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Um elf waren Peter und Sepp unterwegs; doch nicht nach der Höhle, sondern an Hecken hin und durch Gräben, auf allerlei Schleichwegen nach dem Walde. Auf einem Hügel stand ein Kreuz als frommes Wahrzeichen für die Flößer auf der Isar. Da die Stelle im Mondlicht lag, entdeckte Peter alsbald einen gabelförmigen Ast, der lose in der Erde steckte. »Die Kameraden sind schon voraus,« sagte er leise zu seinem Begleiter; »und jetzt schau dich doch einmal um. Dort liegt München, dort säß' unser Kurfürst schon lang', und der Seebacher Lorenz lebet' noch heut', wenn's Anno fünf nit Hallunken wie den Lischbauern 'geben hätt'!«
»Du meinst, er ist's g'wesen?«
»Wer denn sunst? Woher hätt' er denn das viele Geld? Aber heut' kommt die Straf'.«
»Der Lisch hat einen bösen Hund.«
»Der beißt seit gestern keinen mehr.«
»Seinem Bauern war er treu.«
»Was weiß so ein Viech von Anno fünf! – Jetzt müssen wir durch den Wald. Kann sein, aber ich glaub's net, daß uns eine kaiserliche Wach' oder ein Forstmensch begegnet. Ich, der Franz, und du, der Sepp vom Seebacher Hof, wollen nach Sauerlach zur Kräutel-Wabi, weißt, wegen einer kranken Kuh. Verstehst?«
Der schwarze Wald nahm sie auf. Ein schmaler Weg zog sich zwischen hohen Föhren hin.
»Den Steig kenn' <b>i</b>,« sprach Sepp. »Da is der Talkirchener Kramer mitten in der Nacht einem Leichenzug begegnet. Und wer geht hinter der Bahr'? Unser damaliger Pfarrer. Da hat der Kramer freili g'wußt, daß dös lauter Geister san, denn er hat vor seinem Marsch Hochwürd'n beim Wirt im Herrenstübel sitzen sehen. Der Kramer hat sich von seinem Schreck erholt, aber der Pfarrer ist acht Tag' drauf plötzli g'storben.«
»Ich glaub's net.«
»Dös glaubst du net?! Mir hat heut' nacht von einer Prozession mit viel hundert Kerzen 'träumt. Paß auf, das bedeut't eine Leich' auf unserm Hof!«
»Halt 's Maul und gib acht! Ein Geisterzug wär' mir lieber als ein Zug Panduren.«
Endlich lichtete sich der Weg, und die Wanderer blickten aus dem Gehölz in freies Gelände, auf Wiesen und Äcker. Und da lag auch das Ziel, ein einsam Gehöft wie der Seebacher Hof, von einer verwitterten Mauer umgeben. Wohnhaus und Scheunen hatten altertümliche, steile Dächer von Stroh. Aus den Fenstern über der Mauer glänzte kein Licht, wie ausgestorben lag der Hof in der todstillen Nacht.
Ein Krähenschrei unterbrach die Stille. Obwohl Sepp mit dem Erkennungszeichen der Flüchtlinge vertraut war, schaute er unwillkürlich aufwärts, so naturwahr klang das »Kra«.
»Die Kameraden haben uns d'erspannt,« D'erspannt = bemerkt. murmelte Peter. »Wenn der Wolkendrak Drak = Drache. dort ein Stückerl weiter ruckt, fangen wir an. Du bleibst da und rührst dich nit vom Fleck. Drenten Drenten = drüben dem Preisinger Wald ist nit zu trauen. Der neue Förster vom Grafen, der schieche Teufel, geistert auch in der Nacht drin herum. Siehst den Grenzstoan? Dort führt ein Straßel aus dem Holz, das b'halt im Aug' und schrei >Kra! Kra!< wenn was außi kommt, Mann oder Hund!«
Das ziehende Gewölk verdüsterte den Mond, fünf, sechs Gestalten sprangen aus dem Wald feldein; Peter folgte. Was fallt ihnen ein, sagte sich Sepp, sie steigen über die Mauer! Die sind keck. – Er hörte das Kollern von Steinen, dann war's wieder still. – – Ein rötlicher Schein zuckte hinter der Mauer auf. Sie machen Licht, dachte Sepp in wachsender Unruhe. Der Schein wanderte vom Haus über den Hof, und plötzlich schoß eine Flackerflamme, ein brennendes Scheit oder Strohbündel, durch die Luft und fiel auf das Scheunendach.
Da war dem armen Narren alles klar. Mordbrenner! und »Kra! kra!« schrie er, aber sein ganzes Entsetzen lag in dem Ruf, es war ein gellender, verzweifelter Hilfeschrei. Und da krachte auch schon ein Schuß im Walde drüben, und Hunde schlugen an.
Die gestörten Räuber tauchten hinter der Mauer auf, sprangen ab und rannten über das Feld. Sepp wurde von der Faust Peters fortgerissen. »Lauf ums Leben!« keuchte der Raufbold, und Sepp, wieder wirr vor Schrecken über das, was er gesehen, wie über sein eigenes Geschrei, folgte.
»Die Hund'! die Hund'!«
»Sind hinter den andern her. Lauf!«
Peter kannte den Wald; er rannte so gut es ging in gerader Richtung, über einen sumpfigen Graben sprang er hinüber, wandte sich seitwärts, lief eine Strecke weit am Rain hin und sprang wieder. Beim zweiten Satz kam Sepp zum Fall. Er richtete sich auf, aber die Lunge versagte.
»Verschnauf dich!« sagte Peter. »Die Hund' sind weit. Der von ihnen anpackt wird, muß sich d'erwehren, oder wir sind dengerscht Dengerscht = dennoch. verloren.«
In der Richtung des Gehöftes war der Himmel rot. »Der Hof brennt,« fagte Sepp schaudernd.
»Unser Glück, denn der Förster wird erst die Leut' außi trommelt haben. Bis auf den Bauer sind alle jung. Die schlafen fest. Aber jetzt sag mir –«
Dem Sepp klapperten die Zähne; er dachte: »Jetzt bringt er mi um –«
»Hast z'erst den Jager g'sehn oder z'erst die Hund'?«
»Den Jager! den Jager!« fiel Sepp hastig ein und seufzte dann erleichtert auf.
»No, g'schrien hast laut g'nua. Man hätt' dich können in Talkirchen hörn. Und drauf hat der Herrgottsakra nach dir g'schoss'n!«
»Ja.«
»Und hat dich g'fehlt! Pfui Teifi! Das heißt, für uns war's gut, aber für den Schützen eine Schand'! Jetzt rappl' di auf! Wenn wir die Füß' auf den Buckel nehmen, sind wir in einer Viertelstund' auf der Landstraß'. Dann kommen wir von Sauerlach, verstehst!«
Sie gelangten ungefährdet heim. Der Raufpeter warf sich in den Kleidern auf sein Lager und schlief sofort ein.
Sepp jedoch auf der Streu im Stall fand keinen Schlaf. Und doch war die seelische Erschütterung für ihn von heilsamer Wirkung. Er konnte zusammenhängend denken, urteilen, überlegen, konnte sich über seine Empfindungen Rechenschaft geben. Er verabscheute den Einbrecher und Brandstifter, und eben wegen der Ähnlichkeit Peters mit Lorenz Seebacher, die den treuen Knecht bisher bestrickt und verwirrt hatte, haßte er jetzt den Mann. Sepp war ihm ergeben gewesen wie ein Hund seinem Herrn, ihm, der das Unglück und der Fluch des Hauses ist! Werden die Missetäter von heute nacht entdeckt, verfallen auch die Bäuerin und ihr Sohn, Walpurg und Sepp selbst dem Gericht. Denn der Seebacher Hof hat den Flüchtling und Räuber beherbergt. Geht diese Gefahr vorüber, verfallen Mutter und Sohn dem schrecklichen Menschen. Jammer und Not, wenn sie ihn fortschicken, Jammer und Not, wenn er bleibt!
Sepp betete zu Gott und allen Heiligen um Rat, doch alles Beten und Sinnen war vergebens.
Ein trüber Tag schien Peter beim Erwachen durch das offene Kammerfenster. Es regnete herein, und Nebel verhingen die Bäume jenseits der Mauer. In Talkirchen läuteten die Kirchenglocken.
»Läuten's die zweite Mess' ein oder aus? Ich hab' mich verschlafen. Der Max ist schon bei der Arbeit.« Er grinste vergnügt. – »Wenn die G'schicht aufkommen und wir aufg'schrieben wären, hätten s' mich nit verschlafen lassen.«
Peter suchte zunächst in den Ställen Sepp auf. Kein Sepp, kein Max! Auch die beiden Gäule waren nicht da. Wo sind sie denn mit unsern Bräundeln hin? Ins Holz geht's nit ohne mich. Sakradi! ich muß mit Sepp reden.
Er trat ins Haus, in die Wohnstube. Da empfingen ihn die Frauen mit Jammern und Weinen.
»Was is? was gibt's?«
»Der Max ist fort!« »Ja, wohin denn?«
»Das wissen wir nit. Er hat desentieren müssen.«
Die Bäuerin begann zu erzählen, doch ihre Stimme erstickte in Tränen. Auch der Versuch Walpurgs, zusammenhängend zu berichten, mißlang, auch sie brach bald in leidenschaftliches Weinen aus. Das Unglück, der Prüfstein der Freundschaft wie der Liebe, offenbarte ihr selbst erst die ganze Tiefe ihrer Neigung. Sie dachte nicht mehr an die »andern«, nicht an das Urteil der Welt, an ihre Zukunft und ihr Glück; ihr ganzes Sein war die Sorge, der Kummer und Schmerz um ihn. Nur nach und nach, in Bruchstücken, jetzt von Loni, jetzt von dem Mädchen, erfuhr Raufpeter die Ereignisse der vergangenen Nacht auf dem Seebacher Hof.
Max und die Frauen waren spät noch auf. Max war seltsam unruhig und schien sorgenvoll. Er gestand zuletzt, daß die beiden Knechte nachts ausgegangen, im Dorf oder wer weiß wo seien. »Das sind die Lumpazi!« meinte die Bäuerin, als an das Hoftor gepocht wurde. Doch Max widersprach dem entschieden, und so waren die Frauen voll bänglicher Erwartung, während jener hinausging, um sich über den späten Besuch Gewißheit zu verschaffen. Er kam zurück, wankend, weiß wie die Wand, ein Bild der Verzweiflung. Der Talkirchener Schullehrer folgte ihm auf den Fersen. Der alte Mann zitterte selbst vor Aufregung, aber faßte sich kurz. Der Gemeindevorstand schickt ihn und läßt mit eigener Gefahr als treuer Freund Mutter und Sohn im Seebacher Hofe warnen: Trotz der Friedensverhandlungen hebt die kaiserliche Regierung neuerdings mit unerbittlicher Strenge Rekruten aus und läßt auf die Dienstpflichtigen fahnden, denen aus irgend welchen Gründen, aber angeblich nie zu Recht, der Dienst erlassen worden. Vor einer Stunde hat eine kaiserliche Kriegskommission, von einem Trupp Rotmäntel begleitet, den Bäckerssohn in Talkirchen vom Backtrog weg und den jungen Täublerbauern aus dem Bett geholt. Jetzt sitzen die Menschenjäger in ihrem Nachtquartier fest – beim Wirt. Doch vielleicht schon morgen früh erscheinen sie auf dem Hof der Frau Apollonia, denn Max Seebacher steht auf ihrer Liste!
Die Frauen schreien auf. Max war wie von Sinnen. »Wenn du mir g'sagt hätt'st: morgen wirst hing'richt' – ich könnt' nit mehr erschrecken. Lieber bayrisch sterben, als kaiserlich verderben! Lieber ein rasches End', als Elend ohne End'! Ja, Elend! Wer von uns Bayern ausg'hoben wird, muß gleich über die Grenz'. Von den Talkirchenern, die's 'troffen hat, hat man nie mehr was g'hört. Ein Paar haben g'schrieben. O mei! man könnt' einem jeden ein Marterl setzen.«
Schnelle Flucht schien allen die einzige Rettung. Der Herbst muhte ja den Frieden bringen. Frieden, Frieden für das gequälte bayrische Volk!
»Ich weiß einen Winkel!« rief Max, von einem tröstlichen Gedanken erleuchtet. »Dort suchen s' mich net, und da will ich hin, und das gleich!«
»Net gleich, net gleich! wir müssen ja so viel noch bereden.«
»Und derweil fallt's denen in Talkirchen ein, und sie setzen uns einen Wachtposten vors Haus!«
Erschrocken gaben die Frauen jeden Widerstand auf, drängten jetzt selbst zur Eile. Max umarmte und küßte Mutter und Base, in seinem Schmerz vielleicht Walpurg öfter als die Mutter. Sie begleiteten ihn bis ans Tor. Noch ein letzter Abschied, dann schritt Max in die Nacht hinaus.
Der Lehrer blieb bei den trostlosen Frauen zurück. Sie sprachen noch hin und her, wie es kommen, wie es enden werde. Dann streckte sich der Lehrer auf die Bank zu einem kurzen Schlaf. Die Bäuerin hatte dem braven Alten im Herzen längst alles abgebeten, was sie Böses über ihn gedacht und gesprochen hatte. Sie schob ihm ein Kissen unter und deckte ihn mit einem Mantel ihres Seligen zu ...
»Und wo steckt der Maxel?« fragte Peter, nachdem die Frauen soweit erzählt hatten.
»Das hat er uns nit verraten,« antwortete Loni. »Wir Frauensleut', sagt er, könnten aus lauter Liab und Mitleid eine Dummheit machen. Aber der Peter, sagt er, weiß schon, wo ich bin. Der wird alles besorgen.«
Peter machte ein verdutztes Gesicht.
Max ist in der Höhle! »Himmelsakra, jetzt fallt die Welt ein!« Doch dann dachte er: mitgefangen, mitgehangen. Schlechter wird meine Sach' dadurch nicht.
»Du glaubst doch, daß er gut aufgehoben ist, wo er ist?« fragte die Bäuerin ängstlich.
»Das wohl, aber Geld kost's überall, und ich wag' mein Leben.«
»Peter, Peter! ich verzeih' dir alles, auch daß du mir den armen Seppl zum 'rumlumpen verführst. Bis zwei haben wir auf euch g'wart', wie eine arme Seel' auf Erlösung, aber wie ich dich ins Haus hab' stolpern hören, ist mir das Herz g'sunken. Der hat ein' Rausch, hab' ich denkt.«
»Ein Rausch war's net, nur Schlaf hab' ich g'habt.«
»Wie's dämmert, haben wir den Schulmeister g'weckt, und er ist mit unsern Bräundeln nach Holzkirchen g'fahren.«
»Und ich hab' nix g'hört. Was muß ich für einen mordarischen Schlaf und gut's G'wissen haben!«
»Der Sepp war wach.«
»Der Narr!«
»Wann's Wohl und Weh' der Seebacher gilt, ist er g'scheit. Er fahrt den Lehrer bis nach Holzkirchen. Zum Glück ist noch kein' Schul', und der Herr Pfarrer ist gut bayrisch.«
»Mich mag er net.«
»In Holzkirchen werd ein Bruder vom Lehrer die Bräundeln nach Miesbach führen, zum Viehhandler, du kennst ihn.«
»Den Schwager von unserm Wirt, ja freili!«
»Bei dem fallt ein paar Rösser mehr net auf. Wir aber können den G'strengen fagen: der Max ist schon gestern zu unfrei Verwandtschaft in die Berg' g'reist. Wann gehst zum Max?«
»Ja, tu's. Und er laßt dich bitten, bring' ihm seine Flinten Heute versteht man unter Flinten nur Schrotgewehre, aber Flinte hieß das Gewehr ursprünglich nach dem Feuerstein oder Flintstein. Die gezogenen Gewehre, Büchsen genannt, kommen allerdings im 18. Jahrhundert, aber schwerlich in einem Talkirchener Bauernhause vor. (1. Der Lehrprinz. Von Oberländer.) mit. Wir haben das Flinterl vor den Rotmänteln auf dem Heuboden versteckt. Jetzt liegt's verpackt in der Truhen.«
Das Flinterl war ein wuchtiges Gewehr mit Batterieschloß. Mit funkelnden Augen prüfte Raufpeter Schloß und Lauf und Schäftung. Dann legte er auf Walpurg an.
»Geladen ist's net.«
Das Mädel antwortete ruhig: »Ich fürcht' mi net.«
Er setzte wieder ab – zauderte – und reichte dann Walpurg das Gewehr.
»Besser für den Max, er hat keine Flinten, und besser für uns, wir haben das Schießrohr im Haus. Versteckt's dort unter der Bank in der Hennersteigen. Um eine leere Steigen bückt sich kein Pandur.«
»Peter, Peter!« rief die Bäuerin mit einem warmen Blicke. »Wenn alles gut ausgeht – Ich hab' ein Gelöbnis 'tan.«
»Und darf man's net wissen? Es wär' halt ein Sporn.«
Loni schlug fromm die Augen nieder. »Ich hab' der Mutter Gottes von Maria Einsiedel einen neuen Mantel von Samt und Silber gelobt.«
Peter hatte ein anderes Gelöbnis erwartet. Doch entmutigt war er nicht. Wenn alles gut ausgeht, dachte er, krieg' ich zu Michaeli einen neuen Mantel mit lauter Silbergulden als Knöpf' und ein sauberes Weib dazu!
Er ging zunächst ins Dorf, heute wieder als weißhaariger und ungewaschener Franz. Aus Fürsorge für seine Maske trug er einen Regenschirm. Noch außerhalb des Dorfes begegnete Peter der ebenfalls beschirmten, hochgeschürzten Ratschkatl.
»Grüß Gott, Frau Hinterhuberin! Das Ausschaugen ist gut. Was gibt's Neu's bei Enk (Euch)? Ist's wahr, daß die Buabenrauber wieder im Dorf sind?«
»Pst! Pst! das ist schon eine alte G'schicht'. Weiß Er denn das Neueste nicht? Heut' nacht haben s' im Lischerhof einbrechen wollen und den Stadel ankent. Die Scheune angezündet. Aber der Förster vom Grafen hat die Rauber verjagt.«
»Ist's mögli! Beim Lisch, dem alten, braven Mann!«
»Dem alten Spitzbub'n woll'n wir sagen. Der Förster und seine G'hilfen haben die Leut' auf dem Hof g'weckt, und dann haben s' g'löscht.«
»Dös war gut.«
»Ja, die Stadeln und Stall', sechs Küh' und eine Sau sind dem Bauern verbrannt, aber das Haus, die alte Hütt'n, haben s' g'rett'.«
»Du liabe Zeit!«
»Einen von der Banda hat man g'fangt.«
Peter bekam Herzklopfen. »Wer werd's sein? G'wiß ein Pandur.«
»Dösmal net. Ein Soldat ist er auch, aber nach der Unefurm, sagen s', ein Franzos.«
»Hat er nix ausg'sagt?«
»Der? Wenn ihn die Hund' vom Förster halb zerrissen haben! Jetzt liegt er draußen im Siechenhäusel. Vor acht Wochen, meint der Bader, können s' ihn nit verhör'n, und wann die acht Wochen um sind, ist er lang' schon tot.«
O Katl! dachte Peter, du bist ein schiaches Frauenzimmer, aber grad busseln könnt' ich dich heut'.
»Was ich sagen will: die Bäurin wird heut' traurig sein, denn dösmal, sagen s', muß der Max dran glauben.«
»Sie wer'n doch net! Und dann ist der junge Bauer auch gar net daheim. Er ist gestern zu seiner Verwandtschaft in die Berg' g'reist.«
»Jesses, da sperren s' am End' die Bäurin ein!« »So heiß werd's net 'gessen. In vierzehn Tag' ist der Bua wieder daheim.«
»Heut' in drei Tag' da haben s' ihn g'faßt! so sag' i! – Ja, und richt' Er der Bäurin einen schönen Gruß von mir aus, und ich werd' schon recht beten für Euch.«
»Dann kann's net schlecht gehn.«
»Er hat wohl einen b'sunderen Gang?«
»Na, nur für mi. Ich hab' seit gestern wieder mein altes Reißen in der rechten Hax'n, und da will ich zum Bader.«
»Was weiß denn der Bader! Halt' Er sich doch einen Krummschnabel in seiner Kammer! Dann kriegt der Vogel das Reißen, und Er werd's los.«
Sie verabschiedeten sich. »Ich hab' noch einen weiten Weg,« sagte Frau Hinterhuber geschäftig. »Die Pfaundlerbäuerin liegt schwer krank. Da tun ihr ein paar Neuigkeiten gut. Ich laß bei Ihm daheim schön grüßen – die Jungfer Walpurg ausgenommen!«
Peter war mit dem Stand der Dinge zufrieden. Gut, gut! Also das Zwetschkenmandel, den Feldmochinger Franzosen haben s g'fangt! Die Malefizhund' hab' ich schon lang' auf dem Strich und den Förster auch ... Aber dem andern g'schieht recht. Warum macht er mit uns lebfrischen Buab'n jede Gaudi mit. Dös g'hört sich für kein' alten Mann.
– – Peter ging einige Häuser weiter und bog dann in eine Gasse, in der man über den Kirchplatz weg gerade auf das Wirtshaus sah. Außer der Frau Hinterhuber begegnete er niemand. Auch an den Fenstern und auf den Lauben zeigte sich niemand. Aber im Torweg beim Wirt leuchtete ein roter Mantel. Ein baumlanger Pandur in voller Kriegsrüstung stand dort, offenbar als Wachtposten. Vor ihm auf dem pfützenreichen Platz hielt ein Rudel Gänse mit langgestreckten Hälsen und zornigem Geschnatter. Peter konnte das Kakakakahkak und Flügelschlagen deutlich hören, denn in Häusern und Höfen schien jede Arbeit zu ruhen. Doch es war keine sonntägliche, sondern rätselhafte, bängliche Stille.
Nach dem Wirtshaus hatte Peter heute kein Verlangen. Er trat bei dem Dorfbader ein, der in der Gasse seinen Laden hatte. Der Barbier und Heilkünstler zupfte, von zahllosen Stuben- und Schmeißfliegen umsummt und umbrummt, alte Leinwand zu Wundfäden. Er sah das trotz allem Ruß ihm wohlbekannte Gesicht im Wandspiegel und rief, ohne sich umzudrehen: »Ja, hast du gar net bang, daß dich der Teufel holt? Weißt nit, wer im Dorf ist? Ich hab' den Hauptmann g'sehn. Mit dem ist nicht gut Kirschen essen.«
»Was geht uns Alte der Hauptmann an?«
»Spaßvogel! – Sag, was willst? Den wüschten Bart lassen wir halt doch noch stehn?«
»Ja, er g'fallt mir selber zu gut. – Im Siechenhäusel, sagen s', liegt ein französischer Muschketier. Der hat dem Lischbauern das Haus ankent, und ihn haben die Försterhund' halb zerrissen. Ich hab' selber amal unter Vandomm als Muschketier 'dient. Am End' ist der Kerl ein alter Bekannter. Kann man ihn sehn?«
»Das laß dir vergehn. Nur die Auschtoritäten, ich und das G'richt, dürfen ins Häusel. Und was willst denn sehen? Das Manderl ist nur ein Häufel Verbandzeug, das nix red't und nix deut't.«
»Ja, ja, sie sagen, er zappelt zwischen Tod und Leben.«
»Für ihn ist's eins: verliert er – stirbt er; g'winnt er – werd er g'hängt. Morgen kommt der Medikus aus der Stadt. Dann halten wir einen Konzil. Ich sag', daß sie den Strick ersparen. Und paß auf, ich hab' recht.«