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Von Schildkröten, Schlangen und Krokodilen

Die großen Seeschildkröten – Eine lustige Tropennacht: Hamburger Schildkröteneierbier – Die riesige Tigerschlange – Die Gefährliche Tik Palonga – Die Brillenschlange oder Kobra – Giftige Seeschlangen – Unerwünschter Logierbesuch – Eine Kobra Im Klavier – Die Riesenschlange und Ihre Eier – Rieseneidechsen und ihr Fang – Die Unbeliebtheit der Krokodile – Das Leistenkrokodil – Auf Der Krokodiljagd – Was Ein Krokodil alles verschluckt


Die Schildkröten sind in Ceylon sehr häufig. Überall in den vielen teils natürlichen, teils künstlich angestauten Süßwasserbecken und Seen der Insel, den »Wewa«, wie der Singhalese, oder »Tanks«, wie der Engländer sie nennt, kann man die zahlreichen schwarzen Körper der Schildkröten schwimmen, versinken und wieder auftauchen sehen. Oft strecken sie den Hals mit dem vogelähnlichen Kopf weit hervor und lassen die kleinen Augen neugierig in die Runde schweifen. Sie scheinen sich sehr sicher zu fühlen und kennen keine große Scheu vor den Menschen, denn diese kleinen Land- und Süßwasserschildkröten, besonders jene, die in den Tempelteichen von Kandy, Anuradhapura und anderen Kultusstätten leben, sind dem Inder heilig und werden nicht verfolgt, sondern im Gegenteil von den Wallfahrern gefüttert.

Es gibt aber im Meere rings um Ceylon auch große Seeschildkröten, die des Nachts oft an Land gehen, um ihre Eier in den Sand zu scharren, und bei dieser Gelegenheit gern erbeutet werden. Unter den Seeschildkröten ragt besonders die kolossale Lederschildkröte (Dermochelys coriacea) hervor, so genannt, weil sie keinen Panzer aus Horn, sondern aus sehr zäher, lederartiger Haut trägt. Infolgedessen sind Kopf und Füße bei ihr nicht so geschützt, wie bei den gepanzerten Schildkröten, die ihre Gliedmaßen im Augenblick der Gefahr unter den Panzer zurückziehen. Die Lederschildkröte wird zwei Meter lang und wiegt dann 500-600 Kilogramm. Das im Wasser sehr behende, am Lande plumpe und schwerfällige Tier entwickelt eine außerordentliche Kraft. Davon konnte sich einmal ein Freund von mir, ein Offizier der indischen Marine, bei einer Angelpartie überzeugen. Er war mit einem kleinen Boot zum Angeln auf Klippfische ein Stück in die See hinausgerudert und hatte seine Angel, ein derbes Boniteseil mit kräftigem Haken, auch schon ein paarmal mit gutem Erfolg ausgeworfen, als plötzlich ein ungewöhnlich starker Ruck an der Leine erkennen ließ, daß ein großer Fisch angebissen haben mußte. Aber wie sich bald zeigte, war es kein Fisch, sondern eine riesige Lederschildkröte. Der Angelhaken hatte sich, wie sich später herausstellte, unter der linken Vorderflosse des Tieres festgehakt und dieses vermochte sich nicht davon zu befreien. Nun begann eine tolle Jagd, wobei der Jäger jedoch, nämlich der Angler, eine höchst passive Rolle spielte. An ein Heraufholen des schweren Kolosses in das Boot war natürlich nicht zu denken, das wäre selbst einem Dutzend Männer nicht möglich gewesen. Die Schildkröte ergriff die Flucht und zog das Boot eine Viertelstunde lang hinter sich her, so daß es sich weit vom Land entfernte. Nun hätte der Offizier allerdings durch Kappen des Seils der Sache ein Ende machen können, aber er hoffte doch auf einen ruhmreicheren Ausgang des Abenteuers und darauf, daß er das Tier als seltene Angeltrophäe heimbringen könnte. Das ist ihm in der Tat auch geglückt. Denn die Schildkröte ermattete schließlich. Als der Offizier noch eine zweite Leine mit Schlinge ins Wasser warf, verwickelte sie sich bei ihren verzweifelten Anstrengungen, von der Angel loszukommen, in die Schlinge, so daß sie endlich den Kampf aufgab und der glückliche Angler sie, wenn auch mit größter Anstrengung, an der Schleppangel ans Land rudern konnte.

In wirtschaftlicher Hinsicht am wichtigsten ist die gepanzerte eßbare Suppenschildkröte (Chelonio esculenta), die ebenso lang und schwer wie die Lederschildkröte wird und in der Nähe der Küste, sowie in den Flußmündungen lebt. Ihr Fleisch ist von vorzüglicher Qualität, besonders das der Füße ein Leckerbissen. Man muß ein Schildkrötenfrikassee oder eine »Real Turtle Soup« in Indien genossen haben, um zu wissen, was schmeckt! Eine andere große gepanzerte Seeschildkröte der indischen Gewässer ist die Karettschildkröte (Chelonia imbricata), die allerdings nur eine Länge von einem Meter und etwas mehr erreicht. Ihr Rückenpanzer besteht aus dachziegelförmig sich deckenden Hornplatten, die nebst dem Brustschild ein geschätztes Schildpatt liefern. Auch sie geht, wie die Lederschildkröte, zur Ablegung der Eier und ihrem Verscharren im Sande an den Strand, und man sagt, daß die Tiere immer wieder zu der Stelle ihrer Geburt zurückkehren. Das Fleisch der Karettschildkröte ist nicht genießbar, aber die Eier werden von den Eingeborenen gern gegessen. Bekanntlich erreichen die Schildkröten ein ungewöhnlich hohes Alter, sie werden von allen Geschöpfen der Erde wohl am ältesten, angeblich bis zu 300 Jahren.

Wenn ich von Schildkröten spreche, fällt mir ein drolliges Erlebnis ein. Ich hatte in meinem Bungalow in Colombo wieder einmal, wie so oft, Besuch von außerhalb, und zwar von einem Kapitän B., dessen Schiff im Hafen lag. Wir hatten abends nicht gerade schlecht gegessen, vielleicht auch etwas mehr als gewöhnlich getrunken, und der gute Kapitän war ein bißchen, wie man zu sagen pflegt, »animiert«. Als wir nach Tisch in den Lungerstühlen auf der Veranda lagen und rauchten, veranlaßte eine jener plötzlichen Eingebungen, die den »Animierten« eigentümlich zu sein pflegen, den Kapitän zu dem Vorschlag, bei dem schönen Mondschein doch noch ein bißchen spazieren zu gehen. Für das Gehen kann sich der Tropenkolonist nicht sonderlich begeistern, aber einer kleinen Spazierfahrt stand ja nichts im Wege, deshalb rief ich dem aufwartenden Boy zu: »Mach den Ponywagen fertig.« Der Wagen war alsbald zur Stelle. Anscheinend gelüstete es den Pony nach einem Ausflug ebenso wie uns, denn er stürmte förmlich durch den Garten, so daß wir beiden nebst dem Muto (Kutscher) gerade noch aufspringen konnten und ich mich in acht nehmen mußte, das Gefährt sicher durch die enge Gartenpforte hindurch zu bugsieren, ohne die Pfeiler mitzunehmen. In scharfem Trab ging es die hell vom Vollmond bestrahlte Landstraße dahin, die sich unmittelbar am Strande erstreckt. Es war eine herrliche Fahrt. Mit gleichmäßigen Atemzügen rollte die Dünung des Meeres das flache Ufer hinauf, eine leichte Brise bewegte die Kronenwedel der Kokospalmen und wehte uns die milde Nachtluft erfrischend um die heiße Stirn.

Auf einmal rief der Kapitän: »Sehen Sie, dort kriecht eine große Seeschildkröte ans Land, wahrscheinlich um Eier zu legen, die sollten wir mitnehmen!« Ich wußte im Augenblick nicht, ob er bloß die Eier oder gar die ganze Schildkröte mitnehmen wollte, stoppte aber sofort, denn der Wunsch meines Gastfreundes war mir Befehl. Wir sprangen flugs vom Wagen hinab und eilten den Strand hinunter, um der Schildkröte den Rückweg zum Wasser abzuschneiden. Es war ein schönes Exemplar von Karettschildkröte, über einen Meter lang und etwa dreiviertel Meter breit. Der Kapitän konnte in seiner »vorgerückten Stimmung« absolut nicht umhin, sich rittlings auf den Panzer der Schildkröte zu setzen, und das kräftige Tier trug ihn auch mit Leichtigkeit eine Strecke fort, bis er die Balance verlor und anmutig alle Viere von sich streckend in den Sand rollte. Wir machten uns nun daran, die Schildkröte auf den Rücken zu legen. Obwohl wir uns beide ziemlicher Körperkräfte erfreuten, war das ein schweres Stück Arbeit, zumal wir uns sehr in acht nehmen mußten, von dem wütend strampelnden Tier nicht verletzt zu werden. Endlich schafften wir es doch, und da die großen Schildkröten, wenn man sie auf den Rücken gelegt hat, nicht von selbst wieder auf die Füße kommen können, lag sie hilflos da. Jetzt wandten wir uns der Sandanhäufung zu, um die frischgelegten Eier auszunehmen. »Kapitän, da müssen Sie mal Ihren Tropenhut hinhalten«, sagte ich und zählte die Eier hinein, hundert Stück. Mehr konnten wir in dem Hut nicht unterbringen, aber es lagen noch ungefähr ebensoviel im Sande verscharrt. Die Eier waren von Wallnußgröße und mit einer lederartigen weißen Haut überzogen.

Inzwischen hatten sich, durch unser lebhaftes Treiben angelockt, ein paar Eingeborene um uns versammelt. Sie griffen nun mit vereinten Kräften zu und schleppten die Schildkröte im Triumph zur Straße hinauf. Da ich das schwere Tier auf meinem leichten Pony wagen nicht unterbringen konnte, wurde der Kutscher ausgeschickt, um den landesüblichen Lastwagen, eine Ochsenkarre, zu besorgen. Es war ihm jedoch nicht möglich, zu dieser nachtschlafenden Zeit ein solches Gefährt aufzutreiben, und um wenigstens nicht ganz mit leeren Händen wiederzukehren, brachte er einen Rikschakuli mit seiner Rikscha mit. »Anfangs wollt ich fast verzagen«, aber ein tüchtiger Rikschakuli bringt für ein gutes Trinkgeld alles Mögliche, manchmal sogar das Unmögliche fertig, und wir verstauten die Schildkröte glücklich auf seinem Wägelchen, obwohl sich dieses unter der Last des Kolosses bog. Von dem »Hipphipp Hurra!« der Eingeborenen begleitet, keuchte der Kuli mit seinem sonderbaren Fahrgast nach meinem Bungalow davon.

Der Kapitän und ich wollten uns nach diesem improvisierten Jagdabenteuer noch etwas Bewegung machen. Wir gingen also ein Stück zu Fuß und bestiegen dann wieder den Ponywagen, um auf Umwegen langsam nach Hause zu fahren. Als wir an der Polizeiwache vorbeikamen, die sich in der Nähe meines Bungalows befand, Sahen wir unseren Kuli händeringend am Wege stehen und hörten ihn jammern: »Master, Master!« Auf unsere erstaunte Frage, wo seine Rikscha und die Schildkröte wären, zeigte er auf die Polizeiwache. »Dort drinnen.«

Ich ging hinein und hörte von dem wachhabenden Sergeanten, daß man Rikscha und Schildkröte festgehalten hätte. Denn erstens besäßen die Kulis nur eine Lizenz für zweibeinige Fahrgäste und zweitens hatte man ihn im Verdacht, die Schildkröte gestohlen zu haben. Es fiel mir nicht schwer, die arretierte Schildkröte samt Rikscha und Kuli wieder freizubekommen, und wir begaben uns nun alle nach Hause, wo die Ankunft des ungewöhnlichen späten Gastes auf die Dienerschaft alarmierend wirkte. Das Tier wurde einstweilen in das zementierte Bassin gesteckt, in dem sich am Tage die Enten zu belustigen pflegten. So steckte es doch wieder im Wasser, obwohl ihm, als an Salzwasser gewöhnt, daß Süßwasser wenig zu munden schien, denn es legte den Kopf auf den Rand, wieder zum großen Gaudium der Hunde, die sich über das ihnen noch unbekannte Wundervieh gar nicht beruhigen konnten.

Das alles hatte uns heiß und wieder durstig gemacht, so daß wir den heldenmütigen Entschluß faßten, vor dem Schlafengehen schnell noch einen zu trinken. »Whisky-Soda«, sagte ich zu dem Boy. »Nein, um Gotteswillen keinen Whisky!« rief der Kapitän. »Ich bin Antialkoholiker. Erstens trinke ich überhaupt keinen Whisky und zweitens habe ich heute schon zuviel von dem Zeug zu mir genommen. Wissen Sie, was wir uns brauen wollen? Hamburger Eierbier! Ein paar Flaschen Bier finden sich wohl noch im Keller und hier im Hut haben wir die schönsten Eier.«

Hamburger Eierbier aus Schildkröteneiern! Eine richtige Kateridee. Aber warum schließlich nicht? Wenn man die Augen zumacht und möglichst wenig daran denkt, schmecken Schildkröteneier beinahe wie das Gelbe von Hühnereiern. Jedenfalls konnte man ja einmal die Sache probieren. Ich ließ also ein paar Flaschen deutsches Exportbier nebst den nötigen Zutaten kommen und wir brauten nach den Regeln der Kunst ein Hamburger Schildkröteneierbier, das uns, um die Wahrheit zu sagen, gar nicht übel mundete und dem wir so lange zusprachen, bis der nötige Grad von Bettschwere erreicht war.

Dieses Schildkrötenabenteuer in der Tropennacht hatte noch ein kleines Nachspiel. Kapitän B. bat mich nämlich, ihm das Tier als Jagdtrophäe zu überlassen, und ich schickte es ihm deshalb an Bord. Ein paar Wochen später erhielt ich von B. aus Batavia, seinem nächsten Anlaufhafen, eine Postkarte des Inhalts: »Der Schlag soll alle Schildkröten treffen! Das Vieh war ja nicht zu genießen. Und wir hatten uns schon so sehr auf Real Turtle Soup gefreut!«

Allerdings! Das Fleisch der Karettschildkröte ist in der Tat ungenießbar. Aber wo steht es denn geschrieben, daß man alle Jagdtrophäen aufessen muß? Überdies verblieb dem guten B. das wertvolle Schildpatt, aus dem er sich zahllose Kämme machen lassen konnte, gut zu brauchen in diesen lau…nigen Zeiten.

*

Auch an Schlangen ist in Ceylon kein Mangel, weder an harmlosen noch an minder harmlosen. Ein ungefährlicher Hausgenosse ist die zwei Meter lange Rattenschlange (Zamenis mucosa), die nachts auf Höfen und Dächern fleißig die Ratten jagt und der man deshalb gern Gastfreundschaft gewährt. Ebenso harmlos ist die sehr hübsch gezeichnete, hellgrüne Dryophis mycterisans, mit leuchtend goldenen Augen, die in Gebüschen lebt. Hier lauert sie, um einen Ast geschlungen, in unbeweglich starrer Ruhe auf kleine Lebewesen, besonders Eidechsen. Nähert sich auf dem Boden ahnungslos ein Beuteobjekt, so schiebt sich der in Spiralen gewundene Schlangenkörper unhörbar leise hinab, um plötzlich mit raschem Zuschnappen der weitgeöffneten Kiefern das Opfer zu packen und zu verschlingen. Auch die meisten Wasserschlangen, wie die im See von Kandy schwimmenden Flußschlangen (Tropidonotus picator), sind dem Menschen ungefährlich. Unter den Steinen findet man häufig eine braune, schwarzpunktierte Schlange, Aspidura Arachyprocta. Den stärksten furchterregenden Eindruck aber machen auf den Neuling die Riesenschlangen, in Ceylon mit der Tigerschlange (Python molurus) vertreten, die eine Länge von mehreren Metern bei beträchtlicher Dicke erreichen. Und dennoch werden gerade die Riesenschlangen, die ebenso wie die vorher genannten Schlangen giftlos sind, dem Menschen kaum gefährlich, sie gehen ihm gern aus dem Wege. Mit trägen, langsam vorwärts gleitenden Bewegungen hält sich der Python im dichten Dschungel auf und ist, zufällig entdeckt, offenbar zufrieden, wenn man ihn ruhig weiter »dösen« läßt.

Nun zu den minder harmlosen Reptilien, den Giftschlangen. Das gefährlichste Kriechtier ist die Tik Palonga (Vipera russeli), eine sehr große Viper mit dreieckigem Kopf, die mit Ausnahme der hochgelegenen Gebirgsgegenden überall häufig vorkommt und sich auch oft genug in den Häusern versteckt. Besonders gern sucht die Palonga, wie auch die anderen Giftschlangen, in Termitenhaufen Unterschlupf, weshalb beim Öffnen solcher Bauten immer Vorsicht am Platze ist. Im allgemeinen gehen ja die Giftschlangen dem Menschen gern aus dem Wege, aber bei einer unbeabsichtigten Berührung, hauptsächlich des Nachts im Dunkeln, auch schon beim plötzlichen Erschrecken werden sie doch sehr aggressiv, zumal die nervöse, blitzschnell zubeißende Tik Palonga. Der Europäer ist dabei, dank seinem Schuhzeug, weniger gefährdet als der häufig barfüßige Eingeborene, und deshalb hat dieser vor der Palonga, die alljährlich eine erhebliche Anzahl an Menschenopfern heischt, heillosen Respekt. Ihr Biß wirkt tödlich, wenn nicht sofort geeignete Gegenmittel in Anwendung kommen. Die gebissene Körperstelle schwillt unter starken Schmerzen rasch an, Schwindel, Atemnot und blutiger Auswurf treten auf, dann Lähmung und Krämpfe, bis schließlich in tiefer Bewußtlosigkeit der Tod erfolgt. Es kommt bei der Behandlung vor allem darauf an, durch rasch entschlossenes Zugreifen den Eintritt des Giftstoffes in den Blutstrom zu verhindern. Zu diesem Zweck wird das gebissene Glied oberhalb der Wunde fest umschnürt, man erweitert die Wunde, brennt sie auch mit glühendem Eisen aus oder ätzt sie mit Salpetersäure, Ammoniak oder übermangansaurem Kali. Von bester Wirkung sind ferner starke Gaben von Alkohol aller Art.

Sehr häufig ist in Ceylon auch die Brillenschlange oder Kopra (Naja tripudians). Sie wird bis zwei Meter lang und lebt in verlassenen Termitenbauten, im alten Gemäuer und in Abzugsgräben in der Nähe menschlicher Wohnungen, schwimmt und klettert gut und ist hauptsächlich in der Abenddämmerung tätig. Ihre Nahrung besteht aus Mäusen, Ratten, Kriechtieren, Eiern. Die Brillenschlange hat ihren Namen von der brillenähnlichen Zeichnung auf der Rückseite des Halses. Diesen vermag sie scheibenförmig so stark aufzublähen, daß er den Kopf bei weitem an Größe übertrifft. Im Oberkiefer hat sie zwei starke, gefurchte Giftzähne. Nicht so nervös und angriffslustig wie die Tik Palonga, nimmt die Brillenschlange im Zustand der Gereiztheit zunächst mit erhobenem Körper und aufgeblähtem Hals eine Abwehrstellung ein, ehe sie zubeißt. Trotz ihrer Gefährlichkeit wie die Kobra vom Inder nicht getötet, sie gilt ihm als ein heiliges Tier und er glaubt, daß eine erschlagene Brillenschlange als Gespenst den Täter verfolgt. Von den Schlangenbeschwörern wird die Kobra gezähmt und abgerichtet – aber hiervon soll später im Kapitel der Gaukler und sonderbaren Heiligen die Rede sein.

Der Kuriosität halber sei noch erwähnt, daß es im Meer an der Küste Ceylons, wie überhaupt in allen Meeren zwischen Ceylon und Japan, zwei sehr giftige Seeschlangen gibt, die über zwei Meter lang sind, oft in sehr großen Gesellschaften auftreten und pfeilschnell schwimmen. Sie sind von wütender Angriffslust und höchst gefährlich.

Wenn jemand, wie der Erzähler, ein Menschenalter in den Tropen verbracht hat, so hat er natürlich manche nicht immer angenehme Begegnung mit Schlangen gehabt. Ich greife aus der Fülle meiner Erfahrungen ein paar Fälle heraus.

Als ich eines Abends beim Essen saß, wurde ich durch das beständige Bellen meiner Hunde gestört. Ich schickte den Boy ins Schlafzimmer, um zu sehen, was es dort gäbe, aber er kam mit der Meldung zurück, daß sich die Hunde nicht aus dem Zimmer vertreiben ließen. Nun begab ich mich selber dorthin. Ich vermutete, daß sich, wie schon früher einmal, eine Wildkatze eingeschlichen hätte. Die Hunde umstanden mein mit einem Moskitonetz verhülltes Bett und waren nicht zu beruhigen. Sollten sie vielleicht Ratten wittern? Ich ließ das Moskitonetz von den Dienern hochheben, und als ich das Kopfkissen wegnehmen wollte, prallten wir alle entsetzt zurück, denn unter dem Kissen schoß eine Brillenschlange von ansehnlicher Größe hervor und nahm mit aufgerichtetem Körper und aufgeblähtem Hals die übliche Angriffsstellung ein. Große Helden sind die Eingeborenen überhaupt nicht, am wenigsten aber einer Giftschlange gegenüber, vor der sie außer der sehr begreiflichen Angst, gebissen zu werden, auch eine tiefeingewurzelte abergläubische Scheu haben. Meine Diener kniffen also regelrecht aus und kehrten erst auf energischen Befehl wieder zurück, um die Hunde zu entfernen, die mit wütendem Gekläff wie toll herumsprangen und mich in meinen Bewegungen hinderten. Als es dann Ruhe gab, ergriff ich einen schweren Stock und tötete die Brillenschlange durch ein paar wohlgezielte Hiebe auf den Kopf. In demselben Schlafzimmer ereignete sich ein anderer Fall. Es befand sich dort ein großer geschnitzter Ankleidespiegel mit Schubladenfächern darunter. Als ich eines Tages nach der Rückkehr aus dem Kontor vor den Spiegel trat, um mich zu kämmen, sah ich im Spiegel eine Tik Palonga in die Höhe klettern. Es gelang mir, die bösartige Giftschlange rasch unschädlich zu machen; als ich nun aber eine Schublade unter dem Spiegel hervorzog, sprang mir daraus eine zweite Palonga entgegen, und es fehlte nicht viel, so hätte sie mich in die Hand gebissen. Auch diese Schlange entging ihrem Schicksal nicht und wurde getötet.

Es ist überhaupt ganz sonderbar, mit welcher Ungeniertheit sich manche Schlangen in den Wohnungen einquartieren, obwohl sie doch sonst den Menschen gern aus dem Wege gehen. Sie suchen sich dabei die merkwürdigsten Verstecke aus. Dafür ist die folgende kleine Geschichte bezeichnend. In unserem Hause fand einmal eine größere Abendgesellschaft statt, und nach dem Essen waren wir im Salon versammelt, um uns musikalischen Genüssen hinzugeben. Einer der besten Klavierspieler unserer Kolonie saß am Flügel, aber sein sonst so vollendet schöner Anschlag schien diesmal matt und farblos zu sein. Wir konnten uns das gar nicht recht erklären, denn das Klavier war erst vor ganz kurzem gestimmt worden und hatte noch vor ein paar Tagen den denkbar besten Ton gehabt. Einige Gäste äußerten die Vermutung, daß die feuchte Luft – es war gerade ein langer starker Regen niedergegangen – wohl ungünstig auf das Holz und die Saiten eingewirkt hätte. Mir ging etwas anderes durch den Sinn, denn unser Foxterrier, ein scharfes Tier, war auffallend unruhig. Sollte sich vielleicht eine Ratte ins Innere des Instruments verirrt haben? Wir schlugen den Deckel auf und beugten die Köpfe, um bis in die hintersten Winkel des Flügels zu blicken – da prallten wir entsetzt zurück, denn eine große Kobra, die dort ganz zusammengerollt gelegen hatte, reckte sich, unwillig über die Störung, mit aufgeblähtem Halse auf und schien nicht übel Lust zu haben, sich auf uns zu stürzen. In demselben Augenblick sprang aber auch schon der Foxterrier auf den Flügel, und ehe wir ihn daran hindern konnten, hatte er sich unter wütendem Gekläff in die Schlange verbissen. Es war ein ungemein kouragiertes Tier, das sich weder vor Tod noch Teufel fürchtete. Hund und Schlange waren in dem Flügel zu einem wüsten Knäuel verstrickt, aber schon nach wenigen Sekunden gelang es dem Foxterrier, die Kobra durch Genickbiß zu erledigen. Soweit war alles gut – leider folgte das böse Ende gleich nach. Denn es stellte sich bald heraus, daß auch unser braver Foxterrier Bißwunden abbekommen hatte, die absolut tödlich waren. Die Vergiftungserscheinungen zeigten sich rasch, und 20-25 Minuten später tat der gute Hund zu unserem großen Schmerz in tiefster Bewußtlosigkeit den letzten Atemzug.

Treiberlager

Treiber bei der Mahlzeit

Nervöse Kolonisten, die sich den Reptilien gegenüber noch nicht die nötige Ruhe angeeignet haben, denken oft: »Schlange ist Schlange« und gehen deshalb im Übereifer auch den harmlosen und sogar nützlichen Schlangen zu Leibe. Ich hatte in meinem Haus eine Zeitlang eine große Pythonschlange von 16 Fuß Länge. Wie schon vorhin erwähnt, besitzen die Riesenschlangen keine Giftzähne und sind für den Menschen ungefährlich. Mein Python war ein braves Tier, wir hatten ihn ordentlich lieb. Er kroch auf dem Hofe frei umher, entfernte sich nie aus dem Besitztum und nährte sich redlich von Ratten und dem anderen unerwünschten Kleinviehzeug, das sich mit Vorliebe nachts auf dem Dache breit macht. Eines Tages lag die Pythonschlange auf dem Dach, um sich zu sonnen. Ein Nachbar, der unglücklicherweise nicht wußte, daß die Schlange ein zahmes Haustier war, bemerkte sie dort und glaubte eine große Heldentat damit zu begehen, daß er das arme Tier mit Schrotschüssen förmlich durchlöcherte und verenden ließ. Wir alle im Haus waren über den Verlust der Schlange aufrichtig betrübt, denn man kann sich auch an ein derartiges Tier gewöhnen.

Durch einen meiner Reisenden erhielt ich einmal eine große Riesenschlange aus Sumatra, ein Tier von 30 Fuß Länge und kolossalem Körperumfang. Sie sah so üppig genährt aus, als ob sie sich, in Ahnung ihres Geschicks, kurz vor dem Fang durch überreiches Fressen für alle Reisestrapazen gehörig vorbereitet hätte. Die Schlangen können ja ungeheure Portionen auf einem Sitz vertilgen, sie können aber auch monatelang hungern, ohne einen Bissen Nahrung anzunehmen; sie verharren dann oft so eigensinnig in ihrem Hungerstreik, daß man sie mit Gewalt füttern muß, um sie am Leben zu erhalten. Was unsere frisch eingetroffene Riesenschlange betraf, so stellte sich bald heraus, daß sie ihre Korpulenz doch nicht der Gefräßigkeit allein zu verdanken hatte. Mein Shikari Fernando überraschte mich nämlich eines Tages mit der Meldung, daß die Schlange eine ungeheure Menge Eier gelegt hätte. Der ganze Behälter war mit Eiern gefüllt, und das nun erheblich abgemagerte Reptil hatte sich, um die Eier nicht zu zerdrücken, behutsam im Kreise darumgelegt. Die Schlange verteidigte ihre Eier, wie eine Henne ihre Küken, und zischte uns wütend an, wenn wir eins nur berühren wollten. Wir ließen sie also in Ruhe. Und siehe da, nach Verlauf eines Monats machten wir die angenehme Entdeckung, daß wir nicht bloß eine Riesenschlange, sondern außerdem noch etwa hundert Schlangenbabys besaßen. Es war ein sehr drolliger Anblick, wie die jungen Schlangen aus den Eiern hervorlugten, um sich bei der Annäherung eines Menschen, den sie instinktiv fürchteten, sofort wieder ins Ei zurückzuziehen. Ein paar Tage später bot die Eihülle ihrem rasch wachsenden Körper nicht mehr Bewegungsfreiheit genug, und sie verließen den zu eng gewordenen Wohnraum. Ich trennte dann mit meinem Shikari die junge Brut von der Mutter und brachte sie in einem großen Glaskäfig unter. Sie entwickelten sich überraschend schnell und waren schon nach zwölf Tagen imstande, die ihnen gereichten kleinen Reisvögel zu verschlingen. Ich sandte sie später nebst der Riesenmutter an meinen Bruder Carl Hagenbeck nach Hamburg, wo die umfangreiche Familie großes Aufsehen erregte.

Bald darauf erhielt ich aus Sumatra wiederum einen neuen Riesenschlangentransport. Es waren vier Tiere und die kolossalsten Reptile, die ich jemals zu Gesicht bekommen habe, denn sie wogen zusammen 500 Kilogramm. Auch nach Aussage der Malaien, die die Tiere an der Ostküste Sumatras gefangen hatten, waren es die größten dort jemals erbeuteten Exemplare. Ich brachte das Rekord-Quartett für einige Wochen in meinem Garten in einem verschlossenen Schuppen unter, um die Tiere bei nächster Gelegenheit nach Amerika zu verfrachten. Ein Wärter hatte dafür zu sorgen, daß die Schlangen ihr Wasser und wöchentlich einmal Nahrung bekamen. Eines Morgens kam er voller Schreck zu mir gelaufen und erzählte mir ganz aufgeregt, daß die größte Schlange ihren Behälter gesprengt hätte und verschwunden wäre. Nach vielem Suchen stöberte ich den Flüchtling hinter einem hohen Stapel Kisten auf. Wir mußten nun die vollgepackten schweren Kisten mit vieler Mühe aus dem Schuppen entfernen, um des Tieres habhaft zu werden. Aber das war eine schwierige Sache. Denn die Schlange hatte sich um eine Säule gewunden, und als wir, unserer fünf, sie am Schwanzende packten, um sie abzuwickeln, schleifte sie uns mit ihren Riesenkräften wie ein leichtes Bündel am Boden hin. Als ich ihrem Kopf zu nahe kam, schnappte sie zu und zerriß mir mit einem Ruck Jacke und Hemd von oben bis unten. Auf diese Weise ging es also nicht. Wir mußten es mit Geduld und List anfangen. Ich ließ daher eine große, schön mit Stroh ausgepolsterte Kiste neben die Säule rücken und allmählich entschloß sich das liebenswürdige Tier, sich von der umklammerten Säule loszuwickeln und in das so verlockend aussehende Kistenlager zurückzuziehen. Kaum hatte sie sich darin verkrochen, da schoben wir den Deckel vor die Kiste und nahmen den Ausreißer wieder gefangen.

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Wenn von den Eidechsen die Rede ist, denkt der Deutsche an das harmlose, zierliche kleine Geschöpf, das sich zur Sommerzeit raschelnd am Boden des Laubwaldes bewegt oder an sonnenbeschienenen Mauern der wohlig empfundenen Wärme erfreut. Solche kleine und flinke Eidechsen, die den unseligen ähnlich sind, findet man auch in Ceylon, daneben gibt es dort aber andere Gattungen dieser Reptile, die alle Vorstellungen, die der Mitteleuropäer von Eidechsen zu haben pflegt, in den Schatten stellen. Außer verschiedenen prachtvoll gefärbten Schönechsen (Calotes), die ihre Hautfarbe plötzlich verändern können und deshalb oft mit Chamäleons verwechselt werden, gibt es Eidechsen von ganz sonderbarer Gestalt, mit seltsamen Hörnern und Wülsten auf der Nase. Auch der Gecko, die einzige stimmbegabte Echse, darf nicht unerwähnt bleiben, weil er in vielen Wohnungen zu den Hausgenossen gehört. Er nistet gern im Gebälk der Zimmerdecke, hält sich am Tage verborgen und macht sich des Nachts dadurch nützlich, daß er den Insekten nachstellt. Dabei läßt er hin und wieder seinen Ruf »Tschicktschick« erschallen. Die auffälligsten Eidechsen aber sind die riesigen Warane, von denen es in Ceylon zwei Arten gibt. Der Laie ist geneigt, sie gar nicht für Eidechsen, sondern für eine Art Krokodile zu halten, denn sie werden mehr als zwei Meter lang. Trotz ihrer Größe, die für den Neuling etwas Furchterregendes hat, sind es harmlose Tiere, die sich von kleinen Wirbeltieren und Insekten nähren und als Eierdiebe unbeliebt machen. Ihr Fleisch wird von den Eingeborenen sehr geschätzt.

Einmal erhielt ich von meinem Bruder Carl Hagenbeck den Auftrag, ihm hundert solche Rieseneidechsen zu besorgen. Das war nun durchaus nicht so einfach, denn erstens laufen schöne, voll ausgewachsene Warane auch nicht gerade herdenweise herum, und zweitens lassen sie sich, scheu und flink, wie die Eidechsen eben sind, nicht so leicht fangen. Mein Shikari, den ich mit der Beschaffung betraute, machte sich die Sache sehr bequem und lieferte einen Haufen kleiner Exemplare von etwa fünf Fuß Länge ab. Aber damit war mir nicht gedient, denn mein Auftrag lautete ausdrücklich auf die allergrößten Warane, die sich nur auftreiben ließen. Es blieb mir also nichts anderes übrig, als mit meinen Leuten selbst auf die Jagd zu gehen. Wir nahmen Netze von verschiedener Form und Größe, sowie aus gedrehten Palmblättern hergestellte Schlingen mit und begaben uns nach Allawa in der Nähe von Polgahawela in ein Revier, in dem sich die Rieseneidechsen mit Vorliebe aufhielten. Unsere Bemühungen im Dschungel und Sumpf hatten guten Erfolg, denn schon nach einigen Tagen waren etwa 50 Warane von 8-10 Fuß Länge, alle sehr stattliche Burschen, mit Hilfe der Netze erbeutet worden. Es war eine mühsame Arbeit, denn die Tiere setzten sich recht kräftig zur Wehr und schlugen mit ihren Schweifen so temperamentvoll um sich, daß man sich in acht nehmen mußte. Einmal riefen mir meine Leute von weitem zu, daß sie ein besonders großes Exemplar mit einer Schlinge gefangen hätten, es aber nicht bändigen könnten. Ich eilte rasch an Ort und Stelle und legte mit Hand an, um das wütende Tier, einen wahren Riesen von mehr als 11 Fuß Länge, zu fesseln, dabei erhielt ich von dem Waran einen derartig wuchtigen Hieb mit dem Schweif ins Gesicht, daß ich drei Tage lang mit den schönsten »blauen Augen« und einer unförmlich angeschwollenen Nase herumlaufen mußte. Immerhin gelang es uns doch, die Rekordeidechse zu bändigen. Ich hatte die Genugtuung, den mir erteilten schwierigen Auftrag genau nach Wunsch erledigen zu können, und die Tiere haben dann später in Deutschland hohe Preise erzielt.

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» Krokodile sind abscheuliche Reptile und sollten bei jeder sich bietenden Gelegenheit geschossen werden,« schreibt Harry Storey in seinem Buche »Hunting and Shooting in Ceylon«, dem ausführlichsten Werk über die Jagd in Ceylon. Woher kommt eigentlich dieser über die ganze Welt verbreitete Haß gegen die Krokodile und Alligatoren? Man hat sie zu allen Zeiten und in allen Ländern gefürchtet und gehaßt, selbst dort, wo man sie, wie im alten Ägypten, als heilig verehrte – diese Verehrung war ja auch nur ein Produkt der großen Angst, die man vor den Panzereidechsen hatte. Heute, im Zeitalter unwiderstehlich wirksamer Feuerwaffen, kommt uns die Furcht vor den Krokodilen etwas übertrieben vor, denn sie sind zweifellos viel weniger gefährlich als die Giftschlangen und die großen Raubtiere. Aber wir müssen bedenken, daß diese Scheu noch aus jenen Zeiten stammt, wo der Mensch, nur mit Spieß oder Pfeil und Bogen bewaffnet, wenn nicht gänzlich waffenlos, dem gepanzerten und schwer verwundbaren Krokodil gegenüber eine schwierige Stellung hatte. Auch die Heimtücke des Tieres, das, in Teichen und Flüssen lauernd, die Wasserholenden oder Badenden gern überfällt, hat ihm keineswegs zur Beliebtheit verholfen. Dazu kommt noch seine Häßlichkeit, sein Stumpfsinn. Es scheint zwischen Mensch und Krokodil nicht das geringste Bindeglied der Sympathie zu geben, obwohl die Panzerechse in der Gefangenschaft ihren Pfleger kennen lernt und bis zu einem gewissen Grade zähmbar ist. Auch alle anderen Tiere scheinen das Krokodil zu fürchten und zu hassen, mit der einzigen Ausnahme des »Krokodilwächters«, eines höchst merkwürdigen Vogels aus der Familie der Regenpfeifer, der gern auf dem Rücken der Nilkrokodile weilt, ihnen die Kerbtiere und Egel abliest und sogar die an den Zähnen des Sauriers haftenden und ihm lästigen Speiseüberreste herauspickt, zu welchem Zweck das Krokodil den Rachen weit aufsperrt. Ein Freundschaftsverhältnis, von welchem beide Teile profitieren.

Wäre die Panzerechse zum Glück nicht so stumpfsinnig verschlafen und auf dem Lande schwerfällig – im Wasser ist sie freilich sehr behend – so würde sie zweifellos viel mehr Unheil anrichten, denn ihre Kraft ist ebenso groß wie ihre Raubgier und Hinterlist, und manche Arten sind auch ungemein angriffslustig. Es gibt in Ceylon zwei verschiedene Krokodile, von denen das Leistenkrokodil, der nächste Verwandte des Nilkrokodils, die stattliche Länge von mehr als acht Metern erreicht, während das kleinere Sumpfkrokodil nur 3-4 Meter lang wird. Der Süßwasserseendistrikt von Tissamaharama an der Südküste Ceylons ist besonders reich an Leistenkrokodilen. Sie liegen mit Vorliebe unweit des Seeufers im seichten Schlammwasser, so daß Nasenspitze und Augen gerade noch über dem Wasserspiegel hervorragen. Ihre Hauptnahrung sind Fische, die deshalb eine heillose Angst vor Krokodilen haben und sich dennoch immer wieder von dem förmlich erstarrten, wie leblos daliegenden, aber plötzlich zuschnappenden Ungetüm übertölpeln lassen. Es ist sogar eine bekannte Tatsache, daß das Krokodil im Wasser den Rachen häufig so lange wie eine Falle aufgesperrt hält, bis ein Fisch ahnungslos zwischen die Kiefern gerät, und diese dann jählings zuklappt, die Beute zermalmend. Sehr gern liegen die Krokodile auch auf Sand- und Schlammbänken oder auf dem Ufer, mit dem Vorderleib auf dem Trockenen, mit dem Schwanzende im Wasser. Aber da sie sich auf dem Lande niemals ganz sicher fühlen, ziehen sie sich bei Annäherung eines Menschen meistens sofort ganz ins Wasser zurück.

Krokodiljagd gilt nicht als nobler Sport, dazu ist das Tier zu verachtet und unsympathisch. Der wahre Jäger schießt die Panzerechse nur bei Gelegenheit so nebenbei, oder wenn er besonders darum ersucht worden ist, einmal unter den großen Reptilen ein bißchen aufzuräumen. Mit derartigen Bitten treten die Eingeborenen an den in wasserreichen ländlichen Distrikten wohnenden Europäer immer dann heran, wenn es einem Krokodil wieder einmal gelungen war, ein am Ufer spielendes Kind oder eine unvorsichtige Frau beim Wasserschöpfen oder einen Fischer zu packen und schwer zu verwunden, wenn nicht gar aufzufressen. Solche Fälle kommen in Ceylon zwar nicht so häufig vor, wie auf dem indischen Festland, wo das Krokodil in manchen Gegenden eine wahre Plage ist, aber sie sind doch keineswegs selten, und schließlich gelangen auch nur die wenigsten Fälle zur allgemeinen Kenntnis, Von meinen verschiedenen Abenteuern mit Krokodilen greife ich hier als Beispiel nur eins heraus, das eine derartige tragische Veranlassung hatte.

Ich befand mich damals mit meinem Shikari auf einer Jagdexpedition in dem vorhin erwähnten Seedistrikt von Tissamaharama, nordöstlich von der Küstenstadt Hambantota. Als wir in einem Dorfe kampierten, das nahe bei einem der dortigen besonders krokodilreichen Seen lag, erhob sich eines Morgens ein großes Lamento. Nachdem schon vor wenigen Wochen ein Kind beim Wasserholen spurlos verschwunden war, hatten sich jetzt die dreist auftretenden Ungeheuer, die in diesem See eine ungewöhnliche Größe erreichten, zwei badende Singhalesen »zu Gemüte geführt« und die armen Leute, die wegen vorgerückten Alters schon etwas gebrechlich waren, unter das Wasser gezogen und aufgefressen. Die Trauerkunde versetzte das Dorf in größte Aufregung; wehklagend liefen die Angehörigen der Getöteten hin und her, die Bewohner des Dorfes standen in Gruppen herum und besprachen den Fall. Es dauerte nicht lange, da erschienen in dem von mir bewohnten Hause der Ortsvorsteher in Begleitung einiger Dorfältesten mit der Bitte, doch etwas gegen die frechen Räuber zu unternehmen. Da ich durch einen glücklichen Zufall gerade bei ihnen weilte, möchte ich doch ein gutes Werk tun, mit meinen Shikaris einmal Jagd auf die Krokodile machen und eine möglichst große Anzahl von ihnen töten, damit sie eine Weile Ruhe vor den Übergriffen des Raubgesindels hätten.

Obwohl ich für Krokodiljagden nicht schwärme, glaubte ich den guten Leuten meinen Beistand nicht versagen zu dürfen, überdies gedachte ich bei der Gelegenheit auch ein paar besonders ansehnliche Exemplare lebend zu fangen, um sie nach Europa zu schicken. Zur Freude der Dorfbewohner sagte ich also zu. Ich überlegte nun, wie man den Tieren am besten beikommen könnte. Aus früheren Erfahrungen war mir bekannt, daß ein Angriff vom Ufer aus wenig Zweck hat, denn sobald die Tiere die Jäger herankommen sehen und Gefahr wittern, ziehen sie sich unter das Wasser zurück und sind dann schwer zu treffen. Man hat dann selten Gelegenheit, einen guten Schuß anzubringen, der am wirksamsten ist, wenn er zwischen den Vorderbeinen oder in die Augen oder dort, wo Nacken und Schulter zusammenstoßen, zu sitzen kommt.

Wir mußten die Sache anders anfangen und die Bestien durch einen Angriff vom See aus überraschen, um sie auf Land zu treiben und ihnen dort den Rückzug zum Wasser zu verlegen. Das erforderte umständliche Vorbereitungen, denn zu diesem Zweck mußten wir uns zunächst auf den See hinaus begeben und uns von dort aus im Schutz der Dunkelheit in einem Boot an die Uferstelle heranpirschen, an der die Krokodile zu ruhen pflegten. Sie mußten, das war sehr wichtig, von dem See aus jählings überrumpelt werden, damit sie sich genötigt sahen, auf Land zu fliehen, wo sie dann ihr Schicksal erreichen sollte.

Ich ließ zwei Boote samt Netzen und Tauen besorgen, und noch in der Nacht ruderten wir auf den See hinaus weitab vom Ufer. Als der Morgen zu dämmern begann, ruderten wir ganz still, jedes unnötige Geräusch vermeidend, zum Ufer zurück. Die Boote fuhren gleichmäßig nebeneinander, aber mit einem Zwischenraum von etwa 15 Metern, und zwischen den beiden Booten war ein Netz ausgespannt, welches das Durchschlüpfen und Entkommen der Krokodile verhindern sollte. Kurz vor dem Ufer beschleunigten wir unser Tempo, und als wir das Land erreicht hatten, liefen wir, beide Parteien, das straff gespannte Netz zwischen uns haltend, so rasch wie möglich das Ufer hinauf. Unser Angriff hatte vollkommen Erfolg. Wir überraschten zwölf große Krokodile von 12-14 Fuß Länge. Die überrumpelten und erschreckten Tiere, die am Ufer lagen, wollten schleunigst ins Wasser entfliehen, sahen hier aber den Weg durch das aufgespannte Netz versperrt. Da beim Anblick der wütend aufgesperrten Krokodilsrachen einigen meiner Singhalesen das Herz in die (allerdings nicht vorhandene) Hose fiel, so daß sie das Netz fahren ließen und sich »seitwärts in die Büsche« schlugen, gelang es leider mehreren Bestien, doch in das Wasser zu entkommen. Vier andere fielen den Kugeln zum Opfer, die ich und meine Shikaris ihnen auf die Hornhaut pfefferten, und die letzten vier verwickelten sich in das Netz. Sie wurden nach heftigem Sträuben überwältigt und gefesselt, wobei natürlich vor allen Dingen die gefährliche Schnauze zugebunden werden mußte. Leider ging es dabei nicht ohne Unfall ab. Einer von den Leuten erhielt von dem hin und her schlagenden Schwanz eines Krokodils einen so wuchtigen Hieb auf den Unterarm, daß dieser brach. Die Kraft der Krokodile ist außerordentlich groß. Oft genug ist es vorgekommen, daß sie bemannte Boote mit einem Schwanzschlag zum Kentern brachten und sich dann eine der ins Wasser gefallenen Personen zur Beute erwählten. Man hat Zweikämpfe zwischen Krokodil und Büffel beobachtet, bei denen das Reptil Sieger blieb, und es klingt keineswegs unwahrscheinlich, daß sich das Krokodil bisweilen auch mit Erfolg an badende Elefanten heranmacht. Wirklich ein Glück, daß diese starken, gefährlichen Bestien im allgemeinen sehr temperamentlos sind und den größten Teil ihres Lebens in unbeweglichem Stumpfsinn, einer Art Starrkrampf, verbringen.

Bekannt ist die erstaunliche Zählebigkeit der Krokodile. Ich habe es wiederholt erlebt, daß solche Riesenechsen auch dann noch, wenn man ihnen mit einem Dumdumgeschoß den halben Schädel gesprengt hatte, ruhig davonschwamm, als wäre gar nichts geschehen. Zum Schluß noch ein Beispiel dafür, was die Reptile in ihrer Gefräßigkeit alles verschlucken. In einem Gewässer bei Hambantota bemerkte ich einmal ein Krokodil von ganz ungewöhnlicher Größe und Dicke, das sich in auffälliger Weise an der Oberfläche des Wassers aufhielt. Mit Hilfe einiger Eingeborener gelang es mir, das Tier mit einer Schlinge zu fangen und an Land zu ziehen, und da es sich hierbei fast gar nicht zur Wehr setzte, vermuteten wir, daß es krank sein müßte. In der Tat verendete auch das Krokodil nach sechs Tagen. Wir schnitten ihm den Bauch auf und fanden darin – einen eisernen Bootsanker! Diesen kräftigen Bissen hatte aber sogar ein Krokodilsmagen nicht zu bewältigen und zu verdauen vermocht.

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