Gerhart Hauptmann
Peter Brauer
Gerhart Hauptmann

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Dritter Akt

Im Mittelgrunde die dorische Fassade des weißen Floratempelchens auf einem von Buchen gekrönten Rasenhügel im Park zu Penzig. Ein gepflegter Gartenweg endigt auf dem Kiesplatz vor dem Tempel. Am Fuße des kleinen Hügels ist unter Büschen ein hübscher architektonischer Brunnen, genannt Rosalienquelle; über einem halbrunden Becken, von zwei schlanken Säulen flankiert, unter einer harmonischen Giebelkrönung, befindet sich eine Inschriftentafel. Alles im Empiregeschmack. Ein Rohr, aus der Steintafel tretend, gibt frisches Wasser.

Auf der runden Kiesterrasse vor diesem Brunnen steht ein weißer runder Tisch, umgeben von einer halbrunden Gartenbank und einigen Gartenstühlen. Auf der Bank sitzt Peter Brauer in Hemdsärmeln, raucht aus einer Tonpfeife und liest Zeitung. In seiner Nähe arbeitet der kleine Hellmut Krebs an einer Feldstaffelei. Der etwa fünfzigjährige Arbeiter Neumann ist um den Tempel beschäftigt. Er ist mit Farbspritzern bedeckt und rührt in verschiedenen mit Farbe gefüllten Eimern, die auf den Stufen des Tempelchens stehen. Zuweilen tritt er in den Tempel und erscheint dann wieder.

Schöner Junivormittag.

Peter Brauer. Hellmut!

Hellmut. Jawohl.

Peter Brauer. Willst du mir den Gefallen tun und mal meinen Stiefel auf den Tisch setzen?

Hellmut. Ihren Stiefel, Herr Brauer?

Peter Brauer. Ich meine den gläsernen, der in der Rosalienquelle zum Kühlen steht.

Hellmut. Ach so, Herr Brauer, jetzt weiß ich schon. Er hebt aus dem Becken der Rosalienquelle ein großes stiefelförmiges Glasgefäß, in dem sich der Rest einer Bowle befindet. Ein Wasserglas, das er vom Rande der Quelle nimmt, setzt er später neben dem Stiefel auf den Tisch.

Peter Brauer, den Stiefel ergreifend, den Bowlenrest betrachtend. Sic transit gloria mundi. Er gießt ein. Der Tag wird heiß! Nun gar meine Ungeduld! Damit kann ich, und wenn ich auch noch mal Wasser drauf gieße, bis heut abend unmöglich auskommen. Neumann!

Neumann. Wird sein?

Peter Brauer. Machen Sie sich mal die Pratzen sauber, und holen Sie mir aus dem Gerichtskretscham vier oder fünf Flaschen, Sie wissen schon, Grüneberger Schattenseite, das Zeug, das für meinen Malerbrand so geeignet ist.

Neumann. Herr Professor, kennt m'r denn nich a bissel arbeeten?

Peter Brauer. Kann sein, daß mich der Wein wieder bißchen in Stimmung versetzt. Ich kann mich nämlich von dem Gedanken immer noch nicht ganz losmachen, daß heute mein Sohn, mein Erwin, kommt. Das macht mich kribbelig. Das macht mich unruhig. – Nehmen Sie Terpentin, Neumann, wenn die Ölfarbe nicht von den Fingern geht: aber ich habe Durst, lassen Sie mich nicht lange warten! – Übrigens, mein Chronometer ist stehengeblieben. Fragen Sie doch gleich mal mit beim Maurerpolier drüben im Schloß, wie spät es ist!

Neumann. Der werd mir was niesen. Der sagt heechstens: Zeit, daß ihr mit eurer Schmiererei endlich fertig werd.

Peter Brauer. Was? Glaubt denn der Esel, ich bin 'n Konzertmaler? – Haben Sie mir denn übrigens eine bequemere Steigeleiter rangeschafft?

Neumann. Nu ganz natierlich doch! Die aus'n Warmhause.

Peter Brauer, zu Hellmut. Ich weiß nicht, woran es liegt, aber das Klettern auf das Gerüst macht mir in letzter Zeit immer ein bißchen Schwierigkeit.

Neumann geht ab. Drei Dorfkinder erscheinen, die in einem Körbchen Waldmeister bringen.

Peter Brauer. Hallo! habt ihr da wieder frischen Waldmeister?

Erstes Kind. Mutter schickt uns, Herr Brauer. Jawohl.

Peter Brauer. Was nutzt das schlechte Leben, Hellmut. Meinst du nicht auch, daß ein saurer Grüneberger mit etwas Farin und etwas Waldmeister schließlich kein allzu teures Vergnügen ist? Er nimmt sechs oder acht Bündel Waldmeister aus dem Körbchen und legt sie vor sich auf den Tisch. Kommt meine Bagage, um so besser! Wart' ich wieder umsonst, nun, so ist wenigstens für einen gelinden Tröster vorgesorgt. Hier ist eine Mark. Grüßt eure Mutter, Kinder. Die Kinder ab.

Hellmut. Schwester Herta sagte doch, daß Ihnen unser Doktor das Trinken verboten hat.

Peter Brauer. Er hat mir auch das Rauchen verboten. Aber wehe dir, Hellmut! . . . Verrat mich nicht! Wir sind Kameraden. Was wissen die Ärzte? Wir sind zwei fidele Malersleut'. – Siehst du, das Frühjahr erschlafft mich'n bißchen: sonst hätt' ich vielleicht können mit den Bildern dadrin etwas weiter sein.

Neumann kommt wieder, mit Flaschen beladen.

Neumann. Im Gerichtskretscham is a Photograph, der hat mich nach Ihn gefragt, Herr Professor.

Hellmut. Es ist Schmolcke. Er war gestern auch wieder bei uns drüben.

Peter Brauer. Kork mal die Flasche auf, Hellmut! Was geht uns Schmolcke an. Als Gastwirtssohn und künftiger Besitzer vom Goldenen Lamm mußt du auf diesem Gebiet doch bewandert sein.

Hellmut. Wenn ich durchbrennen soll: ich werde auch Maler. Er geht ab.

Peter Brauer. Ich bin meinem Vater auch durchgebrannt. Genie frißt sich durch meterdicke Wände.

Der fünfundzwanzigjährige schwachsinnige Graf Edwin in österreichischem Jagdkostüm, Gamsstutz und bloße Knie, springt hervor und knallt eine Zündblättchen-Kinderpistole auf Brauers Brust ab.

Peter Brauer. Pardauz, Herr Graf! mausetot geschossen! Er fährt fort, den Stiefel unter dem Brunnen auszuspülen.

Kandidat der Theologie Dallwig erscheint, der Pfleger und Erzieher des Grafen. Er ist ein breitschultriger, slawisch aussehender, wohlrasierter junger Mann.

Dallwig. Graf Edwin, lassen Sie diese Tollheiten! Der Graf lacht, höchlich amüsiert, und legt ein neues Zündblättchen auf seine Pistole. Es ist ein Leiden! Das liegt im Blut mit dem Schießgewehr. Wenn ich ihm diese Kinderei lege, verfällt er mir aber auf schlimmere Dinge. Ich habe schon alle schießbaren Sachen eingeschlossen und fortgehängt. Guten Morgen, Meister! Wie ist das Befinden?

Peter Brauer. Soweit ganz gut, ich warte noch immer, und meine Familie rippelt sich nicht.

Dallwig. Sie warten noch immer auf Ihre Familie?

Peter Brauer. Ich werde die fixe Idee die ganze Woche hindurch nicht los, daß jemand von meiner Familie kommen muß.

Dallwig. Schade, ich würde mich wirklich sehr gefreut haben, Ihren talentvollen Sohn und Ihr kluges Fräulein Tochter noch persönlich zu sehn. Leider werden wir morgen abreisen.

Peter Brauer. Wieso denn das?

Dallwig. Ich habe vom Vormund meines Zöglings Befehl erhalten: wir müssen Montag früh in Breslau und Montag abend bereits auf einer Reise nach Bayern zu Verwandten des Grafen sein. Und: Penzig ist hin. Was haben wir hier also noch zu schaffen? Übrigens geht er von seinem Stammsitz und merkt es nicht.

Peter Brauer hat Gläser eingegossen, erhebt das seine. Ihre Braut soll leben, Herr Kandidat, und wenn Sie gestatten, mein Weib, meine Kinder!

Dallwig tut Bescheid. Wäre man endlich auch schon so weit! Aber wir können noch lange nicht heiraten. Ich bin arm, meine Braut ist vermögenslos.

Peter Brauer. Und doch sage ich: wagen Sie's, heiraten Sie! Wir, meine gute Frau und ich, haben seinerzeit auch mit weniger als nichts angefangen.

Erwin Brauer, flott und anständig gekleidet, erscheint dicht im Rücken seines Vaters.

Erwin. Papa!

Peter Brauer fährt herum. Wer? Junge, ermorde mich nicht! Er ringt sichtlich nach Atem und macht wortlose Versuche, Erwin dem Kandidaten vorzustellen. Schließlich jappt er hervor. Was? Bin ich denn taubstumm? Da können Sie sehen, Herr Kandidat, wie unsereiner schon wacklig ist! Junge, wo bist du denn hergekommen?

Erwin. Mit einigen Irrfahrten aus Berlin.

Peter Brauer. Junge, ich wette ja tausend gegen eins, daß du inzwischen wieder mächtig gewachsen bist.

Dallwig. Nehmen wir an, an Leib und Seele.

Erwin. Bei einem Haar, Papa, hätt' ich schon dieses Jahr den Rompreis gekriegt. Der Geheimrat meint, für das nächste Mal ist er mir ziemlich sicher.

Peter Brauer. Was ich Ihnen sagte, Herr Kandidat.

Erwin. Klara hat ihr Examen bestanden und wird spätestens Ende August oder Anfang September probeweis angestellt.

Man sieht, wie Graf Edwin sich mit einem langen, in Farbe getauchten Maurerpinsel nähert.

Dallwig. Ich will ihm doch lieber Einhalt gebieten. Also, Meister, ich weiß Sie in bester Gesellschaft. Sie entschuldigen mich. – Graf Edwin!

Peter Brauer. Bevor Sie abreisen, schüttle ich Ihnen noch die Hand. Der Kandidat geht, nach einem Händedruck. Graf Edwin folgt ihm wie ein Hündchen. Nun, Erwin, mein Sohn, ich umarme dich. Er tut es.

Erwin, mehr passiv, nach gerührtem Schweigen. Wie geht's dir, Papa?

Peter Brauer. Ich kann dir nicht antworten.

Erwin. Was machst du, Papa?

Peter Brauer, nach Ende der Umarmung. Überzeuge dich selbst! Du wirst urteilen, wirst durch den Augenschein urteilen, ob sich der Himmel fühlbar und sichtbar oder nicht deines allzeit ernst und eifrig strebenden Vaters angenommen hat. Urteile selbst. Du wirst selber urteilen. Er trocknet einige Tränen und trinkt. Ich brauche wohl nicht zu fragen, ob du Brief und Gelder – respektive Mama – immer pünktlich Gelder und Briefe bekommen hast?

Erwin. Alles ist pünktlich angekommen. Mama war jedesmal sehr erstaunt. Sie hat große Freude daran gehabt.

Peter Brauer. Nun? Wie steh' ich jetzt da, guter Junge? Er wirft sich mit leuchtenden Augen in die Brust. Setz dich! – Entschuldige mich mal einen Augenblick. Er legt seine Brille ab und guckt in den Himmel. Findest du nicht, dieses Blau, diese wolkenlos blaue Helligkeit, das wirkt auf die Nerven manchmal so, als wenn alles ganz plötzlich dunkle Nacht würde. Er faßt wieder Erwins beide Hände. Mit einem Wort, es freut mich, daß du gekommen bist. Setz dich! Du siehst, ich habe mir eine Waldmeisterbowle angesetzt. Du wirst nichts dagegen haben, mitzutrinken. Nimm Platz! Ich kann nicht leugnen, daß es bei mir zur Abwechslung mal bißchen aus dem vollen geht. Er umarmt Erwin und dreht ihn herum. Schlingel, Schlingel, du bist apropos gekommen.

Erwin. Das ist die Kapelle, Papa, nicht wahr?

Peter Brauer. Das ist Sie.

Erwin. Mama konnte sich bis zuletzt nicht recht überzeugen, daß es mit dieser Kapelle wirklich ganz richtig ist.

Peter Brauer. Ich weiß ja. Wir wollen nicht davon reden. Mama war verstimmt, Mama war nervös, als ich in die Provinz wollte, und in solchem Zustand glaubt man die offenbarsten, offenkundigsten Tatsachen nicht. – Also du wirst nächstens wirklich nach Rom reisen?! Es ist mir ein Trost, aber Schande mache ich, wie du mir zugeben wirst, wenigstens meiner Gilde, auch ohne daß ich in Rom war, nicht.

Erwin. Ich habe doch niemals an dir gezweifelt. Du wirst das doch wohl nicht glauben, Papa. Ich habe mich eigentlich immer, wenn das rechte Verständnis manchmal bei Klara und Mutter aussetzte, tüchtig für dich ins Zeug gelegt.

Peter Brauer. Das weiß ich. Sei ganz ruhig, mein Sohn. Es genügt mir, in jeder Beziehung zu wissen, daß die Schuppen euch wirklich einmal, vor meinem Ende, gründlich von den Augen gefallen sind. Warum soll unsereiner nicht auch mal seinen Stolz haben? Er zieht seine gespickte Brieftasche und wirft Erwin einen Hundertmarkschein hin. Da! da sind die sechs Mark, die du dir beim Antritt meiner Provinzreise vom Herzen gerissen hast, mit Zinsen und Zinseszinsen zurück.

Erwin. Aber, Papa, ich habe mich ja von dem Geld, das du mir geschickt hast, vom Kopf zu Fuße neu eingekleidet. Du hast mir ja . . .

Peter Brauer. Steck ein! verstehst du! mach keine Umstände! Wenn ich Geld erheben will, brauche ich nur in die Stadt, in das Bank- und Wechselgeschäft von Lachs auf dem Altmarkt gehen. So geht's, wenn ein Künstler endlich, wie ich in Herrn von Behaimb, seinen verständnisvollen Mäzen gefunden hat. – Aber nun höre: Du mußt jetzt stramm mithelfen.

Erwin. Aber mit Vergnügen! Hoffentlich bin ich schon soweit und kann es zu deiner Zufriedenheit.

Peter Brauer. Du mußt mir von früh bis abends mithelfen. Ich bin zwar nicht krank, Gott bewahre mich! jetzt, wo ich mich endlich durchsetze, hoffe ich, noch mindestens ein Jahrzehnt und länger mit Nutzen für uns alle tätig zu sein. Aber du hast doch jüngere Schultern. Das verfluchte Gerüst dadrin, sieh mal an. Ich kann eben doch nicht sagen, daß Sorgen und Mühsal vieler entbehrungsreicher Jahre absolut spurlos an mir vorübergegangen sind. Wenn ich die Leiter hinaufwill, muß ich mir helfen lassen und tatsächlich öfters fünf-, sechsmal ansetzen. Und dann die Kuppel, wo ich beim Malen das Genick entweder mir verrenke oder halbe Tage lang auf dem Rücken liegen und mir die Ölfarbe ins Gesicht tropfen lassen muß. – Ich bin froh, daß du endlich da bist, und bedaure nur, daß ich dich nicht vor sechs Wochen bei mir gehabt habe.

Erwin. Ja, siehst du, Papa, da konnte ich nicht. Erstlich sagte Mama, das Wetter sei viel zu schlecht, und dann stand die Rompreiskonkurrenz vor der Türe.

Peter Brauer. Nun, du wirst mir gelegentlich auch erzählen, warum Mama auf meine gutgemeinten Einladungen bisher ebenfalls nicht eingegangen ist.

Erwin. Papa, ich bin nur vorausgegangen. Wir waren zunächst in der Stadt, im Lamm, und Mutter und Klara kommen hinterdrein.

Peter Brauer. So!? Er ist vor Erregung einige Augenblicke wortlos. Weißt du, Erwin, da wollen wir erst mal die Bowle wegschaffen. Bowle und Gläser werden in den Gebüschen versteckt. Peter Brauer packt Erwin an beiden Schultern, sieht ihn lange an. Erwin, hast du gefaselt? Was? Oder hab' ich vielleicht was am Trommelfell? Ist es wahr und wahrhaftig: Mama kommt mich wirklich besuchen? Mama und Klara haben sich wirklich zu mir – Herrgott, ich darf jetzt nicht bitter sein! –, haben sich wirklich zu deinem Alten Herrn auf den Weg gemacht und herabgelassen?

Erwin. Sie warten hinten am Park, Papa, ich sollte vorangehen und ihnen Bescheid bringen.

Peter Brauer. Hol sie! sag meinethalben, daß ich fast unverdientermaßen überrascht und – tui! tui! tui! – glücklich bin. Erwin ab. Brauer blickt ihm nach und geht dann langsam gegen die Kapelle. Der Photograph Schmolcke erscheint jetzt, mit Apparat usw. behangen, überraschend, fledermausartig, oben vor der Tempeltür und will hinein. Halt! Was wünschen Sie?

Schmolcke. Na, ich will Aufnahmen machen.

Peter Brauer. Wo?

Schmolcke. Wo? Hier in der Bude drin.

Peter Brauer. Das ist keine Bude! Neumann, zuschließen!

Schmolcke. Na, sagen Se mal, was ist denn dabei, wenn man schon von Ihren sogenannten Fresken Aufnahmen macht? Das dient höchstens doch zu Reklamezwecken.

Peter Brauer. Reklamezwecke verfolge ich nicht.

Schmolcke. Na, nu haben Se sich man bloß nich, verstanden? Deswegen, wenn Se ooch hier sich ins Fett gesetzt haben, brauchen Se doch gegen unsereenen noch lange nich hochmietig sein.

Peter Brauer steht nun an der Treppe neben Schmolcke und schließt die Tür eigenhändig. Das liegt mir ganz fern. Ich bin nicht hochmütig.

Schmolcke. Sie waren schon neulich im Lamm riesig hochmietig. Wenn aber erst mal die farbige Photographie erfunden ist, und ich kann Ihn sagen: ich bin auf der Fährte!, da wird's mit der Pinselei auf einmal und gründlich alle sein.

Peter Brauer. Erfinden Sie man! Ich warte so lange.

Schmolcke. Warten Se man! Wir werden uns wiedersehn.

Peter Brauer. Hören Sie mal, daß Sie den Mut haben, auf Ihren Krakeel im Lamm anzuspielen, das lächert mich. Wenn Sie schon meinetwegen mein halber Kollege sind: Sie glauben doch hoffentlich nicht, wie Sie sich da betragen haben, ist irgendwie kollegialisch gewesen?

Schmolcke. Ich war ooch uff Kunstschule. Ich kann ooch malen. Ich strapeziere mich ab, renne, verfahre mein Geld auf der Eisenbahn, aber wenn irgend so'n Mensch aus Berlin kommt – alles muß aus Berlin sein! –, gleich fischt er einem das einzige bißchen Arbeet weg. Da soll einer nich fuchsteufelswild werden?

Peter Brauer. Ich bin von Berlin berufen worden!

Schmolcke. Noch was! Sie haben den ganzen Auftrag am Stammtisch im Lamm aus der Suppe gefischt.

Peter Brauer. Mensch! das mögen Sie nötig haben! Wenn Sie glauben, ich habe das heut noch nötig, irren Sie sich.

Schmolcke. Dafür sind Sie bekannt. Das haben Sie nötig.

Peter Brauer. Mensch! daß Sie mich vielleicht vor zehn, zwölf Jahren gekannt haben, wo es mir vielleicht nicht grade immer glänzend ging, verstanden, das will ich nicht weiter bestreiten. Aber was sich inzwischen, seit ich in Berlin meinen Weg gemacht habe . . . was sich seitdem, und zwar gründlich, geändert hat, wissen Sie nicht.

Schmolcke. I, ich wollte ja ooch schon längst nach Berlin.

Peter Brauer, verdutzt. So?

Schmolcke. In dieser faulen Provinz hab' ich mir nu zum letzten Male was in den Kopf gesetzt. Man hat in Berlin 'n ganz anderes Fortkommen.

Peter Brauer. So? Na, nun hören Sie mal, ich bin wirklich verdutzt. Erst schimpfen Sie, weil ich aus Berlin komme, jetzt erzählen Sie mir . . . Sie machen ja Sprünge wie'n Wiedehopf!

Schmolcke. Sie kennten ooch mal hier'n gutes Wort für mich einlegen!

Peter Brauer. Ich krieg' 'n Gehirnknacks! Was? Ich verstehe Sie nicht.

Schmolcke. Mein Unglück is: ich war schlecht verheiratet. Noch schlimmer: ich hatte einen dämlichen Esel von Rechtsanwalt. Hier ist noch das Schild: Atelier Preziosa. Das war'n Geschäft, das hatte ich richtig in Schwung gebracht. Na, nu sehen Sie, es wird meiner Frau zugesprochen! Es heißt, es ist auf den Namen der Frau geführt! Ich muß raus! Das bißchen Kamera ist alles, was ich gerettet habe.

Peter Brauer. So? Da würd' ich doch bescheidener auftreten.

Schmolcke. Das sagen Sie so: bescheidener auftreten: wenn einem das Messer an der Kehle sitzt, das Wasser bis hierher steht und das Feuer unter dem Fracke brennt. Da geht man los, und da nimmt man, was man zu packen kriegt. Ich habe eben im Goldenen Lamm Ihre Frau und Tochter ankommen sehn. Ist das Ihr Sohn, der auch schon wieder Malkasten, Malschirm und Feldstaffelei unterm Arm hat? Der sollte doch eigentlich die Nase voll haben! – Richtig, Sie sind doch bei Kies! Mir ist das Wurscht, wenn ich ooch von Ihnen und Ihrer Familie mal 'ne Familienaufnahme mache! Eine Hand wäscht die andere! Was sind zwanzig Mark, wenn man's augenblicklich so dick wie Sie sitzen hat! Warum wollen Sie mir nich ooch mal was abgeben?

Peter Brauer. Rache ist süß! aber ich werde Ihnen den Beweis liefern, daß ich im großen ganzen für Süßigkeit nicht zu haben bin. Ihr Gedanke ist gut, und ich beiße drauf an!

Schmolcke. Sie könnten mich doch bei Behaimb einführen. Erstens bin ich'n guter Interieurphotograph. Ich möchte Aufnahmen vom alten Schloß machen. Und zweitens . . .

Peter Brauer. Zweitens und drittens entschuldigen Sie mich! Kommen Sie wieder um Mittag mit Ihrer Kamera, dann sollen Sie mich mit Familie abknipsen! Er geht in den Tempel und schließt ihn hinter sich zu.

Schmolcke pocht heftig gegen die Tür. Sie! Sie! Hören Sie mal noch'n Augenblick!

Peter Brauers Stimme. Später!

Schmolcke geht, schnell entschlossen, mit langen Schritten ab. Gleich darauf kommen von der anderen Seite Frau Brauer, Klara Brauer und Erwin. Die Damen kleinbürgerlich, aber sauber und reisemäßig gekleidet.

Erwin. Dort ist der Gartentempel, Mama!

Frau Brauer schüttelt erstaunt den Kopf. Ihr würdet euch über meinen Unglauben sicher nicht wundern, Kinder, wenn ihr wüßtet, wie oft mich Peter mit solchen und ähnlichen Gartentempeln im Laufe von dreißig Jahren beschwindelt hat.

Klara. Darüber wird sich wohl niemand wundern.

Erwin. Ihr werdet mir zugeben, daß ich diesmal von Anfang an, als Papa in die Provinz ging, nicht eurer Meinung gewesen bin.

Frau Brauer, kopfschüttelnd. Peter kann doch nichts. Peter ist doch ganz untüchtig.

Erwin. Ich weiß doch nicht, Mama, ob man das so schlankweg behaupten kann.

Klara. Erwin, das hast du ja selber behauptet! Und es ist auch nicht anders! Täuscht euch nur nicht. Mir bleibt es ein Rätsel, wie Papa diese ganze Sache hier gedeichselt hat.

Frau Brauer. Klara, du hältst dich an mich, wie ich mich an dich halte. Du hast dein Examen bestanden. Du bist seit acht Tagen majorenn. Der Geheimrat hat die Verfügung über dein kleines Großvatererbe in deine Hand gelegt, und die Sommerreise, die wir uns diesmal gegönnt haben, hatten wir beide uns ja schließlich seit Jahren sowieso vorgesetzt. Mag geschehen, was will, für uns ist das gleichgültig.

Erwin. Sag mal, gute Mama, ist das eigentlich recht, daß du immer noch mißtrauisch bist?

Frau Brauer. Mit Bezug auf Peter bleibe ich mißtrauisch! Zehn Jahre lang hab' ich zu ihm ein elendes, sträflich dummes Vertrauen gehabt. Mit Kunst soll mir einer noch mal kommen! Dem sage ich: Reden Sie lieber von Kalbskotelett!

Erwin. Dein Sohn wird doch auch Künstler.

Frau Brauer. Das ist ganz was anderes: der Geheimrat hat uns ja fest versprochen, wenn du dir sonst nichts zuschulden kommen läßt, wirst du am Gewerbemuseum oder sonstwo fest angestellt. Und von dir weiß ich, du wirst dir eine Stellung auch wahrnehmen. – Dagegen Papa: Glück oder Gelegenheit, Glück zu machen, hat er im Leben auch gehabt. Papa erträgt's nicht. Papa bildet sich dann sofort alle möglichen großen Rosinen ein! nimmt sich's nicht wahr! kurz, Peter eignet sich eben absolut zum Ernährer einer Familie nicht. Nimmt er wirklich was ein, das ist, hallo, heidi, hinausgeworfen im Augenblick.

Erwin. Nun, schließlich, wir müssen ihn jetzt mal begrüßen.

Klara. Wenn Papa bloß nicht denkt, man kommt angekrochen, wenn er nur mit dem kleinen Finger winkt, weil er mal'n bißchen nicht ganz am Verhungern ist.

Frau Brauer. Laß gut sein! Er kennt mich! Das wird er nicht denken.

Klara. Was hat man denn hier? Ich muß überhaupt sagen, weshalb man überhaupt aus Berlin rausgeht und gar noch in die Provinz, hierher, wo sich die Füchse gute Nacht sagen, versteh' ich nicht. Um Papas schöner Augen willen? Jetzt denkt er womöglich, bildet sich womöglich ein, in seinem Hochmut, womit er auf unsereins heruntersieht, daß man von ihm abhängig ist.

Erwin. Der Schlüssel dreht sich. Jetzt kommt Papa! Wenn du nicht mehr Gefühl für ihn hast, liebe Klara, würde ich doch an deiner Stelle lieber zu Hause geblieben sein.

Peter Brauer tritt breitbeinig durch die Tür auf die Plattform. – Kalabreser, langer Malstock, viele Pinsel, riesige Palette.

Peter Brauer. Kinder! – Thekla! – Da seid ihr ja! – Klara! Erwin! Tausendmal gottwillkommen! Entschuldigt mich: ich lege meine Palette ab! Gleich euch allen mit Leib und Seele zu Diensten! Er tut, wie er sagt, und kommt dann die Treppe triumphierend herunter. Nun, was sagt ihr dazu? – Wie findet ihr mich?

Frau Brauer. Guten Tag, Peter! Klara hat ihr Examen gemacht, und da hab' ich zwar nicht gerade deinem Drängen nachgegeben, aber weil wir eine kleine Reise doch machen wollten, haben wir uns gesagt, daß es ja, ob wir nun grade da- oder dorthin reisen, gleichgültig ist. Erst wollten wir ja nach Bromberg, zu Klaras ehemaliger Lehrerin.

Peter Brauer. Richtiger, Thekla, habt ihr schon so gehandelt. Du wirst bald Gelegenheit haben zu entscheiden, ob und wiefern sich in meiner Umgebung hier ganz gut leben läßt. Ihr sollt einen schönen Sommer haben.

Frau Brauer. Aber das sag' ich dir gleich: in der Stadt in dem teuren Gasthaus zum Lamm, wo man die Nacht eine Mark fünfzig pro Bett zahlen muß, bleib' ich nicht!

Peter Brauer. Ihr sollt hierher in die Dorfschule übersiedeln. Nette Zimmerchen, saubere Betten. Ich habe schon alles festgemacht. Der Lehrer und seine Frau sind herzige Leute. Siehst du, du hast in Berlin mit Recht über Mangel an gebildetem Umgang geklagt. Hier wirst du darüber nicht zu klagen brauchen. Da ist die Frau Pastor, da ist Fräulein von Schultzen, Tochter eines pensionierten Majors und Johanniterin. Da ist Frau Bierner, die Gattin des Bürgermeisters; die Lammwirtin, Frau Krebs, hast du sicher schon kennengelernt. Ich habe so viel gesprochen von dir: sie brennen alle darauf, dich zu sehn. Kurz, du wirst bemerken, ich habe mich hier mal zur Abwechslung wie der Hase in den Salat gesetzt und mir eine wirkliche Stellung erobert.

Frau Brauer. Das kann mich nur freuen, Peter, wenn du wirklich mal endlich zur Einsicht gekommen bist.

Peter Brauer. Nun, es hat wohl nicht immer an mir gelegen, wenn nicht gerade alles, was man so unternommen hat, gut eingeschlagen ist. Aber diesmal hat es gut eingeschlagen. Und wenn es anderthalb bis zwei Jahre so weitergeht, hoffe ich, aus den gröberen Sorgen ein für allemal raus zu sein.

Frau Brauer. Das ist ja recht schön, wenn es wirklich so ist.

Peter Brauer. Wenn es wirklich so ist? Er zieht sein Notizbuch. Vier Seiten lang vorgemerkte Aufträge. Herr von Behaimb ist in einer Weise liebenswürdig zu mir, daß ich mit einem Schlage ins Porträt, in die ganze feudale Gesellschaft hineinkomme. Ich werde den nächsten ganzen Winter auf Gütern und Herrschaften – wahrscheinlich auch den darauffolgenden Sommer hindurch –, kaum vierundzwanzig Stunden bei euch zu Hause sein. Deshalb wollt' ich euch wenigstens hier genießen.

Frau Brauer. Ich gestehe dir, Peter, wie soll ich sagen . . . ich hätte dir das nicht mehr zugetraut.

Peter Brauer. Das verdenk' ich dir nicht, das begreife ich, Thekla. Die wahre Kunst ist eine Sache, wie ich dir schon als Schulkind gesagt habe und wie es Erwin hundertmal von seinem Vater gehört haben muß, sie ist eine Sache, die Opfer verlangt. Da muß man den ganzen Menschen dahintersetzen. Wer da nicht sagt: ich kann warten!, der tut viel besser, er hängt sein Malerhandwerkzeug gleich von vornherein an die Wand. Still arbeiten und ruhig das Schicksal blitzen und krachen lassen. Sieh mal: ich weiß, was ich bin! Ich wußte auch, ich werde das eines Tages vielleicht noch jedem, der Augen hat zu sehn, begreiflich machen. Es gab allerdings eine Zeit, gute Thekla, als ich dir noch half bei den Schulaufgaben, da hast auch du mit einem Paar tief und dunkel aufgeschlagenen Kinderaugen an mich geglaubt. Aber »Künstlers Erdenwallen«, als dann Fehlschläge kamen, Verkennung, Verfolgung, Feindschaft sich breitmachte, da soll sich keiner wundern, wenn da die einfache, treue Hausfrau den Glauben an etwas, das ihr ja eigentlich fernliegt, verlieren muß. Ein Künstler bleibt ewig schwer zu verstehen! – Übrigens, sag mal, Klara, warum hast du denn jetzt herausgelacht?

Klara. Ach, bloß bei Mamas dunklen Kinderaugen.

Peter Brauer, mit Emphase. Mama hat damals die schönsten Augen der Welt gehabt!

Frau Brauer. Ach, Peter, du redest wieder so viel. Das kenn' ich von früheren Zeiten her. Dazu bin ich zu alt. Da wird einem leider Gotts immer ganz neblig. Sie nimmt am Tisch Platz und stützt in einer gewissen Hilflosigkeit den Kopf in die Hand.

Peter Brauer. Liebe Thekla, ich weiß nicht, ob zwischen Mann und Frau, wenn sie sich über zwei Monate lang nicht gesehen haben, ein Händedruck, wenn auch keine direkte Umarmung, sagen wir mal ein Kuß in Ehren, am Platze ist. Er hat zögernd eine Hand auf die Schulter, die andere auf den Scheitel gelegt und küßt vorsichtig ihre Stirn.

Frau Brauer, es duldend. Ich lieb' das nicht, Peter, mach keine Torheiten.

Schmolcke ist gekommen und hat gegenüber der Tempelfassade seine Kamera aufgestellt.

Schmolcke ruft. Nanu! wenn 'ne Aufnahme sein soll, ich habe Eile. Zwölf Uhr drei geht mein Zug. Also los, Meester Brauer, wenn nu mal die ganze Pamfilie vor de Kanone soll!

Peter Brauer, mit Entschluß. Kommt, Kinder! er soll uns photographieren. Da haben wir gleich an Penzig, an meine Arbeit im Gartentempel und an dieses unerwartete glückliche Wiedersehn eine Erinnerung. Außerdem will ich den Quälgeist loswerden.

Frau Brauer. Schon photographieren lassen, wo wir kaum erst gekommen sind?

Peter Brauer. Kommt Kinder: »Der Meister und seine Familie.«

Schmolcke. Da haben Se recht, Meester. Das wäre 'ne ganz gute Überschrift.

Peter Brauer, aufgeräumt. Halten Sie jetzt wenigstens Ihr Maul beim Arbeiten! Hellmut taucht auf. So! Peter Brauer hat Palette und Malstock zur Hand genommen und sich inmitten seiner Familiengruppe großartig aufgepflanzt.

Schmolcke. Nu mal stillstehn! Nu mal zusammenrücken! Übrigens, haben Se denn die Huppe gehört?

Peter Brauer, aufgeräumt. Die Huppe? Nee, Sie ruppige Puppe!

Schmolcke. 'n bißchen mehr links! Gut! »Der Meester und seine Familie.«

Peter Brauer. Kinder, mehr links! Mehr links, sagte die Sphinx, und da ging's.

Schmolcke zieht die Uhr. Na, nu Obacht! – De Huppe haben Se nich gehört, Meester?

Peter Brauer. Still jetzt, wenn keener wackeln soll!

Schmolcke. Nämlich die Herrschaften Behaimb mit Begleitung sind eben drüben am Hauptportal in zwee Automobilen angekommen.

Peter Brauer. Wer?

Schmolcke. Er, de Gnädige und drei Kavaliere. Un nu Obacht.

Peter Brauer. Was, Schmolcke, haben Sie da gesagt?

Schmolcke. Still! Passen Se uff! – Die Platte is futsch. Sie haben ja so gewackelt, Meester, als hätt' ich statt »stillgestanden« »rührt euch« gesagt.

Eine vornehme Gesellschaft mit Herrn von Behaimb an der Spitze ist erschienen und hält sich, diskret amüsiert, in der Ferne. Sie besteht aus Herrn von Behaimb, Frau von Behaimb, Gräfin von Fischbacher, dem jungen, schneidigen Gesandtschaftsattaché Grafen von Hohenhahn, dem Gardehusaren-Rittmeister von Behaimb und dem schottischen Porträtmaler William James Dalziel.

Von Behaimb senior ruft herüber. Ich bitte Sie, sich unter gar keinen Umständen in dieser heiklen und wichtigen Prozedur stören zu lassen. Wir kommen später. Wir haben Zeit.

Peter Brauer. Erwin, halt mich, sonst fall' ich um!

Erwin. Papa, du hast nicht mal den Hut abgenommen.

Peter Brauer glotzt wie besinnungslos, kommt dann zu sich. Fix, halt mal den Malstock, hier die Palette! . . . Er reicht beides einigermaßen verwirrt an Erwin und zieht tief den Hut.

Schmolcke. Na, eins, zwei, drei . . . Ruhig! – Na, uff diese Weise, heiliges Kreuzkanonenrohr, geht das doch nicht.

Peter Brauer. Halten Sie's Maul, Sie sind ja irrsinnig!

Schmolcke. Irrsinnig? Was? Wenn hier eener irrsinnig is, Sie Schöps, da kann es doch allerhöchstens nur'n gewisser Peter Brauer, geboren in Hinterpeterswaldau bei Hinterwinkel in Hinterschlesien, sein. Soll ich hier womöglich noch Geld einbüßen?

Peter Brauer. Sie werden bezahlt. Aber jetzt sehen Sie doch, daß die Herrschaften kommen. Fort mit dem Guckkasten! Packen Sie sich! Scheren Sie sich! Die Herrschaften sind langsam weitergegangen. Brauer zieht abermals tief den Hut.

Erwin, zu Brauer. Mußt du ihnen denn nicht entgegengehn?

Peter Brauer, Verbeugungen ins Leere machend. O bitte recht sehr. Es hat gar keine Eile, Herr von Behaimb.

Klara, zur Mutter, gepreßt. Papa benimmt sich ja, um in die Erde zu sinken!

Frau Brauer. Was sprichst du denn bloß? Es kann dich ja niemand hören. Sie kehren uns ja den Rücken zu.

Peter Brauer. Kinder, schweigt still! Ihr macht mich ja unsinnig!

Schmolcke. Also, Sie wollen partout nich stille stehn? Nich? Na, denn wer ich mich mal an die Feudalkreise ranmachen.

Peter Brauer. Mensch, wagen Sie es auch nur mit einem Wort, die Herrschaften zu belästigen! Das fällt doch höchstens auf mich zurück. Klara, grüße! – Thekla, verbeuge dich!

Rittmeister von Behaimb, Graf Hohenhahn und Dalziel nähern sich, lebhaft.

Von Behaimb junior. Rittmeister von Behaimb. Ich habe die Ehre, Graf Hohenhahn and the Honourable William James Dalziel aus Glasgow, Schottland, vorzustellen. Professor Brauer, sicherlich eine Leuchte deutscher Kunst. Verzeihen jütigst, wenn jestört habe. Mein mein mein, mein Papa hat den Wunsch jeäußert, etwas . . . das das das heißt, meine meine Frau Mutter . . . das das das heißt, die die gnädigste Frau, fühlt sich, fühlt sich leider ein bißchen abgespannt, möchte aber begreiflicherweise die Rückfahrt nicht antreten, ohne vorher Ihre K-Ku-Ku-Ku-Ku-Kunstwerke . . . Kunstwerke wollte ich sagen . . . Kunstwerke in der K-K-K-Kapelle zu sehn. Würde das . . . es tut mir sehr leid, daß ich stören muß, Herr Professor! . . . würde das . . . bitte . . . würde das, würde das möglich sein?

Peter Brauer. Es ist allerdings . . . ich bin allerdings . . . es wird, fürchte ich, einstweilen . . . Erlauben der Herr Rittmeister, daß ich meine liebe Gattin, meine liebe Tochter und meinen Sohn Erwin vorstelle, der auch Maler ist und, wie ich zu meiner Freude erfahren habe, den Berliner akademischen Rompreis bereits in der Tasche hat.

Erwin. In der Tasche leider noch nicht, Papa.

Peter Brauer. Nicht ganz. Ich meine: beinahe! . . . aber nächstens. Jedenfalls hat der Junge ein schönes Talent.

Dalziel, zweiunddreißigjähriger, bedeutend älter wirkender Mann, der mit seinen großen runden Brillengläsern eher einem Gelehrten als einem Künstler gleicht. Irgendwie erinnert er an eine kluge Eule, in mancher Beziehung an einen Japaner. Zu Erwin. Sie werden uns Ihre Sachen vorzeigen!

Hohenhahn. Sie sehen in diesem Herrn den Meister der schottischen Landschaftsmalerei, junger Mann.

Dalziel, lachend. O no, der Graf ist immer zu allerlei schlechter Spaß aufgelegt.

Hohenhahn, zu Brauer. Sie werden gewiß gelesen haben, welchen ungeheuren Triumph die Glasgower Schule auf der heurigen Internationalen Kunstausstellung in München erstritten hat.

Peter Brauer. Welche? Sagten Sie Glasmalerei?

Erwin, schnell. Die Schotten, die Schotten, die Schotten, Papa! Weißt du nicht, daß alle Welt jetzt voll von den Schotten ist? Es geht ja tagtäglich durch die Zeitungen.

Peter Brauer. So!? Da muß ich zugeben, daß ich nicht hinreichend auf dem laufenden bin.

Frau Brauer, scharf. Du bist meistens nicht hinreichend auf dem laufenden.

Peter Brauer. Ich gebe zu, es ist hie und da nicht immer leicht, mit den Ereignissen gleichen Schritt zu halten, aber, liebe Thekla . . .

Von Behaimb Junior. Ich möchte mir . . . möchte mir Frage erlauben, ob ich der gnädigsten Frau . . . der gnädigsten Frau und meinem Papa B-B-B-Bescheid geben darf?

Hohenhahn. Ich begreife, man sollte . . . man soll im allgemeinen einen Künstler nicht stören, solange er in der Arbeit ist. Aber die gnädigste Frau . . . die Herrschaften haben in München, von wo wir alle fast direkt herkommen, eine Menge verschiedenartiger Eindrücke auf sich wirken lassen und sind nun in hohem Maße gespannt, was auf ihrer neuen schönen Besitzung inzwischen entstanden ist.

Peter Brauer. Ich weiß nicht recht: ich gebe zu . . . Vielleicht hätten die allergnädigsten Herrschaften besser getan, sich anzumelden. Ich . . .

Hohenhahn. Um Gottes willen, lieber Meister, wir sind keine Abnahmekommission!

Dalziel, zu Brauer. Sie müssen wissen, daß Graf Hohenhahn, wenn es irgendwo eine gute Malerei oder gute Skulptur, von was dergleichen in die Luft oder Lüft, wie die Deutschen sagen, to get wind of – wie sagen Sie hier?

Hohenhahn. Wittern.

Dalziel. Wo es von dergleichen zu wittern gibt, da läßt er die beste Rindsbrühe stehen. Am liebsten holt er aus die Rumpelkammern von die Pariser und Londoner Antiquare falsche van Dycks und falsche Rembrandts heraus.

Hohenhahn. Ich bestreite es nicht: die Kunst ist mein höchstes Interesse.

Von Behaimb Junior. Und und und die Diplomatie?

Hohenhahn. Ich glaube nicht, daß sie bei mir jemals der Kunst den Rang streitig machen wird. Das ist nämlich ein Schinkelscher Bau, lieber Dalziel, und ich denke, – zu Brauer – verehrter Meister, Sie werden an die Lösung Ihrer Aufgabe in diesem Innenraum vielleicht im Stile von Carstens oder Genelli gegangen sein. Werden Sie uns den Eintritt gestatten?

Von Behaimb Junior. Ich müßte allerdings bitten, da die gnädigste Frau jewissermaßen, jewissermaßen von zarter Jesundheit . . . und jejen Nähe von fremdes Publikum äußerst empfindlich ist . . . möchte die zujehörigen, oder besser, nicht zujehörigen Herrschaften bitten, sich von der Plattform . . . sich von der Plattform zurückzuziehen.

Peter Brauer. Also bitte, Mama, tritt zurück, bitte, Klara, zieh dich zurück! – Finden Sie nicht, daß heut eine gradezu furchtbare Hitze ist?

Erwin, mit dem Schlüssel am Portal. Soll ich öffnen, Papa?

Peter Brauer. Wart mal. Ich weiß wirklich nicht, ob der Aufenthalt unter dem mit Farbe bespritzten Gerüst für die Damen und überhaupt für die gnädigen Herrschaften zu empfehlen ist.

Herr von Behaimb senior, Frau von Behaimb und Gräfin von Fischbacher nähern sich an. Rittmeister von Behaimb und Graf Hohenhahn gesellen sich zu ihnen. Der Photograph Schmolcke zieht sich, in der Absicht, unbemerkt zu photographieren, weiter zurück. Frau Brauer und Klara begeben sich an den runden Tisch, wo sie ängstlich und abwartend stehenbleiben.

Von Behaimb senior. Lieber Professor, wir inkommodieren Sie nur einen Augenblick. Sie sind dann die nächsten Wochen durchaus wieder Ihrem schöpferischen Ingenium ungestört allein überlassen. Zu seiner Frau. Ich werde mich sofort selbst überzeugen, mein süßes Herz, ob der Aufenthalt im Kapellenraum augenblicklich für dich zu empfehlen ist. Er steigt auf die Plattform. Nach einigen Begrüßungskomplimenten öffnet Erwin das Tempelportal.

Von Behaimb senior. Gehn Sie voran, bester Professor!

Von Behaimb, durch Brauer geführt, in den Tempel ab, wo er und Brauer noch sichtbar bleiben.

Frau von Behaimb. Those are curious people, dear count.

Hohenhahn. I know some first-class French artists, who live in the country with their families and who have just this very same provincial character.

Frau von Behaimb. It doesn't appear to me that this artist and his family are first-class. What do you think, Mister Dalziel?

Dalziel entdeckt die Bowle im Gebüsch. Here is a glass-boot filled to the brim with wine. Judging by his thirst, he is not unlike Frans Hals.

Frau von Behaimb. Finden Sie nicht, liebe Fischbacher, seine Frau hat das richtige Puppengesicht?

Hohenhahn. She reminds me somewhat of a polychrome plastic, Salome by Max Klinger.

Von Behaimb junior. Papa is beckoning, dear Mama, we are to go in.

Herr von Behaimb senior ist in der Tat mit Brauer auf der Plattform erschienen. Dieser macht tiefe Verbeugungen, während von Behaimb winkt. Als die Herrschaften auf der Plattform sind, stellt von Behaimb vor.

Von Behaimb senior. Mein teures Herz, ich stelle dir Herrn Professor Peter Brauer vor.

Frau von Behaimb. Now, sweetheart, don't let us spend any more time here.

Die ganze Gesellschaft verschwindet in dem Tempel. Frau Brauer und Klara sind um den runden Tisch zurückgeblieben. Hellmut hat sich neugierig herangeschlichen.

Frau Brauer, zu Hellmut. Haben Sie eigentlich schon gesehen, wie weit mein Mann mit den Malereien dadrin gekommen ist?

Hellmut. Hauptsächlich hat Neumann die Wand grundiert. Dann haben wir auch mal alles erst richtig durchgemessen.

Frau Brauer. Hoffentlich ist doch in der ganzen Zeit etwas mehr geschehen!?

Hellmut. O ja! von der linken Ecke angefangen, hat Herr Brauer zwei Gnomen, zwei kleine Zwerge, wissen Sie, Frau Brauer . . . Zwerge mit roten, langen Zipfelmützen, der eine mit einem kleinen Schurzfell und, ich glaube, einer altertümlichen Medizinflasche, und der Zwerg hat gelbe Arnikablumen in der linken Hand. Das sollte, glaub' ich, die Heilkunst ausdrücken. Es ist wundervoll! wunder-, wunderschön, Frau Brauer.

Klara. Mir wird schon immer ganz schlecht, wenn ich von Papas ewigen Zwergen mit roten Zipfelmützen was hören oder sehen muß.

Frau Brauer tupft sich angstvoll den Schweiß vom Gesicht. Klara, wären wir lieber zu Hause geblieben.

Erwin Brauer kommt hastig aus dem Tempel und an den Tisch.

Erwin. Ich kann wirklich nicht recht verstehen, was in den guten Papa gefahren ist. Da ist das Gerüst, und in einem Winkel, da ist so was hingepinselt . . . Um Gottes willen, haltet die Daumen, Kinder, daß uns diese vertrackte Inspektion nicht zum Verhängnis wird. Vor vier Wochen hätte ich sollen hierherkommen.

Graf Hohenhahn und Mr. Dalziel treten auf die Plattform, gehen hin und her und krümmen sich vor Lachen.

Klara. Was machen denn die?

Erwin. Das siehst du doch, Klara: sie krümmen sich.

Klara. Bitte, komm, Mama! Weshalb sollen wir hierbleiben?

Frau Brauer. Ich sage euch ja, daß Papa keinen Funken Ehrgefühl . . . keinen Funken Tüchtigkeit . . . keinen Funken . . . und dazu mußten wir von Berlin hierherreisen.

Erwin. Still. Die Herrschaften kommen wieder heraus.

Frau von Behaimb, Gräfin Fischbacher, Herr von Behaimb senior und junior, schließlich Brauer kommen aus dem Gartentempel. Brauer dienert sehr viel. Die Herrschaften empfehlen sich sehr schnell. In einiger Entfernung sieht man den ziemlich ungehemmten Ausbruch ihrer Lustigkeit. Von Behaimb senior scheint sich zu verteidigen. Alle ab bis auf Brauer, der sich, augenscheinlich erleichtert, den Seinen zuwendet und annähert.

Erwin. Nun, Papa, wie war's?

Peter Brauer. Vorzüglich! Ich habe ihnen, in großen Zügen, meine künstlerischen Absichten klargemacht. Sie schienen damit vollkommen einverstanden. Ich bin froh, daß die Sache vorüber ist.

Klara. Malst du denn wieder Gnomen in die Kapelle, Papa?

Peter Brauer. Das wird sich zeigen, liebe Tochter.

Erwin. Hast du wirklich den Eindruck, daß man mit deiner Lösung der Aufgabe einverstanden ist?

Peter Brauer. Jetzt, Gott sei Dank, ja, habe ich diesen Eindruck. Aber dieser Kerl, dieser schottische Kleckser, und dieses Pariser Gräfchen sind mir im allerhöchsten Grade verhaßt. Hätten sie doch die Beine gebrochen, ehe sie die unverschämte Idee bekamen, mit den Behaimbs hier die Provinz zu beunruhigen.

Erwin, da man die Hupe hört. Ein Automobil ist abgefahren. – Papa, der Rittmeister kommt noch mal. Rittmeister von Behaimb kommt überaus eilig und geschäftsmäßig.

Von Behaimb junior. Ja, mein lieber Herr Brauer, ich ich ich . . . ich hätte im Auftrag meines Papas gern gern gern . . . gleich einige Worte mit Ihnen zu reden . . . einige Worte ohne Zeugen womöglich . . . Zeugen womöglich . . . weil mein . . . weil mein Auftrag . . . meine diplomatische Mission sozusagen, wie jede . . . jede diplomatische Mission, von etwas diffizilem Charakter ist.

Peter Brauer. Ich stehe zu Diensten, Herr Baron.

Von Behaimb junior hat sich mit Brauer etwas von den übrigen entfernt. Viele Einzelheiten des Gespräches werden indessen von Erwin, Klara und Frau Brauer aufgefangen. Die Chose ist die: Mein alter Herr ist von meiner gnädigen Frau Mutter total überstimmt worden! total total total überstimmt, wie das, wie das ja bei seiner Unerfahrenheit in K-K-K-Kunstsachen nicht g-g-g-gut anders möglich ist. M-m-m-meine Mutter w-w-w-wünscht . . . wünscht keine Gnomen . . . wünscht keine G-G-G-Gnomen und Zwerge, Gnomen und Zwerge in die K-K-Kapelle hinein! Mein Papa hat nichts gegen G-G-G-Gnomen und Zwerge! Ich habe p-p-p-persönlich auch d-d-d-durchaus nichts gegen Gnomen und Zwerge, sind mir p-p-p-persönlich sehr angenehm. Kurz, ich bin gezwungen, Ihnen zu sagen, daß meine Frau Mutter mit G-G-G-Gnomen und Zwergen durchaus nicht einverstanden ist. Sie wünscht . . . sie wünscht die Ausmalung der K-K-K-Kapelle einem P-P-P-Pariser oder auch einem . . . englischen Maler zu übertragen, und ich bitte Sie also, den Schlülülülüssel . . . den Schlülülülüssel der Kapelle heute abend beim Schloßk-k-k-kastellan deponieren zu wollen. W-w-w-weitere Ansprüche, w-w-weitere Auseinandersetzungen b-b-bittet Papa an den G-G-Generaldirektor zu richten. Empfehle mich bestens. Empfehle mich sehr. Er macht kehrt, wendet sich nochmals. Verzeihen Sie, wenn ich nochmals gestört habe. Ich sagte mir aber, klare Verhältnisse . . . klare Verhältnisse seien für alle Beteiligten von der größten W-W-W-Wichtigkeit. Ab.

Peter Brauer. Ganz gewiß, ganz gewiß. Danke sehr. Danke verbindlichst, Herr Rittmeister. Er bleibt, dem Rittmeister nachblickend, eine lange Zeit still stehen und regt sich nicht.

Erwin. Was wollte der Herr Rittmeister eigentlich noch, Papa?

Klara. Bitte, wer hat nun recht, lieber Erwin?

Frau Brauer. Man wird ja zum Spott der ganzen Gegend! Erwin! hörst du nicht, Erwin? Jetzt bring uns wenigstens nach der Stadt und auf dem schnellsten Wege nach der Station zurück!

Erwin. Ich muß erst zwei Worte mit Papa sprechen.

Klara. Komm, Mutti! Wenn Erwin nicht Zeit hat, finden wir schließlich schon selbst unseren Weg.

Erwin. Aber so wartet doch einen Augenblick! Ihr müßt doch sehen, daß Papa . . . Ihr seht doch, daß Papa ganz benommen ist. Man kann doch nicht fortlaufen ohne Abschied. Das geht doch nicht.

Peter Brauer, schwer ringend. Lauf fort! lauf fort! ohne Abschied, Erwin.

Erwin, zu Mutter und Schwester. Ich komme nach! – Nein, Papa, so verlass' ich dich nicht.

Frau Brauer. So ist es: er kompromittiert nicht nur sich. Er kompromittiert immer seine ganze Familie. Und du wirst es erleben, Klara, daß er auch Erwins Karriere mit in den Abgrund hineinreißen wird.

Peter Brauer. Geh, Erwin, du hörst ja, suche das Weite!

Erwin. Ja, was ist denn, Papa? Du kannst mir doch sagen, was der Rittmeister noch gewollt und mit dir gesprochen hat.

Peter Brauer. Neid! Scheelsucht! Kollegiale Niedertracht! Mögest du niemals unter dem Haß und der Verfolgung deiner Zunftgenossen so furchtbar zu leiden haben, wie dein alter Vater zeit seines Lebens darunter gelitten hat! Er läßt sich schwer auf die Tempelstufen nieder. Schade, schade, warum hast du dich nicht vor vier Wochen schon auf den Weg gemacht?

Erwin. Papa, ist dir der Auftrag entzogen worden?

Peter Brauer. Schade, ich bin kein Schurke, Erwin! – Möchte dir nie das alles entzogen werden, möchte dir nie auch nur halb so viel im Leben entzogen werden, als mir im Leben . . . mir im Leben, seit ich hier Vater und Mutter sagen lernte, entzogen worden ist. Du kannst mir glauben, ich bin ein Pechvogel.

Erwin. Hättest du dich mir doch offen erklärt, Papa! Ich wäre doch schließlich hergekommen. Wir hätten dann noch wahrscheinlich gemeinsam für die Kapelle etwas Nettes zusammengeflickt, aber . . .

Peter Brauer. Siehst du, wenn ich nicht grade jetzt ein bißchen kaputt und durch körperliche Unpäßlichkeit verhindert gewesen wäre, ich hätte mir, eins zwei drei, meinen Karton gemacht, hätte alles dann prima heruntergestrichen, und es wäre alles ganz anders gekommen. Nun, reist nach Hause und kümmert euch nicht.

Erwin. Und du, Papa, wo wirst du denn hinreisen?

Peter Brauer. Ich? – Ich? Wo man aus Gram, Scham, Galle, Sorge und Kummer dicke Zervelatwürste macht.

Erwin. Wirst du die nächsten Tage noch hierbleiben?

Peter Brauer. Ich?

Klara. Erwin, verstehst du? wir gehen voran. Frau Brauer und Klara ab.

Erwin. Ich komme!

Peter Brauer. Ja, geh!

Erwin. Oder wohin gedenkst du sonst zu gehn?

Peter Brauer. Nun, Junge, soll ich mit euch nach Berlin reisen? – Keine Angst! Geh, die Frauensleute brauchen dich! – Was mich betrifft, mir könntest du nur . . . mir könntest du höchstens einen Platz hinterm Zaune . . . hinterm Zaune, wo die alten räudigen Hunde verrecken, für die ein Schuß Pulver zu schade ist, aussuchen gehn.

Erwin. Aber Papa!

Peter Brauer wird von Weinen geschüttelt. Keine Angst, guter Junge.

Erwin. Papa, ich bringe Mama nur zur Bahn. Ab.

Peter Brauer. Geh, geh! keine Angst um mich, guter Junge. Er bleibt sitzen und starrt vor sich hin.

 


 


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