Grimmelshausen
Der keusche Joseph
Grimmelshausen

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Joseph hätte sich einbilden können / der Kerl sey unsinnig worden / wann dessen Reden mit seiner Nativität nicht überein gestimmt / zumahlen auch eingetroffen hätten / was ihm Musai vor dreyzehen Jahren gesagt: darum sagte er zu ihm / er wünschte glückselig zu seyn / damit er ihme Musai seine gute Gewogenheit / und das jenige / was er seinetwegen bey der Caravan gethan / erwidern könte; biß nun solche Glückseligkeit herkommt / sagte er weiters / müssen wir sich / liebster Musai / zu unserem Elend gedulten.

Nunmehr verfloß die Zeit der Königlichen Traur / und näherte sich hingegen der bestimte Tag zur Crönung / auf welches Fest man am Königlichen Hof auch Königlich zurüstete; alle Tag kamen etliche Fürsten des Reichs nach Thebe / ihre Schuldigkeit abzulegen; zu welchem Ende auch sonst alles rennet und lief / was nur den König ein wenig angieng. Allein die Asaneth gedachte mehr an die Erledigung Josephs / als an die Crönung des Königs / der doch viel grösser / und ihr viel näher verwandt war / als der Gefangne; einmahl sie gedachte bey jedermans Unruhe / ihr Gemüth zur Ruhe: und ihren Liebsten auf freyen Fuß zu stellen / solte es auch kosten / was es wolte! Ich hab gesagt / bey jedermans Unruhe: das ist zu verstehen / daß damahl auch der König selbst kein Ruhe hatte / als welcher dieselbe Zeit über / nach altem Gebrauch und Herkommen seiner Vorfahren / geschäfftig war / die unsterbliche Götter zu bitten / und mit Opffern zu versöhnen / daß sie ihm zu seiner künfftigen Reichs=Verwaltung Glück und Heil verleihen / und offenbaren wolten / wie er wohl und glücklich regieren solte.

Auf solche Opffer und Gebet / hatte er die Nacht hernach einen Traum mit samt der Bedeutung im Schlaf gesehen / welchen er den Fürsten und Weisen seines Reichs vor seiner Crönung / Krafft alter Gewonheit / zu erzehlen schuldig war / damit sie denselben auslegen / und aus seiner Bedeutung wissen könten / was grosses in Zeit seiner Königlichen Regierung sich zutragen möchte; derohalben erzehlet er den Traum / aber die Bedeutung war ihm allerdings ausgefallen; und was das Schlimmste war / so wolte sich auch keiner unter allen / so Geist= als Weltlichen Reichs=Ständen / noch unter denen hierzu verordneten Caldeern finden / der sich unterstehen dörffen / denselben auszulegen; ohne welche Auslegung die Crönung ihren Fortgang nicht haben konte / weil die alte Egyptier / welche viel auf Träum und Waarsagungen hielten / gemeiniglich einen andern König zu erwählen pflegten / wann des bereits erwählten Traum kein Glück anzeigte; welches zwar in mehr als zwey hundert Jahren nicht einmahl geschahe / weil die Ausleger gemeinigleich schmeichelten / und / des neuen Königs Gunst zu erlangen / nur von künfftiger Glückseligkeit prophezeyeten; Das aber ein Traum / ich sage ein Königl. erster Traum / an dem viel gelegen zu seyn geschetzt wurde / nicht ausgelegt hätte werden können / solches war niemahl erhöret worden / weil Egypten gestanden: als welches zu allen Zeiten Leut genug gehabt / so von Bedeutung der Träum allweg ihren richtigen Bescheid geben konten; welches so wohl den erwählten König als die Reichs=Stände so gewaltig bestürtzte / daß keiner mehr wuste / was anzufahen rathsam wäre; einer dachte diß / der ander jenes / und wolte doch keiner sagen / was er gedachte.

In solcher Verwirrung tratt des Königs Mundschenck herfür / der kürtzlich aus dem Kercker kommen war / und nachdem er sein gebührende Referentz gemacht / erzehlte er / was ihm und dem Beckerey=Verwalter neulich im Gefängniß geträumt: auch was Gestalt ein edler Hebreer / der des Obristen Kuchenmeisters / Potiphars erkaufter Knecht wäre / dieselbe Träum ausgelegt: item daß solche Auslegung gleichsam um kein Stund gefehlt hätte; massen er wieder in Königl. Gnad und Dienste: der Obriste Becker aber an Galgen kommen seye / und noch daran hange / sich / zu Erfüllung seines Traums / von den Raben fressen zu lassen.

Alsobald wurde ein Königlicher Wagen geschickt / den Joseph zu holen / welchen eben Musai das erste mahl barbirte / da sahe man um so viel desto mehr / daß seine Schönheit im Gefängniß nicht ab / sondern vielmehr zu genommen hatte: weil sie / durch Vorsorg der Asaneth / weder durch Wind oder Sonnenschein: auch nicht durch Hunger oder Durst / vielweniger durch Arbeit Verletzung gelitten: der Kerckermeister erschrack / und sorgte / Joseph würde auf die Fleischbanck geführt; aber Musai / der allerdings nach der Elamiten Art ein offenhertzigen Teutschen Sinn hatte / und sonst ein artlicher Kerl war / lachte: und sagte zum Joseph / nun wolan / das Glück ist vorhanden / laß michs nur auch bald theilhafftig werden / und wann dir eine Dam aufstöst / gekleid wie du / so nimm sie nur gleich zum Weib / dann es kan dir dein Lebtag nicht besser werden; zu seinem Herren den Kerckermeister aber / der unwillig über ihn war / sagte er / wann Joseph heunt stirbt / oder wieder in Gefängniß zu dir geführt wird / so laß mich morgen entweder auch hencken / oder / wann dich der Strick tauret / mich die Arbeit vor zween Knecht verrichten; aber ich glaube / wann Joseph thut / was ich ihm anvertraue / so werde ich dir nicht mehr über ein paar Stund zu Gebot stehen dörffen.

Eben damahls war auch Asaneth auf ihren köstlichen Wagen gesessen / mit Vorsatz / dem König ein glückselige Regierung zu wünschen (weil sie vermeinet / die Crönung sey schon geschehen / indem die bestimte Zeit darzu bereits verflossen) und zugleich ihren Joseph loß zu bitten; da schickte es sich wunderbarlich / daß sie beyde zugleich an der Königl. Porten ankamen; keines von diesen beyden wuste sich in diese unverhoffte und unversehene Zusammenkunft zu richten; Joseph kante wohl der verstorbenen Selich æ Jungfern / er muste sich aber über des Musai Weissagung verwundern / weil die jenige deren diese dieneten / ein Kleid an hatte / wie er! Sein Angesicht verrieth gleichsam die innerliche Freud seines Hertzens / und die unzweifentliche Hoffnung / die ihm Musai eingesteckt; ihr Begrüssung war stum / weil sie sich beyde nur entrötheten; es schiene / als wann Josephs schamhaffte Röthe im ersten Anblick die unvergleichliche Asaneth / als einen künfftigen Gemahl / grüssete / welche hingegen nichts anders thun könte / als mit gleicher Farb ihres Liebsten Schönheit zu dancken / und ihre Lieb zu bezeugen; wie ihnen beyden damahl das Hertz gehüpfft / bilde ihm jeder selber ein.

Joseph wurde gleich vor den König gebracht / ob dessen ansehenliche Gestalt sich so wohl der König selbst / als alle Fürsten verwunderten / er wuste sich mit Egyptischer Ehrbezeugung wol zu behelffen / weil er dieselbe Ceremonien hiebevor so wohl beym Potiphar als in der Gefängniß gelernet; solche seine Referentz machte seine Schönheit viel anmutiger / und nachdem dergleichen Dings abgelegt war / fieng der Reichs=Cantzler nachfolgender Gestalt zu reden an.

Lieber Jüngling / uns ist angezeigt worden / du habest die Gab von den Göttern / Träum auszulegen / wie du dann solches an des Königs Mundschencken und Beckerey=Verwaltern erwiesen hast; weil mir dann nun auch ein Traum vorkommen ist / dessen Auslegung man gern wüste / hat man dich holen lassen; wirst demnach den Traum in Gegenwart des Königs erzehlen hören / und dessen Bedeutung zu eröffnen wissen; vor welches / wann du die Warheit sagest / dir / neben einer Königlichen Verehrung / dein vorige Freyheit geschenckt werden soll. Joseph neigte sich gar zierlich / und sagte; wohl: mein Herr beliebe den Traum zu erzehlen / so wird dessen Diener gehorsamlich hören / und vernehmen / ob seine Auslegung in seiner Macht stehe.

Darauf fuhr der Reichs=Cantzler fort / und sagte: mir traumte / ich stünde am Ufer des Nili / wo dieser Fluß am breitsten ist; da stiegen sieben fetter Ochsen nach einander aus dem Wasser / denen folgten auf dem Fuß nach sieben andere / eben so / mager und heßliche Ochsen / als schön und feist die ersten waren: endliche sahe ich / daß die Magern die Feisten frassen / und davon doch nicht desto fetter wurden; worüber ich mich so entsatzte / daß ich darüber erwachte; kaum war ich aber wieder eingeschlaffen; sihe / da sahe ich sieben vollkommene Aeher mit reiffen Früchten aufs reichlichst angefüllt / dieselbe wurden von sieben magern Aehren / die kein einzigs Körnlein in sich hatten / verschlungen / und verblieben dieselbe dörre Aeher jedoch eben so dün und durchsichtig / als zuvor; gleichsam / als wann sie von den Saamen=reichen Aehren nichts in sich geschluckt hätten; weist du nun die Bedeutung hierüber? so lasse sie hören.

Mein Herr / antwortet Joseph / diese ist ein Traum eines Königs in Egypten: mein Herr vergeb mir / wann ich irre; hat dieser Traum meinem Herren geträumt / so hat ihm GOtt nicht allein offenbahrt / daß er Egypten beherrschen soll; sondern auch das wichtige nicht verhalten / so unter seiner Regierung geschehen wird; damit er deswegen bey Zeiten weißliche Vorsehung thue / und Land und Leut in Wolstand erhalte.

Potiphar / der hohe Priester von Heliopolis / winckte dem Joseph mit der Hand / still zuschweigen; nachdem solches geschehen / musten alle umstehende Reichs=Ständ / biß auf ihn den hohen Priester / den Reichs=Cantzler / Reichs=Marschallen und Reichs=Schatzmeistern abtretten; Alsdann sagte der König selbst zum Joseph / Jüngling / du hast Recht / daß dieser Traum einem König in Egypten zustehe! Aber nun sag mir / wie hast du aus dem Traum wissen können / den dir der Reichs=Cantzler / als sein eigen / erzehlet / daß er mir geträumt hat? Joseph antwortet: Großmächtigster König / mir wurde gesagt / der Träumende sey am Fluß Nilo wo er am breitsten sey / gestanden; der Fluß Nilus bedeutet die Herrlichkeit des Egypten=Lands / das Stehen des Träumenden aber die Meisterschafft und Beobachtung darüber; welchem derowegen dieser Traum geträumt hat / der ist oder wird Herr in Egypten!

Nun wohlan / sagt der König ferner / so sag mir dann auch / was bedeuten die Ochsen und Aeher / beydes Feiste und Magere? Großmächtigster König / antwortet Joseph / dieses braucht keine grosse Kunst; Der Nilus giebt Egypten Fruchtbarkeit und Unfruchtbarkeit / je nachdem er sich ergiest; seind nun erstlich sieben fette Ochsen aus demselben gestiegen / so wird er auch sieben fette fruchtbare Jahr geben: seynd sieben magere Ochsen gefolgt / so die sieben fette gefressen / so werden auch nach den sieben fruchtbarn Jahren sieben hungrige Jahr kommen / die allen Vorrath der sieben guten Jahr aufreiben; Die sieben magere und fette Aehr haben ein gleiche Bedeutung / und künden an / daß solches eigentlich von der Frucht: und Unfruchtbarkeit zu verstehen seye / auch daß es gewißlich / und zwar gar bald geschehen werde; Darum sehe mein Herr der König sich um / und laß sehen nach einem klugen Mann / der sich also in diese Zeiten zu schicken / und Anordnung zu thun weiß / was beydes Land und Leut in Wolstand erhalten: Meines Herren des Königs Zepter / Cron und Thron in ihrer alten Herrlichkeit bestättigt: und zumahlen auch zu höherer Glückseligkeit und Reichthumen erhaben und befördert werden möchte / weil die künfftige Zeiten gar wunderlich fallen werden.

Joseph muste abtretten / und doch gleich wieder erscheinen / zu dem sagte der König / wir haben so wohl aus deiner Weißheit und Wissenschafft: als auch aus deinem offenhertzigen Gemüt genugsam Hoffnung geschöpfft / du werdest die Stell des jenigen am besten vertretten können / den du uns zu suchen gerathen hast; Darum nun so sihe / wir übergeben dir des Reichs Siegel / und mit demselben allen Gewalt über gantz Egypten; nichts wird mein Person von sich behalten / als den Königlichen Titul: Zepter / Cron und Thron: hier stehen die Vornemste des Reichs dir zu Gebott / und glauben / du werdeste solchen Gewalt / den wir dir geben / nicht mißbrauchen / sondern zu unserer Nation Aufnehmen: Nutzen und Erhaltung anwenden; als welcher Glückseligkeit du dich alsdann auch selbst zu erfreuen hast / vornemlich / wann du ihr also vorstehest / wie wir ein Vertrauen zu dir haben.

Hierauf neigte sich Joseph gantz demütig / er bedanckte sich erstlich des guten zu ihm tragenden Vertrauens / und versichert seinen schuldigen Gehorsam / aufrichtige Treu und emsigen Fleiß / so er bey dem König und dem Reich im Werck zu bezeugen verhoffte; Allein / sagte er: es wird der gerechten Cron eines so großmächtigen Königs übel anständig seyn / wann sie von einem / der Ehebruchs halber beschreiet und befängnust worden seye / bedient würde; derhalben unterthänigst bittend / der König wolte geruhen / ihm ein halbe Stund zu schencken / welche Zeit genug seye / seine gerechte Sach zu verhören / und nach dem sein Unschuld am Tag lege / ihn offentlich vor unschuldig ausruffen zu lassen / damit die Königliche Cron ins künftig seinetwegen kein Nachred gedulten müste / als hätte sie sich mit liderlichen Leuten beholffen / und sich darduch befleckt; er hätte zwar ein Schreiben bey sich / so der Selicha eigne Hand wäre / er getraute aber / wann man deren beyde Jungfern verhörete / die er darunten im Königlichen Hof gesehen hätte / so würden sie seiner Unschuld so genugsam Bezeugniß geben können / daß man des angeregten Schreibens nicht bedörffte.

In selbigem Augenblick wurden / aus Königlichem Befelch / Potiphar der Obrist Kuchenmeister / als Kläger / und die bemeldte beyde Jungfern / als Zeugen beschickt; Der Kuchenmeister / wie wohl er nach dem Tod seiner Frauen ein anders erfahren / beharrete darauf / daß Joseph durch vorgehabtem gewaltthätigen Nothzwang sein Frau erschreckt / und zum Tod gefürdert hätte / beyde Jungfern aber bezeugten das Widerspiel / ihr Zeugnuß aber verwarff Potiphar / und sagte / sie möchten vielleicht hiebevor mit dem Joseph gebuhlet / und sich unterredet haben / ihm durch solche erdichte Aussag davon zu helffen; indem nun Potiphar diesen beyden Jungfern ihr Ehr zugleich zunehmen schiene / wurden sie so erzörnt / daß sie sich auf das Fräulein Asaneth berufften / als welche eben so wohl vom Handel wuste / als sie beyde selbsten; sie wurde gleich geholet / zu erzehlen / was sie vor Nachricht hiervon hatte / welches nicht ohne Jungfräuliche Schamhafftigkeit geschahe / sie wiese auch das Schreiben / so Joseph hiebevor der Selicha aus dem Gefängniß geschickt: Joseph aber legte der Selicha Schreiben vor / auf welches er damals geantwortet / das lautet von Wort zu Wort.

Joseph / wann du deine Weißheit gebrauchen wilt / so kanst du mir und dir helffen / und glückselig leben / du hast erfahren / daß ich Gewalt gehabt / dich ins Gefängniß zu bringen / derowegen kanst du dir nunmehr desto leichter einbilden / daß ich auch mächtig genug seye / dir eben so bald deinen Tod / als deine Wiedererledigung ins Werck zu richten; kurtz geredt / liebster Mensch! ich bitte dich / bequeme dich nach meinem Verlangen / und geniesse alle Gnad und Wolfahrt von mir / oder halte dich widrigen fals versichert / daß du einen abscheulichen Geferten der jenigen im Grab abgeben must / deren du deine liebliche Beywohnung im Leben mißgönnet hast; schick mir deine Antwort / und erwege zuvor wohl / was dir zu thun nutz oder schädlich seye.


 << zurück weiter >>