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Geschrieben 11. bis 19. August 1914
Ans Tor des Friedens donnern Eisenfäuste,
Und krachend, splitternd sprang die Pforte auf.
Ein blühender Garten lag die deutsche Welt,
Dran fast ein halb Jahrhundert fleißige Hände
Gegraben und gerodet und gepflanzt,
Dem eh'mals kargen Schoße unsrer Erde
In rastlos neuer Zeugung und Verjüngung
Abringend so stets reichre Frucht und Saat.
Geborgen schien das Werk, doch nicht vollendet,
Und alle Herzen jauchzten erntefroh.
Aus reifen Feldern scholl der Sense Schnitt,
Im Gleichtakt stampfte surrender Räder Schwung,
Von Brust und Stirnen rann der Arbeit Schweiß,
Indes in tausend Kammern still der Geist
Nachsann der Elemente Wunderbau,
Des eigenen Ichs verborgener Zauberei.
Ein Garten blühte uns, die Luft ging lind
Und weich von Düften, die der Nachtwind trug,
Blau funkelte des Himmels Krönungsmantel
Ob unsrer Tage Lust, und jede Stunde
Ward uns zum Werk, ward uns noch mehr! zum Fest.
Noch keiner hat des Reichtums schmeichelnd Gift
Ganz ungestraft geschlürft. Betäubend schwer
Und honigsüß rann es durch unser Blut,
Ein Taumeltrank, einlullend uns in Wahn
Und Träumerei von Schönheit, Glück und Frieden,
Von Hochkultur, vom Bruderkuß der Völker,
Die Lämmern gleich auf einer Weide sich
Gesellt, fromm, ohne Haß und Futterneid,
Auf ihres Nachbarn Wohlfahrt nur bedacht.
Und wie's in unsern Adern trunken gor,
Vergessen trat Natur voll Scham beiseite,
Kraft ward zum Spott von Weisen wie von Toren,
Verachtet ward, was echt und erdentsprossen.
Nur Form noch, bloße Hülle ohne Kern,
Erschien die Kunst, ein leeres Spiel von Worten,
Von Farbe, Ton und Klang, ein Götterbild,
Dem zürnend alle Götter ferngeblieben.
Belächelt ward des Herzens heißes Schlagen,
Der Sturm der Seele hieß Theaterdonner
Und unsern Tag regierten Spott und Witz.
Der bunte Spuk verflog. Nach Spaß kam Ernst.
Ans Tor des Friedens dröhnten Eisenfäuste
Und zitternd, ächzend, donnernd brach's in Staub.
Da stand, das blanke Schwert vor sich gestemmt,
Von Kopf zu Fuß ein schwarz gepanzert Bild,
Voll düstrer Majestät der Erzengel des Kriegs
Vor unsres Gartens jäh gesprengter Bresche.
Die dunklen Brauen gerunzelt winkten uns:
Ihr habt geschafft, gelebt! Jetzt kämpft und sterbt!
Und hob das Schwert. Sein roter Helmbusch nickte.
Ein Schweigen kam. Millionen Pulse stockten
Für eines Herzschlags Dauer. Dann ein Schrei
Aus hunderttausend Kehlen wie aus einer:
Krieg! Krieg! Ihr wollt den Krieg? ... So habt denn Krieg!
Und die Millionen Pulse schlugen den einen,
Den gleichen Takt: Ein Volk! Ein Herz! Ein Reich!
Und einen Fluch dem ruchlos tück'schen Feind!
Und Hieb und Stoß und Schlag nach rechts und links,
Nach Ost und West, nach oben oder unten!
Und stiege aus dem Abgrund noch ein Feind,
Wir stampften in den Abgrund ihn zurück,
Und wenn die Welt auf uns zusammenbricht,
Wir zittern nicht! beim ewigen Gott! Wir nicht!
Und so geschah's. Aus Morgen und aus Abend
Ward uns ein neuer Tag, und eine neue,
Verjüngte Sonne schien mit blutigem Rot
Auf unser Volk. Viel alten Haders giftig
Vermaledeites Unkraut schmolz zu Asche
Vor ihrem heißen Aug'. In Tagen reifte,
Was viele Jahre taub und unfruchtbar.
Systeme stürzten, dran ein Menschenleben
Gebaut, Systeme wuchsen über Nacht
Empor, im Lichte ihre Zinnen badend.
Und wie des Künstlers, des Gelehrten Los,
So in Fabrik und Werkstatt und Kontor.
Viel Untergehn, viel Neu- und Auferstehen.
Der Väter Schwung und Kraft und Mark der Enkel
Erbteil, nur wuchtiger noch und ohne Phrase,
Im Leben wie im Tod des sachlichsten
Jahrhunderts klar bewußtes Pflichtgeschlecht.
Gefaßter Mannheit schlichtes Heldentum,
Der Frauen, Bräute, Mütter innig letztes
Umfangen, wer weiß, vielleicht auf Ewigkeit.
Ein Druck, ein Kuß, ein langer Scheideblick,
Das Bild der Seelen ineinanderfließend,
Wie um Erinnerung jenseits der Nacht
Noch einzupflanzen für ein Wiederfinden.
Und Stund' um Stund' der Schritt der Bataillone,
Des Hufschlags Dröhnen durch die nächtigen Gassen,
Geschütze, Wagen, Autos, Kugelspritzen.
Ein Rasseln, Fauchen, Jagen, Schreien, Winken.
Die Menge drängt, Soldatenlieder schallen.
Ein Jauchzer steigt. War es des Bergwalds Gruß?
Leb wohl, du junges Blut! Vorbei! Vorbei!
Und abermals der Marsch der Bataillone.
Der Zeiger sprang. Die Uhr hub an zum Schlag.
Aus Blut und Tod stieg unser höchster Tag.
Was gestern war, scheint wie geträumt, verjährt.
Was längst verfloß, zum Lichte wiederkehrt.
Das enge Jetzt dehnt sich hinaus ins Weite.
Der Freiheitskrieg! Klingt's nicht als wär' es heute?
Es kämpft ein Volk für höchste Erdengüter,
Um Lebens willen stürzt es in den Tod.
Der Kleinste selbst wird seiner Ehre Hüter.
Zertrümmert sinkt des Einzelglücks Gebot.
Traumbilder nur sind aller Kunst Gesichte.
Lebendig, ewig, wirklich ist die Tat.
Aus unsrer Väter blutgedüngter Saat,
Aus jenes frühen Deutschlands Morgenrot,
Aus allem Zwiespalt, Wirrsal, Not und Tod, –
Hört, Brüder, ihr der Weltuhr erznen Schlag –
Steigt unseres Volkes höchster Erdentag.