Friedrich Hebbel
Gyges und sein Ring
Friedrich Hebbel

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Der Tempel der Hestia.

Man erblickt in der Mitte die Bildsäule der Göttin. Rhodope kommt rechts in feierlichem Zug, mit ihr Lesbia, Hero und Karna. Es ist Abend. Fackeln.

Rhodope.
Karna, der Scheiterhaufen wird errichtet?

Karna.
Er ist es schon!

Rhodope (schreitet in den Tempel und kniet vor der Bildsäule der Göttin nieder).

Hero.                       Sie spricht vom Scheiterhaufen,
Anstatt vom Brautgemach?

Lesbia.                                       Das wundert dich?
Es muß hier erst doch einen Toten geben,
Bevor es eine Braut hier geben kann.

Hero.
Ich zittre, Lesbia. Sie fragte mich,
Als ich sie schmückte, ob in unserm Garten
Wohl gift'ge Beeren wüchsen –

Lesbia.                                               Wie?

Hero.                                                           Und ob
Ich ihr davon nicht ein'ge bringen könnte;
Für jede schenke sie mir eine Perle,
Und wenn es hundert wären, aber schnell
Müßt' es geschehn!

Lesbia.                           Und du?

Hero.                                           Ich sagte nein!
Da lächelte sie zwar und sprach: das konnt' ich
Mir denken, morgen zeige ich sie dir,
Doch kam's mir seltsam vor.

Lesbia.                                         Das ist es auch!

Hero.
Nun schickte sie mich fort, ich aber lauschte
Und sah, daß sie mit einem spitzen Dolch,
Wie zum Versuch, ich kann's nicht anders nennen,
Den Arm sich ritzte.

Lesbia.                             Hero!

Hero.                                           Ja, es kam
Auch rotes Blut.

Lesbia.                       Entsetzlich!

Hero.                                             Freilich ehrt
Sie neben unsern Göttern auch noch fremde,
Die wir nicht kennen, und so ist's vielleicht
Ein dunkler Brauch!

Lesbia.                             Nein, nein! Wo tönt die Flöte
Und wo das Rohr? Wer singt den Hymenäus?
Wo sind die Tänzerchöre? Ich war blind!
Sie zog hinaus, um nicht mehr heimzukehren!
Oh, Königin, ich bitt dir ab! – Wird denn
Ein Mahl gerüstet?

Hero.                             Nein! Daß ich nicht weiß!

Lesbia.
So sei der Trotz verflucht, der mich bewog,
Mich eben heut so fern von ihr zu halten,
Nun – Göttin, sie ist dein zu dieser Stunde,
So wende du ihr Herz! Ich kann's nicht mehr.

Hero.
Ja, reine, keusche, heilige, das tu! –
Und ist es nicht auch seltsam, daß sie sich,
Anstatt der ewig heitern Aphrodite,
Die strenge Hestia, vor deren Blicken
Der grünste Kranz verdorrt, zur Zeugin wählt?

Lesbia.
Ach, alles deutet aufs Entsetzlichste.

Gyges (tritt auf).

Hero.
Gyges!

Lesbia.         Oh, nimm ihn hin! Nur tu es nicht,

Gyges.
Mir ist, als hätt' ich selbst das Blut verloren,
Das ihm entströmte! – Ich bin totenkalt.

Hero.
Wie bleich er aussieht!

Gyges.                                 Da ist der Altar –
An einem andern hab ich sie gesucht –
Da stehen ihre Mädchen – da ist sie –
Was nun?

Thoas (tritt auf). Ich bringe dir die Krone dar!

Gyges.
Den Lydiern gehört sie und nicht mir.

Thoas.
Den Lydiern hab ich sie erst gebracht,
Und als ihr Bote steh ich jetzt vor dir!

Volk (von draußen)
Heil, Gyges, Heil!

Rhodope (erhebt sich und wendet sich).

Volk (hereindringend). Dem König Gyges Heil!

Thoas.
Doch sei nicht stolz auf diesen Ruf, die Nachbarn
Sind in das Land gefallen, nun sollst du
Sie führen!

Gyges.               Wie?

Thoas.                         Es kam, wie ich gedacht,
Er war zu mild, es fürchtete ihn keiner,
Jetzt sind sie da!

Gyges (setzt die Krone auf). Ich zahle seine Schuld.

Rhodope (die sich dem Gyges langsam genähert hat).
Erst deine eigne, Gyges!

Gyges.                                     Königin,
Sei du der Preis, der mir entgegenwinkt,
Wenn ich die Feinde rings zerschmettert habe –

Rhodope.
Nein, nein! Von mir erlangst du keine Frist! –
Wir können nicht vor meinen Vater treten,
So tritt mit mir vor Hestias Altar
Und reiche mir vor ihrem Angesichte
Die Hand zum ew'gen Bunde, wie ich dir!

Gyges.
Wenn du gesehen hättest, wie er schied,
So würdest du den Schauder heilig halten,
Der mir verbeut, auch nur dein Kleid zu streifen,
Bevor ich das für ihn getan! Wem bot
Die reiche Welt so viel, wie ihm, und doch
Ging er hinaus, wie andere hinein!

Rhodope.
Wenn er so edel in das düstre Reich
Hinunterstieg, wo keiner sich aufs neue
Mit Schuld befleckt, so werde ich ihm gern,
Und wär's auch auf der Schwelle schon, begegnen,
Ja, ihm mit eigner Hand vom Lethe schöpfen
Und selbst verzichten auf den sel'gen Trunk.
Dich aber mahn ich: ende jetzt!

Gyges.                                               Es sei! –
Doch dies gelob ich dir, du teurer Schatten,
Ich zieh hinaus, so wie's geschehen ist!

Rhodope.
Auch ich gelobte etwas!

Gyges.                                   Königin,
Wer einen solchen Kelch voll Seligkeit
Beiseite stellt, wie ich, und wär's auch nur
Für eine Stunde, der verdient sich ihn.

Rhodope.
Still, still, du bist an einem heil'gen Ort.

(Sie schreiten zum Altar.)

Rhodope.
O Hestia, du Hüterin der Flamme,
Die das verzehrt, was sie nicht läutern kann:
Ich dank es diesem Jüngling, daß ich wieder
Vor deinem Angesicht erscheinen darf,
Und, wie das Volk zum König, so erhebe
Ich ihn, sei du mir Zeugin, zum Gemahl.

(Sie reicht Gyges die Hand.)

Als Morgengabe sieh die Krone an,
Die schon gebietend dir vom Haupte funkelt,
Mir aber gib den Totenring zum Pfand.

Gyges.
Den trägt der König noch an seinem Finger.

Rhodope.
Dann hat er schon den Platz, der ihm gebührt.

(Sie läßt Gyges' Hand los.)

Nun tritt zurück, und halte dein Gelübde,
Wie ich das meinige! Ich bin entsühnt,
Denn keiner sah mich mehr, als dem es ziemte,
Jetzt aber scheide ich mich (Sie durchsticht sich.) so von dir!


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