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Viele von den Aeltesten und Vornehmsten aus dem Herren- und Ritterstande aber hingen dem Kaiser Ferdinand an: die Kolowrat, Berka, Bratislav, Martinic, Lobkovic, Nostic, Riesenburg, Terzky (Trcka), Waldstein, Kinsky, Wartenberg, Mitrovic etc. Sie flohen theils nach Passau, theils in das kaiserliche Heerlager. – Ihre Güter wurden von den böhmischen Protestanten confiscirt und sie für Verräther erklärt. Waldstein verlor auch seine böhmischen Besitzungen; aber er galt im kaiserlichen Kriegslager für einen glücklichen Feldherrn und – seine Sterne verkündeten ihm Sieg und Ruhm. – Slavata, dessen Haft eine sehr gelinde war – entfloh nach Passau; seine Nichten ließ er in Prag zurück.
König Friedrich hielt seinen Einzug in Prag. Die Stände empfingen ihn glänzend, wie nie zuvor einen König. Elisabeth's Schönheit bezauberte Jedermann. Otto von Los wich nicht von ihrer Seite; er hatte sich ganz dem Dienste der Herrlichen geweiht, die weniger kalt und grausam schien, als ihr noch immer heißgeliebtes Ebenbild.
Am 4. November 1619 wurden Friedrich und seine Gemahlin von dem protestantischen Administrator des Unterconsistoriums, Dikastus von Mirkova, den man kurz zuvor zum Vicarius des Prager Erzbisthums ernannt hatte, mit der böhmischen Krone geschmückt. Der Jubel des böhmischen Volkes war grenzenlos, denn der König hatte vor seiner Eidesleistung die begehrte Reservation unterschrieben, und den Böhmen eine Constitution gegeben, wie sie keine frühere Zeit aufzuweisen hatte.
Mathias Thurn, dessen Heer durch Siebenbürger – unter Bethlen Gabor – und Mährer verstärkt, auf dreißigtausend Mann angewachsen war, brach wieder gegen Wien auf und schlug den Bouquoi auf das Haupt. Nur die Ueberschwemmungen der Donau und der rauhe Winter hielten ihn ab, seinen Sieg weiter zu verfolgen. Friedrich ließ sich in Mähren huldigen, er wollte auch den Standesherrn Karl von Zirotin für sich gewinnen; dieser aber, obgleich Protestant, widerstand seinen Verheißungen, blieb Ferdinand getreu und prophezeite dem Böhmerkönige einen unglücklichen Ausgang des Krieges. Die Böhmen selbst machten riesige Anstrengungen; sie errichteten mit den Mährern, Schlesiern, Siebenbürgern und Ungarn einen neuen Bund in Preßburg und befestigten ihn in Prag. Ferdinand dagegen gewann alle katholischen Reichsfürsten für sich – sogar den lutherischen Kurfürsten von Sachsen. Dieser hatte sich um die böhmische Krone beworben und war zurückgesetzt worden; jetzt ergriff er die Waffen gegen die Glaubensgenossen, die er bis dahin stets in Schutz genommen. Für den Kaiser erklärten sich – die protestantische Union hatte mit ihm bis zur Beendigung der erbländischen Händel Frieden geschlossen – noch Polen und Spanien. Letzteres versprach in Folge des geheimen Erbvertrages dreiundzwanzigtausend Mann seiner besten Truppen, der Papst Paul V. monatlich zwanzigtausend Ducaten, so lange der Krieg in Böhmen dauern würde, der Großherzog von Toscana, sowie die übrigen italienischen Fürsten sandten Geld oder Truppen. Ja selbst Frankreich, das auf Seite Friedrich's war, wurde abspenstig gemacht, weil man ihm durch den Grafen von Fürstenberg die Gefahren einer protestantischen Uebermacht im grellen Lichte dargestellt. Mehr als ein Dritttheil von Europa stand gegen Böhmen auf.
Und Friedrich gab Bankette und Tourniere, vernachlässigte sein Bündniß mit England und Frankreich und ließ es geschehen, daß sein streng calvinistischer intoleranter Hofprediger Schulz (Scultetus) die Altäre in der Domkirche zerstören, die Bilder vernichten, die Sculpturen zerstören, die Glocken von den Thürmen nehmen durfte: Alles unter dem Vorwande der Einführung eines wahren Christenthums. Dieses aber empörte das Volk – denn die eingewanderten Calviner verfuhren in ihrer Bilderstürmerei mit wahrem Vandalismus – seine religiösen Denkmäler waren zugleich die seines nationalen Ruhmes gewesen. – In dieser Zeit starb Ulrich Kinsky. Er war ein fester und weiser Rathgeber an des Königs Seite, ein glühender Patriot, dessen Seele nur eine Andacht, die Liebe zum Vaterland, kannte. Der König und die Königin folgten zu Fuß seinem Sarge.
Friedrich ernannte den Fürsten Christian von Anhalt und den Grafen Georg von Hohenlohe, zwei Ausländer, zu seinen Feldherren und befahl ihnen, den Kriegsschauplatz in Oesterreich aufzuschlagen. – Dies war eine Zurücksetzung für Thurn und Mansfeld, die bereits nach ihren Siegen zählten. – Bei Langenau wurde Hohenlohe von Bouquoi überfallen und geschlagen. Hier blieb Colon Fels, einer »der letzten böhmischen Ritter«.
Das ständische Heer wurde demoralisirt; denn Anhalt und Hohenlohe bezogen wohl den Sold von den protestantischen Ständen, doch steckten sie das Geld in ihre Taschen und gaben den Soldaten weder Kleidung noch Löhnung.
Jetzt beschloß der Herzog Maximilian von Bayern, des Kaisers Verbündeter, den Krieg nach Böhmen zu verlegen. Er stand mit seinem Feldherren Tilly an der Spitze von zwei Heerhaufen, welche aus Deutschen, Wallonen, Spaniern und Italienern bestanden. Die Reiterei befehligte Albrecht von Waldstein. Sie eroberten nacheinander Krumau, Budweis, Prachatic und rückten vor Pisek. Der Oberst Hake, welcher mit fünfhundertvierzig Mann darin lag und vom Anhalt Verstärkung erwartete, verlangte drei Stunden Bedenkzeit, um eine Kapitulation aufzusetzen. Man gestattete diese, ließ aber noch vor Ablauf derselben die Wallonen Sturm laufen, die Besatzung, Bürger, Weiber und Kinder niedermetzeln, den Commandanten Hake hängen, den Primator der Stadt enthaupten und den Ort in Asche legen. Es war dies eine Niederträchtigkeit sondergleichen. In Folge dieser Schreckensbotschaft öffneten auch Strakonic, Winterberg, Schüttenhofen und Klattau die Thore. Bouquoi vereinigte seine Truppen mit den bayerischen – Anhalt hinderte es nicht; man sagte, er sei vom Kaiser gewonnen.
Die kaiserliche und bayerische Armee zog vor Rakonic. Die wachsende Gefahr stachelte endlich Friedrich auf, er entriß sich den Prager Lustbarkeiten und erschien im Feldlager, nachdem er zuvor seinen ältesten Sohn und Thronerben nach Berlin geschickt und seine übrigen Kinder wie seine Gemahlin dem Schutze der böhmischen Stände empfohlen hatte.
Thurn, Hohenlohe und der jüngere Anhalt riethen zu einer entscheidenden Hauptschlacht; denn die Kaiserlichen waren ermüdet und hatten eine unvortheilhafte Stellung. Aber der ältere Anhalt widersprach; er wollte nicht, daß man alles Heil auf eine Karte setzen sollte. Tagelang standen sich beide Heere gegenüber – Friedrich wollte sogar unterhandeln – aber Maximilian gab ihm nur den übermüthigen Rath, die böhmische Krone niederzulegen. Endlich kam es zu einem hitzigen Treffen, in welchem aber keiner von beiden Theilen sich den Sieg zuschreiben konnte. – Jetzt litten die Kaiserlichen Mangel an Lebensmitteln und Maximilian rückte aus seinem Lager und bot den Böhmen eine Schlacht an. Aber Anhalt, statt sie anzunehmen, zog sich eiligst bis nach Prag und auf den Weißen Berg zurück, wo er sich verschanzte. – Maximilian folgte in einem Eilmarsch, denn er brannte vor Begierde, sich zu schlagen. Die Böhmen riethen zur Schlacht, Anhalt hatte Lust, sich in die Stadt zu werfen, Hohenlohe wollte die feste, uneinnehmbare Stellung nicht verlassen. Friedrich wurde nach Prag geschickt, um die Einwohner zu beruhigen.
Am folgenden Tage rüsteten sich die Kaiserlichen zum Angriff. Anhalt schickte nach Prag, um die dortigen Truppen an sich zu ziehen, und beschwor den König, ins Lager zu kommen; aber dieser hatte eben zu einem großen Gastmahl eingeladen und hatte deshalb keine Zeit. Er versprach nach aufgehobener Tafel zu kommen.
Die Kaiserlichen griffen mit klingendem Spiele an – Bubna, Thurn und der junge Anhalt warfen sie an der Spitze der Reiterei mit großer Bravour zurück, die Ungarn auf dem linken Flügel schlugen die Polen und Kosaken; der Sieg war fast gewiß. Da begannen die Böhmen zu plündern, das Blatt wendete sich, Maximilian und Liechtenstein führten frische Truppen ins Gefecht, die Hohenlohe'schen Reiter flohen, ihnen folgten die Ungarn, die sich bei Motol in die Moldau stürzten, um das jenseitige Ufer zu erreichen – die Böhmen wichen nach verschiedenen Seiten, nur die Mährer standen noch heldenmüthig beim Thiergarten »Stern« und wollten lieber sterben als fliehen. Thurn und Schlik waren ihre Anführer. Die ganze kaiserliche Macht warf sich nun auf sie – Waldstein's schwere Reiter nahmen Schlik gefangen. Ein Haufe umringte Thurn, »gebt Euch gefangen, Herr Graf!« rief ihr Anführer.
»Nur mit abgehauenen Händen, Ihr Schurken!« sagte Thurn, indem er sich wie ein Löwe wehrte, » Finis Boëmiae!«
Da wand ihm vom Rücken her jemand den Degen aus der Hand und eine bekannte Stimme sprach: »Aber doch mir, Bruder!?«
Es war Waldstein. Er gab seinen Leuten einen Wink, sich zu entfernen. Sie setzten den Fliehenden nach.
»Siehst Du, Mathias,« sagte Waldstein, »meine Zeit ist doch gekommen! Deinen Vorwurf mach' ich wett. Ich sagte damals: Wenn auch Dir gegenüber, sollst Du doch Waldstein's Schwert erkennen.«
»Ich erkenn' es,« versetzte Thurn finster und fuhr mit der Hand über das Antlitz, welches der Pulverdampf geschwärzt; »Gottes Fluch lastet auf uns. Ich bin Dein Gefangener, Albrecht.«
»Nein, Du bist frei, Alter,« sagte Waldstein herzlich, »ich werde doch den böhmischen Löwen nicht fangen, damit aller Streit zu Ende. Dienst für Gegendienst; Du kannst mir schon vergelten.«
»Albrecht,« antwortete Thurn, »Du auf unserer Seite und trotz des Elends und der Schmach, es würde mich freuen, so aber bist Du drüben, gegen Böhmen, hast ihm den Untergang geschworen! Du dauerst mich, Albrecht!«
Waldstein überreichte ihm seinen Degen und sagte so freundlich als möglich: »Zürnst Du mir, alter Freund?«
»Nein, nein!« rief mit einem Tone innerer Bewegung Thurn, »aber denk' an mich: Man wird es Dir einmal schlecht lohnen!«
Er gab seinem Roß die Sporen und sprengte über das Blachfeld den Fliehenden, die sich zum Reichsthor hinabwälzten, nach.
Und dies war das blutige Meteor, welches über dem Weißen Berge niederfiel, als der entthronte Kaiser Rudolf sein »Wehe« ausrief über Prag!