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München.
Das Herzogliche Kabinett. Man sieht an der einen Wand zwei Karten. Die andern Wände sind mit Bildern bayerischer Fürsten behängt.
Ernst (steht vor den Karten). Ich kann's nicht lassen, und es ärgert mich doch immer wieder von neuem. Das war Bayern einst, und das ist Bayern jetzt! Wie Vollmond und Neumond hängen sie da nebeneinander! Und wenn noch ein halbes Jahrtausend dazwischenläge! Aber wie mancher alte Mann muß noch leben, der der Zeit noch recht gut gedenkt, wo Tirol und Brandenburg und das fette Holland, und was nicht noch sonst, unser war, ja, der obendrein auch die ganze Reihe von Torheiten aufzählen kann, durch die das alles verlorenging! (Er tritt vor die Bilder.) Nein, wie ihr gewirtschaftet habt! Vierundzwanzig Stunden vorm Jüngsten Tag wär's noch zu arg gewesen! Und ihr hattet das kluge Vorbild im benachbarten Österreich so nah! Rudolph von Habsburg hätte ein Sandkorn durch geschicktes Wenden und Drehen und unablässiges Umkehren auf klebrigtem Boden zum Erdball aufgeschwemmt, ihr den Erdball zum magersten Sandkorn heruntergeteilt! (Er geht weiter.) Kaiser Ludwig, wackrer Kämpfer, der du jeden Feind bestandst, ausgenommen den letzten, heimlichen ohne Namen und Gesicht, du blickst finster auf deinen Enkel herab. Ich versteh dich, und du hast recht, das Schelten ist für die Weiber, das Bessermachen für die Männer. Nun, ich stückle und flicke ja auch schon ein Leben lang, ob ich nicht wenigstens den alten Kurfürsten-Mantel wieder zusammenbringe, und ich denke, du sollst mir die Hand geben, wenn wir uns einmal sehen. Du hättest mir gewiß die Arbeit erspart, wenn der Giftmischer sich nicht mit Wein und Brot gegen dich verschworen und dich vor der Zeit ausgetan hätte! Aber deine Söhne – Nun! Sie sind tot!
Stachus (tritt ein).
Ernst. Was gibt's?
Stachus. Der Meister aus Köln ist da, der geschickte Mann mit dem wunderlichen Namen. Er sagt, er sei bestellt.
Ernst. Er hat was bei sich! Das bring mir!
Stachus (ab).
Ernst. Der Zierat für die Totenkapelle, wo die jetzt in Staub zerfällt, die mir mit Schmerzen meinen Sohn gebar!
Stachus (bringt einen Bogen).
Ernst (nachdem er ihn betrachtet hat). Das ist mir viel zu kraus! Komm mal her! Bringst du heraus, was es bedeuten soll?
Stachus. Ach, Herr, ich bin ein gar einfältiger Mensch!
Ernst. Tut nichts, du gehörst auch mit dazu, Gräber sollen stillschweigen, oder so reden, daß auch der Geringste sie versteht! Genauso soll er's machen, wie ich's ihm angab: den Heiland, unsern allbarmherzigen Erlöser, mit ausgebreiteten Armen, die Abgeschiedene zu seinen Füßen, wie man die heilige Martha malt, aber mit verhülltem Gesicht, da doch niemand wissen kann, wie sie jetzt aussieht, und ganz unten ich und mein Sohn Albrecht, wie wir für ihre arme Seele beten! Das sag ihm, dies da kann er auf sein eignes Grab setzen, ich bedank mich dafür, ich hätt' mir aus der Kölner Bauhütte etwas andres erwartet, das ist die Reisekosten nicht wert!
Stachus (mit dem Bogen ab).
Ernst. Die hätten schön zu deinem demütigen, frommen Sinn gepaßt, du stille Elisabeth, all diese Engel mit Flügeln und Trompeten, die blasen, als ob die Himmelskönigin zum zweiten Mal ihre Auferstehung feierte! Und ich hatt' ihm alles so deutlich angegeben! Aber, das muß immer scharwenzeln, immer, es wär' kein Wunder, wenn man's am Ende gar vergäße, daß man von der Erde genommen ist und wieder zur Erde werden soll, und es scheint doch vielen zu gefallen, sonst würden's diese Leute ja wohl nicht bei jedermann versuchen!
Der Kanzler Preising (tritt ein).
Ernst. Schon da, Preising? Gut! Wißt Ihr was? Wir wollen von heut an immer eine Stunde früher anfangen! Niemand weiß, ob er nicht Feierabend machen muß, ehe er müde ist! Wieviel hatte die Herzogin noch vor, nun liegt sie da! Was bringt Ihr?
Preising. Zuvörderst! Die Klagen über den Wucher der Juden mehren sich!
Ernst. Man soll sich so einrichten, daß man die Juden nicht braucht! Wer nicht von ihnen borgt, wird nicht arm durch sie, und ob sie funfzig vom Hundert nehmen!
Preising. Es ist der Juden selbst wegen, daß ich darauf zurückkomme. In Nürnberg schlägt man sie schon tot, wie die Hunde, und böse Beispiele stecken eher an, als gute!
Ernst. Meine Juden sollen's so treiben, daß sie das Totschlagen nicht verdienen, dann wird's wohl unterbleiben. Ich mische mich in diese Händel nicht hinein. Fragt bei meinem Bruder an, ob er will!
Preising. Das wär' wohl das erste Mal, daß Herzog Wilhelm etwas wollte, was Ew. Gnaden nicht wollen!
Ernst. Ebendarum soll man ihn nie vorbeigehen! Weiter!
Preising. In Sachen des strittigen Kurhuts hat der böhmische Hof endlich –
Ernst. Nichts davon! Das hat Kaiser Rudolph durch seinen doppelten Spruch so verwickelt, daß nur das Schwert noch helfen kann, und das Schwert können wir erst dann ziehen, wenn München, Ingolstadt und Landshut einmal wieder zusammengehen. Dazu ist bis jetzt wenig Hoffnung, denn meine teuren Vettern Ludwig und Heinrich möchten mich freilich gern umarmen, wenn sie mir nur zugleich auch den Rücken kehren könnten. Also weiter! Doch halt, halt, erst dies! Wir sind ja unverhofft zu Geld gekommen, der Württemberger muß das wieder herausgeben, was er bei Erziehung seiner Tochter an Birkenreisern erspart hat, und obendrein schwere Zinsen zahlen. Mit seinen fünfundzwanzig Tausend Gulden können wir allerlei machen!
Preising. Wenn wir sie erst haben, ja!
Ernst. Haltet Ihr den Grafen für keinen ehrlichen Mann?
Preising. Für den ehrlichsten Mann von der Welt!
Ernst. Nun denn! Ein Bettler ist er doch gewiß auch nicht! Wir könnten eine unsrer verpfändeten Städte dafür auslösen, und ich weiß schon, wo man sich am billigsten finden lassen wird, weil man unser Geld am nötigsten braucht.
Preising. Das wäre freilich ein Gewinn!
Ernst. Ja, da gäb's doch einen Fleck weniger im Lande, wo wir unsern Herzogsstab nicht wieder aufheben dürften, wenn er uns einmal aus der Hand glitte. Wir könnten dem Lech aber auch für ewige Zeiten einen Freipaß damit erkaufen, daß er uns von den Augsburgern nicht wieder auf einen Wink des Kaisers versperrt werden kann, wie Anno neunzehn bei den Bischofhändeln!
Preising. Dazu werden die Kaufherren raten!
Ernst. Und Ihr?
Preising. Gnädiger Herr, der Württemberger wird nicht aufknöpfen, ich sag's Euch!
Ernst. Nicht aufknöpfen? Ei! Ei! Hab ich nicht mein Pfand? Sind mir nicht Geiseln gestellt? Was kann er denn einwenden?
Preising. Er legt's übel aus, daß Herzog Albrecht sich gar keine Mühe gab, seine Braut wiederzubekommen, daß er in Augsburg aufs Tanzhaus ging, statt den Entführer verfolgen zu helfen!
Ernst. Was war denn an der noch wiederzubekommen? Sie war ja schon das Weib eines andern, eh' wir hier noch die Flucht erfuhren! Der Württemberger soll sich in acht nehmen! Ich besetz ihm Göppingen, eh' er's denkt, es kommt mir auf einen Ritt noch nicht an!
Preising. Ich sage Euch, und bitt Euch, nicht unwirsch zu werden, über den Sieger von Alling ist nie so viel geredet worden, wie über den Tänzer von Augsburg!
Ernst. Ich weiß, ich weiß, und es verdrießt mich genug! Preising, es ist die Strafe unsrer eignen Jugendsünden, daß wir gegen die unserer Kinder nachsichtig sein müssen. Ihr wißt, was ich auf Andechs verwende, glaubt's mir, man baut niemals Kapellen ohne Grund! Aber es ist schon dafür gesorgt, daß ein Ende wird. Erich von Braunschweig sagte schon vor zwei Jahren zu mir: es ist schade, Ernst, daß du nur den einen Sohn hast und daß der versprochen ist! Dies Wort blieb mir im Kopf hängen, und noch denselben Tag, wo ich die Flucht der Wüttembergerin erfuhr, ließ ich um die Braunschweigerin anhalten! Nun, gestern zur Nacht lief das Jawort ein!
Preising. Und Albrecht? Wird er einverstanden sein?
Ernst. Einverstanden? Wie kommt Ihr mir vor? Darnach hab ich wahrhaftig noch nicht gefragt, das, denk ich, versteht sich von selbst!
Preising. Ihr habt ihm einen Boten geschickt!
Ernst. Einen? Drei, vier hab ich ihm geschickt, mit Ermahnungen und Warnungen, dem letzten hab ich sogar einen Brief mitgegeben!
Preising. Nun, der ist wieder da, er steigt eben vom Pferd!
Ernst. Er hat lange genug gemacht!
Preising. Und ist doch nicht langsam geritten, denn er kommt nicht von Augsburg, sondern von Vohburg, der Herzog hatte die Reichsstadt verlassen, bevor er eintraf!
Ernst. So ist der Handel mit der Dirne vorbei, und ich hätte mir den dummen Brief sparen können!
Preising. Nichtsweniger, als das, er hat die Dirne mitgenommen!
Ernst. Das ist viel! Das würde ich bei Lebzeiten meines Vaters nie gewagt haben! Bringt das der Bote?
Preising. Ja – Und –
Ernst. Was noch? Warum stockt Ihr? Das kenn ich ja gar nicht an Euch!
Preising. Das Gerücht – wissen müßt Ihr's – geht sogar noch weiter, viel weiter!
Ernst. Das Gerücht hat tausend Zungen, und nur mit einer spricht es die Wahrheit; wer will die herausfinden? Aber wie weit geht's denn? Ich bin doch neugierig!
Preising. Man munkelt von einer heimlichen Heirat! Die Dirne hätt's nicht anders getan!
Ernst. Und das könnt Ihr mir mit einem ernsthaften Gesicht sagen? Preising! Bringt das auch der Bote?
Preising. Ich habe ihm augenblicklich das strengste Stillschweigen auferlegt.
Ernst. Nicht doch! Er soll reden! Aber er soll hinzufügen, daß der Dirne ganz Bayern zum Leibgeding verschrieben ist! (Er lacht.) Meint Ihr nicht? Auch der Teil, der nicht uns gehört, der solle apart für sie erobert werden! Durch mich, versteht Ihr?
Preising. Und Ihr seid gewiß, daß nichts dahintersteckt? Gar nichts?
Ernst. Preising! (Er hebt seine drei Finger in die Höhe.) Das solltet Ihr doch auch können, und ob Ihr auf dem Todbett lägt! So viel Respekt für mein Blut verlang ich! Die Sippschaft der Dirne hat's in Umlauf gesetzt, um ihre Schande zu verbrämen! Das liegt ja auf der Hand! Aber daraus folgt nicht, daß wir ruhig zusehen wollen, bis es im ganzen Reich herum ist, bewahre! Es freut mich jetzt doppelt, daß der Braunschweiger endlich gesprochen hat, nun können wir dem Kot gleich einen Platzregen nachschicken, und wir wollen uns rühren, daß er sich nicht vorher festsetzt! Also! Ihr steigt augenblicklich zu Pferd und meldet's meinem Sohn –
Preising. Wenn er's nun aber doch nicht aufnimmt, wie Ihr denkt?
Ernst. Haltet Euch doch nicht bei Unmöglichkeiten auf! Das sind ja ganz verschiedene Dinge! Er sagt ja; ob gern oder ungern, schnell oder langsam, das kümmert nicht mich und nicht Euch. Es gibt zwar eine Person, der das nicht so gleichgültig sein kann, wie uns beiden, aber auch um die ist mir nicht bange, sie wird's schon durchsetzen, wenn sie nur einmal da ist! In Braunschweig ist ja alles schön, bis auf das Hexenvolk, das sich zu Walpurgis bei Nebel und Nacht auf dem Blocksberg versammelt, und Erichs Anna soll noch mächtig hervorleuchten! Ihr kennt das schnurrige Wort ja wohl, das auf dem letzten Fürstentag über sie umging. Der Burggraf von Nürnberg, der kleine Bucklichte, der immer so twatsche Einfälle hat, sagte, als die Rede auf ihr schlichtes Wesen in Gang und Kleidertracht kam, sie sei ein Licht, das ungeputzt noch heller brenne, als geputzt, und die Jüngeren unter uns schwuren mit großem Lärm, das sei wahr, während wir Älteren lachten. Zum Teufel, die wird's doch mit der Baderin aufnehmen können?
Preising. Gut denn!
Ernst. Weiter entbietet ihn zum Turnier, nach Regensburg, denk ich! Ja, ja, nach Regensburg! Ich bin's denen schuldig! Er soll nicht länger dastehen, wie ein Knabe, dem der eine Vogel davongeflogen ist, und der keinen andern fangen kann, auch soll's die Ritterschaft gleich wissen, daß Welf und Wittelsbach sich endlich einmal wieder küssen wollen, und das will ich feierlich auf dem Turnier verkünden! Es muß so rasch, als möglich, zustande gebracht werden, mein Bruder soll die Ausschreibungen auf der Stelle erlassen, ich will gleich zu ihm, er wird's gern tun, das ist ein Geschäft für ihn! Wißt Ihr, wie's mit seinem Sohne steht? Ich sah ihn lange nicht, sie verstecken ihn vor mir, wie's scheint, als ob sie sich schämten, ich mag kaum nach ihm fragen!
Preising. Besser, wie ich höre, etwas besser, seit das alte Kräuterweib ihn pflegt!
Ernst. Das freut mich, obgleich es wohl nicht viel heißt! Denn mit diesem Knaben spielen alle Gebresten Fangball, ich hätte gar nicht gedacht, daß es so viele Übel gibt, als er schon gehabt hat, es ist ein Elend! Preising, der arme Adolph wird gewiß keine tolle Streiche machen, höchstens den, daß er ins Kloster geht, und daran tut er am Ende sogar recht!
Preising. Oft werden schwache Kinder doch noch starke Männer!
Ernst. Gott geb's, ich wünsch es von Herzen! Aber – was trieb mein Albrecht schon alles, als er vier Jahr' alt war! Da kam kein Bart ungerupft vom Schloß, und kein Fenster blieb ganz, wo er herumhantierte. Freilich, jetzt ist's weit mit ihm gekommen, er hat sein Nest beschmutzt, und das hätt' ich nie gedacht, ich hielt ihn für einen bessern Vogel. Nun, es soll schon wieder rein werden, und später kann ich dafür auch um so mehr von ihm fordern, denn alle zehn Gebote zusammen peitschen den Mann nicht so vorwärts, wie die Jugend-Torheiten, die ihm rechts und links über die Schultern kucken, wenn er den Kopf einmal dreht. Nur darum, glaub ich, läßt Gott, der Herr, sie zu! (Wendet sich zum Abgehen.)
Preising. Und wenn – – Gnädiger Herr, in einem solchen Fall ward das ja gewiß noch niemals schnell gesagt! Wenn er es mir nicht gleich auf den Weg mitgibt: lad ich ihn dann auch zum Turnier?
Ernst. Dann erst recht! Dann will ich ihn vor gesamter Ritterschaft – – Torheit! Zu Pferd, Preising, zu Pferd! (Rasch ab.)
Vohburg.
Erkerzimmer. Albrecht tritt mit Agnes ein. Der Kastellan folgt.
Albrecht (zu Agnes, die einzutreten zaudert). Nun? (Zum Kastellan.) Also dies ist das Zimmer?
Kastellan. Dies ist das Zimmer!
Albrecht. Ein wahrer Lug ins Land!
Kastellan. Ja, von hier aus sieht man die Feinde zuerst, aber auch die Freunde. Das sagte die Hochselige, als sie's zum ersten Mal betrat und geradeso, wie Ew. Gnaden jetzt, aufs Fenster zuging!
Albrecht. Wir hätten früher kommen sollen, nicht wahr, Alter, gleich nach der Ankunft? Denn ich merk's wohl, daß meine Mutter dich ins Vertrauen gezogen hat!
Kastellan. Ei, ich brauch's nicht zu erfahren, warum das fünf Tage später geschieht, als sie erwartete! Ich weiß ohne das, was ich dem Burgwart und dem Kellermeister zu antworten hab, wenn sie die Köpfe noch einmal zusammenstecken sollten, denn Ew. Gnaden stehen jetzt darin, und also auch meine erlauchte Gebieterin Elisabeth von Württemberg, nunmehr von Bayern!
Albrecht. Deine Gebieterin gewiß, wenn auch nicht Elisabeth von Württemberg!
Kastellan. Nicht? Ich meinte doch! Anders freilich hätt' ich's mir vorgestellt! Wenn Fürstinnen im Heiligen Römischen Reich sonst ihren Brautzug hielten, meldete es ein Glockenturm dem andern durch fröhlich Geläut, die Fahnen flogen, die Trompeten schmetterten und bunte Herolde sprengten hin und her! Davon hat man diesmal nichts gemerkt: nun, Gott segne die Herzogin dieser Lande und die rechtmäßige Gemahlin meines Herrn! (Ab.)
Albrecht. Ein wunderlicher Alter! Ganz wie ein welkes Blatt unter grünem Laub, das der Wind hängenließ!
Agnes. Er erinnert mich an meinen Vater! So wird der einmal aussehen!
Albrecht. Nun sind wir denn hier! Wie trieb er! Soviel ich ihm auch zugute halte, es verdroß mich fast, dies ewige Sich-in-den-Weg-Stellen und Klirren mit dem Schlüsselbund!
Agnes. Und ich schämte mich! Aber es rührte mich doch! Er kann keinen Flecken an seinem Herzog dulden, und er hielt mich für deinen Flecken!
Albrecht. Nun, ihr Wände? Wenn ihr Zungen habt, so braucht sie, damit ich endlich erfahre, warum wir gerade hierher zuerst kommen sollten! Ich glaubte, dieser sei eine Überraschung zugedacht, aber ich sehe ja nichts!
Agnes. Schön ist es hier! Dies braune Getäfel ist so blank, daß es uns abspiegelt! Das ist gewiß Regensburger Arbeit! Und die bunten Glasfenster mit den vielen, vielen Bildern darin!
Albrecht. Ja, das machen sie jetzt am Rhein, seit sie in Köln den Dom bauen! Lauter Legenden! Man wird heilig, wenn man durch solche Scheiben sieht! Aber ich kann mir doch nicht denken, daß wir hierher gerufen sind, um uns die zu erklären!
Agnes. Und die Aussicht! Oh!
Albrecht. Das alles ist jetzt dein! Aber freu dich nicht zu sehr! Du mußt auch manches mit in den Kauf nehmen. Zum Exempel den alten krüpplichten Baum da, und dort die Hütte ohne Dach!
Agnes. Mein Albrecht, du bist so fröhlich, das ist mein größtes Glück!
Albrecht. Oh, ich bin heute ein Maulhänger gegen das, was ich morgen sein werde, und so fort und fort! Ja, Agnes, so ist's! Ein Entzücken ist bei mir immer nur der Herold des anderen, größeren, und jetzt erst weiß ich's, warum wir Menschen unsterblich sind.
Agnes. Nicht mehr! Ich halt's nicht aus! Die Brust zerspringt mir! (Sie erblickt den Betschemel.) Da! Da! (Sie wirft sich hin und betet.)
Albrecht (mit einem Blick nach oben). Nun segnest Du! Und ich weiß auch, durch wen!
Agnes (steht wieder auf, an dem Betschemel öffnet sich, wo sie kniete, ein geheimes Fach, sie bemerkt es nicht).
Albrecht. Jetzt ist meine Mutter nicht mehr im Himmel, sondern wieder auf Erden und hier bei uns, aber ihre Seligkeit ist gleich groß!
Agnes. Ach, auf mich war sie nicht gefaßt!
Albrecht (bemerkt das geheime Fach). Aber, was ist das?
Agnes. Perlen und Kleinodien! Oh, welche Pracht!
Albrecht. Ihr Schmuck! Das denk ich wenigstens, denn getragen hat sie ihn wohl nur, eh' ich geboren wurde! Und ein Brief! (Er nimmt den Brief.) An dasjenige meiner Kinder, das hier zuerst nach mir betet! (Reicht ihn Agnes.) Also an dich! Da ist das Geheimnis! Sieh! sieh! Da hatte dieser Gang doch einen Zweck! Das hätte dir bei der Trauung prächtig gestanden! Freilich, wir hatten sie hinter uns, eh' wir kamen! – Nun?
Agnes (reicht ihm den Brief).
Albrecht (nachdem er ihn gelesen hat). Wär' ich's gewesen, so hätt' ich dich damit schmücken dürfen, nun sollst du's selbst tun. Das ist auch besser!
Agnes. Nicht dies, nicht das!
Albrecht. Und was darunterliegt, ist für den, der nicht betete. Das wird nicht so glänzen und funkeln! Gute Mutter, du hast vorausgewußt, wer das sein würde; ich seh dich, wie du den Zeigefinger gegen mich erhebst! (Zu Agnes.) Aber nun mach doch! Wie lange soll ich um den letzten Tannenbaum, den sie mir aufrichtete, herumhüpfen, eh' ich ihn plündern darf? Nimm rasch das Deinige weg, daß ich zum Meinigen komm!
Agnes. Wie sollt' ich!
Albrecht. Du bist ihr freilich keinen Gehorsam schuldig, aber ich, und wahrlich, ich will ihn der Toten am wenigsten weigern. Du wirst mich nicht hindern wollen, ein frommer Sohn zu sein! Also! (Er nimmt die Perlen und will sie schmücken.)
Agnes (tritt zurück). Nicht doch! Was bliebe noch für eine Prinzessin!
Albrecht. Willst du trennen, was zusammengehört? Da gäbst du meinem Vater, den du so fürchtest, ein böses Beispiel! Mach's schnell wieder gut, daß er sich nicht darauf berufe! Komm! Gleiches zu Gleichem! (Er schüttelt die Perlen, daß sie klappern.) Das heißt hier: Hagel zu Schnee! (Er hängt sie ihr um.) Nun mögen sie sich streiten, wer weißer ist!
Agnes. Schmeichler!
Albrecht. Agnes, hat man's dir schon gesagt, daß der rote Wein, wenn du ihn trinkst, durch den Alabaster deines Halses hindurchleuchtet, als ob man ihn aus einem Kristall in den andern gösse? Aber, was schwatz ich! (Er nimmt das goldene Diadem.) Ich habe ja noch ein Paar zu vereinigen! (Er will es ihr aufsetzen.)
Agnes. Es würde mich drücken!
Albrecht. Du hast recht, daß du dich jetzt noch mehr sträubst, wie vorher, denn hier ist die Ebenbürtigkeit noch mehr zweifelhaft! Dies Gold und das ( er deutet auf ihre Locken), der Abstand ist zu groß! Dies ist der Sonnenstrahl, wie er erst durch die Erde hindurchging und an ihre Millionen Gewächse sein Bestes abgab, dann verdichtete sich der grobe Rest zum schweren toten Korn! Das ist der Sonnenstrahl, der die Erde niemals berührte, er hätte eine Wunderblume erzeugt, vor der sich selbst Rosen und Lilien geneigt haben würden, doch er zog es vor, sich kosend als schimmerndes Netz um dein Haupt zu legen! (Er setzt ihr das Diadem auf.) Aber nimm's nicht so genau, wir finden nichts Beßres.
Agnes. Nur, um zu sehen, wie's ihr gestanden hat!
Albrecht. Das Auge ist so edel, daß es nicht geschmückt werden kann, noch diesen Ring an den Finger – er ging lange genug nackt! – noch dieses Armband, und (er führt sie ritterlich vor) die Kaiserin ist fertig! Denn, das ahntest du nicht, eine Kaiserin wollt' ich machen, und sie steht da, setz dich auf den ersten Thron der Welt, und in tausend Jahren wird nicht kommen, die sagen darf: erhebe dich! Nun will ich aber auch mein Teil sehen! (Er nimmt eine Menge welker Blumen usw. aus dem Fach.) Welke Blumen und Blätter, die fast zerstäuben, wenn man sie anrührt? Was mag sich so ankündigen? Heraus! (Er erblickt einen Totenkopf und erhebt ihn.) Ah, du bist's, stummer Prediger? Du redest noch besser, wie Salomo, aber mir sagst du nichts Neues; wer, wie ich, auf Schlachtfeldern aufwuchs, der weiß es auch ohne dich, daß er sterben muß! Doch erst will ich leben! Im Himmel gibt's Halbselige, sie blicken nach der Erde zurück, und wissen nicht, warum! Ich weiß es, sie haben ihren Kelch nicht geleert, sie haben nicht geliebt! Ja, Agnes –
Der Kastellan (tritt ein).
Albrecht (zum Kastellan). Halt! Noch kein Wort, und ob die Welt unterginge! Ja, Agnes, wenn ich bei Gott aufhören soll, muß ich bei dir anfangen, es gibt für mich keinen anderen Weg zu ihm! Geht es dir nicht auch so?
Agnes. Und käme jetzt der Tod, ich dürfte nicht mehr sagen: Du kommst zu früh!
Albrecht (preßt sie an sich). All unsre Wollust mündet in Gott, was unsre enge Brust nicht faßt, das flutet in die seinige hinüber, er ist nur glücklich, wenn wir selig sind, soll er nicht glücklich sein? (Er küßt sie.) Und zuweilen stößt er die Welle zurück, dann überströmt sie den Menschen, und er ist auf einmal dahin, wandelt im Paradiese und spürt keine Veränderung! Wenn das jetzt käme!
Agnes. Nicht weiter, nicht weiter!
Albrecht (läßt sie los). Das war eine Stunde! Nun komme die zweite! – Was gibt's?
Kastellan. Botschaft von Eurem Herrn Vater! Ritter Preising!
Albrecht. Hierher!
(Kastellan ab.)
Agnes (will gehen).
Albrecht. Nein! So ist's nicht gemeint, daß ich dich verleugnen will! Bleib! Wie der dich ansieht, sieht mein Vater dich auch an. Da wissen wir gleich, wie's steht!
Agnes. Laß mich, mein Albrecht! Es treibt mich fort! Dies (sie deutet auf das Diadem) wäre Herausforderung!
Albrecht. So geh da hinein, da ist ja auch noch ein Gemach, nicht wahr? Dann bist du mit drei Schritten wieder bei mir!
Agnes (ab).
Albrecht. Kommt nur, ich lasse mich finden!
Preising tritt ein, von Törring, Frauenhoven und Nothhafft von Wernberg begleitet.
Albrecht. Was bringt Ihr, Kanzler?
Preising. Fröhliche Botschaft!
Albrecht. Wirklich? Da käme Freude zur Freude!
Preising. Eine Botschaft, die mein gnädiger Herr eigentlich dem Ritter Haydeck, und nicht mir, hätte übertragen sollen!
Albrecht. So! Ich versteh schon!
Preising. Er mußte Euch die Flucht Eurer ersten Braut melden –
Albrecht. Ich habe vergessen, ihn dafür zu belohnen, es soll geschehen, sobald ich ihn wiederseh!
Preising. Er sollte Euch billig auch das Jawort der zweiten überbringen!
Albrecht. Preising, geradeheraus! Ich versteh mich schlecht aufs Rätsellösen, aber gut aufs Nußknacken! Was ist's?
Preising. Euer Vater hat um die schönste Fürstin Deutschlands für Euch angehalten –
Albrecht. Das bedaur' ich sehr!
Preising. Erich von Braunschweig hat eingewilligt!
Albrecht. Das bedaur' ich noch mehr!
Preising. Und ich –
Albrecht. Ihr sollt mich zum Nicken bringen, wie einen Nürnberger Hampelmann, den man von hinten ziehen kann! Es wird Euch nicht gelingen, und das bedaur' ich am meisten, denn Euer Ansehen wird darunter leiden!
Preising. Euer Vater würde erstaunt sein, das kann ich Euch versichern, wenn Ihr Euch nur einen Augenblick gegen eine Verbindung sträuben könntet, die seit der Ächtung Heinrichs des Löwen nicht zustande gebracht werden konnte, sooft es auch versucht wurde, und die eine uralte, zuweilen höchst gefährliche Feindschaft für ewige Zeiten ersticken wird! Hier nicht mit beiden Händen zugreifen, heißt nicht bloß das Glück mit Füßen treten; es heißt auch die endlich eingeschlafene Feindschaft zwischen Welf und Wittelsbach wieder aufwecken, ja verdoppeln; es heißt den ungerechten Haß in einen gerechten verwandeln; es heißt die Rache herausfordern und ihr selbst die Waffen reichen!
Albrecht. Das weiß ich, oh, das weiß ich, mich sollt's wundern, wenn's anders wär'! Man kann die Pläne meines Vaters nie kreuzen, ohne zugleich der halben Welt ins Gesicht zu schlagen, mit ihm allein hat's noch keiner zu tun gehabt! Aber so groß die Kunst auch sein mag, den Faden so zu spinnen unfehlbar ist sie nicht, und diesmal reißt er ab!
Preising. Und Euer Grund?
Albrecht. Ihr kennt ihn!
Preising. Ich hoffe, nein!
Albrecht. Nicht? Nun, Ihr braucht ihn nicht weit zu suchen! Ich bin ein Mensch, ich soll dem Weibe, mit dem ich vor den Altar trete, so gut, wie ein andrer, Liebe und Treue zuschwören, darum muß ich's so gut, wie ein andrer, selbst wählen dürfen!
Preising. Ihr seid ein Fürst, Ihr sollt über Millionen herrschen, die für Euch heute ihren Schweiß vergießen, morgen ihr Blut verspritzen und übermorgen ihr Leben aushauchen müssen: wollt Ihr das alles ganz umsonst? So hat Gott die Welt nicht eingerichtet, dann wäre sie nimmer rund geworden, einmal müßt Ihr auch ihnen ein Opfer bringen, und Ihr werdet nicht der erste Eures ruhmwürdigen Geschlechts sein wollen, der es verweigert!
Albrecht. Einmal? Einmal mit jedem Atemzuge, meint Ihr! Wißt Ihr auch, was Ihr verlangt? Gewiß nicht, denn sonst würdet Ihr die Augen wenigstens niederschlagen und nicht dastehen, als ob alle zehn Gebote mit feurigen Buchstaben auf Eurer Stirn geschrieben ständen. Was tut Ihr, wenn der Tag Euch ein finstres Gesicht zeigt, wenn Euch alles mißlingt, und Ihr Euch selbst fehlt? Ihr werft beiseite, was Euch quält, und eilt zu Eurem Weibe, sie ist vielleicht gerade doppelt von Gott gesegnet und kann Euch abgeben, wenn das aber auch einmal nicht zutrifft, so könnt Ihr sie ja gar nicht ansehen, ohne aller Eurer glücklichen Stunden zu gedenken, und wem die wieder lebendig werden, der hat eine mehr! Was wär' mein Los? Könnt' ich auch zu meinem Weibe eilen? Unmöglich, ich müßte eher eine Wache vor meine Tür stellen, damit die Unselige in ihrer Unschuld nur nicht von selbst komme und mich ganz verrückt mache, denn sie wäre ja mein ärgster Fluch! Doch nein, das wäre schlecht von mir, das dürft' ich nicht, ich müßte ihr entgegengehen und sie in meine Arme schließen, während ich sie lieber von mir schleudern möchte, wie einen ankriechenden Käfer, denn das hätt' ich vor Gott gelobt. Graust Euch? Wißt Ihr jetzt, was Ihr verlangt? Nicht bloß auf mein Glück soll ich Verzicht leisten, ich soll mein Unglück liebkosen, ich soll's herzen und küssen, ja ich soll dafür beten, aber nein, nein, in alle Ewigkeit nein!
Preising. Herzog Ludwig, Euer Vorfahr, nahm eine Gemahlin, die keiner erblickte, ohne ihr zu dem Namen, den sie in der heiligen Taufe empfangen hatte, unwillkürlich noch einen zweiten zu geben; es war Margaretha von Kärnten, die im Volksmund noch heutzutage die Maultasche heißt. Er war jung, wie Ihr, und man hört nicht, daß er blind gewesen ist, aber sie brachte die Grafschaft Tirol an Bayern zurück, und wenn er sich über ihre Schönheit nicht freuen konnte, so wird der Gedanke ihn getröstet haben, daß seine armen Untertanen unter seiner Regierung das Salz noch einmal so billig kauften, wie zuvor, und ihn mit fröhlichen Gesichtern morgens, mittags und abends dafür segneten!
Albrecht. Wißt Ihr, ob er ihnen nicht jedesmal eine Bitte abschlug, wenn er sein Weib gesehen hatte?
Preising. Ich weiß nur, daß er vier Kinder hinterließ. Gnädiger Herr, ich habe meine Botschaft ausgerichtet und werde Eurem Vater melden, daß Ihr zu mir nicht ja gesagt habt. Wollt Ihr etwas hinzufügen, so tut's, wenn Ihr ihn seht! Mein Auftrag ist noch nicht zu Ende, ich soll Euch noch zu dem Turnier laden, das er in Regensburg zu halten gedenkt, und Ihr werdet seinen Unwillen nicht dadurch noch erhöhen wollen, daß Ihr ausbleibt!
Albrecht. Gewiß nicht, ich habe das Fechten nicht verlernt, auch in Augsburg nicht, und gebe gern den Beweis!
Preising. Da müßt Ihr denn noch heute aufsitzen!
Albrecht. Noch heute?
Preising. Übermorgen findet's statt!
Albrecht. Das kommt ja rascher zustande, wie eine Bauern-Schlägerei! Was gibt's denn? Ist dem Kaiser in seinem Alter eine Prinzessin geboren?
Preising. Wahrscheinlich sollte Eure neue Verlobung der Ritterschaft verkündigt werden, denn Euer Vater hält Eure Weigerung für unmöglich und ist stolz darauf, daß ihm gelang, was seinen Vorfahren drei Jahrhunderte hindurch mißglückte. Nun wird's wohl auf ein bloßes Lanzenspiel hinauslaufen!
Albrecht. Gleichviel! Ich bin in billigen Dingen sein gehorsamer Sohn und will um eine Erbsenschote turnieren, wenn er's verlangt!
Preising. Also, Ihr erscheint, ich hab Euer Wort!
(Ab, von Törring, Frauenhoven und Nothhafft von Wernberg zurückbegleitet.)
Albrecht. Da ist's! Und ich kann nicht sagen, daß mich's verdrießt! Ich bin nicht gemacht, mein Glück zu genießen, wie ein Knabe die Kirschen nascht, die er gestohlen hat! Und wenn der Sturmwind mir die Tarnkappe abreißt, so kann der Augsburger Priester doch gewiß nicht sagen, ich selbst hätte das Geheimnis verraten!
Agnes (tritt wieder ein, aber ohne die Kleinodien). Nun, mein Albrecht?
Albrecht. Ja, Agnes, nun werd ich's bald sehen, ob du von deinem Vater was gelernt hast, ich werde bloß, um dich auf die Probe zu stellen, ein Paar Beulen von Regensburg mitbringen! Aber, was hast du gemacht? Mein Werk wieder zerstört? Nein, wirst du sagen, Gottes Werk wiederhergestellt! Und es ist wahr, ich hatte es nur verdorben, wie der Knabe die Lilie, die er mit Nelkenblättern bestreut! Du tatest wohl, den bunten Überfluß abzuschütteln.
Agnes. Ich habe alles gehört, alles! Ich mußte!
Albrecht. Alles, nur meine letzte Antwort nicht! Fürchte nichts von meinem Ungestüm, ich halte sie zurück, solange ich kann, auch jetzt noch! Aber im äußersten Fall: Hier ist sie! (Er umarmt sie.) Wir sind vereint, nur der Tod kann uns noch trennen, und der ist sein eigner Herr! Auch gibt's auf der ganzen Welt keinen Mann, der sich schneller in etwas ergibt, wie mein Vater, wenn er sieht, daß nichts mehr zu ändern ist! Nun in die Rüstkammer! Nothhafft und Törring nehm ich mit, Frauenhoven bleibt hier zu deinem Schutz!
Agnes. Es ist nicht Furcht, was mich bewegt! Den Schwindel hab ich überwunden! Aber – Sieh, mein Albrecht, es tut mir weh, wenn ich mir denke, daß ganz Augsburg mich für etwas anderes, als für deine Gemahlin hält; und der Trost, vor Gott rein dazustehen, reicht nicht immer aus, kaum, laß mich's bekennen, das Gefühl, mein Glück damit zu bezahlen. Doch ich will es gern mein ganzes Leben lang ertragen, wenn's nur zwischen dir und deinem Vater Friede bleibt. Wie fürchterlich war's mir früher schon immer, wenn sich Freunde und Brüder meinetwegen entzweiten, und von wie manchem Tanz blieb ich weg, um's nur nicht zu sehen! Und was war das gegen dies!
Albrecht. Diesmal ist gar nichts zu besorgen! Auch ein Fürstensohn darf sagen: ich will die nicht! und wenigstens: ich will noch nicht! Aber zusammenhauen will ich sie – Hei! wer mich bisher schon einen guten Fechter genannt hat, der soll sich schämen, und ein jeder soll sich's im stillen zuschwören, mir nie wieder in den Weg zu treten, auch wer selbst nichts abbekommt!
(Beide ab.)
Regensburg.
Turnierplatz. Die Zuschauer sind auf ihren Tribünen schon versammelt. Der Marschall steht vor den Schranken, ein Buch unterm Arm. Großer Zug; Fahnen, Trophäen, Trompeten.
Ernst (tritt auf, von seinen Rittern begleitet. Unter diesen befinden sich Wolfram von Pienzenau, Otto von Bern, Ignaz von Seyboltstorff und Hans von Preising. Preising geht ihm zur Seite. Die Ritter stellen sich bis auf Preising rechts vom Marschall auf).
Preising. Gnädiger Herr, mißdeutet's nicht, daß ich noch einmal anklopfe, aber die Stunde ist ernst, was Ihr zu tun gedenkt, kann vielleicht nicht mehr zurückgetan werden, und Ihr pflegt ja doch sonst meinen geringen Rat nicht zu verschmähen!
Ernst. Gegen jedermann kann ich Euch schützen, nur nicht gegen meinen Nachfolger, darum rat ich mir diesmal allein!
Marschall (ruft). Wolfram von Pienzenau! Otto von Bern!
Pienzenau und Bern. Hier!
Marschall (läßt sie ein).
Preising. Ich fürchte zu erraten, was Ihr vorhabt, der Marschall hat das Buch gewiß nicht umsonst unterm Arm! Überlegt's noch, ich bitt Euch, und seht in der raschen Antwort, die er Euch vorhin gab, nicht den Trotz eines Sohns, sondern die Hartnäckigkeit eines Verliebten, der sein Gefühl für eine Agnes nicht sogleich auf eine Anna übertragen kann!
Ernst. Ihr werdet augenblicklich aufgerufen werden!
Preising (geht zu den Rittern).
Ernst. Ein Schnitt ins Fleisch tut not. Wirkt's nicht gleich, so wirkt's später! Ei, ei, wer hätte das gedacht! Einer Dirne wegen!
Albrecht (tritt mit Nothhafft von Wernberg und Törring auf).
Ernst (an Albrecht vorbeischreitend). Noch einmal! Darf ich der Ritterschaft Eure Verlobung mit Anna von Braunschweig ankündigen lassen?
Albrecht. Ich habe zu viel von Euch im Leibe, um auf eine und dieselbe Frage an einem und demselben Morgen zwei Antworten zu geben! – Mein Gott, lag ich denn ganz umsonst auf den Knien vor Euch?
Ernst. Gut! (Er geht weiter.) Marschall, ich habe Euch nichts zu sagen! (Er besteigt seine Tribune.) Nur fort!
Marschall (ruft). Hans von Preising! Ignaz von Seyboltstorff!
Preising und Seyboltstorff. Hier! (Treten an die Schranken.)
Albrecht. Preising! Seyboltstorff! Zurück! Wittelsbach ist da! (Tritt an die Schranken.)
Marschall. Halt!
Albrecht. Marschall von Pappenheim, aufgeschaut! Den Blinden, dem ich den Star stechen muß, bedien ich mit der Lanze!
Ernst. Artikel zehn!
Marschall (öffnet das Buch und liest). Weiter wurde zu Heilbronn für ewige Zeiten beschlossen und geordnet. welcher vom Adel geboren und herkommen ist und Frauen und Jungfrauen schwächte –
Albrecht (schlägt ihm das Buch aus der Hand). Der darf nicht turnieren! Werden hier Krippenreiter zugelassen, die das nicht wissen?
Marschall. Ihr seid angeklagt, auf Eurem Schloß Vohburg mit einem Schwabenmädchen in Unehren zu leben!
Albrecht. Mein Kläger?
Ernst (erhebt sich).
Albrecht. Herzog von München-Bayern, laß deine Späher peitschen, sie haben deine Schwieger verunglimpft! Die ehr- und tugendsam Augsburger Bürgertochter, Jungfer Agnes Bernauer, ist meine Gemahlin, und niemand, als sie, befindet sich auf Vohburg! Hier stehen meine Zeugen!
Ernst. Preising! Das ist ja zum – Wiederjungwerden!
Albrecht. Da man nun mit seinem angetrauten Weibe nicht in Unehren leben kann, so – – Schildknapp', zeig dem Mann mit dem Buch da, wie man öffnet!
Schildknapp' (öffnet rasch).
Albrecht (tritt ein). Nun, Ihr Herren? Man pflegt: ich wünsch Euch Glück! zu sagen!
Ernst (greift zum Schwert und will hinunterstürzen). Ich komm schon!
Preising (wirft sich ihm entgegen). Gnädiger Herr, erst müßt Ihr mich durchstoßen!
Ernst. Ei, ich will's ja nur als Knüttel brauchen, ich will nur für die Überraschung danken! Doch, Ihr habt recht, es ist auch so gut, was erhitzt der Vater sich, der Herzog genügt. (Er ruft.) Edle von Bayern, Grafen, Freiherren und Ritter, auch Wilhelm, mein Bruder, hat einen Sohn –
Albrecht. Was soll das?
Ernst. Wer den Weg zur Schlafkammer seiner ehr- und tugendsamen Jungfer – allen Respekt vor ihr, es muß eine gescheite Person sein! – durch die Kirche nehmen mußte, der nimmt die Benediktion mit und die Gnade aller Heiligen obendrein, aber Krone und Herzogsmantel läßt er am Altar zurück! (Er fährt fort.) Dieser Sohn heißt Adolph und ihn erklär ich –
Albrecht. Bei meiner Mutter, nein!
Hans von Läubelfing. Albrecht von Wittelsbach, Ingolstadt steht hinter Euch, fürchtet nicht für Euer Recht, Ludwig der Bärtige zieht!
Ernst. Ludwig von Ingolstadt, oder wer hier für ihn spricht, das Reich steht hinter mir mit Acht und Aberacht, weh dem, der seine Ordnung stört!
Marschall (nebst vielen andern Rittern, mit den Schwertern klirrend). Ja, weh dem!
Ernst. Bürger von Augsburg, Eidam des Vaters, empfangt jetzt Segen und Hochzeitsgabe zugleich! (Fährt fort.) Es lebe mein Nachfolger! (Er steigt von der Tribune herunter.) Wer ein guter Bayer ist, stimmt mit ein: es lebe Adolph, das Kind!
Marschall (mit vielen andern Rittern um Ernst sich scharend). Es lebe Adolph, das Kind!
Albrecht (zieht und dringt auf den Marschall ein, auch um ihn scharen sich einige Ritter). Otto, mein Ahnherr, für Treu!
Ernst (schlägt ihm mit der Faust aufs Schwert). Das Turnier ist aus!
Albrecht. Nein, es beginnt! Die Ritterschaft verläßt mich! Bürger und Bauern, heran!
(Er schwingt sein Schwert gegen die Zuschauer. Großes Getümmel.)