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Zweites Buch
Das lebendige Kleid

Zur Psychologie der Mode

Die Herrenmode der Epoche hat man im Wesen ihrer Entwicklung in zwei Bildern, die Fontane gelegentlich gezeichnet hat. Er vergegenwärtigt seinen Freund Friedrich Eggers, und siehe da! Der schöne Mann trägt blauen Frack, orange Weste, grüne Krawatte. Eine saphirne Tuchnadel ist in Reserve. Das ist im Jahre 1855. Jahre sind verstrichen, und Theodor Fontane geht mit einem Herrn im Tiergarten spazieren. Dieser Herr trägt leinene Beinkleider und leinene Weste von »jenem sonderbaren Stoff, der wie gelbe Seide glänzt und sehr leicht furchtbare Falten schlägt«, darüber ein grünes Röckchen, Reisehut und einen Schal. Der Schal birgt den Stein des Anstoßes, denn dieser Schal ist endlos geworden und umtänzelt, umschwänzelt den Wandernden. Mit dem so gekleideten Herrn aber hat sich Fontane bei Kranzler, in der bekannten Berliner Konditorei, Unter den Linden, zu präsentieren. Hier sitzen die Offiziere von den Gardekürassieren. Der also gekleidete, vom Schal umschlängelte Laokoon aber ist Theodor Storm.

Deshalb werden beide Bilder so bemerkenswert, weil sie die Tendenz dieser Herrenmode bloßlegen. Gewiß, auch diese Mode bewegt sich zwischen Gegensätzen; hat ihr Auf und Nieder der Jahreswellen; ihre Auswüchse. Trotzdem legt sie aufs Große und Ganze hin angesehen, geradlinigen Weg zurück: den zur Farblosigkeit; den zum Unbehindertsein. Mehr und mehr verzichtet der Anzug darauf, die Körperformen zur Geltung zu bringen. Die Hosen werden weit. Selbst der Gesellschaftsanzug verschmäht es, von wenigen Rückschlägen abgesehen, die Taille anzudeuten.

Dazu die weitere, die wichtigere Tendenz, die geheime. Die Entwicklung der Herrenmode geht bis in die neunziger Jahre des verflossenen Jahrhunderts auf Wohlfeilheit. Deshalb das Ueberwuchern der Konfektion. Auch der »bessere Herr« trägt den Anzug von der Stange, vom Ueberzieher nicht zu reden. Deshalb das Eindringen all jener praktischen Surrogate, jene Ersatz-Sauberkeit. Die Hemdenmanschetten sind zum Abknöpfen und Umdrehen eingerichtet. Der Serviteur über der Jäger-Wolle ersetzt das Oberhemd. Der Gummikragen tritt in Erscheinung. Die Krawatte wird nicht mehr gebunden, ihre Schleifen sind festgenäht, im Nacken sitzt – ja, wenn sie immer säße! – die Schnalle.

Und nun zeichnet Fontane sein eigenes Bild. Er ist zum Empfang beim König von Bayern befohlen und schreitet die marmornen Stufen der Residenz hinauf. Die weiße Krawatte (3 Uhr nachmittags) sitzt tadellos; mit Hilfe von drei Paar wollenen Strümpfen hat er seinen Fuß so dick und elastisch gemacht, daß alle Riffe und Falten in den Lackstiefeln ausgeplättet sind (1859).

Was an dieser Mode – bis in die neunziger Jahre! – irgendwie repräsentativ ist, wird derart von England bestimmt und so wenig in Deutschland verstanden, daß selbst die wenigen, die Bescheid wissen, sich aus Anpassungsbedürfnis – ein Wesentliches aller Mode! – falsch anzuziehen gezwungen sind. Fürst Hohenlohe ist (1862) zu gleicher Nachmittagsstunde wie Fontane zu Hof befohlen – »da ich wußte, daß trotz aller anglomanen Tendenzen der Ueberrock doch noch nicht als Morgenanzug bei Hofe eingeführt ist, so zog ich den Frack an und erlaubte mir nur die schwarze Halsbinde.«

Das alles will besagen? Nicht viel weniger als: der Herr tritt auf der Modebühne der Zeit tiefer in den Hintergrund zurück. Die Stelle, die er vordem eingenommen, gehört nun ganz und ausschließlich dem Offizier. Der erhält sich die Farbenfreudigkeit und die prallsitzenden Hosen. (Den Zivil-Uniformen geht beides ab.) Der trägt den Rock auf Taille, manch einer bequemt sich zum Korsett. Auf der Modebühne der Vorkriegszeit ist der Leutnant Narziß.

 

Ganz im Vordergrund der Modebühne, im hellen Licht des Scheinwerfers, steht die Dame. Sie tritt zunächst (1850 bis 1868) in der Krinoline in Erscheinung. Das Höchstmaß der Volants ist 1860 erreicht.

Den Stoff der Krinoline gibt die Seide her. Mit Vorliebe werden Brillanten als Schmuck getragen. Der Parfümgebrauch ist so übermäßig, daß sich Gottfried Keller (1850) in einem Berliner Theater wie betäubt vorkommt.

Das kurze Jäckchen, das, vorwiegend mit Bortenschmuck, zur Krinoline getragen wird, zeugt für die Musikliebhaberei der Zeit. Denn da ist das Postillon-Jäckchen, und weist auf den »Postillon von Lonjumeau«; das Ungarjäckchen, und deutet auf Liszt. Dazu das Türkenjäckchen und der Frack, – vorübergehend meldet sich auch die Romantik mit altdeutschen Puffärmeln zum Wort.

Was will die Krinoline? Die Frau soll klein und breit erscheinen. Deshalb die Schuhe mit niederen Absätzen, das flache Hütchen. Die Garnierung macht, die Figur umkränzend, die Dame breiter. Damit verträgt sich aber durchaus das Ideal der hohen Frauenstirn. Noch liegt die Zeit der geistreichen Frau, der Frau der deutschen Romantik, nicht gar so weit zurück. Noch legt man Wert darauf, das Wort der Frau zu vernehmen.

Man hat Rote-Kreuz-Schwestern, man hat Bäuerinnen bei der Feldarbeit in Krinolinen gesehen – die Krinoline scheint dennoch mehr höfischer als bürgerlicher Lebensführung angemessen gewesen zu sein. Man hat die Empfindung, in der niederen und engen Bürgerstube jener Jahre, in der Beschränktheit des bürgerlichen Verkehrs, habe sie zuviel Raum in Anspruch genommen. Zugegeben: die Absicht ging bewußt dahin, Platz für die Frau zu schaffen, sie in den Vordergrund zu führen. Dem Bürgertum gebrach's aber doch wohl noch an Selbstsicherheit. Es blickte auf die höfischen Ueberlieferungen und suchte sich selbst dadurch zur Geltung zu bringen, daß es sich ihnen nach Möglichkeit anpaßte; fand deshalb eine Hoffestlichkeiten entsprechende Form angemessener als die in die eigene Häuslichkeit passende.

Die Erotik der Krinoline? Die Sage will wissen, die Krinoline sei von der Kaiserin Eugenie erfunden worden, um eine Schwangerschaft zu verbergen. Die Sage irrt. Die Sage trifft in ihrem Irrtum, wie stets, zu tiefst das Wahre. Die Krinoline betont die Mutterschaft der Frau. Stellt sie gewissermaßen in eine Brutglocke hinein. Versinnbildlicht ihre Fruchtbarkeit.

In der Abwandlung der Frauenideale des Jahrhunderts würde das besagen: die Frau ist nicht mehr in erster Hinsicht und nicht zuhöchst Geliebte. Die Mutter wird in ihr verehrt. Und so ist die Krinoline bei aller Uebernahme höfischer Anschauungsformen nun doch eine sehr bürgerliche Angelegenheit.

 

Das Jahr 1868 bildet Caesur. Etwas wie im Wechselspiel des Wetters der Witterungsumschwung. Bis etwa zum Jahre 1885 erstreckt sich die neue Periode. Man hat sie als den Weg zum englischen Kostümkleid bezeichnet.

Die Krinoline wünschte sich die Frau klein und dick, jetzt sei sie schlank und groß! Das Prinzeßkleid setzt sich gleich eingangs (1868 bis 1870) durch. Die Garnierung läuft nunmehr zweckentsprechend senkrecht. Die Haare werden hoch aufgebaut, auf ihnen thront der Hut. Die Dame – oder soll man sagen: die bürgerliche Frau? – ist repräsentative Erscheinung geworden.

Zugleich weicht das Ideal der hohen Stirn dem einer sehr niederen! Haarfransen in die Stirn, Ponylocken! Denn es ist nun doch schon lange her, und niemand hat mehr davon vernommen, wer Rahel war und was Schleiermacher zu ihr gesprochen. In dieser Zeit darf die bürgerliche Dame in einiger Stummheit imponieren.

In dieser Periode werden die Röcke enger, zeitweise sehr eng. Um recht von Herzen Mode zu sein, muß jedwede Mode die Möglichkeit bieten, daß diese zu jener auf der Straße sagen kann: »Sieh die da!« Die Bosheitsmöglichkeit erst gibt der Mode Lebensluft.

In dieser Periode (1877) taucht der Cul de Paris auf, er verliert sich, um immer wieder neu zu sein; bis 1890 fristet er mit Unterbrechungen sein Dasein. Eine Krinolinen-Reminiszenz? Wenn ja, dann sagt das Heut in solcher Erinnerung sein Nein zum Gestern. Denn, die repräsentative Absichtlichkeit gleichsam mit einem Zirkumflex akzentuierend, trägt der Cul eher dazu bei, die Trägerin groß als klein erscheinen zu lassen.

Intermezzo: 1881 steht das deutsche Gretchen auf der Modebühne der Zeit. Puffärmel, Gretchentasche, Rembrandthut. Zehn Jahre also hatte die Mode gebraucht, um den Sieg des Deutschtums ihrerseits zu feiern.

Garnierungsmittel wird in dieser Zeit der Knopf. Er bedeutet das Liebäugeln mit der Uniform.

Die Frage nach der Erotik, ohne die jedwede Mode unverstanden bliebe? Diese Zeit erlebt das tiefe Dekolleté, die Verlängerung der Taille, das Hochschieben des Busens. Das Korsett wird in gewisser Weise Präsentierteller. Die Erotik aber des Cul de Paris? Es ist vielleicht besser, ihr im geheimen nachzusinnen, als ihr das verräterische Wort zu geben. Oder war dies der Hauptzweck der hinterlistigen Maschine, den engen Rock über dem Schoß zu spannen?

Die Frau ist nicht mehr Mutter, sie ist auch nicht wieder Geliebte. Sie ist Herrin! Sie zeigt in der Verhüllung ihre Reize, um – sie nicht zu verschenken. Laß dir imponieren – von der Bürgerfrau.

 

Mit dem Jahre 1885 macht sich der Einfluß der Herren- auf die Damenmode geltend. Man wünscht sich demgemäß die Schultern breit. Die Taille erhält folgerichtig den Einsatz. Das Tuch wird das bevorzugte Material für den bald fußfreien, bald glockenförmigen Rock. Keulenärmel. Und abermals die Figur verbreiternd, über den Schultern das Cape.

Das englische Schneiderkostüm, die vom Rock gelöste Bluse, kennzeichnen die innere Tendenz. Es ist etwas von Revolte gegen das Korsett darin. Das Reformkleid taucht auf. Und hier nun zeigt sich eine merkwürdige Erscheinung, die aber allem Geschichtlichen eigen ist: ein scheinbar überraschend und nach großen, unvorhergesehenen Wandlungen Eintretendes war immer schon unmerklich und insgeheim vorbereitet! Die Nachkriegsmode schlummert, dem Kind im Mutterleib vergleichbar, in dem Modebestreben der letzten Vorkriegsjahrzehnte.

Das Frauenideal, das diese Mode um die Jahrhundertwende sich zaubert, ist nicht mehr ausschließlich auf deutschen Namen zu taufen. Etwas von der großen Reisenden, richtiger, von der Dame, die überall in der Welt zu Hause, bestimmt das Ideal. Es ist die Zeit, in der das Haar zum Ornament, der falsche Zopf zur eisernen Boudoir-Ration wird. Die Seide war in der Krinoline offen zutage getreten, sie hatte sich unter der Herrschaft des Cul de Paris – von der Gesellschaftstoilette selbstverständlich abzusehen – in die Unterkleidung geflüchtet, sie gibt jetzt in dem versteckten Seide auf Seide, dem Frou-frou, der Damenkleidung die entscheidende Note, der Dame selbst ihr gern verratenes Geheimnis.

Die Kopfbekleidung der bürgerlichen Frau war die Kapotte gewesen. So wie es sich für das Dienstmädchen ziemte, hutlos die Straße zu betreten, so war es selbstverständliche Pflicht der Dame gewesen, bei Visiten die Kapotte aufzusetzen. Nun werte man die Kapotte wie man will, – die Erinnerung an das Häubchen vermag sie nicht zu verleugnen. Die Kapotte ist Ausdruck der Häuslichkeit. Schwindet jetzt der Gebrauch der Kapotte, kommen die großen Radhüte zur Geltung, zur Herrschaft – verdrängen sie selbst im Besuchszeremoniell die Kapotte, so zeigt sich die innere Verschiebung deutlich. Und wieder möchte man das Frauenideal dieser letzten Periode vor dem Kriege auf das der großen Reisenden, die überall zu Hause ist, taufen.

In dem Deutschland der Beamtenhierarchie, des Militarismus und des Ressort-Machthabertums führt das zu eigenen Schwierigkeiten. In Hohenlohes Denkwürdigkeiten steht (1878) der Satz: »Gräfin Karolyi hatte ihren Rembrandthut auf. Gräfin Perponcher fand das für eine königliche Landpartie nicht geeignet.«

Die erotische Klangstimme des Frou-Frou? Es flüstert: ich bin unnahbar – doch wir sprechen uns vielleicht, nachdem die andern fort sind. Es gibt daneben auch die Erotik der falschen Haare. Naiv erzählt Gabriele Reuter in ihren Lebenserinnerungen von der verheirateten älteren Freundin, die sie als junges Mädchen in den Wald begleitete, und der die schweren falschen Zöpfe, »wie lebendige Schlüpftiere« aus den dünnen Haaren fielen. Sie steckt sie halt wieder auf, aber, den Zopf in der Hand, fragt sie das junge Mädchen, scheinbar ganz unvermittelt, ob es nicht eine unglückliche Liebe im Herzen trage? Gabriele Reuter ist es um die unglückliche Liebe zu tun, sie wird sich dessen, was sie erzählt, nicht bewußt. Der Wissende weiß um die dunkeln Gefühls-Zusammenhänge.

Scham wird in dieser Zeit zu einem Fremdwort und heißt von nun an: Diskretion.

 

Im Wirrwarr dieser Damenmoden, die hier doch nur in ihren Grundtendenzen gezeichnet wurden, das Gemeinsame? Diese Mode ist die ganze Periode über sehr kostspielig. Sie bezweckt, kostspielig zu sein. Sie hält sich etwas darauf zugute. Die Krinoline verwendet ungemein viel Stoff und wählt ihn aus Seide. Kommen später, die Unterscheidung des Tages- vom Gesellschaftskleid zu unterstreichen, andere Stoffe in Gebrauch, so nimmt die Seide alsbald die Unterkleidung für sich in Anspruch, mit den Stoffen des Oberkleides aber wird in Faltenlegung, Drapierung, Ueberwürfen, Garnierungen absichtlich die denkbare Verschwendung getrieben. Man brachte es fertig, selbst im engen Rock Stoffüllen zu bergen. Nicht genug damit: der Besatz sei kostbar. Vor allem: die Anfertigung muß so kompliziert sein, daß sie in sich besonderen Aufwand fordert. Ein einfaches Prinzeßkleid um 1870 kostete, auf heutigen Geldwert umgerechnet, 800 Mark. Entspräche also dem Monatsgehalt eines mittleren Beamten.

Die Mode wollte kostspielig sein. Nunmehr hatte die bürgerliche Frau in ihrer äußeren Erscheinung augenfällig, bezifferbar darzutun, was sich der Bürger leisten konnte. Ihr Schmuck, ihr Kleid, ihr Aussehn stand für seinen gesellschaftlichen Kredit. Ihr Auftreten zeugte für seine »Bildung«. Ja, es war wie unausgesprochene Absicht: seine Unscheinbarkeit in Verbindung mit ihrem Glanz verbürgte eine über jede Bürgschaft erhabene Solidität.

Derart trat das Bürgertum in die Gesellschaft ein. Es tauschte damit ein kulturelles Ideal gegen ein zivilisatorisches ein. Michel im Glück!

Auswirkung dieser Mode in ihrer Gesamtheit war aber auch, die Freude an der Farbe und an der Bewegung zu töten. Beides freilich gewiß nicht absichtlich. Diese Zeit verlor vielleicht noch früher als die Freude an der Farbe den Mut dazu. Dann kam der Einfluß der dunklen Herrenkleidung. Schließlich: es ist leichter, in unauffälliger, dunkler oder blasser, als in greller und leuchtender Farbenzusammenstellung vornehm zu – scheinen.

Freude an der Bewegung war von vornherein undenkbar. Ob die Frau nun klein und dick, oder ob sie hoch und breitschultrig erscheinen sollte – die rasche Bewegung tötet jedes »Erscheinen«. Repräsentation bedingt Ruhe. Das bürgerliche Ideal der Zeit: die Dame sitzt unangelehnt und steif. Sitzend, thront sie. Stehend, bildet sie Mittelpunkt. Irgendwie muß immer ein Aufblicken zu ihr sein.

Diese Zeit gab Bälle, um nicht zu tanzen. Richtiger: nicht den sich drehenden Paaren – den Zusehenden und Beobachtenden gebührte das Interesse.

Dies Bürgertum, durch drei siegreiche Kriege, durch die Reichsgründung, durch Anwachsen der Städte und das Augenmerk des Auslandes zu Repräsentation aufgerufen, beliebte wahrhaft Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern. Dem Mann die Aufbringung der Kosten, der Frau das Geltendmachen des Ansehns.

In das Lernpensum der Frau tritt in dieser Zeit das Geldausgeben.

 

Maxime Ducamp hat es Hohenlohe erzählt: während des Kommuneaufstands in Paris gab die Frau des Generals Eudes, der in der Légion d'Honneur wohnte, ein Fest. Sie erschien zu diesem Fest in rosafarbenen Strümpfen, schwarzen Zugstiefeln und dem Großen Band der Ehrenlegion. Sonst hatte sie nichts an.

Die psychologische Deutung des absonderlichen Vorfalls? Es ist der elementare und brutale Aufschrei gegen das Schauspielertum der Mode dieser Zeit. Es ist dasselbe, was Ibsens Nora dezenter und gesellschaftsgemäßer ausdrückt, wenn sie klagt, sie möchte einmal »Donnerwetter« sagen!

Ob das Idol nun klein und dick, ob es hochgewachsen schlank, ob es groß und breitschulterig hieß, immer, und das war gleichbleibendes Modegebot aus dem Herzen der Zeit zutiefst heraus, sollte die Frau etwas scheinen, vorspiegeln, darstellen, was – sie nicht war. Euphemismus wär's, zu behaupten, die Lüge hätte nur in den falschen Haaren und nur im ausgestopften Korsett gesessen.

Die Mode der Epoche rief in der Frau die Schauspielerin auf.


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