Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

VI.

Es war während eines Hochamtes in der Sanct Veitskirche. Camilla saß im Oratorium neben einer vornehmen, bejahrten Dame. Der Platz derselben war vor der offenen Brüstung, während Camilla mehr zur Rechten hinter der Säule und der Vergitterung sich befand. Sie konnte so, ohne gesehen zu werden, durch das vergoldete Laubwerk die ganze Versammlung in der Kirche überblicken. Waldstein stand im Schiff des Domes, an eine Säule gelehnt. Bald bemerkte Camilla, daß Albrecht mit ihrer Nachbarin bedeutsame Blicke wechsle. Eifersucht und Neugierde regten sie auf.

»Verzeiht, gnädige Frau,« fragte sie mit leiser Stimme, »wer ist jener Edelmann dort unten an der Säule?« Sie bezeichnte seine Gestalt und Tracht näher.

»Der Baron von Waldstein!« versetzte wohlgefällig lächelnd Camilla's Nachbarin – es war die Freifrau Viczkova.

»Ich glaube den edlen Herrn,« fuhr die Gräfin fort, »schon an einem anderen Orte außer Prag gesehen zu haben; ein schöner Mann, von adeligem Wesen, stolz, ritterlich. Ist er vermählt?«

Die geschmeichelte Witwe gab sich sofort mit mädchenhaft gesenkten Blicken als Waldstein's Braut zu erkennen.

In Camilla's Busen loderte es auf wie ein Vulcan, sie war einer Ohnmacht nahe, doch bemeisterte sie sich, verbarg das Gesicht in ihrem Gebetbuch; die eben eintretende Wandlung zwang die Witwe zu der üblichen Ceremonie des Bekreuzens und an die Brust Schlagens, sie konnte die krampfhafte Aufregung im Wesen ihrer Nachbarin nicht gewahren.

»Also nicht Walperga?« dachte Camilla für sich, »und doch Walperga!« setzte sie mit Bestimmtheit hinzu. »Die alte vornehme Dame wird seine Gattin – das Sängermädchen bleibt seine Geliebte?«

Sie war nahe daran, der fremden Dame alles zu sagen. Aber die Ueberlegung bemeisterte schnell ihre Leidenschaftlichkeit. Sie suchte sich von jetzt an ihre Nachbarin durch Schmeichelworte und Verbindlichkeiten zu befreunden. So erfuhr sie von der Eitlen den Namen, ihre Verhältnisse, und erhielt, da sie sich als eine fremde Dame vom Stande zu erkennen gab, die Einladung zu einem Besuche.

Als die Messe beendigt war, vermied es Camilla, an der Seite der Freifrau die Kirche zu verlassen; ohne Zweifel erwartete diese Albrecht am Wagen, und von diesem durfte und wollte sie in ihrer Gesellschaft nicht gesehen werden. Sie besuchte aber noch am folgenden Tage die Witwe.

So sehr im ersten Augenblicke ihr Haß gegen die entschiedene Nebenbuhlerin aufflammte und zur Rache rief, ebenso schnell überzeugte sie sich nach kurzem Nachdenken, daß ihr diese Nebenbuhlerin im Herzen Waldstein's nicht gefährlich sei, daß er diese Verbindung zweifelsohne nur aus Rücksichten auf Rang, Reichthum und Familienverhältnisse eingehen mochte. Wenn sie nun – spann sich ihr Ideenkreis weiter zum gut angelegten Plane aus – sich in das Vertrauen Lucretia's eindrängte und darin befestigte, wenn sie, durch Verschwiegenheit Großmuth übend, Waldstein zum Dank verpflichtete, warum sollte die betagte Witwe nicht immerhin seine ungeliebte Gattin, warum konnte nicht sie ferner seine Geliebte sein? Durch seine Gemahlin beherrschte sie ihn, durch ihr Schweigen zwang sie ihn zur Huldigung.

Die Wahl zwischen ihr und Lucretia mußte ihm nie schwer fallen. Aus den welken Armen dieser kehrte er bald an ihre lebenquellende üppige Brust zurück. Für die Liebkosungen, die er dort aus Pflicht gezollt, fand er Erquicken und süße Labung in ihren Armen.

Nur Walperga war ihr gefährlich, denn diese liebte er. Hatte er ihr doch Schutz in seinem Jagdhause gegeben, unbekümmert um sein Verhältniß zu Lucretia, gegen welches diese ritterliche That arg verstieß. Freilich konnte auch hier sein Herzensfreund Otto von Los den Vermittler spielen und in den Augen der Witwe den Verdacht tragen. Ein ähnlich schlaues Spiel traute sie wohl Albrecht zu. Nur gegen Walperga's Schönheit und vollends gegen des Mädchens zauberische Gesangesgabe vermochten ihre Reize nicht siegreich Stand zu halten. Hier mußte sie weichen. Und darum mußte jene entfernt, beseitigt, wenn es galt, vernichtet werden. Hatte sie ihm Walperga entrissen, so war auch ihre Rache befriedigt, die sie neben der Liebe für ihn im Herzen trug; denn vergessen konnte sie nicht, daß er sie kalt verstoßen. Das Wie blieb einem weiteren Plane vorbehalten.

Camilla beschloß, ihre scheinbare Großmuth Albrecht gegenüber noch weiter zu treiben. Auch von seinem Verhältniß mit Walperga wollte sie der Witwe nichts verrathen, so hatte sie ihn doppelt verbunden. Geboten es die Umstände, so konnte sie ja leicht später und zur rechten Zeit Lucretia's Eifersucht aufreizen, zum Verderben des Mädchens. Ihm aber wollte sie vorerst segenbringend, verzeihend, ein milder, leidender Engel erscheinen. In diesem Sinne schrieb sie jenen Brief, der ihm zuerst eine lästige Kette anlegte. Und er konnte und wagte es nicht zu hindern, daß seine Braut sich immer mehr mit Camilla befreundete.

Waldstein's Argwohn, der ihm bei der Nachricht des Erzbischofs von der Freifrau Rücktritt aufstieg, war falsch; Camilla hatte sein Verhältniß zu Walperga nicht an Lucretia verrathen. Diese hatte von einer anderen Seite her eine Mittheilung erhalten, da nachgerade Waldstein's und Otto's Händel mit Scherbic, die Errettung und Bergung der schönen Brabanterin auf Vrchov zum Stadtgespräch wurden.

Camilla's ganzen Plan verrückte jetzt die Entdeckung, daß die arme Straßensängerin plötzlich als Tochter eines der ersten und reichsten Adelshäuser des Landes anerkannt worden sei. Als solche stand Walperga nicht mehr zu niedrig für den Freiherrn von Waldstein; nein, sie war ein gar hoher Preis, um den er gerungen hätte, hätte er ihn in der That noch nicht besessen. Noch war die Vermählung Albrecht's mit Frau von Viczkova nicht in allen Punkten unumstößlich festgesetzt, noch konnte sie an irgend einem unvorhergesehenen Hindernisse scheitern, und Waldstein wandte sich zu der nun ebenbürtigen Walperga. Erfuhr er deren plötzlichen Glückswechsel, wie leicht trat er dann selbst zurück; denn hier lockte ihn alles: Reichthum, Rang, Jugend, Schönheit, Liebe! Ihr Herz pochte angstbeklommen bei diesen Voraussetzungen. Einer solchen Wendung der Verhältnisse mußte sie begegnen. Lucretia mußte um jeden Preis bewogen werden, noch heute die Verbindung unwiderruflich fest zu schließen, die Vermählung zu beschleunigen. Es sollte keinen Rücktritt mehr für Waldstein geben!

Camilla verwünschte den Schneckengang ihrer Träger, sie hätte ihnen Flügel geben mögen. An jeder Minute Verzögerung hing ein Mißlingen ihres Planes. Wie, wenn Waldstein schon Kunde hatte von Walperga's Erhöhung und bereits im Begriffe stand, das Band zwischen Lucretia zu lockern, um es am folgenden Tage zu lösen? Der Gedanke machte sie erbleichen und erbeben.

Sie langte bei der Freifrau an. Diese war eben im Begriff, zum Erzbischof zu fahren. Der Wagen hielt vor der Thür.

»Ihr seht eine Freie in mir,« sagte bitter lächelnd Lucretia zur Gräfin, als diese eintrat, »mit diesem Ringe hier schenke ich mir und einem Anderen die Unabhängigkeit wieder. Ich breche mit dem Freiherrn Wenzel Eusebius Albrecht von Waldstein! Ich habe dies bereits dem Erzbischof in einem Briefe als meinen unabänderlichen Entschluß angezeigt; doch hat mich der kranke Fürst zu sich bitten lassen und wird vermitteln wollen. Allein, seine Beredtsamkeit soll von dem ehernen Panzer meines Vorsatzes mächtig abprallen. Ja, wir sind wieder frei, Frau Gräfin; Damen in reiferen Jahren ist nicht gut freien, und zumal jüngere Männer. Eine zweite Ehe hat selten Glück gebracht. Es war eine Grille nur – ich ließ mich beschwatzen vom Fürsten Lamberg.« Ihr Antlitz röthete sich von Leidenschaftlichkeit während dieser mit Hast hervorgestoßenen Worte.

»Ihr erschreckt mich, gnädige Frau!« rief Camilla scheinbar überrascht, wie sie es in der That auch war, denn ein feindseliges Ereigniß durchkreuzte bereits ihren Plan. »Sprecht, um Gottes Willen, was ist geschehen? Warum? Und so plötzlich?«

»Wenn mein Verlobter,« fuhr Lucretia mit Erbitterung fort, »Liebeshändel mit einer Straßensängerin pflegt, sie auf seinem Jagdhaus beherbergt, wohl gar für sie ritterlich kämpft und sie aus Kerkermauern errettet, als wäre sie eine verzauberte Prinzessin gar, und wenn dies alles so offenkundig geschieht vor Volk und Adel, in dem Augenblicke geschieht, wo er mit mir zum Altare treten will, dann mag er diese Schmach und Spott darüber allein tragen, ich stehe zu hoch und bin zu stolz, die Hälfte davon auf mich zu laden!«

»O mein Gott!« rief Camilla, »ist es das, dann ist es nichts, gnädige Frau! Ihr seid im Irrthum; ich preise den Himmel, daß er mich, die Fremde, in den Stand setzt, Euch Licht in dieser Sache zu geben. Haltet ein, gnädige Frau! Ihr würdet schweres Unrecht auf Euch laden und einen Schuldlosen kränken, für den noch kurz zuvor Euer Herz so warm empfunden. Nein, schöne Frau, das sollt, das könnt Ihr nicht! Wohl hat Albrecht – edel und ritterlich wie er ist, dem Hohen wie Geringen gegenüber eine arme, verfolgte und auch schöne Dirne beschützt, doch nicht für sich, nicht zu eigennützigem Zwecke, sondern für seinen Freund, für Otto von Los. Dieser liebt das Mädchen, das, wenngleich gemeinen Standes, doch ehrbar und unbescholten ist, mit rücksichtsloser Leidenschaft und wird wieder geliebt. Ich fürchte, Otto setzt Rang und Rücksicht beiseite und führt die Straßensängerin zum Altare. Sie war bedrängt von einem wüsten Gesellen, und im Augenblicke der Gefahr hatte Albrecht, der Freund dem Freunde, den stärkeren Arm geliehen. Ich kenne Otto selbst und sein Verhältniß – ich kann Euch bürgen für die Wahrheit dessen, was ich sage! Wäre, was Albrecht that, vor Jahrhunderten in der romantischen Ritterzeit geschehen, es wäre gefeiert worden in Liedern und Bildern; doch jetzt spritzt der böse Leumund seinen Geifer darüber aus. Wohl hat Albrecht in seinem Jagdhaus, das er nicht bewohnt, nur seine Diener, dem Mädchen und dessen Mutter eine Zufluchtsstätte eingeräumt, weil's schicklicher, als wenn sie in des Freiherrn von Los Behausung Obdach gesucht hätten. Zudem hat, wie ich eben vernommen, Frau von Rosenberg der Dirne bereits eine Freistätte in ihrem Hause gegeben. Ihr seht daraus, daß sie auch nicht ganz geringer Art sein muß. Und dafür, edle, gutherzige, milde Frau, wollt Ihr dem Bräutigam zürnen, ihn schelten, ihn verstoßen, Euer Herz von ihm wenden, statt ihn zu loben, noch heißer zu lieben!? Nein, das könnt Ihr nicht, da sei Gott vor. Ich segne die Stunde, in der ich kam, um diesen schrecklichen Irrthum aufzuklären.«

»Wenn es in der That so ist, edle Freundin,« sagte Frau von Viczkova und brach in Thränen aus, »dann – dann – ich will es Euch nur gestehen, daß mein Herz dem Spott erlegen wäre, daß mich die Scham getödtet hatte, Waldstein's Braut nur kurze Frist zu heißen und –« sie vollendete nicht.

»Darum, gnädige Frau, beschwöre ich Euch als Freundin, beschleunigt diese Verbindung. O, Ihr wißt nicht und mein Herz hat es tief verletzt, wie Neid und Mißgunst sich gegen Euer Glück verschworen, wie hundert Mißgünstige Euch tödten möchten, daß es Euch gelang mit Euren Reizen, Eurem Geiste, Eurer Anmuth, den edlen und mannhaften Waldstein zu erobern. Ist er nicht der schönste Mann in Prag, der tapferste, der edelmüthigste? Wie ein König tritt er auf, und Blick und Miene scheint zu sagen: Wo ist eine Krone? Gebt sie her! Hier ist das Haupt, das für sie paßt! – Ja, gnädige Frau, selbst wenn Albrecht, von Euch gedrängt, gestände, daß er eine Neigung für das Mädchen gehegt, daß sie ihn geliebt, selbst dann – glaubt ihm nicht, es ist nur Redeprunk männlicher Eitelkeit, denn ich weiß zu genau, daß sie allein Otto von Los zu eigen ist. O, Lucretia, ich hab' ja selbst erfahren, was Liebe, was bedrängte Liebe ist – daher mein Mitgefühl! Wie schmerzt es mich, daß ich noch einige Zeit mein Geheimniß in der Brust bewahren muß, nicht niederlegen darf in das theilnehmende Herz einer Freundin! Auch meine Liebe hat mit der Menschen Neid und Mißgunst zu kämpfen!«

Es hätte nicht dieser Betheuerungen und Ermuthigungen bedurft, um Lucretia's Entschluß wankend zu machen. Auch ohne Angabe von Thatsachen hätte die Gräfin gesiegt, denn schon hundertmal hatte die Witwe ihren raschen Schritt bereut, sie liebte Waldstein in der That mit der Leidenschaft eines jungen Mädchens und bedurfte nur einer geringeren Anregung, um ihm auf halbem Wege die Hand der Versöhnung entgegenzustrecken.

»Ich gehe,« sagte sie sichtbar erhoben und erfreut zur Gräfin, »habt Dank – Ihr habt mich aufgerichtet und ermuthigt; der Himmel vergelte Euch in Eurer eigenen Liebe!«

»Und Ihr versprecht mir, daß alles vergessen, daß der Bund bald, sehr bald vollzogen werden soll? Ich zittere für fremdes Glück, weil ich selbst in jeder Secunde für das eigene beben muß.«

»Ich gelobe es,« versetzte Lucretia – »noch morgen vielleicht.«

»Dann erlaubt, daß ich bis zu Eurer Rückkunft hier verweilen darf; ich bin begierig auf den Ausgang dieses schönen Friedensschlusses. O ich freue mich ja so gern mit den Fröhlichen, den Glücklichen, wenn auch mich die Freude gemieden.«

»Bleibt, ich kehre bald wieder,« lächelte selig Lucretia und eilte fort, um sich in den Wagen zu werfen.

Camilla sah ihr höhnisch nach. »Die alte eitle Thörin,« sagte sie, »die da glaubt, mit ihren Schätzen einen Mann wie Albrecht fesseln zu können! Wenn er nur noch keine Kunde von Walperga hat und mein Meisterstreich nicht mißlingt, den ich in großer Selbstverleugnung begonnen.« Sie betete inbrünstig. Auch die Bösen beten und hoffen auf Erhörung.

Waldstein war schon gegenwärtig, als Lucretia beim Erzbischof eintrat. Nur seiner Erscheinung hatte es bedurft und keiner Beweise von seiner Unschuld, um von neuem siegreich in das Herz der Witwe einzuziehen. Er war kalt, gemessen, stolz; wie imponirte er in dieser Haltung der liebeschmachtenden Lucretia!

Der Erzbischof saß in einem Armstuhl, er nahm Lucretia's, er nahm Albrecht's Hände und näherte sie einander, indem er, wie mit wehmutherfüllter Stimme sagte: »So soll ich denn die Hände, die ich vor kurzem noch zum schönen Lebensbunde ineinander gefügt, wieder trennen? Ich stehe am Rand des Grabes; mein Lebensabschied sollte die Weihe Eurer Herzen sein, und meinen letzten Segen wollte ich breiten wie Palmenzweige auf Eure Lebensbahn! Und –«

Er hielt gleichsam von Schmerz überwältigt inne, und Albrecht sagte, die Hand aufs Herz gelegt, mit wehmüthigem Ton: »Mein hochwürdigster Fürst! Ich bin mir keiner Schuld bewußt; kennt' ich die Anklage, leicht würde mir die Rechtfertigung werden.«

»Nein, nein!« rief Lucretia und brach, überwunden schon durch Albrecht's Stimmenklang in Thränen aus – und sank in seine Arme, »Ihr seid schuldlos, ich weiß alles. Nicht Eure Liebe ist die fremde Sängerin, sie ist Otto's von Los. Ihr habt Euch edelmüthig für den Freund geopfert. Ich habe Euch schweres Unrecht abzubitten.«

»Ihr wißt also,« entgegnete Albrecht erstaunt; denn er stieß auf ein neues Räthsel.

»O, Ihr hattet,« fuhr Lucretia fort, »hätte es dessen noch bedurft, nach allem, was ich erfahren, eine schöne, eine warme Fürsprecherin, die Gräfin van Meer!«

»Die Gräfin van Meer?« wiederholte Albrecht und fragte sich verwundert: Welches Gift hat dieses Weib wieder gekocht, dessen Wirkung wir erst später empfinden werden?

»Ihr seid also versöhnt?« rief der Erzbischof salbungsvoll aus. »Ich sehe es an Euren Thränen, lass't die meinigen sich mit ihnen mischen und mich zum zweitenmale und für ewig den Bund der Herzen segnen, die Gott für einander schuf.« Er vereinigte ihre Hände und fuhr dann in herzgewinnenden Worten gegen Lucretia fort: »Jetzt aber säumt nicht länger, zum Altar zu treten. Ihr habt's erfahren, wie geschäftig Neid, Bosheit und Verleumdung sind, zwei Herzen zu trennen, die sich durch Gottes Fügung wunderbar gefunden. Der Allmächtige weiß allein, wie wenig Stunden mir noch zugemessen sind, und bevor ich das müde Haupt zur Gruft senke, lass't dies mein mattes Auge Euch noch als Gatten grüßen.«

»Ich lege mein Geschick und meinen Willen,« sagte sanft weinend Lucretia und küßte des Erzbischofs Hand, »in Euer väterlich Ermessen!«

Der Erzbischof hieß nun beide an den Tisch gehen, um den Ehevertrag zu unterschreiben. Lucretia that es rasch und freudig; doch Waldstein's Hand zitterte, als er den Namenszug auf das verhängnißvolle, für ewig bindende Blatt zeichnete. Die Trauung wurde nun auf den folgenden Tag festgesetzt; sie sollte, um jedes Aufsehen zu vermeiden, nicht in der Domkirche, sondern bei den Prämonstratensern des Strahof, in der Capelle des heiligen Norbert neben dem Hochaltare, bei verschlossenen Thüren stattfinden. Der Erzbischof selbst versprach, sich in einer Sänfte dorthin tragen zu lassen, um zu assistiren, sein Ceremoniarius sollte die Amtshandlung des Sacramentes vollziehen. Lamberg dispensirte von Aufgebot und Zeugen.

Lucretia fuhr in ihre Wohnung zurück. Mit leuchtenden Augen trat sie vor die harrende Gräfin und sank in deren Umarmung. »Es ist alles vollbracht,« sagte sie, »morgen um elf Uhr werde ich in der Sanct Norbertscapelle auf dem Strahof Albrecht's glückliche Gattin! Der Erzbischof hat uns alles Förmliche erlassen; die Trauung ist geheim und übermorgen soll Prag staunend erfahren, daß dasjenige bereits geschehen, was man mit so großer Spannung erwartet. Wie bin ich froh, daß es sich so gefügt und ich jeder prunkhaften Schaustellung enthoben worden bin!«

»Ich wünsche Euch Glück,« versetzte die Gräfin mit weniger Lebhaftigkeit als sonst und wie zerstreut, »von ganzer Seele! Und da ich der Feierlichkeit selbst nicht beiwohnen kann, so erlaubt mir, daß ich später meine freudigen Grüße bringe. Noch Eins! Ich bitte Euch, gnädige Frau, leiht mir auf kurze Zeit Euren Wagen, ich habe meine Sänfte heimgeschickt, und ein dringend Geschäft ruft mich noch auf den Hradschin.«

»Gebietet ganz über Eure dankbare Freundin!« sagte Frau von Viczkova verbindlich und setzte hinzu: »Ja, die Seligkeit des heutigen Tages danke ich Euch allein und werde dessen nie vergessen.«

Camilla fuhr auf den Strahof. Vor dem Prämonstratenserkloster ließ sie halten und trat hinein. Nach einer Viertelstunde kehrte sie zurück und befahl dem Kutscher, sie nach ihrer Wohnung zu fahren.


 << zurück weiter >>