Heinrich Hansjakob
Der steinerne Mann von Hasle
Heinrich Hansjakob

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8.

Jahre kamen und Jahre gingen, manche Jahre. Anna von Beringen, die Witwe Hugos von Montfort, lebte längst weltentsagend in einer Zelle des Klosters Habstal, und ihre Tochter waltete auf der Burg zu Hasela als Mutter und Hausfrau.

Graf Egino hatte 1324 das Zeitliche gesegnet und seinen Söhnen Johans und Götz die Herrschaft unteilbar hinterlassen.

Johans, der ältere, war noch immer ledig und blieb es, drum hatte er wohl Platz in der Burg zu Hasela neben der Familie seines Bruders.

Es ist ein warmer Maientag des Jahres 1326. Die Gräfin befindet sich mit ihren zwei jüngsten Kindern im Burggarten. Ringsum der stille Frieden eines Sommertags in einem Landstädtchen.

Selbst in der Burg regte sich nichts. Die beiden Grafen waren mit den Knechten auf die Jagd gezogen in die umliegenden Wälder.

Die Kinder spielten auf dem Rasen vor der Laube, in welcher die Mutter sich in eifrigem Gespräche mit einem älteren Manne befand. Dieser, eine ritterliche, ernste Gestalt, war vor einer Stunde in der Burg angeritten gekommen und von der Burgfrau hocherfreut aufgenommen worden. War doch der Ankömmling kein anderer als des Grafen Götz von Fürstenberg-Hasela Vetter, Graf Gebhard, der Domherr von Konstanz und Pfarrherr von Villingen, und der Bruder des verstorbenen Grafen Egino.

Nichts verriet aber in seinem Aeußern die geistliche Würde; er sah ganz einem Ritter gleich und war auch, wie üblich, in voller Wehr mit zwei reisigen Knechten angekommen.

Im leichten, seidenen Wappenrock, der mehrfach den fürstenbergischen Adler eingestickt zeigte, saß er bei der Frau seines Neffen.

»Aber ich muß es nochmals sagen, Vetter,« begann die Gräfin, »wie sehr es mich freut, daß ihr nach Jahr und Tag wieder einmal zu uns herabgeritten seid. Kommt ihr direkt von Villingen oder von Konstanz?«

»Von Villingen, meine Liebe, wo ich seit drei Wochen mich aufhielt. Es ist also noch nicht lange her, daß ich von Konstanz fort bin.«

»Was macht mein Vetter, der Herr Bischof?«Graf Rudolf von Montfort, der Bruder von Annas Vater, war seit 1319 Bischof in Konstanz.

»Unser gnädiger Herr,« entgegnete Graf Gebhard, »ist seit Jahr und Tag nicht mehr guter Laune. Seitdem er vor drei Jahren im Engadin gegen Donat von Batz so viele Leute verloren hat, ist er etwas schwermütig. Er will, was er früher so gerne mitmachte, nichts mehr von Krieg und Fehde wissen. Auch ist er jetzt päpstlicher als ich und läßt von allen Kanzeln die Exkommunikation verlesen, welche der Papst über den deutschen König Ludwig verhängt hat.«

»Das hör' ich gerne, Vetter, daß der Bischof auf des Papstes Seite steht. Das gehört sich,« meinte die Gräfin und fügte halb ernst, halb lächelnd hinzu: »Ihr Domherren tätet gut, es auch so zu machen, statt auf des exkommunizierten Königs Seite zu stehen.«

»Das versteht ihr Weiber nicht,« erwiderte etwas beleidigt der ritterliche Domherr. »Ihr seid's gewohnt, es allzeit mit euern Burgkaplanen und Leutpriestern zu halten, und diese stehen eben immer auf Seite des Papstes, auch wenn der im Unrecht wäre.«

»Wir Frauen wissen eben allerdings manches nicht,« antwortete die Gräfin; »aber wir fühlen, was recht oder nicht recht ist, was sich schickt oder nicht. Doch deshalb keine Feindschaft, lieber Vetter, und sagt ja meinem Herrn, dem Grafen Götz, nichts, wenn er heimkommt, sonst zankt er mich.«

»Er kann euch nicht zanken, denn von ihm habt ihr zweifellos schon oft gehört, daß ein Teil des Domkapitels in Konstanz päpstlich, der andere kaiserlich, der eine guelfisch, der andere ghibellinisch ist. Doch wir Anhänger unseres wackeren Königs Ludwig bleiben uns immer gleich. Meine Herren Neffen in Hasela aber waren bald österreichisch, bald bayerisch gesinnt, je nachdem der eine der zwei Könige oben oder unten, näher oder ferner war.«

»Doch jetzt politisiere ich schon wieder vor euch und hab' doch eben gesagt, ihr Frauen verständet nichts davon. Nur das will ich noch sagen, daß ich aus einem politischen Grunde heute gekommen bin, nämlich des Streites wegen mit meinen Villingern.«

»O, lieber Vetter,« fiel die Gräfin ein, »macht doch, daß es Frieden wird! In unserer Burg ist seit Jahr und Tag ein förmliches Kriegslager: da geht's aus und ein mit Rittern und Reisigen, und mein Gemahl und der Schwager sind mehr auswärts als daheim, meist wegen der Villinger, denen sie und ihre Dienstmannen keine Ruhe lassen.«

»So lange der Vater Egino noch lebte, war es besser. Der verweilte in seinen letzten Lebensjahren im Sommer regelmäßig in Villingen und vermittelte so zwischen den Bürgern und der Herrschaft.«

»Seitdem er vor zwei Jahren dort gestorben ist, herrscht ewiger Hader. Die Mutter meines Ehegemahls, auf die er noch am meisten hörte, ist seit vier Jahren tot, und ich richte bei ihm gar nichts aus in solchen Dingen.«

»Ich wär' euch drum zeitlebens dankbar, Vetter, wenn ihr diesen ewigen Streit zur Ruhe brächtet.«

»Ich hab' einen Ausweg gefunden,« nahm der Domherr das Wort, »und deshalb komm' ich, und wenn meine zwei Neffen da sind, werdet ihr hören, was ich vorschlage. Doch erzählt mir jetzt, wie es sonst geht und was die Kinder machen.«

»Ich bin, seitdem wir meine Schwägerin, die Frau Verene, in die Pfarrkirche hinüber getragen und beerdigt haben, nicht mehr hier gewesen. Die beiden Kleinen, die mich eben begrüßt, sind prächtig gediehen und namentlich der blonde Lockenkopf, das Mädchen. Dieses war noch fast ein Wickelkind, als ich hier war.«

»Wie heißt es denn, ich entsinne mich nicht, seinen Namen gehört zu haben.«

»Ach, ihr wißt, Vetter, wie mein Gemahl für allen Minnesang schwärmt und besonders für den Sang vom Ritter Parzival, den er fast ganz auswendig kann. Drum, als dies Mägdlein, das einzige bis jetzt, uns geboren ward, gab er ihm den Namen der Mutter Parzivals und hieß es Herzeleide.«

»Ich wollt' es nicht so haben und fürchte immer, es könnte der Name prophetisch sein und das Kind später entweder uns und andern zum Herzeleid werden oder selbst viel Herzeleid erfahren.«

»Mir zu liebe und weil mein Gemahl im Welschland wohl daheim ist und auch die welsche Dichtung vom Parzival kennt, gibt er der Kleinen zur Abwechslung auch den französischen Namen der Mutter des Ritters und ruft sie Loveline. So hat sie zwei Namen. Ich nenn' sie lieber Loveline, weil mir der Name Herzeleide jedesmal einen Stich ins Herz gibt.«

»Das sieht unserm Götz ganz gleich,« bemerkte Graf Gebhard. »Er ist von jeher in Minne und Sang aufgegegangen, und wenn er so viel geistige Kraft in seinem Kopf wie leibliche in seinem Schwert und seiner Lanze hätte, er wäre der erste Minnesänger geworden, wie er jetzt der ersten Ritter einer ist.«

»Doch es ehrt ihn, den rauhen Rittersmann, daß er sich den Helden Parzival so zu Herzen genommen hat, dieses Vorbild des sündigen, aber in Demut zu Gott zurückkehrenden Menschen.«

»Es gibt keinen Minnesänger, den er nicht kennt und nicht liebt,« meinte die Gräfin weiter. »Und wenn ihm fahrende Sänger neue Lieder bringen und singen, das gilt ihm so viel, als wenn er bei einem Tjost oder bei einem Turnier siegt.«

»Minnesang, Waffenspiel und Jagd sind ihm nur allzu lieb. Nach Geld und Gut fragt er wenig, und wenn er von ersterem keines hat, so nimmt er, wo er es findet. Drüben im Turm liegen eben wieder einige Züricher Kaufleute, die er niedergeworfen hat, als sie aus dem Welschland durchs Kinzigtal zogen der Heimat zu.«Rat und Bürger von Zürich bitten noch 1327 den edlen Grafen Götzlin von Fürstenberg, ihre Mitbürger, deren »lip und guot er geheftet,« freizulassen. (Fürstenbergisches Urkundenbuch.)

»So ist's eben Brauch, meine Liebe, heutzutag,« entschuldigte der Domherr. »Zu allen Zeiten der Weltgeschichte ging Gewalt über Recht. Und wir Fürstenberger sind in den zwei letzten Jahrzehnten ziemlich heruntergekommen in unserem Besitz. Die Kämpfe im Reich, die Unbotmäßigkeit der Städte und die vielen Söhne und Töchter, die teilen oder was haben wollten, sind schuld daran. Drum müssen der Götz und der Johans, wie ihr Vetter in Freiburg, bisweilen auf der Straße was holen.«

»Und ein rechter Dichter und ein echter Ritter kann sich nicht so ums Irdische kümmern und rechnen wie ein Krämer. Drum will's dem Götz nie recht reichen. Aber ich will ihm jetzt helfen.«

»Doch wo sind denn euere älteren Buben?«

»Den Heinrich und den Hug meint ihr, Vetter. Der erstere ist jetzt 14 Jahre alt und am Hofe des Markgrafen von Baden. Seine Großmutter Verena wollte es so und hat vor vier Jahren, kurz vor ihrem Tod, ihn selbst nach Baden gebracht. Er ist ein braver, lieber Knabe.«

»Hug, der zweite, hat heute zum ersten Male mitdürfen auf die große Jagd mit der Armbrust. Bis jetzt hat er nur mit dem Blasrohr nach Vögeln geschossen und bisweilen zugeschaut, wenn ich mit dem Vater auf die Reiherbeize ritt an der Kinzichen hin.«

»Er trägt den Namen meinem Vater zu Ehren, denn Hug ist kein fürstenbergischer Heiliger. Der Bube ist aber auch kein echter Montforter. Er will nichts lernen, nur raufen, reiten und jagen.«

»Höfisches Wesen ist ihm gar nicht beizubringen. Mein Gemahl sagt oft, den Hug schicke er seinem SchwagerAnna, die Schwester Götzens, war mit dem freien Herrn Walther von Geroldseck verheiratet. auf Burg Hohengeroldseck, dort könne er Jäger werden, und später setze man ihn auf den Zindelstein.«

»Doch hört, Vetter, die Hifthörner ertönen vom Bertor her. Die Jäger kommen. Die Jagd muß gut ausgefallen sein, weil die Herren mit Hörnerschall heimkehren. Laßt uns ihnen entgegen gehen vors äußere Tor und schauen. Beide werden eine große Freude haben, euch hier zu sehen.«

Graf Gebhard und die Burgfrau von Hasela waren kaum vor das Tor getreten, als der Jagdzug daherkam, die Meute der Hunde voraus. Hinter ihnen die Jäger, zwei, und zwei reitend, zwischen den Herren und den Knechten ein Bauer aus dem Dorfe Mühlenbach mit einem Karren, den sein Pferd zieht. Auf dem Karren liegt die Beute: zwei Hirsche, ein Eberschwein und drei Füchse.

Die Hirsche sind ausgenommen und mit Laubwerk verziert.

Kaum hatten die beiden Grafen Johans und Götz den Vetter Gebhard erblickt, als sie rasch heransprengten, vom Pferde sprangen und den lieben Sippen umarmten und küßten.

»Flugs hergeritten und den Vetter Gebhard begrüßt!« rief Graf Götz dem Junker Hug zu, der staunend und langsamer seinem Vater nachgeritten kam. »Er war noch ein Knabe, als ihr das letztemal hier waret, drum staunt er so, er kennt euch nimmer.«

»Aber unser Hug hat heute sich tapfer gehalten,« sprach Graf Götz, zur Gräfin gewendet, weiter, während der junge Jäger dem Vetter sich präsentierte und die Hand küßte. »Er bekommt jetzt das elfenbeinerne Jagdhorn vom Großvater als Preis, denn er hat den ersten Hirsch mit dem Wurfspeer erlegt und ausgeweidet. Wie ein alter Jägermeister, so gut hat er seine Sache gemacht.«

»Doch, Anna, laß gleich die Hirschleber rösten und in der Ritterstube auftragen, wir sind hungrig und durstig. Kommt, Vetter, ich will nur mein Schwert ablegen, dann setzen wir uns zusammen, und ihr erzählt, was euch so unverhofft nach Hasela geführt!«

»Kann mir's zwar schon denken. Die Villinger werden ihren Pfarrherrn geschickt haben, damit er als Vetter mit Johans und mir verhandle.«

»Könntest recht haben, Bruderssohn,« gab Graf Gebhard zurück, »ich werde euch offen beichten, wenn wir droben im Saal sitzen. Ich will nur noch nach meinem Hengst sehen im Stall, während ihr eure Jagdwaffen ablegt.«

»Soll ich nicht Trunk und Imbiß in die Laube bringen lassen?« fragte jetzt die Gräfin ihren Gemahl. »Es ist so schön im Freien heute. Vetter Gebhard und ich sind bisher auch dort gewesen.«

»Einverstanden!« riefen alle drei Herren.

»Nun, Vetter,« begann Graf Götz, nachdem er eine Viertelstunde später dem Domherrn in der Laube einen tüchtigen Schluck zugetrunken hatte, »nun laßt eure Beichte los. Aber bedenkt dabei, daß ihr nicht bloß Pfarrherr von Villingen, sondern auch Graf von Fürstenberg und mit euern Bruderssöhnen näher verwandt seid als mit den hochmütigen Krämern und Zünftlern eurer Pfarrei.«

»Zuerst will ich eine kurze Generalbeicht über die Sünden unseres Geschlechts halten und dann erst das sagen, um dessentwillen ich heute hierher gekommen bin,« begann Graf Gebhard.

»Seit dem Tod eures Großvaters und meines Vaters liegt ein Unstern über unserem Hause. Immer Streit und Fehde und damit Geldnot. Erst hat der junge Heinrich, kaum war sein Vater, mein Bruder, tot, hitzig und unklug, wie er damals war, mit den Herzogen von Oesterreich angebunden, verkennend seine kleine Macht der großen der Habsburger gegenüber. Der König Albrecht selbst belagerte ihn vor Fürstenberg. Heinrich unterlag und verlor die Stadt Bräunlingen.«

»Die Kriegskosten fraßen die Besitzungen im Renchtal, die er verpfänden und schließlich verkaufen mußte.«

»Dann kam die Fehde, welche Heinrich mit eurem Vater anfing wegen des Weges durch die Urach. Den Nutzen davon hatten die Villinger, denen ihr Graf wichtige Rechte verschreiben mußte, um ihre Hilfe zu bekommen.«

»Und vor kurzem seid ihr zwei abermals mit dem Grafen Heinrich in Streit geraten. Vermögen und Ansehen haben darunter gleichmäßig gelitten. Denn es schadet einem Geschlechte nichts mehr als Zwiespalt in der eigenen Familie.«

»Und jetzt liegt ihr beide wieder in heller Fehde mit der Stadt Villingen. Um diese beizulegen und dem ewigen Hader ein Ende zu machen, bin ich heute hierhergeritten.«

»Seit mehr denn zwanzig Jahren dauert nun der Streit mit der Stadt. Wiederholt hat euer Vater mit den Bürgern Fehde gehabt wegen Einschränkung seiner Rechte oder wegen Schmälerung seiner Forderungen.«

»Es liegt mir ferne, die Städter, deren Pfarrer ich bin, zu verteidigen. Ihr wißt, daß auch ich mit dem stolzen Krämervolk, welches das Regiment in Villingen führt, einen Span hatte, und daß sie mich eines Tages auf der Burg Zindelstein überfallen haben. Ich habe ihnen das bis heute noch nicht vergessen. Aber ich glaube im Interesse unseres Hauses zu handeln, wenn ich zum Frieden rate.«

»Was ist euere Meinung vom Frieden, Bruderssöhne?«

»Frieden mit dem hochmütigen Bürgerpack von Villingen gibt's nur, wenn wir uns von ihm alles gefallen lassen,« nahm Graf Götz das Wort.

»Der Schultheiß von Villingen und die Ratsherren haben mehr zu sagen als ich und mein Bruder, die doch rechtlich die Herren der Stadt sind.«

»Mehr und mehr drängt die Bürgerschaft uns in unseren Rechten zurück, und wenn das so fortgeht, so sind wir nur noch eine Art Pfründnießer der paar Mark Silbers, welche die Stadt uns jährlich gibt.«

»Aber unsere Könige sind schuld. König Rudolf hat die Städte begünstigt, und unter Ludwig dem Bayern sind allerorts die Bürger von oben herunter noch mehr gehätschelt worden.«

»Selbst die kleinern Städte des Reichs haben jetzt Edelknechte und Ritter rings um ihr Gebiet in ihre Dienste genommen gegen ihre Herren. So Freiburg, so Villingen.«

»Kerle, die unser Haus und unsere Vettern in Freiburg zu Edelknechten gemacht und mit Burgen belehnt haben, lassen sich jetzt bezahlen von den Städtern gegen den alten Adel.«

»Den Wernher von Dettingen, der kürzlich in den Dienst der Villinger getreten ist, hab' ich's büßen lassen. Im Bregtal hab' ich ihn niedergeworfen, und jetzt sitzt er drüben im großen Turm bei meinen Züricher Goldvögeln.«

»Hab' schon gehört,« warf Graf Gebhard ein, »daß du Kaufleute aus Zürich im Verließ liegen hast. Aber paß auf, Zürich ist eine mächtige Stadt. Der kommt's nicht drauf an, einmal über den Randen einige Hundert Kriegsknechte zu schicken und sich im Fürstenbergischen schadlos zu halten.«

»Da müßten die Züricher viele Rachezüge machen, denn zwischen Straßburg, Basel und Konstanz ist kein Kaufmann seines Weges sicher,« meinte Graf Johans. »Und unser Vetter Konrad in Freiburg hat schon mehr denn einen Züricher gerupft, wenn er das Höllental passierte.«

Uebrigens haben Rat und Bürger von Zürich mir schon geschrieben,« sprach Graf Götz, »ich sollte ihre Leute losgeben samt dem Gut, dann versprächen sie mir Urfehde. Sie müssen also den Gedanken, mit mir abzurechnen, ganz hinten im Kopf haben. Doch ich laß' meine Beute nicht fahren, es sei denn, daß die Kaufleute sich loskaufen mit 200 Mark Silber. Einer, Johans Wakenbolt, ist bereits entlassen, um das Geld zu holen. Kommen dann Kriegsknechte mit ihm, so schließe ich die Tore, und auf den Mauern zeige ich den Zürichern die abgeschlagenen Köpfe meiner Gefangenen.«

»Ich hab', wie viele vom Adel, allen Städtern Rache geschworen, weil sie uns als adelige Herren nichts mehr wollen gelten lassen.«

»Aber,« nahm Graf Gebhard das Wort wieder, »so kann's doch nicht fortgehen mit euch und den Villingern. Diese wachsen euch mehr und mehr über den Kopf, auch wenn ihr sie außerhalb der Stadt noch so sehr schädigt. Und gegen diese Schädigungen werden sie sich auch nach Hilfe umsehen. Und da sie mehr Geld haben, werdet ihr auch in den offenen Fehden den kürzern ziehen. Die Herzoge von Oesterreich lauern längst auf die wichtige Stadt, und schließlich bekommt ihr's noch mit denen zu tun.«

»Ja, ich glaube, daß die vom Rat schon mit den Oesterreichern allerlei abgeredet haben. Es wurde mir unter der Hand manches mitgeteilt in den wenigen Tagen, da ich in Villingen mich aufhielt.«

»Vetter, ihr könntet recht haben,« fiel Graf Götz ein. »Schon im vorigen Jahre, da ich dem Herzog Leopold bei seinem Vergleich mit dem Grafen von Württemberg in Rottenburg Bürge war, da hat der Herzog so was merken lassen. Ich sprach ihm von den Mißhelligkeiten mit Villingen, die mit auch daher kämen, daß Bruder Johans und ich uns nicht schlüssig machen könnten, wer Herr von Villingen sein solle, da keiner von uns Lust dazu habe. Da meinte er halb ernst halb im Spaß: ›Vetter Götz, ich will dir das Regiment abnehmen und gut bezahlen.‹ Darauf sagte ich: ›So weit sind wir noch nicht, aber wenn wir die Stadt verkaufen, sollst du sie haben.‹«

»Nun ist seitdem ein Jahr vorüber,« erwiderte Graf Gebhard, »und ihr sollt euch heuer noch, wie ihr versprochen, entscheiden, wer von euch Herr sein solle über die Stadt, welche nicht zwei Herren duldet. Nun liegt ihr beide aber heute schon in Fehde mit den Villingern und schädigt sie, wo ihr es könnt. Wer weiß, was die Bürger tun, wenn die Zeit um ist und ihr noch ihre Feinde seid.«

»Auf den König könnt ihr euch nicht verlassen. Er weiß noch zu gut, daß ihr vor der Schlacht bei Mühldorf-Ampfing bei den Habsburgern stundet und damals schon unterwegs waret mit dem Herzog Leopold, um gegen ihn zu ziehen. Er weiß auch, daß ihr, kurze Zeit nach seinem Siege auf seiner Seite stehend, jetzt wieder habsburgisch seid. Du, Götz, warst ja im Frühjahr des vergangenen Jahres auf der Burg Trausnit einer der Bürgen des gefangenen Friedrich.«

»Der König, jetzt mit den Habsburgern ausgesöhnt, wird deshalb vonseite des Reichs, dessen Lehensträger ihr ja in Villingen und Hasela seid, sich nicht besonders erwärmen für euch.«

»Aber die Judensteuer in Villingen, die er uns verliehen, weil wir nach der Schlacht von Mühldorf auf seine Seite getreten sind, hat er bis heute uns belassen,« äußerte Graf Johans. »Er scheint also nicht schlecht gegen uns gestimmt zu sein.«

»Juden hin, Juden her,« entgegnete rasch der Domherr. »So wie der König heute mit dem Hause Habsburg steht, läßt er euch jederzeit fallen, wenn Oesterreich gegen euch im Spiele steht in Villingen. Drum – und deshalb komme ich – ist mein Rat der folgende: Verkauft die Herrschaft, die für euch eigentlich keine ist und euch nur Verdruß bringt. Ihr reibt euch auf im Kampfe mit einer Stadt, die mehr Mittel hat und es länger aushält als ihr.«

»Es wissen aber die Bürger von Villingen wohl, daß auch ihr sie schädigen könnt und schon geschädigt habt. Drum sind sie bereit, den Frieden und die Befreiung von eurer Herrschaft zu erkaufen um hohen Preis.«

»Ich bin gewiß für unseres Hauses Macht und Ehre mehr, als für die Freiheit der Bürger jener Stadt, und ich bedauere, daß unserer Familie eine so wichtige Besitzung verloren geht, aber ich sehe keinen andern Ausweg aus den Wirrnissen und Kämpfen. Die Bürger haben Brief und Siegel von euerem Vater und von euch für Freiheiten, die euch zu Dienern der Stadt herabdrücken und die jene zu ihren eigenen Herren machen, Freiheiten, die ihr gegenüber einer reichen, mächtigen Bürgerschaft nicht mehr zurückzunehmen imstande seid.«

»Nur stärkere und mächtigere Herren werden ihr gewachsen sein, und die Stadt selbst wird ihrerseits sich ihren Schutz nur bei solchen suchen. Und diese Herren sind und bleiben die Herzoge von Oesterreich, jetzt nach Leopolds Tod Herzog Albrecht und seine Brüder.«

»Ich bin ein alter Mann, folgt meinem Rat, ich meine euer Bestes, so wehe es mir tut, daß unser Geschlecht eine so aufblühende Stadt nicht halten kann.«

»Und nun sag' ich euch noch was zum Schluß, offen und ehrlich: Ich bin von den Bürgern gebeten worden, mit euch zu unterhandeln. Sie sehen ein, daß es so nimmer geht, und sind des ewigen Haders müde, der auch sie schädigt. Keiner von ihnen ist ja außerhalb der Stadt seines Lebens mehr sicher.«

»Was sie an Freiheiten von euch verbrieft haben, geben sie nimmer preis. Das Bürgertum strebt in unseren Tagen mächtig aufwärts, und keiner vom Adel kann ihm widerstehen. Schaut nur hinüber nach Freiburg, wo unsere Vettern so wenig mehr Herren sind, als ihr zwei in Villingen. Ueber kurz oder lang werden dort auch die Habsburger Herren sein.«1368 verjagten die Freiburger ihren Grafen Egino und übergaben sich den Herzogen von Oesterreich.

»Ich schließe und frage: Was wollt ihr für die Herrschaft Villingen? Du, Johans, bist der ältere, sag' deine Meinung zuerst.«

»Ich bin, Vetter,« antwortete Graf Johans, »auf euere Rede hin ganz eurer Anschauung geworden, und wenn Götz denkt wie ich, wird's zum Verkauf kommen. Lieber einen Sack voll Geld, als einen Sack voll Händel. Ich bin der ewigen Fehden satt. Jagen und, wenn man Durst hat, eins trinken, ist mir viel lieber. Was ist deine Ansicht, Götz?«

»Die will ich kurz sagen,« sprach dieser. »Die Villinger sollen uns innerhalb vier Wochen 5000 Mark Silber, alles in kleiner Villinger Münze – ich will die Kerle noch ärgern – auf einem vierspännigen Wagen, mit sechs gleichen Schimmeln bespannt, begleitet vom Schultheißen und sechs Ratsherren, hierher nach Hasela in die Burg liefern, dann sollen sie von uns frei und ledig sein und können unsertwegen den Teufel oder die Herzoge von Oesterreich zu Herren nehmen. Aber anders tu' ich's nicht. Drum schlagt zu, Vetter, oder ich schlag auf!«

»Ich schlag' zu, Bruderssöhne, vorbehaltlich der Zustimmung des Rates von Villingen. Ich reite heute abend noch ab, besuche den Grafen Heinrich in Wolfa und predige ihm den Frieden mit euch, und morgen nachmittag bin ich in Villingen. Uebermorgen habt ihr Nachricht.«

»Aber eines solltest du nicht verlangen, Götz, die Ueberbringung der Summe in kleiner Münze Villinger Gewäges. Das ist boshaft.«

»Das soll es auch sein,« lachte der Graf von Hasela, »und drum gehe ich nicht ab davon.«

»So muß ich denn auch dies Verlangen mitnehmen,« meinte der Unterhändler. »Ich weiß, daß du doch nicht nachgibst.«

Kaum war der Domherr, welcher sich nimmer länger halten ließ, abgeritten, als der Edelknecht Wirich von Schnellingen von der Kinzig her in der Burg eintraf und seinen Herren, den Grafen, eine Meldung machte. Es seien, so habe ihm sein Schwager Albrecht von Gippichen durch einen Knecht sagen lassen, Villinger Bürger beim Abt von Alpirsbach zu Besuch. Die könnte man aufheben, wenn sie heimreiten. Zehn reisige Knechte würden genügen.«

»Wirich,« sprach Graf Götz, »zu jeder andern Zeit hätte ich deine Kunde mit Lust vernommen. Aber eben ist unser Vetter Gebhard mit einer Friedensbotschaft nach Villingen geritten. Ich darf diese nicht stören. Laß dem Albrecht sagen, ich dank' ihm, aber für diesmal müßten wir die Philister ziehen lassen. Doch es ist in meinem Kopf ein Plan ziemlich fertig; sie werden mir bald selbst in die Falle laufen, und dann will ich sie schon rupfen.«

»Du kannst deine Sporen später noch verdienen, Wirich. Nimm einen Trunk, dann hebe dich wieder weg, damit der von Gippichen bald weiß, woran er ist.«

 


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