Friedrich Hebbel
Mutter und Kind (1)
Friedrich Hebbel

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Sechster Gesang.

                      Unterdessen erwartet der Kaufherr, welcher die Gattin
Nach Italien führte, in Rom das stille Ereignis,
Denn es sollte so sein, als hätte sie selber geboren.
Endlich erhält er den Brief, von außen schon leicht zu erkennen
An den eisernen Zügen der dennoch zittrigen Handschrift,
Welcher die Meldung bringt. Er trägt ihn, ohne zu öffnen,
Gleich hinüber zu ihr und spricht: Es hat sich entschieden,
Aber nun frage dich eins, bevor das Siegel gelöst wird:
Ist dir jegliches Kind willkommen? Die wirkliche Mutter
Unterscheidet nicht zwischen dem einen und zwischen dem andern,
Ja, es ist so bestimmt durch Gottes ewige Fügung,
Und den Zug der Natur, daß ihr das gebrechliche Wesen
Über das kräftige geht, das kränkliche übers gesunde,
Aber die Fremde erschrickt vor einem verwachsnen Gebilde,
Und sie findet das Weinen und Schreien des Buckels abscheulich,
Was sie dem Engelsköpfchen verzeiht und gelassen erduldet.
Sie erwidert: Das habe ich alles bedacht und erwogen
Und bin meiner gewiß. Was Gott uns sendet, das werde
Ich mit Liebe begrüßen. Und wäre das Schicksal der Sarah
Mir noch am Ende bestimmt, ich machte sie nimmer zur Hagar,
Nein, ich fühlte mich doppelt beglückt und doppelt gesegnet,
Und man sollte nicht ahnen, daß ich nur eines von beiden
Unter dem Herzen getragen, so redlich würde ich teilen,
Was im Busen mir wohnt, das kann ich dir heilig beteuern.
Aber erbrich nur den Brief, damit ich vor allem erfahre,
Wie es ihr selber ergangen, ich habe schon lange gezittert.
Rasch durchfliegt er den Brief und spricht mit Lächeln: wie Eva!
Und das Kind ist gesund und wohl gebildet. Da treten
Ihr die Tränen ins Auge, und erst zum Himmel die Hände
Hebend, dann den Gemahl umarmend, vergeht sie in Rührung.
Aber er selber sagt: Ich darf den nackenden Knaben
Ruhig zum Erben ernennen, mir lebt kein einz'ger Verwandter,
Welcher mir näher stünde, und heut noch schreib' ich nach Hamburg
Und bestelle die Taufe zum Mai. Ich werd' ihn erziehen,
Daß er in jeglichem Armen den Bruder sieht und ihn tröstet,
Und so sorg' ich durch ihn, den Sohn des Volkes, noch immer
Über das Grab hinaus fürs Volk und gebe ein Beispiel,
Wie man Gespenster beschwört und doch nicht die Kugeln verteuert.
Denn dies liegt mir am Herzen. Es wanken im innersten Grunde
Alle Staaten der Erde, und wenig wird nur gebessert,
Ob die Rotten des Pöbels den Diener des Fürsten erschlagen
Und die blutige Tat auch blutig büßen und sühnen,
Oder noch schlechtere Junker den Mann des Gesetzes erschießen
Und, dem Richter entzogen, der Ächtung des Dichters verfallen.
Alles lebt nur von heute auf morgen, besonders Parteien,
Und so gewaltig die Kämpfe auch sind, so schrecklich die Siege,
Die sie im wechselnden Spiel des Kriegs einander entreißen:
Immer muß ich der Knaben am Flusse gedenken, die schaudern,
Wenn er, von allen Gewässern der ragenden Berge geschwollen,
Rauscht und sich schäumend ergießt, und jubeln, wenn sie ihn endlich
Wieder gefrieren sehn. Wer wird sich des Kahns noch erinnern,
Wenn er den Schlittschuh braucht, und wer des rostigen Schlittschuhs,
Wenn er im Kahne fährt? Warum den einen verzimmern
Oder den anderen putzen? Jetzt dauert's ja immer und ewig!
Geht es fort wie bisher, so werden Stände die Stände,
Völker die Völker vertilgen, und in die schweigende Öde
Kehren die Tiere zurück, die einst dem Menschen gewichen.
Aber du weißt, wie ich denke, nun eil' ich und schreibe dem Doktor! –
Also geschah's. Doch nie erschien ein Winter ihr länger,
Als der jetzige, welchen sie unter den Myrten verlebte,
Denn das muntre Gewimmel der bunten römischen Feste
Oder der heitere Chor der ewig lächelnden Musen,
Welche den zweiten Olymp hier fanden, vom ersten vertrieben,
War für sie nicht vorhanden, und wenn sie die Rosen erblickte,
Die, vom gemilderten Hauch der afrikanischen Wüste
Angeblasen, noch immer die frischen Gärten verzierten,
Konnte sie's kaum begreifen, daß ihre Schwestern in Deutschland
Nur in Kübeln und Töpfen die eingeschlafene Triebkraft
Fristen sollten, indes des Nordpols wütendste Stürme
Eisig sausten, und Schnee und Regen sich grimmig bekämpften.
Endlich wird es in Rom so heiß, daß jeder des Landes
Hinter den Alpen mit Sehnen gedenkt, denn plötzlich erscheint hier
Immer der Sommer, der wird nicht sanft vom lieblichen Frühling
Eingeführt, er ist da, und gleich verschrumpfen die Wiesen,
Deren erquickliches Grün im Norden sich ewig erneuert.
Aber der Kaufherr spricht: Jetzt hängt man die Pelze in Hamburg
An den Nagel und sucht in HarvstehudeHarvstehude, ein schönes Dorf bei Hamburg, das nur noch wenig Lesern aus dem alten Hagedorn bekannt sein dürfte. sich Primeln,
Darum mein' ich, wir lassen den Knaben allmählich entwöhnen
Und begeben uns dann, dem Veilchen folgend, verweilend,
Wo es eben erblüht, und scheidend, wo es vertrocknet,
Auf den Weg nach Hause. Und also ward es geordnet.

Aber das junge Paar im Harz verbrachte den Winter
Froh, wie keinen vorher. Wer zählt die Freuden der Eltern
An der Wiege des Kindes, und wer die Wonnen der Mutter,
Wenn sie noch alles in allem ihm sein darf, während der Vater
Ihm noch ferne steht, wie Himmel und Erde, und einzig
Durch die Sorge für sie, die beide vertritt, wie ihn selber,
Seine Liebe zu ihm betätigt! Wer nennt uns die Sprossen
Dieser goldenen Leiter der reinsten Gefühle, auf welcher
Sich der Mensch und der Engel begegnen und tauschen, und welche
Alle Sphären verbindet und alle Wesen vereinigt!
Welches irdische Glück ist diesem höchsten vergleichbar,
Das uns über uns selbst erhebt, indem wir's genießen,
Und wem wird es versagt, wem wird es gekränkt und geschmälert?
Wie der Kelch der Gemeinde auf gleiche Weise an alle
Kommt und alle erquickt, so kommt auch dieses an alle:
Fürsten empfinden's nicht tiefer, und Bettler empfinden's nicht schwächer,
Weil die einen den Säugling in Purpur wickeln, die andern
In die Krippe ihn legen, das gibt kein Mehr und kein Minder,
Und so ist die Natur gerecht im ganzen und großen
Und verteilt nur den Tand, die Flitter, nach Lust und nach Laune! –

Habt ihr euch je ein Nest mit Kinder-Augen betrachtet?
So vergrößert es euch und setzt zwei glückliche Menschen
Statt der Vögel hinein und einen lieblichen Knaben
Statt des piepsenden Jungen, das Atzen und Glustern und Blustern
Bleibt dasselbe. Wie wird zuerst darüber gestritten,
Wem er gleicht! Ein jeder entdeckt die Züge des andern,
Weil er sie lieber sieht, als seine eignen, doch täglich
Ist das kleine Gesicht verändert und völlig unmöglich
Scheint es, Frieden zu schließen. Es sind am Ende die Eltern,
Seine, oder die ihren, die auferstehen im Enkel,
Weil sie, Christian sagt's, vergaßen, sich malen zu lassen.
Welch ein Ereignis ist das erste wirkliche Lächeln,
Das die Mutter auf sich bezieht und jubelnd berichtet,
Daß er sie nun schon kenne, und, wenn sie gehe, vermisse!
Dann die zappelnden Arme, die ihren Nacken umklammern,
Wenn sie sich niederbückt, so wie die beseelteren Blicke
Und der erwiderte Kuß! Zuletzt die stampfenden Beine,
Welche die Erde suchen und dennoch scheuen, das Lallen
Mit gebundener Zunge und ungeduldigen Lippen,
Und der vernehmliche Laut! Wie oft muß Christian kommen,
Um ihn schlummern zu sehn! Wie gern verläßt er die Tenne,
Wo er drischt, und verdoppelt nachher die gewichtigen Schläge
Des geschwungenen Flegels, um das Versäumte bis Abend
Wieder einzubringen! Und ist nicht der Knabe in Wahrheit
Größer und klüger, als andre? Das Tannenbäumchen, zu Weihnacht
Angezündet, ist zwar noch überflüssig gewesen,
Aber erfreut er sich nicht des lustigen Hahnes zu Lichtmeß,
Welcher zuweilen die Stube besucht, des geschüttelten Kammes
Und des plötzlichen Krähens? Der Hahn macht eben Visite,
Und das Knäblein kreischt und klatscht vergnügt in die Hände,
Als der römische Brief, der seine Entwöhnung gebietet,
Eintrifft. Christian liest und spricht: Jetzt gibt ihm zu trinken,
Daß er ruhe und schlafe, wir haben zusammen zu sprechen.
Doch sie erbleicht und ruft: Die Ostern sind vor der Türe,
Und ich weiß, was es ist! Es fährt mir nur so in die Glieder,
Daß ich ihm nicht die Brust zu reichen wagte, und wenn er
Hungriger wäre, wie je. Er muß sich heute behelfen!
Christian aber versetzt: So seid ihr auf immer geschieden,
Denn die Stunde ist da. Zu morgen bring' ich dir Wermut,
Daß er von selbst verzichtet, er geht ja bald auf die Reise,
Und da muß er die Kuh vorher als Amme gewohnt sein.
Magdalena schweigt, doch wohl bemerkt es der Gatte,
Daß sie weint in der Nacht und auf die leiseste Regung
In der Frühe das Kind noch einmal stillt. Es erbarmt ihn,
Daß sie es heimlich tut, als wäre es schon ein Verbrechen,
Und ihn selber mit Angst betrachtet, ob er auch schlafe,
Und er hütet sich wohl, durch irgend eine Bewegung
Sie zu stören, er läßt sogar von ihr sich erwecken,
Um die letzte Besorgnis in ihr zu ersticken, obgleich er
Zittert, wenn er sich fragt: wie wird's nur weiter ergehen?
Aber es scheint, als hätte sie ihre Muttergefühle
Jetzt für immer bezwungen, denn leichter, als er sich's dachte,
Reicht sie am folgenden Tage dem sträubenden Knaben die fremde
Nahrung, die er nur selbst beharrlich sich weigert zu nehmen,
Und ist, wenn auch nicht froh, doch still und in sich beruhigt.
So verstreicht die Woche, er will sich durchaus nicht gewöhnen,
Doch er fällt nicht vom Fleisch, zu Christians höchster Verwundrung,
Der ihn nicht essen sieht und dennoch gedeihen und wachsen,
Und sie selber enthält sich edel jeglicher Klage.
Sonntags morgens läßt die Mutter ihn tanzen und springen,
Während der Vater pfeift, da löst sich zu beider Entzücken
Hell das erste Mama von seinen stammelnden Lippen.
Christian will ihn küssen, doch eh' er sich seiner bemächtigt,
Reißt sie selbst ihn empor und preßt ihn gegen den Busen,
Daß er erschrickt und weint, und ruft: Ich lasse dich nimmer!
Weg mit Äckern und Wiesen! Wir haben Arme und Beine,
Und wir sind dir nicht Güter, wir sind nur Liebe dir schuldig!
Daß du es weißt, mein Freund! Er hat noch immer getrunken,
Und es wird ihm kein Tag an seinem Jahre entzogen,
Hierin bin ich dir fest, in allem andern gefügig!
Hungern will ich und dursten, wie Vater und Mutter es taten,
Frieren und nackend gehn und ganze Nächte nicht schlafen,
Doch ich gebe ihn nicht und müßt' ich mich selber verkaufen!
Christian aber erwidert: Du weißt doch, daß wir gelobten,
Weißt doch, daß ich dir nicht geraten, noch dich getrieben,
Weißt doch, daß ich nur zögernd und nicht im Galopp dir gefolgt bin!
Nun, so wisse noch eins: ich haben, so lange ich lebe,
Nie mein Wort noch gebrochen und werde auch dieses nicht brechen,
Drum entwöhne ihn morgen, ich bring' dir den Wermut noch einmal.
Sie verstummt, denn sie hat noch nie so ernst ihn gesehen,
Und er schreitet hinaus, er sagt, die Kräuter zu pflücken,
Aber er tut es nur, um ihr den Kampf zu verhehlen,
Welchen er selber kämpft, und welcher die Seele ihm spaltet.
Sie hingegen umarmt und küßt den Knaben aufs neue,
Daß sie ihn fast erstickt und ruft, als ob er's verstände:
Nein, ich lasse dich nicht, es möge kommen, was wolle!
Und bevor noch der Abend herab auf die Erde sich senkte,
Ist ihr Entschluß gefaßt: sie will ihn stehlen und fliehen.
Still bereitet sie nun das kleine bescheidene Bündel,
Das ihr selber gehört, und wenn ihr die Tränen auch reichlich
Strömen bei dem Gedanken an die so bittere Trennung
Von dem Herzlich-Geliebten, so fühlt sie dennoch im Innern
Durch dies schmerzliche Opfer zugleich sich gestärkt und gehoben,
Und so wie das Vertrauen auf Gottes Erbarmen und Hilfe
Wächst durch dieses Gefühl, so steigt auch die lächelnde Hoffnung
Leise wieder empor vor ihren verdüsterten Blicken,
Und so sieht sie am Ende der langen Reihe von grauen
Monden und Jahren ein goldnes und sternengekröntes sich winken.
Morgen muß es geschehn, denn morgen soll sich die Quelle,
Welche ihr selber entspringt, verstopfen: wie will sie ihn tränken,
Wenn sie versiegte? Ein Dach ist leichter zu finden, es wohnen
Menschen in jeglicher Hütte, und Engel bereiten die Stätte,
Wenn sich die Unschuld naht, von Reue und Buße geleitet.
Schüchtern erkundet sie nun die nächsten Wege und Stege,
Denn, vom Lokomotiv entführt in brausender Eile,
Kennt sie die Straße nicht, auf der sie gekommen, und die sei
Jetzt mit Tritten des Huhns zurückzumessen beschlossen,
Weil ihr Wilhelm und Anna vor Augen stehen, wie Sterne.
Als der Tag nun erscheint, da kocht sie dem Gatten zum Abschied
Noch sein liebstes Gericht, doch kann sie selber nicht essen,
Denn ihr fiebert der Kopf, sie hat die Nacht nicht geschlafen,
Und ihr hüpfen die Pulse, als wollten die Adern zerspringen.
Christian merkt es wohl, ihm sind die heimlichen Tränen
Auch nicht entgangen, doch denkt er: sie will sich endlich bezwingen,
Und es kostet sie viel! Da klopft er ihr bloß auf die Wange,
Als er sich wieder erhebt und spricht: wir machen ihn glücklich!
Um die Dämmerungszeit begibt er sich dann in die Schmiede,
Wo man die Eisen des Pfluges ihm schärft, nun richtet sie alles
Für den Abend und schleicht sich fort, in doppelte Tücher
Ihren Knaben gehüllt und unter dem Arme das Bündel.
Ängstlich späht sie umher und duckt sich hinter die Büsche,
Wenn sie Kommende hört, sie stehn war noch nicht im Laube,
Aber sie decken sie schon, wenn nur der Knabe durch Schreien
Das Versteck nicht verrät. Doch geht auch mancher vorüber,
Der mit flüchtigem Auge das Reisig streift und sich wundert:
Keiner der Wenigen ist darunter, welche sie kennen,
Still auch verhält sich das Kind, durch leises Schaukeln beschwichtigt,
Und es senken die Schatten des Abends sich bald so gewaltig,
Daß sie sich eilen muß, um nur die verlassene Hütte
Zu erreichen, in der sie die Nacht zu verbringen beschlossen.
Einem Jäger gehört sie und liegt im Walde. Sie kennt sie,
Weil sie mit Christian einst, den fernsten Acker besuchend,
Sich vor Regen und Schlossen in ihr geborgen. Ein Lager,
Das sie im Innern trifft, aus dürren Blättern bereitet,
Kommt ihr freilich zustatten, doch möchte sie's lieber entbehren,
Denn sie fürchtet, es könnten auch andere Gäste erscheinen.
Doch sie setzt sich und reicht dem Knaben die Brust, die er lange
Tastend und greifend gefordert, und zieht zur eignen Erquickung
Einen der Äpfel hervor, womit sie die Tasche gefüllt hat.
Schmecken will er ihr nicht, sie legt ihn wieder beiseite,
Als sie eben gekostet, indes der Knabe behaglich
Trinkt, als wär' er daheim, und in den Pausen des Atmens
Kichert und endlich versinkt in seinen gewöhnlichen Schlummer.
Brausend erhebt sich der Wind und wirft die trockenen Zweige
Auf das bretterne Dach und bläst, als wollt' er's entführen,
Aber sie heißt ihn willkommen, obgleich sie bei heftigen Stößen
Immer zusammenfährt, er scheint ihr die Ruhe zu sichern,
Und mit den Kleidern des Bündels den Knaben noch sorglich bedeckend,
Wühlt sie sich ein in die Streu und fällt, erschöpft von den Qualen
Dieser Tage, in Schlaf, wie ein Tier, noch eh' sie gebetet.
Christian kommt indes mit seinem Eisen zu Hause
Und verwundert sich sehr, kein Licht zu sehen, er hat sich
Länger, wie sonst, verweilt, um aus dem Munde des Schmiedes
Manchen Rat zu vernehmen, denn dieser ist alt und erfahren,
Aber nicht immer freundlich, und noch viel seltner gesprächig.
Dennoch verschließt er gelassen den Stall, vergattert den Garten,
Trägt die Eisen zu Boden, und stellt sie, alles im Finstern,
Hinter dem Schornstein auf. Dann lauscht er hinein in die Küche,
Wo, er hört's vor der Tür, die Suppe brodelt, und als er
Magdalena beim Feuer nicht findet, wie er erwartet,
Öffnet er leise die Stube und fragt im Scherz, ob sie schlafe.
Alles stumm! Was ist das? Er tastet sich durch bis zur Wiege.
Sie ist leer! Er erschrickt und zündet eilig die Kerze.
Ein Gedeck auf dem Tisch! Die Mutter entfloh mit dem Kinde!
Doch wohin? Noch nicht weit! Es sind nur wenige Stunden!
Rasch zum Jäger! Er borgt mir sicher den eifrigsten Spürer,
Und das freundliche Tier ist willig, zu folgen, es kennt mich.
Wo ist ein Tuch von ihr? Und wo ein Strumpf von dem Knaben?
Beides ist schwer zu entdecken, doch endlich ist er so glücklich,
Und nun klopft er den Alten heraus und stottert zusammen,
Was er selbst nicht versteht, von nächtlichem Gehn und Verirren.
Dieser bewilligt den Hund, doch zweifelt er an dem Erfolge,
Weil es zu mächtig stürmt, als daß er die Spur nicht verlöre,
Wenn sie ein einziges Mal nur gegen den Wind sich gewendet.
Wirklich dreht das Tier auch lange vergeblich im Kreise,
Als es die Stube, wohin es geführt ward, wieder verlassen,
Ja, es heult vor Verdruß. Doch plötzlich beginnt es, zu schnüffeln,
Dann zu wedeln und fröhlich zu bellen. Nun schießt es von hinnen,
Daß ihm Christian kaum mit seiner hörnernen Leuchte
Nachzukommen vermag. Es geht zuweilen im Zickzack
Um die Büsche herum, doch nie versagt ihm die Wittrung,
Bis es die Hütte erreicht und anschlägt, um es zu melden.
Welch ein Schreck für die Arme, die drinnen kauert. Was ist das?
Ist's ein Wolf vom Gebirg'»Ist's ein Wolf vom Gebirg?« Der Verfasser weiß, daß es auf dem Harz keine Wölfe gibt. Aber ein aus der Ebene dahin verschlagenes Bauernmädchen braucht es darum nicht auch zu wissen. ? Sie sollen bellen wie Hunde!
Oder ist es ein Hund? Dann kommt er nicht ohne Begleitung!
Hilf uns, heiliger Gott! Da wird die gebrechliche Türe
Aufgestoßen und schnoppernd, doch nicht mit glühenden Augen,
Fährt's im Sprunge herein. Sie greift voll Angst nach dem Knaben,
Welcher, geweckt aus dem Schlummer und seiner behaglichen Wärme
Ohne Schonung entrissen, mit Händen und Füßen zu stampfen
Und zu murren beginnt. So seid Ihr's gewiß und wahrhaftig?
Ruft mit keuchender Brust, – der Hund war grimmig gelaufen,
Als er der Hütte sich nahte, die ihm bekannt und vertraut war, –
Und die Leuchte erhebend mit ihrem verlöschenden Lichte,
Aus der Ferne der Gatte, das eifrige Bellen verstehend.
Rasch nun stürzt er heran und schließt sie fest in die Arme,
Streichelt das Tier, das leckend und dieses Dankes gewärtig
Ihn umschmeichelt, und spricht: So kannst du mich wirklich verlassen?
Ich vermöchte es nimmer und nimmer, von dir mich zu trennen.
Doch sie erwidert ihm sanft: Ich kann und ich darf ja nicht bleiben,
Und du darfst mich noch minder begleiten, das fühle ich selber,
Darum wär's viel besser, du hätt'st uns nicht wieder gefunden!
Aber, erschüttert, wie nie, versetzt er mit strömenden Tränen:
Kehre nur heute zurück, so gehen wir morgen zusammen!
Sieh, es legt sich der Wind, auch blinken schon einige Sterne,
Und ich trage den Knaben und diene dir selber zur Stütze!


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