Friedrich Hebbel
Herodes und Mariamne
Friedrich Hebbel

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Dritte Szene

Mariamne tritt ein.

Alexandra (für sich).
Sie kommt! Ja, wär' sie von ihm abzuziehn
Und zu bewegen, mir nach Rom zu folgen,
Dann – Doch, sie haßt und liebt ihn jetzt zugleich!
Wag ich noch einen letzten Sturm? Es sei!
(Sie eilt auf Mariamne zu.)
Du suchst den Trost, wo er zu finden ist!
Komm an mein Herz!

Mariamne.                         Den Trost?

Alexandra.                                           Brauchst du ihn nicht?
Dann hab ich dich verkannt! Doch hatt' ich Grund,
Dich für ein Weib, wie du keins bist, zu halten,
Du warst bei mir verleumdet!

Mariamne.                                     Ich? Bei dir?

Alexandra.
Man sprach mir von Umarmungen und Küssen,
Die du dem brudermördrischen Gemahl
Gleich nach dem Mord – Verzeih, ich hätte es
Nicht glauben sollen.

Mariamne.                         Nicht?

Alexandra.                                     Nein! Nimmermehr!
Aus mehr als einem Grund nicht! Hättest du
Dem blut'gen Schatten deines Bruders auch
Das schwesterliche Opfer einer Rache
Herzlos entziehen können, die du nicht
Durch Judiths Schwert und nicht durch Rahabs Nagel,
Nein, einzig durch ein Wenden deines Mundes
Und durch ein stilles Kreuzen deiner Arme
Dir nehmen und dem Toten weihen solltest:
Er selbst, der Mörder, hätte nicht gewagt,
Sich dir zu nähern, denn du gleichst dem Toten,
Du wärst ihm vorgekommen, wie der Leichnam
Des Aristobolus, den man geschminkt,
Er hätt' sich schaudernd von dir abgewandt.

Mariamne.
Er tat das eine nicht, noch ich das andre!

Alexandra.
So sei – Doch nein! Vielleicht blieb dir ein Zweifel
An seiner Schuld noch. Willst du den Beweis?

Mariamne.
Ich brauch ihn nicht!

Alexandra.                       Du brauchst –

Mariamne.                                             Er gilt mir nichts!

Alexandra.
Dann – Doch ich halt den Fluch auch jetzt zurück,
Es hat dich ja ein andrer schon getroffen!
Du gehst noch in den Ketten einer Liebe,
Die niemals ruhmvoll war –

Mariamne.                                   Ich dächte doch,
Ich hätt' mir den Gemahl nicht selbst gewählt,
Ich hätte mich nur in das Los gefügt,
Das du und Hirkan über mich, die Tochter
Und Enkelin, mit Vorbedacht verhängt.

Alexandra.
Ich nicht, mein feiger Vater schloß den Bund.

Mariamne.
So tat er, was dir nicht gefiel?

Alexandra.                                       Das nicht!
Sonst wäre ich zuvor mit dir entflohn,
Mir stand die Freistatt in Ägypten offen,
Ich sag nur, der Entschluß ging aus von ihm,
Dem ersten Hohenpriester ohne Mut,
Und ich bekämpfte bloß den Widerwillen,
Mit dem ich anfangs ihn vernahm. Allein
Ich tat es, denn ich fand des Feiglings Handel
In kurzem gut, und gab für Edoms Schwert
Die Perle Zions, als er drängte, hin!
Ja, wär' die Schlange, die Cleopatra
Um jene Zeit gestochen, eine gift'ge
Gewesen, oder wär' Antonius
Auch nur auf seinem Zug hieher gekommen,
Ich hätte nein gesagt! Nun sagt' ich ja!

Mariamne.
Und dennoch –

Alexandra.               Ich erwartete von dir,
Daß du den Kaufpreis nicht vertändeln würdest,
Und daß du den Herodes –

Mariamne.                                 Oh, ich weiß!
Ich hätte mir von ihm für jeden Kuß
Im voraus einen Kopf, der dir mißfiel,
Bedingen und zuletzt, wenn keiner dir
Mehr trotzte, als sein eigner, ihn zum Selbstmord
Bewegen, oder auch, wenn das nicht ging,
An ihm in stiller Nacht die Katzentat
Der Judith listig wiederholen sollen,
Dann hättst du mich mit Stolz dein Kind genannt!

Alexandra.
Mit größerem, als jetzt, ich leugn' es nicht.

Mariamne.
Ich zog es vor, dem Mann ein Weib zu sein,
Dem du mich zugeführt, und über ihn
Die Makkabäerin so zu vergessen,
Wie er den König über mich vergaß.

Alexandra.
Du schienst dich doch in Jericho auf sie
Noch einmal zu besinnen, wenigstens
Warst du die erste, die mit einer Klage
Hervortrat, als ich selbst sie noch zurückhielt,
Um dich zu prüfen. War's nicht so?

Mariamne.                                               In Jericho
Verwirrte mich das gräßliche Ereignis,
Es kam zu schnell, vom Tisch ins Bad, vom Bad
Ins Grab, ein Bruder, ja, mir schwindelte!
Doch, wenn ich meinem König und Gemahl
Argwöhnisch und verstockt die Tür verschloß,
Bereu ich's jetzt, und kann's mir nur verzeihn,
Weil es geschehn ist, wie in Fiebers Glut!

Alexandra.
In Fiebers Glut!

Mariamne (halb für sich). Auch hätt' ich's nicht getan,
Wär' er in Trauerkleidern nicht gekommen!
Rot, dunkelrot hätt' ich ihn sehen können,
Doch –

Alexandra.   Ja, die fand er rasch! Er hatte sie
Voraus bestellt, wie andre Mörder sich,
Wo möglich, Wasser schöpfen, eh' sie morden –

Mariamne.
Mutter, vergiß nicht!

Alexandra.                         Was? Daß du das Weib
Des Mörders bist? Das bist du erst geworden,
Und bist es nur so lange, als du willst,
Ja, bist's vielleicht, wer weiß! schon jetzt nicht mehr;
Des Toten Schwester aber warst du stets
Und wirst es bleiben, wirst es dann sogar
Noch sein, wenn du – du scheinst dazu geneigt –
Ins Grab ihm nachrufst: Dir ist recht geschehn!

Mariamne.
Ich bin dir Ehrfurcht schuldig, und ich möchte
Sie nicht verletzen, darum halte ein!
Ich könnte sonst –

Alexandra.                   Was könntest du?

Mariamne.                                               Mich fragen,
Wer schuld ist an der Tat, ob der, der sie
Vollbrachte, weil er mußte, oder die,
Die sie ihm abdrang! Laß den Toten ruhn!

Alexandra.
So sprich zu einer, die ihn nicht gebar!
Ich trug ihn unterm Herzen, und ich muß
Ihn rächen, da ich ihn nicht wecken kann,
Daß er sich selber räche!

Mariamne.                                 Räch ihn denn,
Doch räch ihn an dir selbst! Du weißt recht gut,
Daß es der Hohepriester war, der rings
Vom Volk Umjauchzte, selbst schon Schwindelnde,
Und nicht der Jüngling Aristobolus,
Der gegen sich hervorrief, was geschah.
Wer trieb den Jüngling nun, das sag mir an,
Aus seiner Selbstzufriedenheit heraus?
Es fehlt' ihm ja an bunten Röcken nicht,
Die Blicke schöner Mädchen anzuziehn,
Und mehr bedurft' er nicht zur Seligkeit.
Was sollt' ihm Aarons Priestermantel noch,
Den du zum Überfluß ihm überhingst?
Ihm kam von selbst ja kein Gedanke drin,
Als der: wie steht er mir? Doch andre hielten
Ihn seit dem Augenblick, daß er ihn trug,
Fürs zweite Haupt von Israel, und dir
Gelang es bald, ihn selbst so zu betören,
Daß er sich für das erste, einz'ge hielt!

Alexandra.
Du lästerst ihn und mich!

Mariamne.                                 Ich tu es nicht!
Wenn dieser Jüngling, der geboren schien,
Der Welt den ersten Glücklichen zu zeigen,
Wenn er so rasch ein dunkles Ende fand,
Und wenn der Mann, der jeden andern Mann,
Wie er sein Schwert nur zieht, zum Weibe macht,
Wenn er – ich weiß nicht, ob er's tat, doch fürcht' ich's;
Dann tragen Ehrsucht, Herrschgier, zwar die Schuld,
Doch nicht die Ehrsucht, die der Tote hegte,
Und nicht die Herrschgier, die den König plagt!
Ich will dich nicht verklagen, mir geziemt's nicht,
Ich will dafür, daß du uns ein Gespenst,
Ein blut'ges, in die Ehekammer schicktest,
Von dir nicht eine Reueträne sehn,
Obgleich wir nie jetzt mehr zu zweien sind,
Und mir der Dritte so den Sinn verstört,
Daß ich verstumme, wenn ich reden sollte,
Und daß ich rede, wenn zu schweigen wär';
Ich will nicht einmal deinen Rachedurst
Ersticken, will nicht fragen, was du rächst,
Ob deine Pläne oder deinen Sohn:
Tu, was du willst, geh weiter, halte ein,
Nur sei gewiß, daß du, wenn du Herodes
Zu treffen weißt, auch Mariamne triffst;
Den Schwur, den ich zurückhielt, als er scheidend
Ihn foderte, den leist ich jetzt: Ich sterbe,
Wenn er stirbt. Handle denn und sprich nicht mehr!

Alexandra.
So stirb! Und gleich! Denn –

Mariamne.                                     Ich verstehe dich
Und deshalb glaubtest du, ich brauchte Trost?
O nein! Du irrst! Es schreckt mich nicht,
Wenn das Gesindel, das die Auserwählten
Nur, weil sie menschlich-sterblich sind, erträgt,
Ihn mit dem Mund schon totgeschlagen hat.
Was bleibt dem Sklaven übrig, wenn der König
In Pracht und Herrlichkeit vorüberbraust,
Als sich zu sagen: Er muß dran, wie ich!
Ich gönn ihm das! Und wenn er an den Thron
Ganz dicht ein Schlachtfeld rückt mit tausend Gräbern,
So lob ich's, es erstickt in ihm den Neid!
Doch, daß Herodes lebt und leben wird,
Sagt mir mein Herz. Der Tod wirft einen Schatten,
Und der fällt hier hinein!

Vierte Szene

Ein Diener.                             Der Vizekönig!

Alexandra.
Gewiß bewaffnet, wie er immer ist,
Wenn er zu uns kommt, seit es ihm mißlang,
Durch Schmeichelei den Sinn uns zu betören,
Wie er's im Anfang zu versuchen schien.
Weißt du, daß Salome in jener Zeit
Vor Eifersucht verging?

Mariamne.                             Sie tut's noch jetzt!
Denn lächelnd und vertraulich sag ich ihm,
Wenn sie dabei ist, stets die schlimmsten Dinge,
Und da sie selbst nicht müde wird, zu spähn,
So werde ich nicht müde, sie zu strafen
Für ihre Torheit!

(Joseph tritt ein.)

Alexandra (auf Josephs Waffen deutend).
                              Siehst du?

Mariamne.                                     Mag er doch!
Sein Weib verlangt's, damit sie träumen kann,
Sie habe einen kriegrischen Gemahl.

Alexandra (zu Joseph).
Ich bin noch da!

Joseph.                     Ein seltsamer Empfang.

Alexandra.
Mein Sohn ist auch noch da! Er hat, wie einst,
In eine Totenkiste sich versteckt.
Jag ihn heraus, ich will's dafür verzeihn,
Daß du das einmal ungeheißen tatst.
Du mußt die Kiste aber diesmal nicht
Auf einem Schiff, das nach Ägypten segelt,
Du mußt sie suchen in des Kirchhofs Bauch.

Joseph.
Ich bin nicht der, der Tote wecken kann!

Alexandra (mit Hohn gegen Mariamne).
Wohl wahr! Sonst wärst du sicher mitgezogen,
Um deinen Herrn, wenn ihn sein Knien und Flehn
Vor dem Liktorenbeil nicht schützen sollte –

Mariamne.
Er kniet und fleht!

Joseph (zu Mariamne). Ich kann dir zeigen wie!
»Man hat mich des geziehn!« Ich räum es ein.
»Des aber nicht!« Ich füg es gleich hinzu,
Damit du alles weißt! – So wird er's machen.

Alexandra.
Prahlst du für ihn?

Joseph.                         So hat er's schon gemacht!
Ich stand dabei, da ihn die Pharisäer
Verklagen wollten beim Antonius.
Er hatte es statt ihrer selbst getan,
Vorausgeeilt ins Lager, wie er war,
Und sagte, als sie kamen, Punkt für Punkt
Die Rechnung wiederholend und ergänzend:
Sprecht, ob ich etwas ausließ oder nicht!
Den Ausfall kennst du, mancher von den Klägern
Verlor den starren Kopf, als sie nicht wichen,
Er trug des Römers volle Gunst davon.

Alexandra.
Da waren beide jünger, wie sie jetzt sind.
Des einen Übermut gefiel dem andern
Und um so mehr; weil er auf fremde Kosten
Geübt ward, nicht auf eigne. Kann dem Römer
Der Pharisäer denn was sein, des Zunge
Beständig Aufruhr predigt gegen Rom?
Wer dem den Bart rauft, kürzt sein Ansehn! dachte
Antonius und lachte, doch ich zweifle,
Ob er das auch geschehn läßt an sich selbst!

Joseph.
Du sprichst, als wünschtest du –

Alexandra.                                         Ob unsre Wünsche
Zusammengehn, ob nicht, was kümmert's dich?
Halt du den deinen fest! Für dich ist's wichtig,
Daß er zurückkehrt!

Joseph.                           Meinst du? Wenn für mich,
So auch für dich!

Alexandra.                   Ich wüßte nicht, warum?
Es gab schon einmal eine Alexandra,
Die eine Krone trug in Israel,
Die zugriff, als sie frei geworden war,
Und sie nicht liegen ließ für einen Dieb.
Es soll, bei Gott! nicht an der zweiten fehlen,
Wenn's wirklich (zu Mariamne) Makkabäerinnen gibt,
Die kind'sche Schwüre halten!

Joseph (aushorchend).                     Es ist wahr!
Solch eine Alexandra gab's einmal,
Doch, wer ihr Ziel erreichen will, der muß
Ihr Beispiel ganz befolgen, nicht nur halb.
Sie söhnte sich, als sie den Thron bestieg,
Mit allen ihren Feinden aus, nun hatte
Niemand von ihr zu fürchten, nur zu hoffen,
Kein Wunder, daß sie fest saß bis zum Tod!

Mariamne.
Das find ich kläglich! Wozu einen Zepter,
Wenn nicht, um Haß und Liebe zu befried'gen?
Die Fliegen zu verscheuchen g'nügt ein Zweig!

Joseph.
Sehr wahr!
(Zu Alexandra.) Und du?

Alexandra.                               Sie sah im Traum wohl nie
Den Ahnherrn ihres Stamms, den großen Judas,
Sonst hätt' sie wahrlich keinen Feind gescheut,
Denn noch vom Grab aus schützt er seine Enkel,
Weil er in keinem Herzen sterben kann.
Wie sollt' er auch! Es kann ja niemand beten,
Der sich nicht sagen muß: ich dank es ihm,
Daß ich noch knieen darf vor meinem Gott
Und nicht vor Holz, vor Erz und Stein!

Joseph (für sich).                                         Der König
Hat recht gehabt! Ich muß die Tat vollbringen,
Und zwar an beiden, oder sie erleiden.
Ich muß mir auf das Haupt die Krone setzen,
Wenn ich's vorm Beil des Henkers sichern will.
Hier starrt mir eine Welt von Haß entgegen!
Wohlan, sie sprachen sich das Urteil selbst;
Ich hab sie jetzt zum letzten Mal geprüft,
Und wäre nur sein Bote da, ich würde
Es mitleidslos den Augenblick vollziehn!
Jedwede Vorbereitung ist getroffen.


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