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Achttausend Ungarn, welche König Mathias den Ständen zu Hilfe geschickt, langten bei Prag an. Man lagerte sie auf dem Spittelfelde und versah sie mit Mundvorrath und Munition. Auch aus Mähren strömten noch täglich andere Völker herbei. Nun schien es dem Kaiser gerathen, sich der Passauer zu entledigen, die auch ihrerseits einsahen, daß ein längeres Bleiben zwecklos sei. In einer dunklen Märznacht zogen sie ihre Posten ein und verließen in aller Stille die kleine Seite und das Schloß. Erzherzog Leopold, die Grafen Sulz und Althan führten sie; der Kaiser hatte ihnen noch drei Pulverwagen mitgegeben. Kaum wurde aber ihr Abzug ruchbar, als ihnen der ständische Oberst Lucas Trnavsky mit einigen tausend Mann nachrückte. Er erreichte sie beim Dorfe Hluboschic, wo es zu einem Treffen kam.
Von den Passauern wurden zweitausend Mann theils erschlagen, theils verwundet und gefangen genommen; die Böhmen ließen fünfhundert der Ihrigen auf dem Platze, Trnavsky wurde am Kopfe schwer verwundet, als er aber mit der Siegesbotschaft nach Prag kam, erntete er den lebhaftesten Dank der Stände. Die übrigen Passauer setzten ihre Flucht bis Budweis fort, wo sie die Stadt besetzten und sich noch einige Zeit verhielten.
Jetzt schickte der Kaiser einen Abgeordneten an die Stände und ließ fragen, ob es sich bestätige, daß sie den König Mathias nach Böhmen berufen hätten. Die Stände antworteten, dies sei der Fall und Mathias bereits auf dem Wege nach Prag. Sie ließen sofort das Brückenthor öffnen, die Verschanzungen auf der Brücke wegnehmen und die Verbindung zwischen Altstadt und Kleinseite wieder herstellen.
Mathias Thurn, als Oberbefehlshaber sämmtlicher ständischer Truppen, zog mit diesen in die Kleinseite und bemächtigte sich des Schlosses.
Er trat vor den Kaiser, dessen ganzer Muth gebrochen schien und der einer schlimmeren Wendung der Dinge entgegensah und sagte: »Eure Majestät! Wer die Passauer Räuberhorde ins Land berufen, darüber steht den getreuen Ständen keine Untersuchung zu. Da sie nunmehro aber vertrieben, so geziemt es allein den böhmischen Kriegern, ihres Königs Person und Würde zu schützen. Zu diesem Ende habe ich das Commando des Schlosses übernommen und werde Eurer Majestät geheiligte Person gegen jeden Versuch von außen bewachen.«
Der Kaiser versetzte finster: »Thut, was Euch gut dünkt und was Ihr zu verantworten glaubt vor der Welt und Eurem Gewissen,« und kehrte ihm den Rücken zu. Denn er fühlte, daß er so gut wie ein Gefangener sei. Die Stände besorgten in der That, der Kaiser könnte sich entschließen, Prag zu verlassen, um sich mit seinen Schätzen nach Bayern zu begeben, wie ein Gerücht ging. Sie wollten aber nicht in den Verdacht kommen, als hätten sie den Kaiser aus dem Lande getrieben, was ihre Feinde ohne Zweifel behauptet haben würden.
Mathias langte in Iglau an. Die Stände schickten eine Gesandtschaft unter Wenzel Kinsky an ihn; sie wollten sich seinerseits noch mehrerer Zugeständnisse versichern, um nicht hinterher ihr blindes Vertrauen wieder bereuen zu müssen. Sie beschlossen zugleich, daß die Passauer vollends zum Lande hinausgejagt und diejenigen Herren, welche ihnen keine Hilfsvölker gesendet, als Feinde vorgemerkt werden sollten. Der Geheimschreiber des Erzherzogs Leopold und ein Parteigänger Franzisdorf, die sich noch immer bei Hofe aufhielten, wurden von ihnen trotz dem Widerspruch des Kaisers gefangen gesetzt.
Mathias ging von zweitausend Reitern begleitet nach Prag, nachdem er in Iglau die böhmischen Gesandten mit Wohlwollen und Freundlichkeit überhäuft hatte. Der Kaiser sandte ihm heimlich seinen Oberstallmeister Adam von Waldstein entgegen, mit der Warnung, er möge den unbeständigen Böhmen ja nicht zuviel vertrauen und deshalb seine Wohnung im kaiserlichen Schlosse nehmen. Mathias antwortete von Czaslau aus, er habe bereits den Böhmen sein Heil und Glück anvertraut und werde daher auch die ihm von ihnen in der Altstadt eingerichtete Wohnung beziehen. Als sich Mathias der Hauptstadt näherte, kam ihm Adam Waldstein dessenungeachtet mit den prächtigsten Wagen und einer großen Anzahl des vornehmsten Adels entgegen, indem er ihm im Namen des Kaisers und der Stände zu seiner Ankunft Glück wünschte. Mathias hielt einen prächtigen Einzug. Rudolf ahnte, daß sein Stern gänzlich erbleichen wolle!
Schon am folgenden Tag ließ Mathias die Stände zu sich berufen. Er grüßte sie freundschaftlich und reichte jedem von ihnen einzeln die Hand. Er fragte, weshalb sie ihn berufen hätten. Sie gaben ihre Antwort schriftlich ab, welche zugleich auch vom Oberst-Burggrafen und mehreren katholischen Herren unterzeichnet war. Darin baten sie ihn, er möge sofort die Verwaltung des Reiches übernehmen, da der Kaiser von Alter und Krankheit zu sehr gebeugt sei, um länger dem Regiment vorstehen zu können. Dann möge er die ungarischen Truppen mit den ständischen Völkern vereinigen und die Passauer vollends aus dem Lande treiben lassen.
Mathias antwortete mit erheuchelter Nachgiebigkeit, da sothanes der einstimmige Wunsch der gesammten Stände, so erblicke er darinnen einen Fingerzeig Gottes und gedenke dadurch auch die letzten Lebensjahre seines kaiserlichen Bruders zu erleichtern. Ungarische und böhmische Truppen machten sich sofort auf, um die Passauer, die noch in Budweis und Prachatic hausten, zu vertreiben.
Jetzt baten die Stände den Kaiser, auf den künftigen 2. April einen Landtag auszuschreiben, widrigens sie genöthigt wären, aus eigener Machtvollkommenheit einen solchen anzuordnen.
Rudolf fragte seine Räthe Slavata und Martinic um Rath – aber diese, welche schon in Mathias ihren nächsten gnädigen Herrn erkannten, hatten keinen für den alten Kaiser. Auch die Sterne hatten keinen Trost mehr für ihn!
Slavata und Martinic erhielten bald darauf, auf Befehl der Directoren, Arrest in ihrer Wohnung.