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Liebeskämpfe

In vielen Liebesverhältnissen hier auf Erden spielen drei Personen eine Rolle. Das ist nach abendländischen Anschauungen eine zu viel.

Der Hans liebt die Grete; aber die Grete liebt den Karl, und der Karl weiß nicht recht, was er will. Da liegt der Plan für eine der erschütterndsten Tragödien, die jemals die Blüte im lenzjungen Rosengarten eines Menschenherzens vernichtet haben.

Johann Kruse war jung und reinen Herzens, was ihm besonders zu statten kam, da er Hilfspastor war. Ein solcher soll ja wohl ein etwas besserer Mensch sein, als z.&nbsp;B. ein Advokat.

Er liebte Egeria Peters mit der ganzen Glut seines jungen, ziemlich unschuldsvollen Herzens, und da er ein streng wahrheitsliebender und aufrichtiger Mensch war, hatte er ihr in einem kühnen Augenblick diesen Sachverhalt offenbart.

Egerias gutes Herz und ihre Sorge um ihre Zukunft erlaubten ihr nicht, sich einer solchen Thatsache gegenüber ganz gleichgültig zu verhalten. Sie dankte ihm für seine Freundlichkeit und sagte, sie wage sich noch nicht zu binden, denn sie kenne ihr Herz noch nicht recht; noch weniger wolle sie ihn jedoch dadurch kränken, daß sie ihn völlig abwiese. Ginge es vielleicht nicht an, die Sache der Zukunft anheimzustellen – dann würde ja alles klar werden!

Und sie rückte, als sie dies sagte, so dicht neben ihn hin auf der Rasenbank, auf der sie in der Laube saßen, daß ein kecker junger Mann sicher die Gelegenheit benutzt hatte, sie zu küssen, was dann auch immer aus der ehelichen Glückseligkeit geworden wäre.

Aber Johann Kruse war jung und schüchtern und Hilfspastor; er begnügte sich daher, ihre Hand zu ergreifen und zu sagen, daß er geneigt wäre, zu warten.

In derselben Gemeinde gab es aber einen Gutsbesitzer, der Karl Waldheim hieß. Er konnte nicht predigen und kannte nicht die griechischen Buchstaben und hatte sich niemals für einen Heiligen ausgegeben; aber er besaß ein großes wohlbestelltes Landgut, auf dem nur eine kleine Hypothek lag.

In unserer Zeit sagt ein verständiges Mädchen nur noch selten,: »Er oder keiner!« Egeria Peters that dies jedenfalls nicht, sie sagte sich vielmehr: »Karl Waldheim oder Johannes Kruse, am liebsten Karl Waldheim!«

Und zwar, weil Pfarrhöfe selten so gut und groß sind, wie Karl Waldheims Rittergut, und dabei die unangenehme Eigenschaft haben, der Witwe nach einem sogenannten »Gnadenjahr« fortgenommen zu werden.

Hier gab es also drei verschiedene Personen in einem Liebesverhältnis, demnach, wie ich schon bemerkt habe, eine zu viel. Es wäre ein großer Vorteil für die Menschheit, wenn alle Liebesverhältnisse zwischen Mann und Weib auf je eine Person von jedem Geschlecht begrenzt werden könnten. Die dritte, die Störung hineinbringt, könnte in den meisten Fällen leicht in einem vierten Herzen anderswo untergebracht werden. Na, vielleicht kommt es noch, wenn wir erst nach dem Zonentarif reisen?!

Um aber im Stil einer modernen Novelle zu bleiben: es trat nun eine Zeit verhältnismäßiger Ruhe ein. Pastor Kruse predigte besser, als jemals, ließ sich einen neuen Pfarrock anfertigen und ließ überhaupt seine ganze Bezauberungskunst spielen. Fräulein Egeria entwickelte lebhaftes Interesse für die Landwirtschaft, bot der Schwester des Gutsbesitzers Waldheim ihre Hilfe beim Käsemachen und beim Früchteeinkochen an und stellte dem Käsereibesitzer mit all der Energie nach, die dem Thun des modernen Weibes ein ganz besonderes Gepräge giebt. Die Kirche versäumte sie deshalb keineswegs; aber auch für die Dampfdreschmaschine interessierte sie sich lebhaft. Sie weinte liebevoll, wenn der Pastor bei der Bibelerklärung Lukas 15 auslegte, und sie jubelte und klatschte in die Hände, wenn Karl Waldheim seine jungen Pferdchen einfuhr.

Was Karl Waldheims inneres Gefühlsleben anbetraf, so grübelte er tief über Kreuzung von Ayrshire mit Kurzhorn nach; aber dazwischen scherzte er mit den beiden Mädchen, ließ niemals einen Blick oder Händedruck unbeantwortet und schien nicht unerreichbar für ein Mädchen, das weiß, was es will.

Jede fünfte Woche fragte Johann Kruse, ob Fräulein Egeria betreffs ihrer Gefühle zu größerer Klarheit gekommen wäre.

»Nein, noch nicht, ihr Herz wäre so seltsam unruhig.«

***

Zum Schwersten gehört es, einen Mann zum Freien zu bringen, der nicht will, und auch ein wirklich nettes Mädchen sieht sich oft genötigt, in diesem lobenswerten Bestreben etwas weiter zu gehen, als daß ihre Bemühungen unbemerkt bleiben könnten von der übelgesinnten Welt.

So drang endlich zu Pastor Kruse's frommen Ohren die Kunde, daß seine Egeria es ganz gründlich auf Gutsbesitzer Waldheim anlegte. Voll bitteren Schmerzes fragte er sie offen, ob das wahr wäre. Sie sah ihn mit ihren Augen an, die so blau waren, wie das blaueste Meer, und sagte, es wäre Verleumdung.

Der Pastor glaubte ihr anfangs. Ihm, der auf Grund seines Amtseides an die Augsburgische Konfession, an das Apostolikum u.&nbsp;s.&nbsp;w. glauben mußte, konnte es nicht schwer fallen, an ein schönes, junges Mädchen zu glauben, das seine erste Liebe im Leben war.

Aber eines Tages, als er für Egeria nun fast ein Jahr brannte, sah er sie – wie er auf Gemeindebesuch aus war – mit Karl Waldheim oben auf einem Heuwagen fahren, und Karl hatte den Arm um ihre Taille gelegt, so fest und kräftig, daß sie nicht von der Fuhre hinabrutschen sollte, wobei ihr liebes, süßes Gesichtchen vor dankbarer Hingebung strahlte.

Da brach etwas im Herzen des Pastors, er schwor Fräulein Egeria ewigen Haß und genoß schon im voraus alle die Demütigungen, die er ihr in Zukunft zufügen wollte.

Er wollte Karl Waldheim sagen, was sie für ein Mädchen wäre, sodaß sie ihr Leben lang unverheiratet umherlaufen sollte und sich abplagen müßte, um ihren Unterhalt zu verdienen.

Er selbst wollte eine Sparkassenanleihe aufnehmen und nach der Hauptstadt reisen und noch das höhere theologische Examen machen und Schritt für Schritt die Leiter der Ehre emporsteigen und als Bischof endigen.

Und wenn er dann in seinem Bezirk Pastoratsvisitationen in seiner eleganten Equipage machte, würde er Egeria Peters auf der Landstraße in abgeschabtem, unmodernem Regenmantel einholen und sie fragen, ob sie um der alten Bekanntschaft willen mitfahren wollte.

Und wenn sie nun wiederkommen und mit ihm gut Freund sein wollte, dann würde er ihr sagen: »O, liebes Fräulein Egeria, haben Sie wirklich Zeit, herzukommen? Ist Karl Waldheims Heu schon eingefahren?«

Und wenn sie sich hier draußen mit einem armen Kerl verheiratete und arm und elend wäre, würde er schon als Dompropst ihre Kinder durch Güte und Freitische demütigen.

Mit seiner Verehelichung würde er warten, bis er schon etwas Großes wäre und ein gräfliches Fräulein mit viel Geld und vornehmen Verwandten bekommen könnte, und Egeria würde vor Neid erblassen, wenn sie davon in den Zeitungen läse.

Ja, er wollte die Kokette völlig vernichten! Eigentlich war sie gar nicht hübsch! Wo hatte er nur seine Augen gehabt?

Er hetzte sich drei Wochen lang jeden Tag schlimmer auf! Er kam dahinter, daß er das Opfer einer fixen Idee gewesen sein müßte und sich nie in seinem Leben etwas aus ihr gemacht hätte.

Eigentlich mußte er Gott danken, daß er sie los wurde, und er fand, kein anderer auf der Welt hätte ihm solch eine Wohlthat erweisen können, als gerade Egeria Peters dadurch, daß sie ihn täuschte.

Er segnete sie und fragte sich, was wohl aus ihm geworden wäre, falls ihm das Mißgeschick widerfahren wäre, daß sie ihn hätte haben wollen.

Er kam sich wie ein zum Leben Wiedergekehrter vor, wie einer, der einer großen Gefahr entronnnen ist.

Während er so umherging und sich in tiefen Haß und größte Verachtung gegen sie hineinredete, begegnete er ihr an einem schönen Spätsommernachmittage auf einem stillen Wege durch ein Kornfeld.

Egeria hatte an diesem Tage von der Schwester des Herrn Waldheim im Vertrauen erfahren, daß ihr Bruder fortreisen und sich mit einer Kindergespielin verloben sollte. Und darum sah sie den Pastor mit den Augen der Liebe an.

»Gut...t...t...ten Tag, Fräulein Egeria!«

Und sie sah ihn noch verliebter an, ungefähr wie eine Ratte ein Stück Käse, oder noch zärtlicher.

Da sank sein Herz in seinen Stiefelschaft hinab, die Thränen traten ihm in die Augen, die Stimme versagte ihm in der Brust, und er streckte beide Hände nach ihr aus und flüsterte:

»Haben Sie Erbarmen ... mein ganzes Leben sei Ihrem Dienst geweiht!«

Und sie erbarmte sich seiner und drückte und küßte ihn und sagte, er wäre ihre erste und einzige Liebe, der einzige Mann, aus dem sie sich je etwas gemacht hätte!

Und er kam sich selbst als der glücklichste Mensch auf Erden vor.


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