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Als Gast des Mahradschas von Mysore – Mysore und Bangalore – Der mächtigste Büffel, der Gaur – In den Nilgiribergen – Ootacamund – Das Urvolk der Toda – Altertümer im Urwald – Vom indischen Dorfleben – Über das Verhältnis des Inders zum Tier – Auf den Spuren des Gaurs – Fang eines Gaurkalbes – Pantherjagd mit Speeren – Vom Leopard und seinen Verwandten – Eine Leopardenjagd und ihr tragisches Ende
Unter den »unabhängigen« Eingeborenenstaaten Südindiens ist Mysore (von den Engländern Maissur ausgesprochen), das sich über das südliche Dreieck des Dekkhanplateaus erstreckt, mit fünfeinhalb Millionen Einwohnern, zum weitaus größten Teil Hindu, der meistbevölkerte und wichtigste. Mit der Selbständigkeit der Tributärstaaten des britisch-indischen Kaiserreiches ist es nun allerdings nicht allzuweit her, denn ihre Fürsten dürfen sich nicht politisch betätigen, werden mehr oder minder diskret bewacht und müssen sich allerlei Beschränkungen ihrer irdischen Macht gefallen lassen. So darf der Maharadscha von Mysore weder neue Festungswerke anlegen, noch alte wiederherstellen, seine »Armee« darf nicht mehr als 1000 Mann Infanterie, eine kleine Anzahl Berittener und ein paar Geschütze umfassen, er darf keine eigenen Münzen prägen, weder Salz noch Opium bereiten lassen und Europäer nur mit Bewilligung der englisch-indischen Regierung anstellen. Dagegen dürfen die Engländer nach Belieben Militärstationen errichten und Eisenbahnen und Telegraphen erbauen. Zur Erhaltung der englischen Militärmacht hat der Staat Mysore einen jährlichen Tribut von 245 000 Pfund Sterling zu leisten. Immerhin genießt der Maharadscha von Mysore, der zu den reichsten und angesehensten Fürsten Indiens gehört, in den inneren Angelegenheiten seines Landes, soweit sie Eingeborene betreffen, weitreichende Rechte und große Selbständigkeit, und für seine Untertanen ist und bleibt er der hohe, glänzende Herr, der wahre Landesvater, der Freund und Beschützer der Armen.
Wie das ganze Dekkhan, ist Mysore in der Hauptsache ein welliges Tafelland, dessen auffallendste Wahrzeichen die zahlreichen isolierten Granitkegel bilden, die zum großen Teil mit Schlössern, zerfallenen Burgen und Klöstern bestanden sind. Im Süden grenzt Mysore an das schluchtenreiche Nilgirigebirge. Da das Land abseits der großen Verkehrswege liegt und deshalb von Indienreisenden nur selten besucht wird, hat es mehr als die meisten anderen indischen Staaten seine alte Ursprünglichkeit bewahrt. Die ausgedehnten, im jungfräulichen Zustand befindlichen Wälder bilden geradezu ideale Jagdreviere, denn außer Elefanten, Gaurs, Sambur- und Axishirschen gibt es hier Tiger, Panther, Wildschweine, Gazellen, Antilopen und kleines Wild in Menge. In den entlegenen Teilen der Bergwälder hausen auch allerlei wilde Stämme und interessante Urvölkerreste. Das Klima ist heiß wie das ceylonische und in manchen Gegenden, die schwer unter der furchtbaren Landesgeißel, der Malaria, zu leiden haben, sehr ungesund.
Unter den Städten Mysores sind die beiden Residenzstädte Mysore und Bangalore die bedeutendsten. Die Stadt Mysore, in fleißig angebauter Gegend zwischen Stauteichen gelegen, bietet mit ihren 72 000 Einwohnern das Bild einer unverfälschten indischen Residenz, da hier nur eine ganz kleine Anzahl Europäer lebt. Wie in allen altindischen Städten scheint auch in Mysore die ganze übrige Stadt nur zur Folie des glänzenden Fürstenhofes bestimmt zu sein, der sich hier inmitten des umfangreichen Forts befindet. Der neue Palast des Maharadschas ist ein moderner Bau und wurde nach dem verheerenden Brande von 1897 von einheimischen Künstlern und Handwerkern unter der Oberleitung englischer Architekten aufgeführt, mit Anlehnung an den Stil der alten Mogulbauten. Im Gegensatz zu den vielen höchst geschmacklosen Neubauten Indiens wurde hier etwas geschaffen, das sich sehen lassen darf, und da es dem Bauherrn nicht an Geld und sonstigen Mitteln gebrach, kam etwas überaus Prunkvolles zustande. Rötlicher Porphyr und ein schöner blaugrauer Stein, weißer polierter Marmor und kostbare Hölzer, Silber und anderes Edelmetall und Elfenbein, alles stand den Baumeistern zur Verfügung, und sie haben daraus ein echtes Nabobschloß hervorgezaubert, mit einer Überfülle von Skulpturen und Ornamenten, wie die phantastische indische Kunst sie liebt.
Wie schon im vorigen Kapitel erwähnt, bin ich zum erstenmal zur Zeit des chinesischen Boxeraufstandes nach Mysore gekommen und von dem damals noch sehr jugendlichen Maharadscha auf Grund der Beziehungen, die sich aus unserer beiderseitigen Tierliebhaberei ergaben, freundlich aufgenommen worden. Da es auch in Mysore, wie fast überall in Indien, mit dem Unterkunftswesen schlecht bestellt ist, war es mir natürlich sehr angenehm, daß ich als Gast des Maharadschas in dem für solche Zwecke bestimmten Jagan Mohan-Palast wohnen durfte, einem in ästhetischer Hinsicht allerdings sehr üblen, kitschigen Bauwerk, das von einem der fürstlichen Vorgänger »zur Unterhaltung seiner europäischen Gäste« errichtet worden war. Man darf nun aber nicht glauben, daß ein derartiger kostenfreier »Logierbesuch« ein wirkliches Gratisvergnügen wäre. Ach nein, er kommt dem damit beehrten Gast sehr, sehr viel teurer zu stehen als der Aufenthalt im Hotel. Denn es gibt im klassischen Lande der Trinkgelder zahlreiche »Tips« zu verteilen, die, wenn auch im einzelnen nach Landessitte gering, in ihrer Masse sich doch zu einer recht ansehnlichen Ziffer summieren. Selbst an jenen Fürstenhöfen, wo das Trinkgeldnehmen »streng verboten« ist und angeblich mit sofortiger Entlassung geahndet wird, erwartet die Dienerschaft vom Gast, daß er taktvoll genug ist, dem Moloch Bakschisch dennoch Opfer zu bringen. Und sollte er es etwa nicht tun, so finden sich schon Mittel und Wege, den Sahib gehorsamst darauf aufmerksam zu machen, daß das Leben doch ein zu zweifelhaftes Vergnügen wäre, wenn man alle Verbotstafeln respektieren wollte …
In der Nähe des Hauptpalastes von Mysore befindet sich auch inmitten von Parkanlagen der Sommerpalast und daneben der umfangreiche Zoologische Garten, in welchem mich damals hauptsächlich die herrlichsten Exemplare von Tigern interessierten, die man sich nur vorstellen kann. Ich war in der Lage, dem jungen Maharadscha, der wie seine Vorgänger ein großer Tierfreund war, einige wertvolle Tiere zur Vermehrung seiner Sammlung zu verschaffen, und erhielt umgekehrt auch von ihm Tiere geliefert. Nicht unerwähnt darf ich den Elefantenzwinger lassen, in welchem ungefähr fünfzig Elefanten, ausgesucht schöne und große Tiere, gehalten wurden, daneben die ebenfalls erstklassigen Staatskamele und eine Anzahl heiliger weißer Rinder.
Die zweite Residenz des Maharadschas von Mysore ist Bangalore, mit 190 000 Einwohnern eine der volkreichsten Städte Südindiens. Im Gegensatz zur Stadt Mysore hat Bangalore eine große Europäerkolonie, denn es ist der Sitz der Hauptgarnison des Staates, und da die Stadt überdies als sehr gesund gilt, haben sich hier viele englische Pensionäre angesiedelt, deren von prächtigen Gärten umgebene Villen den freundlichsten Eindruck machen. Auch in Bangalore ist der Palast des Maharadschas ein Bauwerk aus neuerer Zeit, geschmackloserweise im Stil des Windsor Castle, mit vorwiegend europäischer Einrichtung; echt englisch ist auch der dazu gehörige wundervolle Park. Wer das angloindische Leben mit allen seinen charakteristischen Eigentümlichkeiten studieren will, findet dazu keine bessere Gelegenheit als in Bangalore; freilich wird der Fremde bei der bekannten Zurückhaltung der Engländer ohne schon vorhandene Beziehungen oder vollwertige Empfehlungen kaum Zutritt zu den Kreisen erlangen, die sich zur »Gesellschaft« rechnen – und das sind im englischen Kolonialleben eigentlich alle Kreise.
Dem Wohlwollen des Maharadschas hatte ich es zu verdanken, daß mir auf meinen Jagd- und Einkaufsexpeditionen in Mysore alle möglichen Erleichterungen verschafft wurden, die mir in diesem teilweise noch recht schwer zugänglichen Lande sehr zustatten kamen. Mit glänzenden Empfehlungen ausgestattet, fand ich überall zuvorkommende Aufnahme und verständnisvolle Förderung meiner Pläne. Ich bewahre deshalb die angenehmsten Erinnerungen an die herrlichen Jagdgründe von Mysore und möchte im Folgenden einige meiner Eindrücke und Erlebnisse, unter diesen freilich auch ein sehr trauriges, zur Niederschrift bringen.
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Der indische Bison oder Gaur (Gaveus gaurus) ist zweifellos der schönste, imposanteste Vertreter der Gattung Rind in der ganzen Welt. Größer als der amerikanische Büffel und in seinem ganzen Aussehen wesentlich von diesem unterschieden, erreicht der Gaur eine Länge von drei Metern bei fast zwei Meter Höhe. Seine Farbe ist dunkelbraun, auf der Bauchseite tief ockergelb, an den Beinen schmutzigweiß, an der Stirn graubraun. Die gedrungenen, zugespitzten Hörner sind nach hinten gebogen. Mit seiner mächtigen Brust, seinem ausdrucksvollen Kopf (der nicht zum Boden gebeugt ist wie beim amerikanischen Büffel), seiner ganzen massiven und dennoch keineswegs plumpen Gestalt ist der Gaur die wahre Verkörperung unbeugsamer Kraft. In der Tat hat dieses majestätische Tier keinen ernst zu nehmenden Feind, weil kein anderes Tier imstande wäre, den Gaur zu überwältigen. Selbst der Tiger hütet sich, mit ihm anzubinden, und kommt es doch einmal zwischen beiden zum Kampf, so zieht der Tiger dabei fast immer den kürzeren. Trotz seiner Stärke geht auch der Gaur, wie alles Großwild, dem Menschen gern aus dem Wege; gefährlich wird er nur bei Verwundung, dann fällt er den Jäger wütend an, so daß dieser bisweilen in die bedenklichste Lage gerät.
Der Gaur ist über ganz Indien mit Ausnahme von Ceylon verbreitet, er lebt in allen großen Waldungen, hauptsächlich im Bergland, in kleinen Herden, weidet nur nachts und stattet dann auch den Feldern gern Besuche ab, die wegen ihrer verwüstenden Wirkung von den Bauern sehr ungern gesehen werden. Es gibt auch einsam schweifende, alte Bullen, und die sind wegen ihres besonders mächtigen Kopfes und Gehörns vom Jäger am meisten begehrt, sind aber bei Verfolgung sehr angriffslustig und von nicht zu unterschätzender Gefährlichkeit. In ihrem Charakter und ihren Lebensgewohnheiten haben die Gaurs viel mit den wilden Elefanten gemein, ihre Nahrung ist dieselbe, und sie bekunden ihre gegenseitige Sympathie häufig dadurch, daß sie freundschaftlich miteinander weiden. Versuche, den Gaur zum Haustier zu machen oder ihn mit anderen Rindviehrassen zu kreuzen, sind anscheinend niemals angestellt worden.
Die Gaurs des Berglandes von Mysore zeichnen sich durch besondere Schönheit und Größe aus, die edelsten Exemplare findet man in den Nilgiribergen. Die Nilgiriberge, d. h. Blaue Berge, sind ein fast isoliertes Hochland nahe der Malabarküste, östlich von Calicut, mit steilen Abstürzen, die von »Ghats« durchfurcht sind, tiefen, durch Verwitterung und Regenwasserfluten entstandenen Schluchten. Die Berge steigen bis zur Höhe von 2670 Meter auf. In diesem landschaftlich höchst reizvollen Gebirge haben die Engländer mehrere klimatische Höhenkurorte angelegt; der bedeutendste ist Ootacamund in 2250 Meter Höhe, mit einer Zahnradbahn zu erreichen. Seiner prächtigen Lage und seiner frischen kühlen Höhenluft (die mittlere Jahrestemperatur beträgt hier nur 14° und die Nächte sind oft empfindlich kalt) verdankt Ootacamund, die Sommerresidenz des Gouverneurs von Madras, seine Beliebtheit als meistbesuchter Kurort Südindiens, und in der Saison, die von April bis September dauert, entwickelt sich hier in den komfortablen Hotels, den reizenden Villen, auf den Sportplätzen und in den wundervollen Parkanlagen ein lebhaftes, interessantes gesellschaftliches Treiben. So mancher Indienkolonist, dem das aufreibende, die Kräfte schnell verbrauchende Leben auf den heißen Pflanzungen oder in den Geschäftskontoren der Stadt hart zusetzt, läßt sich hier in einem Ferienmonat wieder Geist und Körper durchlüften, frischen Sauerstoff ins Blut pumpen, die Stimmung aufbügeln und wird so fähig, den Kampf mit den feindlichen Gewalten der tropischen Zone wieder eine gute Weile zu führen.
Hier in Ootacamund war es, wo ich für ein paar Wochen mein Hauptquartier aufschlug, um Jagdausflüge in die Umgegend zu unternehmen und bei der Gelegenheit Tiereinkäufe zu besorgen. Mein Begleiter auf diesen Touren war ein intelligenter Eurasier (d. h. Halbblut, Sohn von europäischem Vater und indischer Mutter) namens Perera, dessen Bekanntschaft ich in Mysore gemacht hatte und der sich mir für einige Wochen anschloß. Perera zog in der ganzen Gegend mit zwei guten Shikaris herum und fand seinen Unterhalt durch den Verkauf der Felle und sonstigen Trophäen der von ihm erlegten wilden Tiere. Die Bekanntschaft mit ihm war für mich sehr wertvoll, weil ich durch seine Vermittlung eine erhebliche Anzahl von Tieren, wie junge Leoparden, Bären, Schlangen usw., erwerben konnte, die ich zum Weiterverkauf nach Colombo schaffte.
Mein lebhafter Wunsch war es nun, mir einige schöne Bisonjagdtrophäen zu verschaffen, noch mehr aber lag mir daran, einige Bisonkälber lebend zu fangen, um sie nach Europa zu bringen. Denn der Gaur war in den Zoologischen Gärten außerhalb Indiens bisher noch nicht vertreten, und alle Versuche, junge Tiere zu verschicken, hatten keinen Erfolg gehabt, weil sie schon nach kurzer Zeit eingingen. Ich wollte deshalb einmal selbst den Versuch machen, Gaurkälber einzufangen, aufzuziehen und zu exportieren, vielleicht war mir damit mehr Glück beschieden, als meinen Vorgängern.
Die zu diesem Zweck veranstaltete Expedition führte uns zunächst in eine Ansiedlung der Toda, eines der rätselhaften kleinen Urvolkreste, die sich im Nilgirigebiet erhalten haben. Die Toda, anscheinend ein reinblütiger, uralter Drawidastamm, sollen heute kaum noch 800 Köpfe umfassen, damals zu meiner Zeit mögen es wohl noch etwas mehr gewesen sein. Es sind gutgewachsene Leute mit ungemein starkem Haarwuchs, mit kräftig ausgebildeter Nase und angenehmen, fast europäisch anmutenden Zügen, sie nähren sich von der Büffelzucht. In ihrem ganzen Aussehen sowie auch in der unbefangenen Art ihres Auftretens, die nichts von serviler Unterwürfigkeit und Duckmäuserei hat, unterscheiden sich die Toda in auffälliger Weise von allen anderen indischen Stämmen ringsum. Die Frauen legen großen Wert auf ihr schönes, in der Mitte gescheiteltes, nach beiden Seiten in Locken herabfallendes Haar. Auffällig ist auch die Tracht der Toda. Da sie in einem Hochlande mit frischem, im Winter rauhem Klima leben, gehen sie völlig verhüllt, und zwar tragen sie über dem Untergewand des Hüfttuches einen baumwollenen Mantel, der wie ein altgriechisches Himation von der Schulter an über den ganzen Oberkörper geschlungen wird und bis zu den Knöcheln hinabfällt, so daß vom Körper außer dem Kopf nichts weiter sichtbar wird als höchstens einmal die rechte Hand. Der Kopf bleibt unbedeckt, erst in neuerer Zeit hat bei einzelnen Männern der Turban Wohlgefallen gefunden. Die Männer tragen an Ohren und Fingern Ringe aus Silber oder Messing, die Weiber außer zahlreichen Fingerringen schwere, dicke Armreifen aus Bronze oder Silber. Es sind freundliche, ganz sympathische Menschen, leider mit der Schwäche großer Geldgier behaftet, die sie dort, wo sie durch die Berührung mit Fremden verdorben werden, in ziemlich unverfrorener Weise zum Ausdruck bringen.
Da die Büffelzucht nicht viel Arbeit erfordert, bleibt den Toda Zeit genug, vor ihren Hütten in süßem Nichtstun zu kauern und endlose Gespräche zu führen. Die aus Holz errichteten Hütten sind halbtonnenförmig und mit Palmenstroh gedeckt. Der Eingang zu ihnen ist so niedrig und schmal, daß man förmlich hineinkriechen muß, und da es außer einem winzigen Luftloch in der Decke keine Fenster gibt, kann man sich vorstellen, von welcher Beschaffenheit die Luft im Innern ist, besonders nachts, wo auch der Eingang verschlossen gehalten wird. Eigenartig sind auch die ehelichen Verhältnisse. Unter den Toda herrscht nämlich die Vielmännerei, und zwar heiraten mehrere Brüder dieselbe Frau! Sentimentale Liebesgeschichten gibt es da nicht, die Frau wird einfach gekauft. Für die religiösen Bedürfnisse sorgt der Palal (d. h. Milchmann), der Priester, der in einem heiligen Milchhause wohnt und den als heilig betrachteten Kultus des Melkens besorgt, auch wird eine heilige Büffelschale verehrt. Für das Christentum sind die Toda ganz unzugänglich. Man unterscheidet ein »grünes« und ein »dürres« Begräbnis. Bei dem ersteren wird der Tote verbrannt und die Asche gesammelt, bei dem zweiten, das ein Jahr später stattfindet, werden zu Ehren des Dahingeschiedenen Büffel geschlachtet. Wie schade, daß auch dieses interessante Urvolk, wie so manches andere, durch rasches Aussterben dem unaufhaltsamen Untergange geweiht ist!
Den Wald, der die Nilgiriberge zum großen Teil umgibt und sich in ihnen bis zu beträchtlicher Höhe hinanzieht, kann man, wie überhaupt die indischen Bergwälder, in drei Zonen einteilen. Die erste, äußerste Zone umfaßt Dschungelgestrüpp von niedrigem, dornigem, Buschwerk, das sich zwischen den bestellten Feldern und Pflanzungen hier und dort bis zu den Abhängen des Hochlandes hinzieht und den Übergang zur zweiten Zone, dem eigentlichen Walde, bildet. Diese zweite Zone besteht aus einem lichten Waldgürtel von ungefähr zwölf Kilometer Breite. Zwischen den Bäumen wächst reichlich Gras, das mit den ersten Regenfällen im April zu sprießen beginnt und im Juli Manneshöhe erreicht. In dieser Zeit des jungen Grases treiben die Bewohner der umliegenden Dörfer das Vieh in den Wald, um es hier weiden zu lassen; diese Zeit ist aber auch für den Jäger die beste, weil Elefant, Gaur und viele andere Tiere ebenfalls Liebhaber des frischen Grases sind und gern im lichten Walde weiden. Von Juli bis Januar wird das Gras so hoch und schwer passierbar, daß die Ausübung der Jagd dann kaum noch möglich ist, auch erreicht dann die Belästigung durch Myriaden von Stechfliegen und anderen Insekten einen Grad, daß sie nicht mehr ertragen werden kann. Im Januar wird das trockene Gras von den Dschungelleuten häufig in Brand gesteckt, um den Wald wieder gangbar zu machen. Natürlich gehen bei diesen Riesenbränden auch viele jüngere Bäume zugrunde, im allgemeinen aber tun sie dem Wald keinen Schaden, weil die älteren Bäume dem Feuer genügenden Widerstand leisten. Die dritte, ausgedehnteste Waldzone ist die des eigentlichen Urwaldes mit gewaltigen Bäumen und dichtem Unterholz, hier kann sich der Wald infolge seiner schweren Zugänglichkeit ungehindert und frei entwickeln.
Es ist überraschend, wie unermeßlich viele Trümmer und größere Überreste längst dahingegangener uralter Kulturepochen der Wald von Mysore, Travancore und anderen Provinzen Südindiens bedeckt. Wo man ihn auch durchstreifen mag, immer wieder stößt man im Dickicht, halb vergraben unter Humus und üppiger Vegetation, auf die Reste von Tempeln, Monumenten und Skulpturen von oft wunderbar feiner Ausführung. Auch die Überbleibsel künstlicher Bewässerungsanlagen, wie Tanks und Kanäle, sind in der zweiten Waldzone sehr häufig zu finden und legen Zeugnis ab von der reichentwickelten Kultur, die hier einst vor tausend oder mehreren tausend Jahren geherrscht hat, ehe die Städte und Dörfer, vielleicht durch Seuchen, verödeten und allmählich verfielen, bis die üppig fruchtbare Natur ihr grünes Leichentuch über die Trümmer zu decken begann und aus den ehemaligen Stätten der Kultur der Wald emporwuchs. Wo einst geschäftiges Leben sich regte, die Häuser standen, die Gläubigen sich um die Tempel drängten, da prangt jetzt im ewigen Wechsel von allem Vergänglichen der Wald, der wieder für alle Ewigkeit geschaffen erscheint und eines Tages doch wieder einmal dem Menschen Platz machen muß … Natürlich haben die Altertumsforscher unter den im Urwald verborgenen Antiquitäten schon fleißig Umschau gehalten und Vieles davon für die Museen geborgen, aber der Wald birgt noch genug und übergenug von den stummen steinernen Zeugen längst in Staub zerfallener Menschengeschlechter.
Das freundliche Aussehen der Dschungeldörfer Mysores mit ihren gut bestellten Reisfeldern, ihren Bewässerungsanlagen und Kokosnußpflanzungen darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß die ganze Niederung wegen des ständig hier herrschenden Fiebers eine recht ungesunde Gegend ist. Gerade die Eingeborenen leiden wegen ihrer Gleichgültigkeit in allen sanitären Angelegenheiten besonders stark an Malariafieber, und so erklärt es sich, daß die Sterblichkeitsziffer hier mindestens sechsmal größer ist als in den ungesündesten Orten Deutschlands! Der Europäer wird wegen seiner größeren Widerstandsfähigkeit und seinen hygienischen Schutzmaßregeln seltener vom Fieber befallen und überwindet die Anfälle leichter, immerhin muß er bei längerem Aufenthalt im Lande von Zeit zu Zeit einen der Höhenkurorte besuchen, um dort das Blut aufzufrischen und die erschütterte Konstitution wieder auf die Höhe zu bringen. Auch der abgehärtete Sportsmann und Jäger kann es nicht vermeiden, daß das angriffslustige Klima von Zeit zu Zeit seinen Tribut von ihm fordert. Ich bin trotz großer Widerstandsfähigkeit doch wiederholt von Malaria befallen worden, habe die Attacken aber immer gut überwunden, wozu freilich die sorgfältige Beobachtung der Gesundheitsregeln beigetragen haben mag.
Noch ein paar Worte über das Dorfleben in Mysore, wie das indische Dorfleben überhaupt.
In den Augen des Europäers, der die feineren Unterschiede nicht wahrnimmt, gleichen sich diese Hindudörfer wie ein Ei dem anderen. Haufen nackter Kinder spielen vor den Türen im Staub. Die Gesichter der bronzefarbenen kleinen Wesen, ihre mageren Glieder, der welke Ausdruck ihrer Züge, die melancholisch blickenden großen Sammetaugen, alles erinnert an die Hungersnöte, die so oft dieses unglückliche Volk heimsuchen. Auch die Erwachsenen können das merkwürdig Scheue und Gedrückte, das für die ganze breite Volksmasse Indiens so bezeichnend ist, selten überwinden. Kraftvolles, frisches Auftreten, Lebhaftigkeit, blitzende Augen, lachende Mienen, Spott und Übermut – alles das, was bei kerniger deutscher Dorfjugend selbstverständlich wäre, kennt man hier nicht. Wie eine Last wird das Leben geschleppt, müde, gleichgültig, stumpf.
Bisweilen unterscheidet man im eintönigen Gewimmel der armen Leute das weiße Gewand eines wohlhabenden Mannes, der Sandalen an den Füßen trägt, im Ohrläppchen vielleicht einen Smaragd und über dem fetten Gesicht einen sauberen Turban. Der Mann ist das Haupt der Kaste, die wichtigste Persönlichkeit der Gemeinde, ihr Vorsteher und ein kleiner Autokrat. Seit undenkbaren Zeiten war sein Geschlecht hier ansässig. Seine Autorität hat etwas Väterliches. Er weiß sich Gehorsam zu verschaffen, ohne die Stimme zu erheben, er ist gefürchtet und geliebt zugleich. Bei den täglichen kleinen Streitigkeiten waltet er stolz als gern gesehener und gehörter Schiedsrichter. Er richtet über die kleinen Frevler, verhängt die Bußen, setzt für einige Stunden Haft an, meldet den Behörden der nächsten Stadt bedeutendere Missetaten, sowie Unglücksfälle, kassiert die Steuern ein, registriert die Geburten, Heiraten, Todesfälle, empfängt die auf Dienstreisen befindlichen Beamten, sowie die Fremden, weist ihnen Logis im Rasthause an und sorgt für ihre Verproviantierung, und selbstverständlich ist er auch bei allen religiösen Festen und Familienfeiern an der Spitze. Wer in privaten oder geschäftlichen Dingen irgendeines Rates bedarf, der wendet sich vertrauensvoll an ihn, den Dorfvorsteher.
Ihm steht der Beamte zur Seite, der das Kataster über die Grundbesitzverhältnisse und das Einkommen eines jeden in Ordnung hält. Er ist auch öffentlicher Schreiber, setzt Briefe und Petitionen auf und erfreut sich dank seiner geistigen Überlegenheit großen Einflusses, wenn auch vielleicht nicht allgemeiner Achtung, denn oft genug ist er nicht abgeneigt, sich durch derart kleinere oder größere heimliche Geldspenden seinerseits beeinflussen zu lassen. Als dritter der drei Dorfgewaltigen waltet der Taliari, der Flurschütz, seines Amtes. Man wählt für dieses Amt nur große, kräftige Männer mittleren Alters. In seiner Rechten trägt er einen langen Bambusstock, von dem er bei Gelegenheit nicht zu ängstlich Gebrauch macht. Er wacht über die Felder, daß nichts gestohlen wird, arretiert die Missetäter und achtet auf die Bewahrung von Anstand und Sitte.
Das sind die Hauptstützen der ländlichen Gesellschaft, heute genau so wie vor vielen Jahrhunderten. Auf den Mamul, die Tradition, stützen sich die religiösen und bürgerlichen Gewohnheiten der Hindu, jede ihrer Verrichtungen ist durch den Mamul geregelt und bestimmt. So sind z. B. die täglichen Abwaschungen bis in die kleinste Einzelheit geregelt, ihre Unterlassung würde den Frevler unmöglich machen, ihn der Ächtung preisgeben. Es gibt kein Volk, das mehr wie die Hindu zäh am Überlieferten und Vorgeschriebenen festhält. Was die Vorfahren getan haben, muß man, ohne das geringste daran zu ändern, weiter tun. Originalitätssucht gibt es in Indien ebensowenig wie frische Initiative – und das ist es eben, was dieses Volk trotz seiner vielen guten Eigenschaften daran hindert, vorwärtszukommen, an den Fortschritten der Menschheit teilzunehmen und seine Lage zu verbessern.
In diesem Zusammenhang sei noch eine Bemerkung über das Verhältnis des Inders zum Tier eingeschaltet, zu dem dieses Volk von Ackerbauern und Viehzüchtern ja von der Wiege bis zur Bahre in innigster Beziehung steht.
Wer von der beherrschenden Rolle hört, die das Tier im religiösen Kultus Indiens spielt und wofür die unzähligen Steinbilder tierischer Gestalten an den Tempeln und sonstigen heiligen Stätten des Landes bezeichnend sind, muß notwendig auf den Gedanken kommen, daß der Inder sich stark zur Tierwelt hingezogen fühlt und durch die Bande innigster Sympathie mit ihr verbunden ist. Aber auch in diesem Punkte zeigt sich wieder der unüberbrückbare Unterschied zwischen europäischer und indischer Denkweise, zwischen unserer sentimentalen, von Gefühlsregungen beeinflußten Weltanschauung und dem trockenen Rationalismus, mit dem der Inder, wie überhaupt der Asiate, trotz aller religiösen Überschwenglichkeiten dem Schöpfungskreis gegenübersteht. Die seltsamsten Widersprüche tun sich da kund, freilich nur Widersprüche in den Augen des Europäers. Derselbe Inder, dem das Rind ein so heiliges Wesen ist, daß schon der bloße Gedanke, Rindfleisch zu essen, ihn mit Abscheu erfüllt, und der mit seinem Fuhrwerk lieber einen Umweg macht, als daß er eine auf dem Straßendamm liegende Kuh in ihrer Ruhe stören und beiseite führen würde – er, den es Überwindung kostet, eine Laus zu töten, der im Tiger, im Affen, in zahlreichen anderen Tieren Inkarnationen des Menschen erblickt – derselbe Inder, dem also das Tier anscheinend als etwas so Hohes gilt, steht ihm innerlich doch mit größter Gleichgültigkeit gegenüber und trägt nicht das geringste Bedenken, sich grausam gegen Tiere zu zeigen. Ein Tierschinder und Tierquäler, wie es ihrer in Europa leider so viele gibt, der Tiere aus Dummheit und Roheit peinigt, ist er freilich nicht. Er prügelt sein Vieh nicht und quält es nicht mit Absicht. Aber es fehlt ihm trotzdem jedes Verständnis für die Leiden der Tiere, und das kommt eben daher, weil ihn überhaupt nur das bekümmert, was mit seinem persönlichen Zustand und Wohlergehen in Zusammenhang steht.
Der beste Inder bekommt es fertig, ein verunglücktes Haustier, das sich vielleicht ein Bein gebrochen hat, ruhig liegen und qualvoll verenden zu lassen, ohne ihm den geringsten Beistand zu leisten oder ihm aus Barmherzigkeit zu einem raschen Tod zu verhelfen. Daran findet er nichts Grausames – grausam dagegen wäre es seiner Ansicht nach gerade, das Tier zu töten. Als einmal von der Behörde verordnet wurde, die zahlreichen altersschwachen und halbverhungerten Pariahunde, die durch die Städte und Dörfer streichen, abzutun, entrüsteten sich die Hindu über diese »Grausamkeit«, obwohl man den armen Geschöpfen damit den besten Dienst erwies. Dieselben Leute gehen an leidenden Kreaturen vorbei, ohne auch nur das geringste Interesse an ihren Qualen zu bekunden. Niemals fällt es einem eingeborenen Jäger ein, einem waidwund geschossenen Tier den Gnadenschuß zu geben. Wozu noch eine Kugel verschwenden – es stirbt schon von allein! Dergleichen empört ein europäisches Waidmannsherz, aber es wäre ganz unmöglich, dem Inder das Verwerfliche solchen Verhaltens begreiflich zu machen. Ihm fehlt jedes Verständnis dafür, der Begriff Grausamkeit wird von ihm eben ganz anders ausgelegt als bei uns.
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Mein Jagdbegleiter Perera, der Eurasier, war einer der besten Tracker, der mir jemals vorgekommen ist. Das Dschungel, dieses, den Laien verwirrende Chaos von Bäumen, Schlingpflanzen, Unterholz, Gestrüpp und Gras, hatte keine Geheimnisse für ihn. Kein Gelände war so schwierig, kein Dickicht so undurchdringlich, kein Boden so unübersichtlich, daß Perera sich nicht sehr rasch darin zurechtgefunden hätte. Er kannte alle Schliche und Kniffe des Wildes, er wußte den Elefanten, den Gaur, den Tiger, den Leopard, den Bären und alle die anderen kleineren Waldinsassen zu überlisten. Alles, was früher in den Indianerbüchern von den scharfen Sinnen und der Verschlagenheit der rothäutigen Pfadfinder im fernen Westen Amerikas zu lesen war, traf auf Perera zu, wie denn überhaupt die indischen Dschungeltracker geradezu ideale Jagdgehilfen sind, schon deshalb, weil sie durch ihre Erfolge nie übermütig und anmaßend werden, sondern sich immer im bescheidenen Abstand vom weißen Master halten.
Es war geradezu ein Genuß, Perera beim Aufspüren eines Wildes zuzusehen. Er nahm Erscheinungen wahr, die einem nicht mit so scharfen Sinnen Begabten und so Geübten immer erst viel später zum Bewußtsein kamen, falls sie nicht völlig unbemerkt blieben. Auf hartem Boden erkannte er auch die schwächsten Fußabdrücke, und selbst die geringfügigsten Spuren verrieten ihm sofort, mit welchem Tier er es zu tun hatte. Von großer Wichtigkeit ist es oft, das Alter einer Spur zu. bestimmen, denn es kann für die Verfolgung natürlich nicht gleichgültig sein, ob das betreffende Tier erst vor kurzem oder vielleicht schon am vorigen Tage die Stelle passiert hat. Für Perera genügten winzige Indizien, um das Alter einer Spur in den meisten Fällen mit ziemlicher Sicherheit anzugeben.
Wir erlegten zunächst eine Anzahl Samburhirsche (Rusa Aristotelis), die in Mysore viel größer und stärker als die ceylonischen Sambur werden und auch ein schöneres Geweih als diese haben. Dann ging es auf die Bisonjagd. Der Gaur – die Engländer nennen ihn meistens Bison – kommt, wie schon bemerkt, gewöhnlich nur in kleineren Herden von etwa zwölf Stück vor, hin und wieder stößt man allerdings auch auf Herden von dreißig bis vierzig Stück. Jede Herde wird von einem älteren und besonders kräftigen Bullen geführt. Der Herdengaur ist scheu und meidet die Nähe menschlicher Wohnstätten, niemals benützt er, im Gegensatz zu wilden Elefanten und anderen Tieren, von Menschenhand angelegte Waldpfade. Selbst im schwierigsten Gelände bewegt er sich trotz der Massigkeit seines Körpers mit erstaunlicher Gewandtheit und Behendigkeit, selbst steile, mit dichtem Gestrüpp bestandene Abhänge nimmt er förmlich im Galopp. Es läßt sich denken, wie schwer es fällt, an so mißtrauische und schnelle Tiere heranzukommen. Abgesehen vom Elefantenfang ist keine andere Jagd so reich an Abwechselung und an Zwischenfällen, wie die Bisonjagd, keine stellt so hohe Anforderungen an die Umsicht, Gelenkigkeit und Ausdauer des Jägers, der sich bei der Verfolgung genötigt sieht, bald über tiefe Schluchten hinwegzusetzen, bald steile Anhöhen zu erklimmen, bald sich durch dichtes Buschwerk zu zwängen. Dafür entschädigt sie ihn reichlich durch die wundervollen Naturszenerien, die das Nilgirigebirge in Fülle bietet.
Perera hatte bald die Spuren einer Gaurherde ausgemacht. Wir ließen die übrigen Leute im Kamp zurück und nahmen nur einen einzigen Büchsenjäger mit, denn je geringer die Anzahl der Jäger ist, desto besser kann man an die wachsamen Tiere herankommen. Nach mehrstündiger Verfolgung der Spuren entdeckten wir die Herde von etwa zwölf Stück hinter dichtem Gebüsch auf einer Waldlichtung weidend. Unter Beobachtung äußerster Vorsicht schlichen wir uns an das Gebüsch heran, so daß wir nur noch 30-50 Meter von der friedlich äsenden Herde entfernt waren. Schon brachten wir die Gewehre in Anschlag – da wandte uns der Leiter der Herde, ein starker Bulle, den Kopf und seine großen, starrenden Augen zu, und in demselben Moment ließ er einen lauten Alarmschnaufer ertönen, worauf die Tiere sofort davonsprengten und im Walde verschwanden.
Wir hatten aber auch bereits geschossen, allerdings mehr auf gut Glück, da bei der plötzlichen Panik und dem wilden Auseinandersprengen der Tiere ein Zielen unmöglich war. Offenbar hatte eine unserer Kugeln eine Bisonkuh getroffen, denn sie blieb hinter den anderen Tieren zurück und war noch zwischen den Bäumen des gegenüberliegenden Waldrandes der Lichtung sichtbar, als die übrige Herde schon verschwunden war. Dicht an den Leib der Mutter schmiegte sich ein noch ganz junges Bisonkalb an. Wir stürmten rasch über die Lichtung hinüber, wo sich uns die schwer getroffene Mutterkuh, die nicht mehr weiter fliehen konnte, mit gesenktem Kopf entgegenstellte. Ein zweiter Schuß bereitete dem Tier ein schnelles und gnädiges Ende. Das arme kleine Kalb brüllte zum Erbarmen und blieb bei dem toten Körper der Mutter. Da es mein größter Wunsch war, ein lebendes Bisonkalb heimzubringen, um seine Aufzucht zu versuchen, beschloß ich, das Kalb einzufangen. Das war freilich leichter gedacht als getan, denn mit erstaunlicher Gewandtheit entzog sich das kleine Tier unseren Nachstellungen, lief zuerst immer im Kreise umher und schoß dann plötzlich davon, um sogleich im Dickicht zu verschwinden.
Perera wollte die geflohene Herde gern verfolgen und glaubte seiner Sache ziemlich sicher zu sein, daß wir sie doch noch einmal stellen und unter günstigen Umständen zum Schuß kommen würden. Aber ich hatte es mir nun in den Kopf gesetzt, das Kalb einzufangen, und war davon überzeugt, daß es zu seiner Mutter zurückkehren würde. Also legten wir uns, wenn auch zum großen Verdruß Pereras, im Hinterhalt auf die Lauer und warteten in Geduld. Meine Hoffnung sollte nicht getäuscht werden, obwohl es freilich zwei Stunden dauerte, bis das arme kleine Tier wieder erschien und den Leib der toten Mutter beschnüffelte. Diesmal gelang es uns, unbemerkt bis in die nächste Nähe des Kalbes zu kommen, worauf ich mit einem Satze hervorsprang und meinen leichten Mantel über den Kopf des Tieres warf. Wir konnten es nun festbinden und brachten es unter nicht geringen Schwierigkeiten ins Kamp, von wo es später nach Ootacamund geschafft wurde. Von anderer Seite erhielt ich gleich darauf ein zweites Bisonkalb. Bei meiner Rückkehr nach Ceylon nahm ich die beiden Kälber mit und gewöhnte sie in meinem Tiergarten in Colombo zunächst an trockenes Futter. Zu meiner großen Freude gelang es mir, die Tiere gut durchzubringen, so daß sie sich bald kräftig entwickelten und nach Deutschland verschickt werden konnten. Sie wurden als die ersten lebenden Gaurs, die je nach Europa gekommen waren, von Professor Dr. Heck für den Berliner Zoologischen Garten erworben.
So hatte unser erstes Zusammentreffen mit einer Gaurherde doch schließlich ein sehr erfreuliches Resultat, wenn sich dieses auch erst später herausstellen sollte. Übrigens wurde Perera für den Verdruß, den ich ihm mit meinem Verzicht auf die weitere Verfolgung der Bisonherde bereitete, bald glänzend entschädigt. Denn schon in den nächsten Tagen stießen wir auf eine andere Herde und hatten das Glück, so gut zum Schuß zu kommen, daß ein starker alter und ein kleinerer junger Bulle erlegt werden konnten und wir uns mit den mächtigen Köpfen, die ich ausstopfen ließ, schöne Trophäen verschafften. Diese Jagdexpedition hätte leicht ein böses Ende nehmen können, denn der zuerst nur angeschossene alte Bulle attackierte uns so stürmisch und so voller Wut, daß wir es nur dem guten Sitzen einer zweiten, tödlichen Kugel zu verdanken hatten, daß er in ganz geringer Entfernung von uns zusammenbrach und wir ihm glücklich entkamen.
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Die mittelalterliche Jagdmethode, Großwild mit Speeren zu erlegen, wird in Indien auch bei Pantherjagden gern in Anwendung gebracht und erfreut sich besonders bei den Offizieren gewisser Garnisonen großer Beliebtheit. Es ist eine Hetzjagd, wie der englische Sportsmann sie liebt, und wie sie dem Geschmack des deutschen Waidmannes weniger entspricht. Natürlich muß man den erforderlichen Panther erst haben, und so sucht man ihn zuvor auf der Rumnah, den Steppen, von denen das Gras schon abgemäht ist, in einer Falle zu fangen. Die Shikaris stellen zu diesem Zweck einen geschickt maskierten hölzernen Käfig auf, in welchem sie den Köder einer frisch geschlachteten Ziege unterbringen. Selten versagt dieser Köder, und hat ein Panther, verlockt durch den leckeren Schmaus, das Innere des Käfigs betreten, so wird dadurch eine Auslösung der Falltür bewirkt, die Tür schlägt zu und der Panther ist gefangen.
Hat man ein zur Hetzjagd geeignetes Tier auf diese Weise erbeutet, so sprengt noch am selben Tage, wenn Dienst und Lunch vorbei sind, eine Kavalkade auf die Steppe hinaus, die meisten Teilnehmer sind mit Speeren ausgerüstet, einige haben für den Notfall auch ihre Revolver schußfertig zur Hand. Nachdem man den Jagdgrund erreicht hat, wird die Falltür vorsichtig geöffnet und eine Platzpatrone auf den Panther abgeschossen, der, argwöhnisch nach rechts und links auslugend, mit dumpfem Geheul dem Käfig entspringt. Meistens schlägt er die Richtung nach dem nächsten Walde ein. Man gewährt ihm genügenden Vorsprung, ehe man sich an die Verfolgung macht. Dann geht es hinter dem Panther her. Die Schenkel fest an die Flanken des Pferdes gedrückt, den Speer in der Faust, so geht's im gestreckten Galopp, bis der vorderste das fliehende Tier erreicht hat, sich am Halse seines Renners hinabbeugt und mit gesenktem Speer zum Stoße ausholt. In diesem Augenblick macht der Panther oft kehrt und bietet dem Jäger die Stirn. Ein Ruck am Zügel, und Roß und Reiter schwenken hastig ab, um aus dem Bereich des gefährlichen Panthersprunges zu kommen. Inzwischen sind die anderen Jäger aufgerückt, und der verwirrte Panther wendet sich wiederum dem Walde zu. Bald sucht er nach rechts, bald nach links auszuweichen, um seinen beharrlichen Verfolgern zu entgehen, schließlich trifft ihn ein Speer, der ihn vielleicht nur verwundet und noch wilder macht, bis endlich ein anderer, besser gezielter Stoß der Flucht des Panthers und seinem Lebenslauf ein Ende bereitet. Oft genug kommt es vor, daß das Tier nur scheinbar getötet ist und, wenn die Reiter absteigen, um ihre Beute zu besichtigen, plötzlich wieder sehr munter wird und in wilder Wut auf den Nächsten losspringt. Selbst bei leichten Verletzungen durch einen Prankenhieb ist die Gefahr immer erheblich, da der Riß mit der Pantherklaue oft Blutvergiftung bewirkt.
Schon in dem vorigen Kapitel, das vom Tiger handelt, habe ich darauf hingewiesen, wie gefährlich es ist, einer verwundeten großen Katze ohne Beobachtung aller denkbaren Vorsicht nachzugehen oder sich ihr in der Annahme zu nähern, daß sie schon verendet oder doch wenigstens unfähig zu weiterem Widerstand sei. Wie bitter sich in dieser Hinsicht ein Mangel an Überlegung oder eine Voreiligkeit rächen kann, davon ließen sich zahlreiche Beispiele anführen. Ich selbst bin einmal bei einer Leopardenjagd als Nächstbeteiligter Augenzeuge eines verhängnisvollen Vorfalls gewesen, dessen tragischer Ausgang lediglich die Folge einer Unbedachtsamkeit war.
Das ereignete sich in einem der herrlichsten, tierreichsten Urwaldbezirke von Mysore, südlich von Bangalore. Ich hatte mich mit zwei englischen Offizieren auf eine größere Jagdexpedition begeben. War uns ein altes Weib über den Weg gelaufen oder hatte sich sonst etwas gegen uns verschworen – ich weiß es nicht, aber, wie es so manchmal geht, wenn man durchaus Pech haben soll: an den ersten Tagen wollte die Sache gar nicht recht »fluschen«, nur ein paar Axishirsche kamen uns vor die Büchse, und da wir alle drei ein bißchen verwöhnt und anspruchsvoll waren, dünkte uns dieses Ergebnis reichlich mager. Unsere Mienen erheiterten sich, als wir in einem Buschdorfe hörten, daß die Gegend in letzter Zeit stark von Leoparden beunruhigt würde. Was die guten Leute bekümmerte, das war gerade das, was wir suchten und was uns lockte. Der Dorfälteste erschien bei uns im Rasthaus und stimmte ein Klagelied an: täglich tauche ein bestimmtes Leopardenpaar auf und schlage einige Lämmer, wobei es sich weder durch Lärm noch durch Feuer abschrecken lasse, und da das Dorf sehr arm sei, würden die hochwohlgeborenen Sahibs ein gottgefälliges Werk tun, wenn sie die Güte haben wollten, sich auf die Leopardenjagd zu begeben und die schändlichen Räuber möglichst zur Strecke zu bringen.
Das war durchaus nach unserem Geschmack. Ein Eingeborener, ein alter Shikari, der mit der Gegend ringsum von klein auf vertraut war, bot uns seine Dienste an und machte sich anheischig, die Leoparden aufzuspüren. Schon am Abend desselben Tages brachte er uns die Nachricht, daß er unweit des Dorfes frische Spuren der Räuber gefunden hätte, und wir drei Jäger machten uns daraufhin sofort auf den Weg und legten uns im Dschungel dort, wo die Tiere aller Voraussicht nach erscheinen mußten und wo der Shikari vorher einen lebendigen Köder in Gestalt einer Ziege angebunden hatte, auf die Lauer. Wir lagen in guter Deckung und so günstig gegen den Wind, daß die großen Katzen keine Witterung von uns erhalten konnten, alles befand sich in bester Ordnung – bis auf die Leoparden, die es aus unverständlichen Gründen vorzogen, nicht zu erscheinen. So warteten wir bis zum Morgengrauen vergeblich und fluchten leise unserem Mißgeschick, das uns auf dieser Jagdexpedition anscheinend treu bleiben wollte. Immerhin war es eine wundervolle, mondhelle Tropennacht, die Leuchtkäfer sorgten im dunklen Gebüsch für märchenhaft schöne Illumination, und aus den Wipfeln erklangen die knurrenden, klagenden, winselnden Laute der verschiedenartigen Nachttiere, die erst um diese Zeit zu geschäftigem Leben erwachen.
Ich möchte hier einige nähere Angaben über den indischen Leopard und seine nächsten Verwandten einflechten, mit denen er häufig, auch in Indien selbst, verwechselt wird. Wir haben hierzulande vier Arten der Gattung Felis zu unterscheiden: den Panther (Felis pardus), den Leopard (Felis leopardus), den Schwarzen Leopard oder Schwarzpanther (Felis melas) und den Gepard oder Tschita (Felis jubata), von den Engländern meistens Jagdleopard genannt. Die Unterschiede zwischen den beiden erstgenannten Arten, dem Panther und dem Leopard, sind im allgemeinen so geringfügig, daß sie dem Laien selbst bei genauem Vergleichen beider Tiere kaum zum Bewußtsein kommen und daß er nur die verschiedene Größe bemerkt. Denn der Panther ist bedeutend größer und stärker als der Leopard, er wird im Durchschnitt zwei Meter lang, während der Leopard es nur auf 1,60 Meter bringt. Außerdem ist der Panther etwas anders gefleckt als der Leopard. Manche Zoologen und Jäger sind der Ansicht, daß man bei Panther und Leopard nur von Varietäten ein und derselben Rasse sprechen dürfe, zumal auch die Lebensgewohnheiten und Charaktereigenschaften beider Tiere vollkommen miteinander übereinstimmen. Der schwarze Leopard oder Schwarzpanther kommt in Indien nur noch sehr selten vor (hauptsächlich in Travancore), während er in Sumatra und Java häufiger ist. Er bewohnt nur die dichtesten, entlegensten Urwaldgebiete, ist sehr scheu und macht sich so rar, daß selbst alte Sportsmänner ihn in der Freiheit niemals zu Gesicht bekommen haben. Er wurde bisher auch nur äußerst selten gezähmt. Einmal hatte einer meiner Shikaris in Travancore zwei junge Schwarzpanther gefangen, aber obwohl wir daraufhin acht Tage unterwegs waren in der Hoffnung, die Mutter der Tiere aufzuspüren, ist es uns doch nicht gelungen. Völlig verschieden von diesen drei Tieren, die als allernächste Verwandte eng zueinander gehören, ist der Gepard oder Tschita. Bei seinem Anblick denkt man beinahe eher an einen Hund mit gepardeltem Fell als an eine Katze. Er stellt gewissermaßen den Übergang von der Katze zum Hunde dar. Katzenartig sind Kopf und Schwanz, während die hohen Beine mehr denen eines Hundes gleichen. Die Krallen sind nicht ganz zurückziehbar, der Pelz ist rauh und struppig mit mähnenartig verlängertem Haar am Nacken und Vorderrücken. Er wird gezähmt und einzeln oder in Meuten zur Jagd benutzt. Zu diesem Zweck wird der Gepard mit einer die Augen verdeckenden Haube auf einem Karren bis ins Jagdgefilde mitgeführt, wo man ihn, von der Haube befreit, auf das Wild losläßt.
Wenn Panther und Leopard auch bei weitem nicht die ungeheure Stärke des Tigers haben, so sind sie doch ebenfalls sehr kräftig, muskulös, außerordentlich geschmeidig und vorzügliche Kletterer und Springer. Ihre Blutgier kennt keine Grenzen, sie richten unter dem Weidevieh oft furchtbare Verheerungen an. Ihre Dreistigkeit geht so weit, daß sie auf ihren nächtlichen Raubzügen bis in die Dörfer dringen und sich aus schlecht verschlossenen Ställen holen, was ihnen beliebt. Dem Menschen gegenüber sind Panther und Leopard so lange zurückhaltend, wie er ihnen durch seine Erscheinung Respekt einflößt. Kinder und hilflose Personen überfallen sie bei günstiger Gelegenheit ohne weiteres. Dennoch gibt es unter ihnen keine eigentlichen, sozusagen berufsmäßigen »man-eaters«, wie bei den Tigern. Im angeschossenen Zustand werden sie ungemein gefährlich – und davon sollten wir, meine beiden Jagdkameraden und ich, bald eine bittere Probe zu kosten bekommen.
Der alte Eingeborene hatte nämlich am folgenden Tage die Leopardenspur wieder aufgenommen und glaubte nun, seiner Sache ganz sicher zu sein. Noch im Laufe des Nachmittags brachten wir das Locktier an der vom Shikari bezeichneten Stelle, einer kleinen Lichtung im Walde, an und legten uns abends in geringer Entfernung von der Ziege, durch Steine und Buschwerk gut gedeckt, auf die Lauer. Wieder verstrich die entsetzlich lange Nacht, und da wir aufs höchste ermüdet und abgespannt waren, überdies von schwirrenden und kriechenden Insekten aller Art in kaum erträglicher Weise gepeinigt wurden, verloren wir schon alle Lust, das anscheinend aussichtslose Jagdabenteuer fortzusetzen. Wir wollten uns gerade erheben, denn der Morgen dämmerte bereits – da duckten wir uns schnell wieder ins Gras und verharrten in steinerner Ruhe, weil ganz in der Nähe ein Rascheln ertönte. War es der Leopard? Waren es vielleicht beide? … Die angebundene Ziege witterte die Gefahr und zerrte an ihrem Strick. Eine Sekunde später leuchtete im fahlen Morgenlicht drüben an der anderen Seite der Lichtung etwas Gelbliches, Geducktes, Schlankes auf, und gleich darauf trat der Leopard – es war nur eines der beiden Tiere – aus dem Gebüsch ins Freie. Lauernd, zögernd bewegte er sich auf die Ziege zu, er schien der ganzen Situation nicht recht zu trauen. In diesem Augenblick gab Major W., der nach unserer Verabredung den ersten Schuß haben sollte, Feuer. Der Leopard machte einen Luftsprung, überschlug sich und lag darauf, alle Viere von sich streckend, zuckend am Boden.
Mit einem Ausruf freudiger Erregung sprang W. auf die Füße und eilte zu seiner Beute hinüber. Er war noch Neuling in dieser Art von Sport. Vergebens bemühte ich mich, der ich schon größere Erfahrungen besaß, ihn zurückzuhalten, wußte ich doch, welch zähes Leben diese großen Katzen haben, und wie gefährlich es ist, sich einem noch nicht zweifellos verendeten Tier ohne Beobachtung größter Vorsicht zu nähern. In seiner Freude und Ungeduld beachtete Major W. meinen warnenden Zuruf nicht, und mit ein paar Sätzen war er bereits beim Leoparden angelangt.
Was nun folgte, spielte sich blitzschnell in wenigen Sekunden ab. Soeben wollte sich der Schütze zu dem anscheinend bereits verendeten Tier hinabbeugen – als der Leopard mit wütendem Fauchen auf die Beine sprang, sich auf Major W. stürzte, ihn zu Boden riß und mit Gebiß und Krallen zerfleischte. Der Unglückliche, durch den unvermuteten Angriff vollkommen überrascht, wälzte sich mit dem Tier in einem wirren, blutigen Knäuel auf der Erde. Wohl waren wir anderen beiden sogleich zur Stelle – aber wie sollten wir hier eingreifen, wie sollten wir zu einem Schusse kommen, da beide Körper so ineinander verstrickt waren, daß wir den Kameraden ebensogut mit einer Kugel durchbohren konnten, wie die Bestie! Endlich, nach verzweiflungsvollen Sekunden, gelang es mir, die Mündung meines Gewehrs dicht an den Kopf des rasenden Tieres zu bringen. Ich drückte ab, und gleich darauf ließ der tödlich getroffene Leopard von seinem Opfer ab – noch ein paar Zuckungen, und er war verendet.
Major W. befand sich in einem entsetzlichen Zustand. Der Leopard hatte ihm die Kleidung vom Oberkörper gerissen und seine Brust sowie den rechten Arm völlig zerfleischt. Wäre ärztlicher Beistand und alles, was zur sachgemäßen Behandlung der Wunden nötig war, zur Stelle gewesen, so hätte man ihn wahrscheinlich durchbringen können. Aber wir befanden uns hier mitten im Urwald, eine Stunde von dem kleinen Dorf und viele Meilen von Bangalore entfernt. So gut es eben ging, legten wir dem Unglücklichen Notverbände an, die wir aus unserer Leibwäsche herstellten, konstruierten aus Ästen und Zweigen eine Tragbahre, holten aus dem Dorfe Hilfe herbei und transportierten den Offizier, der sich bei voller Besinnung befand, zunächst nach dem Dorf und von dort mit einem Ochsenwagen nach der Stadt, wo er im Hospital Aufnahme fand. Vergebens bemühten sich hier die Ärzte um ihn. Es war bereits, wie so häufig in solchen Fällen, Blutvergiftung eingetreten, und kurze Zeit darauf wurde der allgemein beliebte Offizier von uns unter großer Teilnahme der Bevölkerung zu Grabe getragen.
Welch ein trauriger Abschluß eines Jagdausfluges, der in so unbekümmerter Fröhlichkeit begonnen hatte!