist wurde. Wir lernten in dieser halkyonischen Zeit eine Welt von oben kennen.
Am dritten Tage mußten wir uns wieder auf dem »Aegaeon« einschiffen. Erstaunt bemerkten wir, daß die »Halkyone« mit einer Kette an unsere Yacht gehängt wurde, und wir schleppten sie wie eine Leiche hinter uns her. Keiner von uns wagte, den Schiffsherrn zu fragen, was das bedeuten solle. Er sah eigentümlich unnahbar aus. Auf hoher See befahl er, die Kette zu lösen. Das schwimmende Luftschiff war mit dem »Aegaeon« nur durch eine dünne elektrische Schnur verbunden, die sich von der Spule endlos abwand. Schon waren wir fern von der zierlichen Luftseglerin. Was dort auf den Wellen tanzte, war anzusehen wie ein tote Möwe. Jetzt kam Joseph Müller zu uns und sprach:
»Hier verlasse ich die »Halkyone«. Ich habe mir Wort gehalten, das war die Hauptsache, und einige Freunde, die ich schätze, wissen es. Für die Menschen im Allgemeinen will ich nichts tun; denn sie haben mich gequält, als ich arm und schwach war, und sie haben mir durch ihre Erbärmlichkeit Ekel eingeflößt, als ich erstarkte. Für die sind Korkzieher, Sparbügeleisen und Gasglühlampen genug. Die Menschen sind nicht wert, zu fliegen. Für das, was sie sind, ist Kriechen noch lange gut.«
Er drückte lächelnd auf einen Knopf. Ein Knall erdröhnte; wo die »Halkyone« gelegen, schäumte das Wasser hoch auf, und bis zu uns flogen kleine Fetzen von der blütenweißen Seide ihrer Flügel. Und unsere Herzen waren bekümmert, als wir weiter zogen, dahin über das weinfarbene Meer ....«
Der Maler Robert schwieg. Sie ließen seine Erzählung lange auszittern.
Endlich rief der Doktor:
»Ihr Joseph Müller war wirklich gar nicht dumm. Man hätte ihm seine »Halkyone« sicherlich verdorben. Zunächst wäre sie für Kriegszwecke mißbraucht worden, dann hätte sie das Wohlbefinden einiger Machthaber und Geldprotzen weiter erhöhen müssen, unter gleichzeitiger Verbreitung von neuen Formen des Elends.«
»Sie sind mir zu sozialistisch, lieber Freund,« entgegnete der Pariser; »Joseph Müller war im Unrecht, und vor allem hat er die Tragweite seiner Erfindung nicht verstanden. Er durfte nicht an die Menschen seiner Zeit denken und am wenigsten an die Armseligen seiner nächsten Umgebung. Wer die Zukunft vorbereitet, muß über die Gegenwart hinwegblicken können. Die besseren Menschen werden kommen.«
Eine der Frauen aber wendete sich zum Erzähler, und ihre Stimme klang lieblich in den Abend hinein: »Zur Größe fehlt dem Helden ihres Märchens nur Eins: das Verzeihen.«