Friedrich Hebbel
Die Nibelungen
Friedrich Hebbel

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Sechste Szene

Hagen.                                     Begreifst du den?
Er hat kein mildes Wort mit mir gesprochen,
Seit wir zurück sind aus dem Odenwald,
Und jetzt –

Volker.               Ich habe nie an ihm gezweifelt,
So finster seine Stirn auch war. Gib acht:
Er flucht dir, doch er stellt sich vor dich hin,
Er tritt dir mit der Ferse auf die Zehen
Und fängt zugleich die Speere für dich auf!
Des Weibes Keuschheit geht auf ihren Leib,
Des Mannes Keuschheit geht auf seine Seele,
Und eher zeigt sich dir das Mägdlein nackt,
Als solch ein Jüngling dir das Herz entblößt.

Hagen.
Es tut mir leid um dieses junge Blut! –
Der Tod steht aufgerichtet hinter uns,
Ich wickle mich in seinen tiefsten Schatten,
Und nur auf ihn fällt noch ein Abendrot.

(Beide ab.)

Siebente Szene

Etzel und Dietrich treten auf.

Dietrich.
Nun siehst du selbst, wozu Kriemhild sie lud.

Etzel.
Ich seh's.

Dietrich.         Mir schien sie immer eine Kohle,
Die frischen Windes in der Asche harrt.

Etzel.
Mir nicht.

Dietrich.         Hast du denn nichts gewußt?

Etzel.                                                           Doch, doch!
Allein ich sah's mit Rüdegers Augen an
Und dachte, Weiberrache sei gesättigt,
Sobald sie ausgeschworen.

Dietrich.                                     Und die Tränen?
Das Trauerkleid?

Etzel.                           Ich hörte ja von dir,
Daß eure Weise sei, den Feind zu lieben
Und mit dem Kuß zu danken für den Schlag:
Ei nun, ich hab's geglaubt.

Dietrich.                                   So sollt es sein,
Doch ist nicht jeder stark genug dazu.

Etzel.
Auch dacht ich mir, als sie so eifrig trieb,
Die Boten endlich doch hinabzusenden,
Es sei der Mutter wegen, denn ich weiß,
Daß sie nicht allzu kindlich von ihr schied,
Und auch, daß sie's bereut!

Dietrich.                                     Die Mutter ist
Daheim geblieben, und ich zweifle selbst,
Daß man sie lud. Die andern aber haben
Den Hort, um den sie doch so viel gewagt,
Die Nacht vor ihrer Fahrt bei Fackelschein
Auf Nimmerwiedersehn im Rhein versenkt.

Etzel.
Warum denn blieben sie nicht auch daheim?
Sie fürchteten doch nicht, daß ich den Geigern
Mit Ketten und Schwertern folgte?

Dietrich.                                                 Herr, sie hatten
Kriemhild ihr Wort gegeben, und sie mußten
Es endlich lösen, denn wen gar nichts bindet,
Den bindet das nur um so mehr, auch war
Ihr Sinn zu stolz, um die Gefahr zu meiden
Und Rat zu achten. Du bist auch gewohnt,
Dem Tod zu trotzen, doch du brauchst noch Grund,
Die nicht! Wie ihre wilden Väter sich
Mit eigner Hand nach einem lust'gen Mahl
Bei Sang und Klang im Kreise ihrer Gäste
Durchbohrten, wenn des Lebens beste Zeit
Vorüber schien, ja, wie sie trunknen Muts
Wohl gar ein Schiff bestiegen und sich schwuren,
Nicht mehr zurückzukehren, sondern draußen
Auf hoher See im Brudermörderkampf,
Der eine durch den anderen, zu fallen
Und so das letzte Leiden der Natur
Zu ihrer letzten höchsten Tat zu stempeln,
So ist der Teufel, der das Blut regiert,
Auch noch in ihnen mächtig, und sie folgen
Ihm freudig, wenn es einmal kocht und dampft.

Etzel.
Sei's, wie es sei, ich danke dir den Gang,
Denn nimmer möcht ich Kriemhilds Schuldner bleiben,
Und jetzt erst weiß ich, wie die Rechnung steht.

Dietrich.
Wie meinst du das?

Etzel.                               Ich glaubte viel zu tun,
Daß ich mich ihrer nach der Hochzeitsnacht
Sogleich enthielt –

Dietrich.                         Das war auch viel.

Etzel.                                                             Nein, nein,
Das war noch nichts! Doch so gewiß ich's tat,
Und noch gewisser, tu ich mehr für sie,
Wenn sie's verlangt. Das schwör ich hier vor dir!

Dietrich.
Du könntest –

Etzel.                     Nichts, was du verdammen wirst,
Und doch wohl mehr, als sie von mir erwartet,
Sonst hätt' sie längst ein andres Spiel versucht.
(Im Abgehen.)
Ja, ja, Kriemhild, ich schlage meine Schwäher
Nicht höher an, wie deine Brüder du,
Und wenn sie nur noch Mörder sind für dich,
Wie sollten sie für mich was Beßres sein!

(Beide ab.)

Achte Szene

Dom.
Viele Gewappnete auf dem Platz. Kriemhild tritt mit Werbel auf.

Kriemhild.
Hast du die Knechte von den Herrn getrennt?

Werbel.
So weit, daß sie sich nicht errufen können.

Kriemhild.
Wenn sie in ihrem Saal beisammensitzen
Und essen, überfallt ihr sie und macht
Sie alle nieder.

Werbel.                   Wohl, es wird geschehn.

Kriemhild (wirft ihren Schmuck unter die Heunen).
Da habt ihr Handgeld! – Reißt euch nicht darum,
Es gibt genug davon, und wenn ihr wollt,
So regnet's solche Steine noch vor Nacht.

(Jubelgeschrei.)

Neunte Szene

Rüdeger tritt auf.

Rüdeger.
Du schenkst das halbe Königreich schon weg?

Kriemhild.
Doch hab ich dir das Beste aufgehoben.
(Zu den Heunen.)
Seid tapfer! Um den Hort der Nibelungen
Kauft ihr die Welt, und wenn von euch auch tausend
Am Leben bleiben, braucht ihr nicht zu zanken,
Es sind noch immer tausend Könige!

(Die Heunen zerstreuen sich in Gruppen.)

Kriemhild (zu Rüdeger).
Hast du nicht was zu holen aus Bechlarn?

Rüdeger.
Nicht, daß ich wüßte!

Kriemhild.                           Oder was zu schicken?

Rüdeger.
Noch wen'ger, Fürstin.

Kriemhild.                             Nun, so schneide dir
Mit deinem Degen eine Locke ab,
Da stiehlt sich eine unterm Helm hervor –

Rüdeger.
Wozu?

Kriemhild.
            Damit du was zu schicken hast.

Rüdeger.
Wie! Komm ich denn nicht mehr nach Haus zurück?

Kriemhild.
Warum?

Rüdeger.       Weil du ein Werk, wie dies, verlangst.
Das tut bei uns die Liebe an dem Toten,
Wenn sich der Tischler mit dem Hammer naht,
Der ihn in seinen Kasten nageln soll.

Kriemhild.
Die Zukunft kenn ich nicht. Doch nimm's nicht so!
Zu deinem Boten wähle Giselher
Und gib ihm auf, an keinem Blumengarten
Vorbeizureiten, ohne eine Rose
Für seine Braut zu pflücken. Ist der Strauß
Beisammen, steckt er ihn in meinem Namen
Ihr an die Brust und ruht sich aus bei ihr,
Bis sie aus deiner Locke einen Ring
Für mich geflochten hat. Daß ich den Dank
Verdiene, wird sich zeigen.

Rüdeger.                                     Königin,
Er wird nicht gehn.

Kriemhild.                       Befiehl es ihm mit Ernst,
Du bist ja jetzt sein Vater, er dein Sohn,
Und wenn er den Gehorsam dir verweigert,
So wirfst du ihn zur Strafe in den Turm.

Rüdeger.
Wie könnt ich das!

Kriemhild.                     Lock ihn mit List hinein,
Wenn's mit Gewalt nicht geht. Dann ist's so gut
Als wär er auf der Reise, und bevor
Er sich befreien kann, ist alles aus,
Der jüngste Tag ist auch der kürzeste!
Erwidre nichts! Wenn deine Tochter dir
Am Herzen liegt, so tust du, was ich sage,
Ich machte dir ein königlich Geschenk,
Denn – – Doch du kannst wohl selber prophezein!
Die blutigen Kometen sind am Himmel
Anstatt der frommen Sterne aufgezogen
Und blitzen dunkel in die Welt hinein.
Die guten Mittel sind erschöpft, es kommen
Die bösen an die Reihe, wie das Gift,
Wenn keine Arzenei mehr helfen will,
Und erst, wenn Siegfrieds Tod gerochen ist,
Gibt's wieder Missetaten auf der Erde,
So lange aber ist das Recht verhüllt
Und die Natur in tiefen Schlaf versenkt. (Ab.)

Zehnte Szene

Rüdeger.
Ist dies das Weib, das ich in einem See
Von Tränen fand? Mir könnte vor ihr grauen,
Doch kenn ich jetzt den Zauber, der sie bannt.
Ich Giselher verschicken! Eher werf ich
Des Tronjers Schild ins Feuer.

Eilfte Szene

Die Nibelungen treten auf.

Rüdeger.                                             Nun, ihr Recken,
So früh schon da?

Hagen.                         Es ist ja Messezeit,
Und wir sind gute Christen, wie ihr wißt.

Volker (deutet auf einen Heunen).
Wie? Gibt es so geputzte Leute hier?
Man sagt bei uns, der Heune wäscht sich nicht,
Nun läuft er gar als Federbusch herum? (Zu Hagen.)
Du frugst mich was.

Hagen.                             Ei wohl, es geht zum Sterben,
Da muß ich dich doch fragen: Stirbst du mit?

Volker (wieder gegen den Heunen).
Ist's aber auch ein Mensch und nicht ein Vogel,
Der rasch die Flügel braucht, wenn man ihn schreckt?
(Wirft seinen Speer und durchbohrt ihn.)
Doch! – Hier die Antwort! Lebt ich nicht auch mit?

Hagen.
Brav, doppelt brav!

Werbel (zu den Heunen). Nun? Ist es jetzt genug?

(Großes Getümmel.)

Zwölfte Szene

Etzel tritt rasch mit Kriemhild und seinen Königen auf und wirft sich zwischen die Heunen und die Nibelungen.

Etzel.
Bei meinem Zorn! Die Waffen gleich gestreckt!
Wer wagt es, meine Gäste anzugreifen?

Werbel.
Herr, deine Gäste griffen selber an:
Schau her!

Etzel.                 Das tat Herr Volker aus Versehn!

Werbel.
Vergib! Hier steht der Markgraf Rüdeger –

Etzel (wendet ihm den Rücken).
Seid mir gegrüßt, ihr Vettern! Doch warum
Noch jetzt im Harnisch?

Hagen (halb gegen Kriemhild).
                                        Das ist Brauch bei uns,
Wenn wir auf Feste gehn. Wir tanzen nur
Nach dem Geklirr der Degen, und wir hören
Sogar die Messe mit dem Schild am Arm.

Etzel.
Die Sitte ist besonders.

Kriemhild.                             Die nicht minder,
Den größten Unglimpf ruhig einzustecken
Und sich zu stellen, als ob nichts geschehn.
Wenn du dafür von mir den Dank erwartest,
So irrst du dich.

Dietrich.                   Ich bin heut Kirchenvogt,
Wer in die Messe will, der folge mir.

(Er geht voran, die Nibelungen folgen in den Dom.)

Dreizehnte Szene

Kriemhild (faßt Etzel währenddem bei der Hand).
Tritt auf die Seite, Herr, recht weit, recht weit,
Sonst stoßen sie dich um, und wenn du liegst,
So kannst du doch nicht schwören, daß du stehst.

Etzel.
Herr Rüdeger, keine Waffenspiele heut.

Kriemhild.
Vielleicht dafür ein allgemeines Fasten?

Etzel.
Ich bitt Euch, sagt's den Herrn von Dänemark
Und Thüring auch. Der alte Hildebrant
Weiß schon Bescheid.

Kriemhild.                           Herr Rüdeger, noch eins:
Was habt Ihr mir zu Worms am Rhein geschworen?

Rüdeger.
Daß dir kein Dienst geweigert werden soll.

Kriemhild.
Geschah das bloß in Eurem eignen Namen?

Etzel.
Was Rüdeger gelobte, halte ich.

Kriemhild.
Nun: König Gunther wandte still den Rücken,
Als Hagen Tronje seinen Mordspieß warf,
Hättst du den deinen heute auch gewandt,
So wärst du quitt gewesen gegen mich,
Doch da du's hinderst, daß ich selbst mir helfe,
So fordre ich des Mörders Haupt von dir!

Etzel.
Ich bring's dir auch, wenn er dir nicht das meine
Zu Füßen legt.
(Zu Rüdeger.) Nun geh!

Kriemhild.                             Wozu denn noch?
Bei Waffenspielen gibt es immer Streit,
Und nie vollbringt ihr euer Werk so leicht,
Als wenn die wilde Flamme einmal lodert
Und alles grimmig durcheinander rast.
Ich kam, weil ich mich hier erraten glaubte,
Verstehst du mich noch heute nicht? Darauf!

Etzel.
Nein, Kriemhild, nein, so ist es nicht gemeint!
Solang er unter meinem Dach verweilt,
Wird ihm kein Haar gekrümmt, ja, könnt ich ihn
Durch bloße Wünsche töten, wär er sicher.
Was soll noch heilig sein, wenn nicht der Gast?

(Er winkt Rüdeger, dieser geht.)


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