Bret Harte
Die Geschichte einer Mine
Bret Harte

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Viertes Kapitel.

Wer die Mine in Besitz nahm.

Ein ununterbrochenes Wiehern erschallte auf dem Bergrücken. Concho's Pferd verlangte nach seinem Frühfutter. Diese Mahnung drang an das Ohr mehrerer Männer, welche, vom Westen kommend, den Berg hinaufritten. Einem derselben klangen die wiehernden Töne bekannt.

»Ei, zum Henker! Das ist ja Chiquita. Wahrscheinlich liegt der verfluchte Mexikaner irgendwo betrunken am Boden,« sagte der Präsident der »Blue Mass Company«.

»Die ganze Sache hier hat ein Ansehen, das mir nicht gefällt,« sagte Dr. Guild, als die Gesellschaft sich dem entrüsteten Thiere näherte. »Wenn ein Amerikaner in Frage stände, so würde ich auf Fahrlässigkeit schließen; allein kein Mexikaner vergißt jemals sein Thier. Treiben Sie Ihre Pferde an, meine Herren. Wer weiß, ob wir nicht schon zu spät kommen.«

Nach einer halben Stunde erblickten sie die tieferliegende Schicht, den zerfallenen Schmelzofen und die regungslose Gestalt des Mexikaners, der, fest von seiner Decke umhüllt, das Gesicht der Erde zugewandt, im Sonnenschein lag.

»Sagte ich es Ihnen nicht? Er ist betrunken!« rief der Präsident.

Der Arzt machte ein ernstes Gesicht, sprach jedoch kein Wort. Sie stiegen ab und banden ihre Pferde fest. Dann krochen sie auf Händen und Füßen bis zu dem Abhang, welcher sich über dem Schmelzofen befand. Der Secretair Biggs stieß einen Schrei aus. »O, sehen Sie doch! Es ist uns Jemand zuvorgekommen. Dort sind Anzeigen!«

Und in der That waren zwei Leinewand-Plakate an dem Felsen angeschlagen, vermittelst welcher von diesem Grund und Boden Besitz ergriffen wurde, und diese Schriftstücke waren von Pedro, Manuel, Wiles und Roscommon unterzeichnet.

»Herr Doctor, dies geschah, während Ihr vielgepriesener Mexikaner, unser Gesellschaftsmitglied – das der Teufel holen möge – dort betrunken im Staube lag. Was ist nun zu thun?«

Der Arzt begab sich jedoch zu dem unglückseligen Urheber ihrer vereitelten Hoffnungen, der auf diese Vorwürfe kein Wort erwiderte; die anderen Herren folgten ihm. Er kniete neben Concho nieder, rollte ihn aus der Umhüllung, legte seine Finger auf sein Handgelenk und sein Ohr auf die Herzgrube und sagte:

»Todt!«

»Sehr begreiflich! Sie haben ihm ja gestern Abend Arzenei gegeben. Das kommt von Ihren verwünschten Pferdekuren!«

Allein Dr. Guild war allzu beschäftigt, um auf die Spottreden seines Gefährten zu achten. Er betrachtete Concho's hervorgequollene Augen, öffnete dessen Mund und prüfte die geschwollene Zunge; dann sprang er plötzlich empor.

»Reißen Sie die Anzeigen herunter, meine Herren, und bewahren Sie dieselben sorgfältig. Statt dessen schlagen Sie Ihre eigenen an. Sie dürfen ohne Sorge sein. Niemand wird Ihnen Ihre Ansprüche streitig machen, denn hier hat nicht nur ein Raub stattgefunden, sondern auch ein Mord!«

»Ein Mord!«

»Ja,« sagte der Arzt erregt. »Ich kann vor jedem Gericht einen Eid darauf ablegen, daß dieser Mann erdrosselt worden ist. Er ward überfallen, als er schlief. Sehen Sie hier!« Er deutete auf den Revolver, welchen Concho's erstarrende Finger noch immer umklammert hielten. Der Ermordete hatte den Hahn desselben gespannt, ohne ihn während des Ringens abdrücken zu können.

»Das stimmt!« sagte der Präsident. »Mit einem gespannten Revolver legt sich kein Mensch zum Schlafen nieder. Was aber soll nunmehr geschehen?«

»Alles Erforderliche!« entgegnete Dr. Guild. »Diese That ist innerhalb der zwei letzten Stunden begangen; der Körper ist noch warm. Der Mörder hat keinenfalls unsern Weg eingeschlagen, sonst würden wir ihm auf dem Bergpfade begegnet sein. Wenn er überhaupt irgendwo zu finden ist, so hält er sich zwischen hier und Tres Pinos auf.«

»Meine Herren!« sagte der Präsident, indem er seine Worte mit einem leichten räuspernden Tone einleitete, der einen Anflug von richterlicher Würde hatte. »Zwei von Ihnen bleiben hier und halten Wache; die Uebrigen folgen mir nach Tres Pinos. Das Gesetz ist mit Füßen getreten. Sie wissen, was das heißt!«

Durch irgend einen merkwürdigen Einfluß hatte sich urplötzlich die kleine Gesellschaft, deren Mitglieder halb-cynisch, halb-leichtfertig sich sonst um nichts zu kümmern pflegten, in ernste, besonnene Bürger verwandelt. »Vorwärts also!« riefen sie, nickten zustimmend mit dem Haupte und eilten zu ihren Pferden.

»Wäre es nicht besser, wir warteten, bis die Leichenschau stattgefunden hat und wir uns durch eidliche Aussage einen Verhaftsbefehl erwirkt haben?« fragte der Secretair vorsichtig.

»Aus wie vielen Personen besteht unsere Gesellschaft?«

»Aus Fünfen.«

»Nun wohl!« sagte der Präsident, indem er die revidirten Statuten der californischen Staaten in einen einzigen kräftigen Ausspruch zusammenfaßte, »dann bedürfen wir keines verfl... Verhaftsbefehles.«


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