Karl Gutzkow
Zopf und Schwert
Karl Gutzkow

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Karl Gutzkow

Zopf und Schwert

Lustspiel in fünf Aufzügen

 

Vorwort

Das Wesen alles Komischen ist der Widerspruch sozusagen mit sich selbst, der sogenannte Kontrast.

Nach dieser Anforderung dürften sogar Schulästhetiker das nachstehende Lustspiel in seinem Ursprung gelten lassen.

Ein König, ohne die gewöhnlichen Attribute seiner Würde, ein Hof, geordnet nach den Regeln des einfachsten bürgerlichen Hausstandes, gewiß ein Widerspruch, der von selbst die komische Muse herbeiruft. In der That kam dem Verfasser die Neigung, seinem zunächst aus dem Princip nur der Heiterkeit entstandenen Werk einige politische Winke als sogenannte »Tendenz« einzufügen, erst im Laufe der späteren Ausarbeitung.

Seit den großen griechischen Mustern Aeschylos und Aristophanes ist es ein altes Vorrecht der Bühne, sich im Extrem bewegen zu dürfen. Wer einmal den Rachegöttinnen als Frevler und Träger von Menschenschuld verfallen ist, macht als Bühnenfigur keine zerstreuenden Badereisen mehr, hat keine sonstigen Geschäfte und weiteren Lebensaufgaben zu verfolgen; auf frischer That packt ihn die Nemesis und läßt ihn in jedem Champagnerglase Blut sehen, auf jedem Fetzen Papier seinen Steckbrief lesen. Noch weniger Umstände macht die komische Muse. Wenn Aristophanes die Gestalten des Euripides verspotten will, die durch Heruntergekommenheit rühren sollen, so macht er den Tragiker gleich zum Lumpenhändler. Uebertreiben darf der Komiker und muß der Tragiker. Den Uebertreibungen in »Zopf und Schwert« wurde manches Naserümpfen des ersten Ranges der Hoftheater zutheil. Aber im wesentlichen braucht man nur die »Denkwürdigkeiten der Markgräfin von Baireuth, geborene Prinzessin von Preußen«, zu lesen, um dem grotesken Bilde das Zeugniß historischer Treue zu geben. Nicht nur die Charakteristik des Stücks, auch die Intrigue gründet sich auf die aus unbefangener Zeiten stammenden Bekenntnisse jener Denkwürdigkeiten, deren Echtheit verbürgt ist.

In Betreff Seckendorf's trat der Fall ein, daß der technischen, ich möchte sagen, symphonischen Oekonomie des Stücks (die nun einmal unbedingt die Rollen so vertheilt, wie Peter Squenz im Sommernachtstraum den respektabelsten Leuten sagt: Du mußt den Löwen und du den Esel machen!) ein Mann geopfert wurde, der ein mittelmäßiger Diplomat, eine Zeit lang ein leidlich guter Degen war. Hierüber kam dem Autor keine Reue. Dummsein, so denkt Komus in seinem Leichtsinn, ist nicht Schlechtsein; Löwe oder Esel sind an bestimmten Stellen im Stück notwendig. Ein brandenburgisch-preußisches Lustspiel vom Jahre 1733 kann a priori gegen einen kaiserlichen Gesandten jener Tage nur »ungerecht« sein. Das liegt im Uebermuth der komischen Muse ebenso, wie umgekehrt in specifisch österreichischen Stücken schon lange auch bei solchem und ähnlichem Anlaß die passive Komik an Preußen und in specie an die Berliner fällt. Nach Ritter Lang und nach zuverlässigeren Gewährsmännern war auch zum Glück dieser Seckendorf ein eitler Tyrann. Sein Haß gegen Friedrich II. und sein »Combinieren« gingen so weit, daß er dem österreichischen Hof im ersten schlesischen Kriege einen Plan detaillirte, wie man den ländersüchtigen Eroberer persönlich unschädlich machen sollte. Arneth, Maria Theresia. Bd. I.

Freilich kann die Art, wie Puck mit der Geschichte umgeht, gemildert werden. Es ist nicht nöthig, daß die Schauspieler aus Seckendorf einen Kretin machen. Eine unglückliche Neigung der Darsteller, für den gebotenen Finger gleich die ganze Hand zu nehmen! Ueberhaupt wenige Darstellungen meines Stücks sah ich, wo Friedrich Wilhelm I. neben dem Ton des Hausvaters noch die königliche Würde behauptete, Eversmann bei aller kecken Vertraulichkeit noch den Rand eines zitternden Kammerdieners hielt, der Erbprinz noch mit dem Bestreben, im königlichen Schlosse alles lächerlich zu finden eine Zurückhaltung verband, die ihn sicherstellte, für seine lauten Aeußerungen nicht sofort aus Berlin verwiesen zu werden, die Prinzessin noch vornehm und klug blieb im Naiven und Gewöhnlichen, und vollends Seckendorf, trotz seiner ihm schwer fallenden »Combinationen«, doch nicht bis zum Hofmarschall Kalb hinunter sank. Darauf hin hier eine dramaturgische Bemerkung. In solchen Fällen, wo die Gefahr des Herabziehens der Rollen auf der Hand liegt, sollten die Bühnenvorstände die Vorsicht üben, die betreffenden Partieen geradezu nur solchen Darstellern anzuvertrauen, die ihnen beim ersten Blick dafür – am wenigsten einfallen, solchen, die durch ihr Naturell gezwungen sind, die Rollen höher zu halten. Der Possenreißer wird nie, selbst zuweilen der sogenannte »feine Komiker« nicht, Shakespeare von dem Vorwurf befreien, daß er zweien Königen von Dänemark einen Hanswursten zum Minister gab. Es ist viel weniger nöthig, daß die komischen Einfälle des Polonis belacht werden, als daß seine Einfälle nicht die Stellung des Hofmannes, königlichen Rathgebers, Vaters zweier respektabler Kinder und zuletzt sogar noch seiner eigenen mit tragischer Würde sterbenden Person beeinträchtigen. In solchem Fall übergiebt eine kundige Theaterführung die komische Partie einem Darsteller, der eben – nicht komisch ist.

Geschrieben wurde nachstehendes Stück im Frühjahr 1843. Vielleicht kennt mancher unserer Leser das kleine Hausgärtchen am »Hôtel Reichmann« zu Mailand, auf dessen Oleanderbüsche, Springquellen und Sandsteinamoretten hinaus ein Zimmer führt, wo vier Wochen lang die ersten vier Akte dieser Arbeit reiften. Am Comersee folgte der fünfte.

In diesen schönen und nur die Gesetze des Ideals weckenden Umgebungen jene burlesken Erinnerungen aus der Geschichte des märkischen Sandes festzuhalten, war nur, sollte man denken, einem, trotz der »Staatsgefährlichkeit« seiner sonstigen Bestrebungen, mit Innigkeit seiner preußischen Heimat zugethanen Gemüth möglich.

Dennoch hat sowohl die Romantik von Sanssouci wie die Aesthetik des weiland berliner Oberzensurcollegiums in Berlin zu allen Zeiten dies Stück verfolgt, verboten, ein oder ein andermal es wieder freigegeben und selbst noch nach 1848 wieder verhindert. Als aus dem Friedrich-Wilhelmstädtischen Theater der alte würdige Genast von Weimar den König ein Dutzendmal nacheinander gespielt hatte, kamen Hinkeldey's Boten und brachten die Meldung, man sähe höhern Orts die Aufführung nicht gern. Im Verkürzen und Schädigen seiner Bestrebungen ist dem Autor von Friedrich Wilhelm IV. geradezu alles geschehen. Doch will ich, zur Steuer der Wahrheit, nicht unerwähnt lassen, daß man auch das Verbot milder motivirt hat durch die darin vorkommende Erwähnung der dem preußischen Königshause fatalistischen berliner Schloß-Sterbesage – von der »Weißen Frau«.

Ein Muster der Unbefangenheit war früher die Dresdener Hofbühne. Namentlich kam in solchen und ähnlichen Nöthen Emil Devrient's energische Parteinahme für die Interessen der neuern dramatischen Literatur den Autoren stets zu Hülfe. Seinem künstlerischen Eifer verdankt auch diese wie manche andere Arbeit ihren Uebergang auf diejenigen ersten Bühnen, deren Förderung einem deutschen Dramatiker allein lohnend und ermuthigend sein kann. Leider hat der Krieg von 1866 »Zopf und Schwert«, das sich auch dem Burgtheater in Wien eingebürgert hatte, von dort wieder verbannt.

Personen

       

Friedrich Wilhelm I., König v. Preußen, Vater Friedrich's des Großen.

Die Königin, seine Gemahlin.

Prinzessin Wilhelmine, beider Tochter.

Der Erbprinz von Baireuth.

General von Grumbkow,
Graf Schwerin,
Graf Wartensleben, Räthe und Vertraute des Königs.

Graf Seckendorf, kaiserlicher Gesandter.

Ritter Hotham, großbritannischer Gesandter.

Frau von Viereck,
Frau von Holzendorf, Damen der Königin.

Fräulein von Sonnsfeld, Dame der Prinzessin.

Eversmann, Kammerdiener des Königs.

Kamke, Kammerdiener der Königin.

Eckhof, ein Grenadier.

Ein Lakai des Königs.

Generale, Offiziere.

Hofdamen.

Die Mitglieder der Tabacksgesellschaft.

Grenadiere.

Lakaien.

Ort der Handlung: das königliche Schloß zu Berlin.
 


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