Friedrich Hebbel
Herodes und Mariamne
Friedrich Hebbel

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Vierte Szene

Salome (stürzt herein).
Entsetzlicher, was sinnst du? Meinen Gatten
Seh ich von hinnen führen – er beschwört mich,
Dich um Erbarmung anzuflehn – ich zaudre,
Weil ich ihm grolle und ihn nicht verstehe –
Und nun – nun hör ich grause Dinge flüstern –
Man spricht – Man lügt, nicht wahr?

Herodes.                                                   Dein Gatte stirbt!

Salome.
Eh' er gerichtet wurde? Nimmermehr!

Herodes.
Er ist gerichtet durch sich selbst! Er hatte
Den Brief, der ihn zum Tod verdammt, in Händen,
Eh' er sich gegen mich verging, er wußte,
Welch eine Strafe ihn erwartete,
Wenn er es tat; er unterwarf sich ihr
Und tat es doch!

Salome.                       Herodes, höre mich!
Weißt du das denn gewiß? Ich habe ihn
Verklagt, ich glaubte es mit Recht zu tun,
Ich hatte Grund dazu – Daß er sie liebte,
War offenbar, er hatte ja für mich
Nicht einen Blick mehr, keinen Händedruck –
Er war bei Tage um sie, wann er konnte,
Und nachts verrieten seine Träume mir,
Wie sehr sie ihn beschäftigte – Das alles
Ist wahr, und mehr – – Doch folgt aus diesem allen
Noch nicht, daß sie ihn wieder lieben mußte,
Noch weniger, daß sie – O nein! o nein!
Mich riß die Eifersucht dahin – vergib!
Vergib auch du. (Zu Mariamne.) Ich habe dich gehaßt!
O Gott, die Zeit vergeht! Man sprach – Soll ich
Dich lieben, wie ich dich gehaßt? Dann sei
Nicht länger stumm, sprich, daß er schuldlos ist
Und bitt für ihn um Gnade, wie ich selbst!

Mariamne.
Er ist's!

Herodes.       In ihrem Sinn – in meinem nicht!

Mariamne.
In deinem auch!

Herodes.                   Dann müßtest du nichts wissen!
Jetzt kann ihn nichts entschuldigen! Und wenn ich
Den Tod ihm geben lasse, ohne ihn
Vorher zu hören, so geschieht's zwar mit,
Weil ich dir zeigen will, daß ich von dir
Nicht niedrig denke und das rasche Wort,
Das mir im ersten Zorn entfiel, bereue,
Doch mehr noch, weil ich weiß, daß er mir nichts
Zu sagen haben kann!

Fünfte Szene

Soemus.                             Das blut'ge Werk
Ist abgetan! Doch ganz Jerusalem
Steht starr und fragt, warum der Mann, den du
Zu deinem Stellvertreter machtest, als du
Von hinnen zogst, bei deiner Wiederkehr
Den Kopf verlieren mußte!

Salome (taumelt).                       Wehe mir!
(Mariamne will sie auffangen.)
Fort! Fort! (Zu Herodes.)
                  Und die?

Herodes.                           Gib dich zufrieden, Schwester!
Dein Gatte hat mich fürchterlich betrogen –

Salome.
Und die?

Herodes.         Nicht so, wie du es meinst –

Salome.                                                         Nicht so?
Wie denn? Sie willst du retten? Wenn mein Gatte
Dich fürchterlich betrog, so tat sie's auch,
Denn wahr ist, was ich sagte, und ein jeder
Soll's wissen, der es noch nicht weiß! Du sollst
In ihrem Blut dich waschen, wie in seinem,
Sonst wirst du niemals wieder rein! Nicht so!

Herodes.
Bei allem, was mir heilig ist –

Salome.                                             So nenne
Mir sein Verbrechen, wenn es das nicht war!

Herodes.
Wollt' ich es nennen, würde ich's vergrößern!
Ich hatt' ihm ein Geheimnis anvertraut,
An dem mein alles hing, und dies Geheimnis
Hat er verraten, soll auch ich das tun?

Salome.
Elende Ausflucht, die mich schrecken wird!
Meinst du, daß du mich täuschen kannst? Du glaubst
An alles, was ich sagte, doch du bist
Zu schwach, um deine Liebe zu ersticken,
Und ziehst es vor, die Schande zu verhüllen,
Die du nicht tilgen magst. Doch wenn du mich,
Die Schwester, nicht, wie meinen Gatten tötest,
So wird dir das mißlingen! (Zu Mariamne.) Er ist tot,
Nun kannst du schwören, was du willst, er wird
Nicht widersprechen! (Ab.)

Herodes.                             Folg ihr nach, Soemus,
Und such sie zu begütigen! Du kennst sie,
Und eh'mals hat sie gern auf dich gehört!

Soemus.
Die Zeiten sind vorüber! Doch, ich geh! (Ab.)

Mariamne (für sich).
Für den, der mich ermorden wollte hätt' ich
Wohl nicht gebeten! Dennoch schaudre ich,
Daß mir nicht einmal Zeit blieb, es zu tun!

Herodes (für sich).
Er mußte doch daran! Im nächsten Krieg
Hätt' er den Platz des Urias bekommen!
Und dennoch reut mich diese Eile jetzt!

Sechste Szene

Ein Bote (tritt auf).
Mich schickt Antonius!

Herodes.                                 So weiß ich auch,
Was du mir bringst. Ich soll mich fertigmachen,
Der große Kampf, von dem er sprach, beginnt!

Bote.
Octavianus hat nach Afrika
Sich eingeschifft, ihm eilt Antonius
Entgegen, mit Cleopatra vereint,
Um gleich bei Aktium ihn zu empfangen –

Herodes.
Und ich, Herodes, soll der Dritte sein!
Schon gut! Ich zieh noch heut! Soemus kann,
So schlecht es hier auch stehn mag, mich ersetzen.
Gut, daß er kam!

Mariamne.                   Er zieht noch einmal fort!
Dank, Ew'ger, Dank!

Herodes (sie beobachtend). Ha!

Bote.                                           Großer König, nein!
Er braucht dich nicht bei Aktium, er will,
Daß du die Araber, die sich empörten,
Verhindern sollst, dem Feind sich anzuschließen!
Das ist der Dienst, den er von dir verlangt.

Herodes.
Er hat den Platz, wo ich ihm nützen kann,
Mir anzuweisen!

Mariamne.                 Noch einmal! Das löst
Ja alles wieder!

Herodes (wie vorher). Wie mein Weib sich freut!
(Zum Boten.)
Sag ihm – du weißt's ja schon! –
(Für sich.)                                 Die Stirn entrunzelt,
Die Hände, wie zum Dankgebet, gefaltet –
Das ist ihr Herz!

Bote.                           Sonst hast du nichts für mich?

Mariamne.
Jetzt werd' ich's sehn, ob's bloß ein Fieber war,
Das Fieber der gereizten Leidenschaft,
Das ihn verwirrte, oder ob sich mir
In klarer Tat sein Innerstes verriet!
Jetzt werd' ich's sehn!

Herodes (zum Boten).         Nichts! Nichts!
(Bote ab. – Herodes zu Mariamne.)     Dein Angesicht
Hat sich erheitert! Aber hoffe nicht
Zu viel! Man stirbt nicht stets in einem Krieg,
Aus manchem kehrt' ich schon zurück!

Mariamne (will reden, unterbricht sich aber). Nein! Nein

Herodes.
Zwar gilt es diesmal einen hitz'gern Kampf,
Wie jemals, alle andern Kämpfe wurden
Um etwas in der Welt geführt, doch dieser
Wird um die Welt geführt, er soll entscheiden,
Wer Herr der Welt ist, ob Antonius,
Der Wüst- und Lüstling, oder ob Octav,
Der sein Verdienst erschöpft, sobald er schwört,
Daß er noch nie im Leben trunken war,
Da wird es Streiche setzen, aber dennoch
Ist's möglich, daß dein Wunsch sich nicht erfüllt,
Und daß der Tod an mir vorübergeht!

Mariamne.
Mein Wunsch! Doch wohl! Mein Wunsch! So ist es gut
Halt an dich, Herz! Verrat dich nicht! Die Probe
Ist keine, wenn er ahnt, was dich bewegt!
Besteht er sie, wie wirst du selbst belohnt,
Wie kannst du ihn belohnen! Laß dich denn
Von ihm verkennen! Prüf ihn! Denk ans Ende
Und an den Kranz, den du ihm reichen darfst,
Wenn er den Dämon überwunden hat!

Herodes.
Ich danke dir! Du hast mir jetzt das Herz
Erleichtert! Mag ich auch an deiner Menschheit
Gefrevelt haben, das erkenn ich klar,
An deiner Liebe frevelte ich nicht!
Drum bettle ich denn auch bei deiner Liebe
Nicht um ein letztes Opfer mehr, doch hoff ich,
Daß du mir eine letzte Pflicht erfüllst.
Ich hoffe das nicht meinetwegen bloß,
Ich hoff es deinetwegen noch viel mehr,
Du wirst nicht wollen, daß ich dich nur noch
Im Nebel sehen soll, du wirst dafür,
Daß ich den Mund des Toten selbst verschloß,
Den deinen öffnen und es mir erklären,
Wie's kam, daß er den Kopf an dich verschenkte,
Du wirst es deiner Menschheit wegen tun,
Du wirst es tun, weil du dich selber ehrst!

Mariamne.
Weil ich mich selber ehre, tu ich's nicht!

Herodes.
So weigerst du mir selbst, was billig ist?

Mariamne.
Was billig ist! So wär' es also billig,
Daß ich, auf Knieen vor dir niederstürzend,
Dir schwüre: Herr, dein Knecht kam mir nicht nah!
Und daß du's glauben kannst – denn auf Vertraun
Hab ich kein Recht, wenn ich dein Weib auch bin –
So hör noch dies und das! O pfui! pfui!
Herodes, nein! Fragt deine Neugier einst,
So antwort ich vielleicht! Jetzt bin ich stumm!

Herodes.
Wär' deine Liebe groß genug gewesen,
Mir alles zu verzeihn, was ich aus Liebe
Getan, ich hätt' dich niemals so gefragt!
Jetzt, da ich weiß, wie klein sie ist, jetzt muß ich
Die Frage wiederholen, denn die Bürgschaft,
Die deine Liebe mir gewährt, kann doch
Nicht größer sein, wie deine Liebe selbst,
Und eine Liebe, die das Leben höher
Als den Geliebten schätzt, ist mir ein Nichts!

Mariamne.
Und dennoch schweig ich!

Herodes.                                     So verdamm ich mich,
Den Mund, der mir, zu stolz, nicht schwören will,
Daß ihn kein andrer küßte, selbst nicht mehr
Zu küssen, bis er es in Demut tut;
Ja, wenn's ein Mittel gäbe, die Erinnrung
An dich in meinem Herzen auszulöschen,
Wenn ich, indem ich beide Augen mir
Durchstäche und die Spiegel deiner Schönheit
Vertilgte, auch dein Bild vertilgen könnte,
In dieser Stunde noch durchstäch' ich sie.

Mariamne.
Herodes, mäß'ge dich! Du hast vielleicht
Gerade jetzt dein Schicksal in den Händen
Und kannst es wenden, wie es dir gefällt!
Für jeden Menschen kommt der Augenblick,
In dem der Lenker seines Sterns ihm selbst
Die Zügel übergibt. Nur das ist schlimm,
Daß er den Augenblick nicht kennt, daß jeder
Es sein kann, der vorüberrollt! Mir ahnt,
Für dich ist's dieser! Darum halte ein!
Wie du dir heut die Bahn des Lebens zeichnest,
Mußt du vielleicht sie bis ans Ende wandeln:
Willst du das tun im wilden Rausch des Zorns?

Herodes.
Ich fürchte sehr, du ahnst nur halb das Rechte,
Der Wendepunkt ist da, allein für dich!
Denn ich, was will ich denn? Doch nur ein Mittel,
Womit ich böse Träume scheuchen kann!

Mariamne.
Ich will dich nicht verstehn! Ich hab dir Kinder
Geboren! Denk an die!

Herodes.                               Wer schweigt, wie du,
Weckt den Verdacht, daß er die Wahrheit nicht
Zu sagen wagt und doch nicht lügen will.

Mariamne.
Nicht weiter!

Herodes.                 Nein, nicht weiter! Lebe wohl!
Und wenn ich wiederkehre, zürne drob
Nicht allzusehr!

Mariamne.                 Herodes!

Herodes.                                     Sei gewiß,
Ich werde dir nicht wieder so, wie heute,
Den Gruß entpressen!

Mariamne.                         Nein, es wird nicht wieder
Vonnöten sein! (Gen Himmel.) Lenk, Ewiger, sein Herz!
Ich hatt' ihm ja den Brudermord verziehn,
Ich war bereit, ihm in den Tod zu folgen,
Ich bin es noch, vermag ein Mensch denn mehr?
Du tatest, was du nie noch tatst, du wälztest
Das Rad der Zeit zurück, es steht noch einmal,
Wie es vorher stand; laß ihn anders denn
Jetzt handeln, so vergeß ich, was geschehn;
Vergeß es so, als hätte er im Fieber
Mit seinem Schwert mir einen Todesstreich
Versetzt und mich genesend selbst verbunden.
(Zu Herodes.)
Seh ich dich noch?

Herodes.                       Wenn du mich kommen siehst,
So ruf nach Ketten! Das sei dir Beweis,
Daß ich verrückt geworden bin!

Mariamne.                                         Du wirst
Dies Wort bereun! – Halt an dich, Herz! – Du wirst! (Ab.)

Herodes.
Wahr ist's, ich ging zu weit. Das sagte ich
Mir unterwegs schon selbst. Doch wahr nicht minder,
Wenn sie mich liebte, würde sie's verzeihn!
Wenn sie mich liebte! Hat sie mich geliebt?
Ich glaub es. Aber jetzt – Wie sich der Tote
Im Grabe noch zu rächen weiß! Ich schaffte
Ihn fort, um meine Krone mir zu sichern,
Er nahm, was mehr wog, mit hinweg: ihr Herz!
Denn seltsam hat sie, seit ihr Bruder starb,
Sich gegen mich verändert, niemals fand
Ich zwischen ihr und ihrer Mutter noch
Die kleinste Spur von Ähnlichkeit heraus,
Heut glich sie ihr in mehr als einem Zug,
Drum kann ich ihr nicht mehr vertraun, wie sonst!
Das ist gewiß! Doch, muß es darum auch
Sogleich gewiß sein, daß sie mich betrog?
Die Bürgschaft, die in ihrer Liebe lag,
Ist weggefallen, aber eine zweite
Liegt noch in ihrem Stolz, und wird ein Stolz,
Der es verschmäht, sich zu verteidigen,
Es nicht noch mehr verschmähn, sich zu beflecken?
Zwar weiß sie's! Joseph! Warum kann der Mensch
Nur töten, nicht die Toten wieder wecken,
Er sollte beides können, oder keins!
Der rächt sich auch! Er kommt nicht! Dennoch seh ich
Ihn vor mir! »Du befiehlst?« – Es ist unmöglich!
Ich will's nicht glauben! Schweig mir, Salome!
Wie es auch kam, so kam es nicht! Vielleicht
Fraß das Geheimnis, wie verschlucktes Feuer,
Von selbst sich bei ihm durch. Vielleicht verriet er's,
Weil er mich für verloren hielt und nun
Mit Alexandra sich versöhnen wollte,
Bevor die Kunde kam. Wir werden sehn!
Denn prüfen muß ich sie! Hätt' ich geahnt,
Daß sie's erfahren könnte, nimmer wär' ich
So weit gegangen. Jetzt, da sie es weiß,
Jetzt muß ich weiter gehn! Denn, nun sie's weiß,
Nun muß ich das von ihrer Rache fürchten,
Was ich von ihrer Wankelmütigkeit
Vielleicht mit Unrecht fürchtete, muß fürchten,
Daß sie auf meinem Grabe Hochzeit hält!
Soemus kam zur rechten Zeit. Er ist
Ein Mann, der, wär' ich selbst nicht auf der Welt,
Da stünde, wo ich steh. Wie treu er denkt,
Wie eifrig er mir dient, beweist sein Kommen.
Ihm geb ich jetzt den Auftrag! Daß sie nichts
Aus ihm herauslockt, weiß ich, wenn sie ihn
Auf Menschenart versucht! – Verrät er mich,
So zahlt sie einen Preis, der – Salome,
Dann hast du recht gehabt! – Es gilt die Probe! (Ab.)


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