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Hero.
Ich sehe wohl, um mich geht manches vor,
Das mich betrifft, und nah vielleicht und nächst,
Doch faß ich's nicht und düster ist mein Sinn.
Ich will darüber denken.
Priester. Halt vorerst!!
– Du kannst noch nicht zurück in deine Wohnung!
Erst harrt noch – ein und anderes Geschäft.
Hero.
Geschäft?
Priester (streng). Geschäft! –
(Gemildert.)
Des neuen Amtes Bürde.
Im Tempel ist – Und doch – – Vergaß ich's denn?
Von deinen Eltern kam ein Brief – Vielmehr:
Man meldet mir, ein Bote deiner Eltern,
Von ihnen scheidend noch zu uns gesendet,
Sei angelangt am östlich äußern Tor,
Das abschließt unsern heiligen Bezirk.
Allein die Fischer, die am Meere wohnen,
Mißtrauisch jedem Fremden, und vielleicht
Der Störungen schon kundig dieser Nacht,
Sie wehren ihm den Eintritt bis zu uns.
Ich gönne dir die Freude, geh du hin,
Und sprich den Mann und höre was er bringt.
Hero.
So muß ich selbst –?
Priester. Treibt dich Verlangen nicht?
Botschaft von deinen Eltern, dann –
Hero. Ich gehe.
Priester.
Du findest wohl den Mann bei jenen Hütten,
Doch wär' es nicht, und hätt' er sich entfernt,
So wirst du mir schon weiter wandeln müssen,
Bis du –
Hero. Es soll geschehn.
Priester. Tritt nur indes
Bei unsers Hauses wackerm Schaffer ein,
Von dort aus sende Diener, die ihn suchen.
Und – einmal da, laß dir den Vorrat zeigen,
Den man dort sammelt für der Göttin Dienst.
Das letzte Fest ließ unsern Tempel nackt.
Es fehlt an Weihrauch, Opfergerste, Linnen;
Kannst du davon mir bringen, dank ich dir's.
Hero.
Dann aber kehr ich heim.
Priester. Gewiß! Wenn du
Der Pilgerruh' erst einen Blick gegönnt,
Die dort ganz nah auf schlanken Säulen steht.
Vielleicht birgt unser Mann sich dort zumeist.
Auch haben Waller sich, so heißt's versammelt,
Die ferne her zu unserm Tempel ziehn.
Tritt unter sie und sprich ein nützlich Wort.
Den Opfern die sie bringen wohne bei.
Und hast du so dein heilig Amt vollbracht –
Es wäre denn, der Rückweg gönnte Zeit –
Hero.
Genug, o Herr! Beinah sagt' ich: zuviel.
(Einschmeichelnd.)
Gesteh ich dir's; ich bliebe lieber hier.
Priester (ruhig).
Doch muß es sein.
Hero. Muß es? Nun so gescheh's.
Priester.
Nimm nur die neue Freundin mit, Janthen,
Die dir so sehr gefällt. Das kürzt den Weg.
Hero.
Hast du doch recht, und also will ich tun.
Janthe komm, und leite mich den Pfad.
Dein froh Gespräch laß uns den Weg verkürzen.
Und werd ich müd', so leih mir deinen Arm.
Du aber stille Wohnung lebe wohl!
Eh' noch der Abend graut, seh ich dich wieder!
Wo bist du? Ah! – Sei heute Hero du
Und denke, sprich für mich. Ein andermal
Bin ich Janthe gern! Und sei nicht grämlich. Hörst du?
(Janthens Nacken umschlingend ab.)
Priester.
Zähm ich den Grimm in meiner tiefsten Brust?
Kein Zweifel mehr, die Zeichen treffen ein! –
Ein Mann dem Tempel nah, und Hero weiß es.
Und einer war's von jenen Jünglingen,
Leander und Naukleros hießen sie,
Die, aus Abydos, ich im Haine traf.
Ob aber schon seit lang mit Heuchlerkunst,
Sie mir's verbirgt; ob nun erst, heute, jetzt erst? –
– Naukleros und Leander! Welcher war's?
(Die flachen Hände vor sich hingestreckt.)
In gleichen Schalen wäg ich euer Los.
Die Namen beide ähnlichen Gehalts,
Die Zahl der Laute gleich in ein und anderm,
Desselben Anspruchs jeder auf das Glück:
Indes der eine doch ein Lebender, Beseelter,
Sein Freund ein Toter ist, schon jetzo tot.
Denn weil sie fern, leg ich die Schlingen aus,
Die ihn verderben, kehrt der Kühne wieder.
Unseliger, was strecktest du die Hand
Nach meinem Kind, nach meiner Götter Eigen?
(Nach rückwärts gewendet.)
Ha Alter du noch hier? Laß uns hinauf.
Erforschen jedes Zeichen, das der Tat
Der noch verhüllten, dunkeln Fußtritt zeigt.
Kommt dann die Nacht und siehst du wieder Licht –
Und doch wer weiß, ob wir uns nicht getäuscht?
Ist Zutraun blind, sieht Argwohn leicht zuviel:
Zum mindesten befehl ich dir zu zweifeln,
Bis ich dir sage: glaub's! Erschrick nicht, Alter!
Geh nur voran und öffne jene Tür.
(Der Alte geht dem Turme zu.)
Priester (im Begriff ihm zu folgen).
Fortan sei Ruh'! Der Torheit Werk vergeh'!
Der Morgen find' es nicht. Es sei gewesen.
(Mit dem Diener in den Turm ab.)
(Kurze Gegend. Rechts im Vorgrunde Leanders Hütte. Daneben ein Baum mit einem Votivbilde.)
Naukleros (kommt und bleibt vor der Hütte stehen, mit dem Fuß auf den Boden stampfend).
Leander, hör! Machst du nicht auf? – Leander!
Bis jetzt hat meine Sorgfalt ihn bewahrt.
Ich ließ ihn gestern abends in der Hütte
Und heute tat, die Nachbarn sagen's,
Sich noch nicht auf die festverschloßne Tür.
Doch gilt's zu wachen noch, zu hüten, sorgen.
Was aber zögert er? Es ist schon spät.
Hat allzu großer Schmerz –? Wie, oder gar?
Vergaß vielleicht den Gram und seine Leiden?
Und träumt nun langgestreckt? Leander! Ho!
Langschläfer, Ohnesorg! Beim Sonnengott!
Machst du nicht auf, so spreng ich dir die Tür!
Mit alle dem dünkt's mich doch sonderbar.
(Er sieht durch die Spalte.)
(Leander tritt links im Hintergrunde auf.)
Leander.
Huhup!
(Er zieht sich wieder zurück.)
Naukleros (rasch umgewendet).
Wer da? – Freund oder Feind?
Leander (vortretend). Ha, ha!
Erschreckt?
(Er trägt einen Stab in der Hand und unter dem Arm ein Schleiertuch, dessen eines Ende er während des Folgenden in eine Schleife bindet.)
Naukleros. Du selbst? und also spöttisch
Genüber deinem Meister deinem Herrn?
Und dann? – Was dünkt mir denn? – Wo kommst du her?
Verließ ich dich nicht abends in der Hütte?
Und heute, – sieh, ich weiß, die Nachbarn sagen's –
Ging noch nicht auf die festverschloßne Tür.
Wo kommst du her? und wie?
(Er greift mit der Hand hin um Leanders Beschäftigung zu unterbrechen.)
Leander (zurückziehend).
Mein Stab! Mein Wimpel, ei!
Naukleros.
Dein Haar ist feucht, die schweren Kleider kleben.
Du warst im Meer.
Leander. Wie bündig schließt der Mann!
(Er geht während des Folgenden nach rückwärts zum Baume und legt Stab und Schleier auf einer Erderhöhung unter dem Götterbilde nieder.)
Naukleros (seinen Bewegungen folgend).
Im Meer! – Weshalb? – Du warst doch nicht? – Leander!
Weißt du? Sie senden Späher aus von Sestos,
An unserm Ufer hat man ihrer schon gesehn.
Wenn nun so weit, bis über Meeresgrenze
Ihr Argwohn reicht, um wieviel strenger denkst du
Das jenseits dir bewacht, uns feind von je?
Der wär' ein Tor, der irgend es versuchte,
Zu stürzen sich ins aufgespannte Netz.
Dann aber: wie?
Leander (der wieder zurückgekommen ist, nach rückwärts sprechend).
Bewahre mir's, du Gott!
Naukleros.
Noch einmal: wie? Du weißt, ich brach das Steuer
Von deinem Kahn, und alle Nachbarn hielten
Auf mein Gesuch die Nachen unterm Schloß.
Wenn nun zu Schiffe nicht, wie sonst? Denn schwimmend,
Leander schwimmend – Kennst du auch den Raum,
Der trennt Abydos' Strand von Sestos' Küste?
Kein Lebender kommt lebend drüben an,
Denn hielte auch die Kraft, so starren Klippen,
Die reichen rings, soweit das Ufer reicht,
Kein Ruheplatz, noch Anfurt, keine Stelle,
Die sichre Landung beut.
Leander. Sieh nur! so schroff?
Naukleros.
Nun ja, ein Ort ist zwischen scharfen Klippen,
Dort mag ein Glückskind, das ihn nicht verfehlt,
In finstrer Nacht, dort mag dem Land er nahn.
Ein Turm steht da, voreinst zum Schutz gebaut;
Jetzt wohnt die Priesterjungfrau drin, die einst wir
Im Haine sahn. Du wohl seitdem – Leander!
Birg nicht dein Aug'! Zu spät! Denn es gestand.
Nun, du warst dort heut nacht, statt hier zu ruhn,
Fandst glücklich aus den einz'gen Platz der Landung,
Und standst am Turm, den feuchten Blick empor,
Liebäugelnd mit dem Licht in ihrer Kammer.
Sahst ihre Schatten an den Wänden fliehn,
Beglückt, um höhern Preis nicht, als den Tod,
Im Übermaß von so viel Glück zu schwelgen.
Leander.
Armseliger!
Naukleros. Auch das! Die Schildrung war zu schwach.
Du sahst sie, sprachst mit ihr, fandst Haus und Pforte
Geöffnet, unbewacht, tratst ein –
Leander (sich in seine Arme werfend).
Naukleros!
Fühlst du den Kuß? Und weißt du, wer ihn gab?
Naukleros.
Laß ab! Dein Kuß ist Tod.
Leander. So furchtsam?
Naukleros feig?
Naukleros. Nun ja, ich seh es wohl, wir haben,
Die Plätze haben wir getauscht. Ich furchtsam,
Du kühn; Leander frohen Muts, Naukleros –
Ich werde doch nicht gar noch weinen sollen?
Wohlan, geh in den Tod! Nur eines,
Ein einziges versprich mir: Dieses Mal,
Diesmal such mir ihn nicht. Bleib fern von Sestos.
Damit, wenn du nun daliegst bleich und kalt,
Ich mir nicht sagen müsse: Du warst's, du,
Der treulos seine Freundespflicht versäumt,
Ihm selber wies die todgeschwellten Früchte,
Selbst wob das Netz, das klammernd ihn umfing.
(Ein Knie zur Erde gebeugt.)
Leander!
Leander. Bist du krank? Was kommt dir an?
Naukleros.
Hast du doch recht, und fürder auch kein Wort!
Wer spräch' auch wohl zum brandend tauben Meer,
Zum lauten Sturm, dem wilden Tier der Wüste,
Das achtlos folgt der angebornen Gier.
Darum kein Wort! Nur, denkst du irgend noch
Der Freundschaft, die uns einst –
Leander. Naukleros, einst?
Naukleros.
Laß das! Es spricht die Tat. Schein ich dir irgend
Noch eines kleinen, armen Dienstes wert:
Tu mir die Lieb' und öffne jene Tür.
Leander.
Wozu?
Naukleros. Ich bitte dich!
Leander. Der Schlüssel, weißt du,
Liegt unterm Stein.
Naukleros. Tu's selbst!
Leander (der die Türe der Hütte geöffnet hat).
Es ist geschehn.
Naukleros.
Wohlan! Und daß ich dankbar mich erweise:
Geh dort hinein!
Leander. Ich nicht!
Naukleros. Du sollst! Du mußt!
Der Stärkre war ich stets, der Ältre bin ich,
Und jetzt stählt Sorge dreifach meinen Arm.
(Leander anfassend.)
So faß ich dich, so halt ich dich, so drück ich
Dich an den Grund. Gehorchst du wohl?
Leander (mit gebrochenen Knien).
Halt ein!
Naukleros (ihn loslassend).
Armseliger! von Lieb' und Wellen matt!
Und nun hinein!
Leander (zurückweichend).
Fürwahr! ich werde nicht!
Naukleros (ihn anfassend und zurückdrängend).
Du wirst, du sollst, du mußt!
Leander. Laß ab!
Naukleros. Vergebens!
(Er hat ihn in die Türe gedrängt, die er jetzt rasch an sich zieht.)
Nun zu die Tür!
(Er dreht den Schlüssel.)
Und schwimm du künftig wieder!
Ich will als Schließer selbst dir Nahrung bringen.
Doch daß du nicht entkommst, bin ich dir gut.
Leander (von innen).
Naukleros!
Naukleros. Nein!
Leander. Ein Wörtchen nur!
Naukleros. Nicht eins!
Leander.
Doch wenn mein Heil, mein Leben dran geknüpft,
Daß du mich hörst?
Naukleros. Was also wär' es denn?
Leander.
Nur eine Spanne weit mach auf die Tür!
Mein Dasein ist bedroht, wenn du's verweigerst.
Naukleros.
Nun, Handbreit öffn' ich denn.
(Zurückprallend.)
Ha, was ist das?
(Leander stürzt aus der Hütte, das Haupt mit einem Helme bedeckt, den Schild am Arme, ein bloßes Schwert in der Hand.)
Leander.
Komm an! komm an! Warum nicht hältst du mich?
Noch ist mir meines Vaters Helm und Schwert,
Und Tod dräut jedem, der sich widersetzt.
Tor, der du bist! und denkst du den zu halten,
Den alle Götter schützen, leitet ihre Macht?
Was mir bestimmt, ich will's, ich werd's erfüllen:
Kein Sterblicher hält Götterwalten auf.
Ihr aber, die ihr rettend mich beschirmt
Durch Wellennacht:
(Er kniet.)
Poseidon, mächtiger Gott!
Der du die Wasser legtest an die Zügel,
Den Tod mir scheuchtest von dem feuchten Mund.
Zeus, mächtig über allen, hehr und groß!
Und Liebesgöttin, du, die mich berief,
Den kundlos Neuen, lernend zu belehren
Die Unberichteten was dein Gebot.
Steht ihr mir bei und leitet wie bisher!
(Aufstehend und Schild und Schwert von sich werfend, den Helm noch immer auf dem Haupte.)
Drum keine Waffen! Euer Schutz genügt.
Mit ihm geharnischt, wie mit ehrner Wehr,
Stürz ich mich kühn in Mitte der Gefahren.
(Schnell den Stab mit dem Schleiertuche aufnehmend und die dareingeknüpfte Schleife an die Spitze des Stabes befestigend, indes er das andere Ende mit der Hand daran festhält.)
Und dieses Tuch, geraubt von heil'ger Stelle,
Schwing ich als Wimpel in vermeßner Hand.
Es weist den Weg mir durch die Wasserwüste,
Und läßt ein Gott erreichen mich die Küste,
Pflanz ich, ein Sieger, es auf den erstiegnen Strand.
Erlieg ich, sei's durch Euch! und also fort!
(Das Tuch flaggenartig schwingend.)
Amor und Hymen, ziehet ihr voran,
Ich komm, ich folg, und wäre Tod der Dritte!
(Er eilt fort.)