Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Unter den Schriftstellern der »jungen Garde« Ungarns nimmt Franz Herczeg, dessen Bekanntschaft wir durch die vorliegende novellistische Arbeit dem deutschen Lesepublikum vermitteln, seit mehreren Jahren einen vornehmen Platz ein. Er zählt zu den gelesensten, allseits beliebtesten Autoren des modernen Ungarn und die erste Bühne seines Vaterlandes, das Budapester Nemzeti szinház (Nationaltheater), hält seine bisher aufgeführten Stücke ständig auf dem Repertoire.
Franz Herczeg wurde am 22. September 1863 in Werschetz geboren, wo sein Vater Bürgermeister war. Seine Familie führte ursprünglich den Namen Herzog und stammt aus Schlesien, von wo sie zu Maria Theresias Zeiten nach dem – zum großen Teil auch heute noch von den Nachkommen deutscher Ansiedler bevölkerten – Banate (einem Landstrich in Unterungarn) auswanderte. Herczeg entsagte bald seiner jugendlichen Schwärmerei für die militärische Laufbahn, absolvierte an der Budapester Universität die Rechtsstudien und widmete sich allmählich vollends seinen früh erwachten schriftstellerischen Neigungen. Vorher noch, in seiner Heimat, hatte er Gelegenheit, viel in Gesellschaft von Offizieren eines ungarischen Husarenregimentes zu verkehren. Hierbei sammelte er Stoff zu mehreren seiner späteren Arbeiten aus dem oft wechselvoll-interessanten Leben der Reiteroffiziere, das er wie kaum ein Zweiter anziehend und frisch zu schildern weiß. Im Jahre 1889 begann er, nachdem seine ersten litterarischen Arbeiten schon in mehreren Blättern Aufnahme gefunden, Erzählungen für das Feuilleton des Budapesti Hirlap zu schreiben, welche Aufsehen erregten und dermaßen gefielen, daß Herczeg sehr bald in die Reihe der gesuchtesten Feuilletonisten der ungarischen Hauptstadt emporstieg. Nach kurzer Zeit gewann er mit seinem Roman Fenn és lenn einen Preis, den eine angesehene Verlagsbuchhandlung (Singer & Wolfner) ausgeschrieben hatte. Ein Lustspiel, das er beim Nationaltheater einreichte, A dolovai nábob leánya (Die Tochter des Nabobs von Dolova), wurde sehr beifällig aufgenommen, ein zweites, A három testör (Die drei Gardisten), hatte gleichfalls schönen Erfolg. Seine erzählenden und humoristischen Werke erschienen in mehreren Bänden, von denen besonders der Cyklus A Gyurkovics-leányok (Die Töchter Gyurkovics), Mutamur, Napnyugati mesék (Occidentale Märchen) und A Gyurkovics-fiúk (Die Söhne Gyurkovics) reißenden Absatz fanden. 1894 veröffentlichte er einen Roman Simon Zsuzsa, der wieder außerordentlich gefiel und innerhalb eines Jahres drei Auflagen erlebte.
Wie die meisten ungarischen Schriftsteller ständig bei einem größeren journalistischen Unternehmen thätig sind, wirkt auch Franz Herczeg auf einem Redaktionsbureau. Das meistverbreitete ungarische Tageblatt Budapesti Hirlap bringt von ihm allwöchentlich feuilletonische Arbeiten, Novellen, Skizzen, Humoresken etc., und jährlich ein- bis zweimal umfangreichere erzählende Werke. Seit Neujahr redigiert Herczeg ein von ihm ins Leben gerufenes belletristisches Wochenblatt Uj Idök (Neue Zeiten), das in jedem seiner Beiträge den Stempel auserlesenen Geschmackes an sich trägt und sehr verbreitet ist.
Die Schreibweise Herczegs zeichnet sich vor allem durch große Natürlichkeit und Frische, den Mangel jeglicher sentimentaler Affektiertheit aus. In der Form knapp und durchaus kurzweilig, der Tendenz nach ausnahmslos gesund, üben alle seine Arbeiten durch die Unmittelbarkeit und Feinheit der Beobachtung, Plastik der Schilderung und vermöge eines oft mit scharfer Satire gewürzten gemütvollen Humors einen Reiz aus, dem sich auch das große deutsche Lesepublikum gewiß nicht wird entziehen können. Seine Werke wurzeln im Boden der modernen ungarischen Gesellschaft, die er wie wenige gründlich kennt und fesselnd zu schildern versteht und zu deren Kenntnis in deutschen Landen auch vorliegendes Bändchen Herczegscher Novellistik beizutragen berufen ist.
Budapest, 1895.