Unbekannte Autoren
Tausend und eine Nacht. Band XXIV
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Die Frau von Kairo und ihre vier Liebhaber.

Man erzählt, daß in Kairo eine Frau lebte, ein Bild von Schönheit, Lieblichkeit, Wuchs und vollendeter Anmut, die mit einem Kadi eine Schwierigkeit erlebte, und die Sache trug sich folgendermaßen zu. Sie war die Frau eines Emirs, und sie pflegte die Bäder monatlich einmal zu besuchen. Als nun der Tag für den Besuch des Bades wieder nahte, schmückte und parfümierte sie sich und machte sich schön, worauf sie zum Bade eilte. Ihr Weg führte an dem Gerichtshof des Kadis vorüber, und, da sie dort einen Haufen Menschen gewahrte, hielt sie an und sah dem Schauspiel zu, als der Kadi einen Blick auf sie warf, der in ihm tausend Seufzer weckte, weshalb er sie fragte: »O Frau, hast du ein Anliegen?« Sie versetzte: »Nein, ich habe keins.« Dann neigte er sich ihr zu und, sich ihr nähernd, fragte er sie: »O meine Herrin und Licht meiner Augen, ist Vereinigung zwischen uns beiden möglich?« Sie versetzte: »Ja«; und nun fragte er sie, wann es sein könnte, worauf sie zu ihm sagte: »Komm nach dem Abendessen zu mir.« Dann verließ sie ihn und trat ins Bad ein, wo sie sich wusch und reinigte. Hernach, als sie das Bad verließ, wollte sie wieder nach Hause gehen, als ihr unterwegs ein Chwâdsche begegnete, welcher der Schâhbender der Kaufmannsgilde war. Sobald er sie erblickte, verliebte er sich in sie und fragte sie: »Ist's möglich, daß wir uns vergnügen?« Da gab sie ihm die Zeit nach dem Abendessen an, worauf sie ihn verließ und weiter ging. Nahe bei ihrem Haus traf sie einen Fleischer, dessen Herz sich ihr ebenfalls zuneigte, so daß er sie fragte: »Könnten 114 wir wohl zusammenkommen?« Sie erwiderte ihm, er solle sie eine Stunde nach dem Abendessen besuchen, und trat dann ins Haus und stieg die Treppe hinauf, wo sie sich im obern offenen Saal setzte und ihren Kopfschleier und alles, was sie auf dem Haupte trug, ablegte. In der Nachbarschaft ihres Hauses wohnte aber ein Kaufmann, der aus irgend einem Grunde auf sein Dach gestiegen war. Als nun die Frau ihr Haar entblößte und einen Kamm nahm und es zu trocknen und zurechtzumachen begann, fielen seine Blicke auf sie, während sie hiermit beschäftigt war, und sein Herz verliebte sich in sie. Er schickte eine Alte zu ihr, und diese brachte ihm Antwort und gab ihm an, er solle sie während der Nacht nach dem Abendessen besuchen. In solcher Weise hatte sie sich vier Männern versprochen. Nun hatte aber der Kadi für sie einen Schminkstift, der Chwâdsche einen feinen Anzug, der Fleischer einen ganzen Hammel und der Kaufmann zwei Stücken Seide besorgt. Sobald es dann Abendessenszeit war, machte sich der Kadi heimlich zu ihr auf und schenkte ihr das, was er bei sich hatte; kaum hatte er es sich jedoch auf seinem Sitz bequem gemacht, da kam der Chwâdsche gleichfalls an und pochte. Da fragte der Kadi die Frau: »Wer mag das sein?« Sie versetzte: »Sei ohne Furcht, steh' nur auf und zieh' deinen Anzug aus.« Infolgedessen entkleidete er sich gänzlich und sie kleidete ihn in einen langen Kaftan und eine Kappe und verbarg ihn in einer Kammer, worauf sie fortging und die Thür öffnete. Es erschien der Chwâdsche und sie führte ihn herein und nahm sein Geschenk von ihm an, worauf er sich neben sie setzte. Kaum aber saß er da, da pochte es an die Thür, und er rief: »Wer ist das?« Sie versetzte: »Sei ohne Furcht, steh' nur auf und zieh' deine Sachen aus.« Da stand er auf und entkleidete sich, und sie zog ihm einen Kaftan an und setzte ihm eine Kappe auf, worauf sie ihn in einer andern Kammer versteckte. Dann eilte sie zur Thür, und plötzlich erschien der Fleischer, und sie ließ ihn ein und führte ihn herein. Nachdem sie sein 115 Geschenk angenommen hatte, ließ sie ihn Platz nehmen; er hatte sich jedoch kaum gesetzt, als es plötzlich wieder an die Thür pochte, so daß er erschrak; sie sagte jedoch zu ihm: »Fürchte nichts, steh' nur auf und zieh' deine Sachen aus, damit ich dich verstecken kann.« Infolgedessen warf er seine Kleider ab, und sie steckte ihn in einen Kaftan und setzte ihm eine Kappe auf, worauf sie ihn in eine dritte Kammer stieß. Dann ging sie fort und öffnete die Thür, als der Kaufmann ihr Nachbar erschien; sie ließ ihn ein und wies ihm, nachdem sie sein Geschenk in Empfang genommen hatte, einen Platz zum Sitzen an. Wie er aber gerade dabei war, es sich bequem zu machen, pochte mit einem Male wieder jemand an die Thür, und er fragte: »Wer mag das sein?« Da rief sie: »Ach, meine Ehre! Ach, das Unglück! Das ist mein Gatte, der erst gestern vier Männer umbrachte. Steh' jedoch auf und zieh' deine Sachen aus.« Da that er nach ihrem Geheiß, worauf sie ihn in einen Kaftan und eine Kappe kleidete und in eine vierte Kammer steckte. So befanden sich alle vier in Angst und Schrecken in ebensoviel Kammern; sie aber ging nun hinaus, und plötzlich trat ihr Gatte der Emir herein und setzte sich auf einen Stuhl, der sich im Hause befand. Alle merkten, daß sie ihrem Gatten aufgemacht und ihn hereingelassen hatte, und sprachen bei sich: »Gestern schlug er vier tot, und jetzt komme ich an die Reihe.« So machte sich jeder über seine Lage Gedanken und entschied bei sich, was ihm von ihrem Gatten widerfahren würde.

So stand es mit den vier Liebhabern; als sich aber der Hausherr gesetzt hatte, begann er mit seiner Frau zu plaudern und fragte sie: »Was hast du heute auf dem Wege nach dem Bad gesehen?« Sie erwiderte: »O mein Herr, ich habe vier Abenteuer erlebt, und an jedem hängt eine wundersame Geschichte.« Als die vier die Frau dies sagen hörten, sprach jeder bei sich: »Fürwahr, ich bin ein toter Mann, und die Absicht der Frau ist mich zu verraten.« Ihr Mann aber fragte sie nun: »Was sind das für vier Geschichten?« Sie 116 versetzte: »Ich sah vier Männer, von denen jeder ein komischer Kauz, ein Narr und ein Possenreißer war; außerdem, o mein Herr, waren alle in einen Kaftan und eine Kappe gekleidet.« Als die Liebhaber diese Worte vernahmen, sprach ein jeder bei sich: »Was diese Dirne, diese Ehebrecherin für ein Gericht über uns gebracht hat!« Ihr Mann aber fragte nun: »Warum brachtest du sie nicht hierher, daß wir uns an ihrem Anblick ergötzten?« Sie entgegnete: »O mein Herr, wenn ich sie gebracht hätte, was würdest du dann zu ihnen gesagt haben? Ich fürchte in der That, du hättest sie totgeschlagen.« Er erwiderte: »Keineswegs, ich hätte es nicht gethan, da es Spaßmacher sind, und wir hätten uns an ihren Späßen belustigt und hätten sie uns etwas vortanzen und erzählen lassen, unser Herz zu erfreuen; dann hätten wir sie fortgehen und ihres Weges ziehen lassen.« Nun fragte die Frau: »Angenommen aber, sie hätten nicht verstanden zu tanzen und Geschichten zu erzählen, was hättest du dann mit ihnen gethan?« Er versetzte: »Wenn dies der Fall gewesen wäre, dann hätten wir sie allerdings umgebracht und in den Abtritt geworfen.« Als die vier Leute diese Drohung vernahmen, sprachen sie bei sich: »Es giebt keine Kraft und keine Macht außer bei Gott, dem Hohen und Erhabenen!« Der Kadi aber sprach bei sich: »Wie könnte ich noch Kadi dieser Stadt bleiben, wenn man mich mit Kaftan und Kappe angethan tanzen und Geschichten erzählen gesehen hat? Fürwahr, das ist der größere Tod! Gott verderbe dieses Weib von Ehebrecherin!« Der Fleischer wiederum dachte bei sich: »Wie soll ich noch der Scheich der Fleischer bleiben, wenn ich mit einer Kappe auf meinem Schädel herumhopse? Das ist in der That eine qualvolle Strafe!« Der Chwâdsche aber sprach bei sich: »Wie soll es mit mir stehen, wenn man mich in einer Kappe tanzen sieht? Der Tod durchs Schwert wäre leichter als dies!« Der Kaufmann endlich, der Nachbar der Frau, stöhnte bei sich: »Leichter wäre es, mich mit eigener Hand umzubringen als all dieses Üble zu ertragen.« Nun 117 sagte die Frau zu ihrem Gatten: »So Gott will, bringen wir sie dir hierher ins Haus, daß wir uns daran vergnügen.« Er versetzte jedoch: »Bei Gott, hättest du sie heute Nacht hergebracht, so wäre es besser gewesen, denn morgen Abend habe ich bei dem Großemir Geschäfte.« Da sagte sie: »So gewähre mir Gnade und Erlaubnis, und ich will aufstehen und sie dir unverzüglich bringen; jedoch muß jeder allein vor dir erscheinen.« Er erwiderte: »O Frau ich gewähre dir Gnade und gebe dir Erlaubnis.« Da erhob sie sich ohne Aufschub und Verzug und begab sich zu der Kammer, in welcher der Kadi steckte. Sie öffnete dieselbe und trat herein, worauf sie ihn bei der Hand faßte, ihn herauszog und ihn, angethan mit Kaftan und Kappe, wie er war, vor ihren Gatten stellte. Der Hausherr betrachtete ihn und, seiner Sache gewiß, daß es der Kadi war, sagte er zu ihm: »Gesegnet sei dir, o unser Herr, diese Kappe und dieser Kaftan, die dir vortrefflich stehen!« Der Kadi aber schlug, als er vor dem Gatten der Frau stand, seine Stirn zu Boden und war in seiner Verlegenheit in das Kleid des Schamschweißes gekleidet, und nun sagte der Emir zu ihm: »O unser Herr Kadi, tanz' uns ein Tänzchen wie ein Affe und erfreu' uns, und erzähl' uns nach dieser Vorstellung ein Geschichtchen, das uns die Brust ausdehnt.« Als aber der Emir diese Worte zu ihm sprach, fürchtete der Kadi für sein Leben, da er die Worte des Hausherrn vernommen und wohl im Gedächtnis behalten hatte; und so klatschte er mit den Händen und hüpfte nach rechts und links, während der Emir und seine Frau sich vor Lachen ausschütten wollten und einander, den Tanz des Kadis verspottend, Zeichen gaben. Der Kadi aber hüpfte so lange, bis er ermattet auf den Boden fiel, worauf der Emir zu ihm sagte: »Genug, nun laß deine Geschichte hören, damit wir uns daran ergötzen; dann steh' auf und geh' deines Weges.« Der Kadi versetzte: »Ich höre und gehorche,« und hob sofort an und erzählte: 118

 


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