Franz Grillparzer
Ein treuer Diener seines Herrn
Franz Grillparzer

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Erny.
Spart Eure Ritterpflicht auf größre Not!
Mit freier Wahl erkor ich meinen Gatten.
Und wenn nicht jung und wenn nicht blühend auch,
Weit höher acht ich ihn, als –

Otto.
        Sprecht nicht weiter!
Antwortet mehr nicht als man Euch gefragt.
Beleidigen ist leicht, doch schwer versöhnen.

Erny.
Wir sind zu Ende, scheint's, und ich kann gehn.

Otto.
Noch nicht! Das Letzte fehlt, ist noch zu sagen.
Dies Land, wo meine Schwester lebt und herrscht,
Wo alles mich umringt mit Lust und Freuden,
Durch die Ereignisse der letzten Zeit
Ist's mir zum Greul geworden und zur Hölle.
Nach Deutschland kehr ich heim. – Ich seh, es freut Euch!
Nun, um so lieber reis ich, macht's Euch Freude.
Beim Scheiden nun gönnt mir als letzten Trost –
Ihr könnt es leicht, denn bin ich fern, wie kann ich
Je Vorteil ziehn aus Eurer Huld und Meinung. –
Gönnt mir den Trost, daß Ihr Euch mein erinnert.

Erny.
Erinnern Eurer? Nie!

Otto.
        Daß ich Euch völlig
Gleichgültig nicht.

Erny.
        Gleichgültig ganz und völlig.

Otto.
Ihr lügt! – Ihr täuscht Euch, fürcht ich! – O ich weiß,
Was Euch so strenge macht, so herb und kalt.
Ihr haltet mich für schlimm. Ich bin's, ich war's!
Geboren auf der unglücksel'gen Höhe,
Wo man nicht Menschen kennt, nur Schmeichler, Sklaven;
Emporgetragen von des Haufens Gunst,
Aus Hand in Hand, ein Spielball fremder Neigung;
Begabt mit manchem, was sonst Frauen lockt,
Stürzt' ich mich in des Lebens bunt Gewühl.
War ich nicht gut, ich konnte schlimmer sein;
Gab böses Beispiel ich, wer gab mir gutes?
O wäret damals Ihr in Himmelsklarheit
Hinabgestiegen in die Schauerhöhle,
Wo ich, mit Molch und Natter spielend, lag;
Ich hätt's erkannt an Eurem reinen Licht,
Wär' Euch gefolgt, wär' glücklich nun und selig.

Erny.
Setzt Ihr's voraus, weil's nun unmöglich ist?

Otto.
O nicht unmöglich, jetzt noch möglich, jetzt noch!
Wenn Ihr nur wollt, wenn Ihr Euch nicht entzieht.
Ich fordre ja nicht Liebe, Liebe nicht!
Gönnt mir nur Anteil, Neigung, Euer Aug' nur,
Daß ich es fragen darf mit meinen Augen:
War's also recht? wenn ich nicht schlimm getan.
Ihr willigt ein? Ihr stoßt mich nicht zurück?

Erny.
Habt Ihr vergessen, daß Ihr reisen wolltet?
Der Meister hat den Schüler gern um sich,
Ich aber wünsch Euch fern.

Otto.
        Verkennt Ihr denn
Der Tugend schönstes, weltbeglückend Vorrecht,
Wo sie geblüht, auch Samen auszustreun?
Genügt es denn der Sonne, daß sie Licht,
Geht sie nicht auf, uns alle zu erleuchten?
Wenn ihr dereinst am großen Tage steht,
Umgeben von den Engeln Eurer Taten
Wollt Ihr dann nicht den Blick zurückesenden
Und sagen: dieser Mann ist auch mein Werk?

Erny.
Es hört sich gut, doch handelt Ihr nicht so.
Wer dürft' Euch trauen, wenn er wollte selbst?

Otto.
Ihr dürft. Ihr sollt! O dieser Augenblick
Ist fruchtbar an Entwürfen und an Taten!
Gesteh ich's Euch! Als man Euch herbeschied
War finster meine Brust, und Gräßliches,
Das Äußerste bewegte sich in mir.
Doch Euer Anblick bannte jene Schatten.
Lernt mich erst kennen, achten wohl zuletzt!
Des Leuchtturms Flamme seid dem irren Schiffer.
Er sieht das Ufer nicht, von Nacht umfangen,
Doch steuert er getrost dem Schimmer zu,
Er weiß, dort wo das Licht, ist Land und Rettung.
Ihr wollt? Ihr tut's? Gebt mir die Hand darauf.
Die Hand, um die ich bitte – Eure Hand!

Erny.
Ha, was war das? Enthüllst du selber dich?
Tilg erst den Schimmer dort aus deinem Auge,
Der lauernd sich gelungner Plane freut.
Wirbst du nach Tugend, und gehörst der Sünde?

Otto.
Der Sünde nicht! Noch nicht! Noch ist es Zeit!
Gib mir ein mildes Wort, und rette dich,
Errette dich und mich.

Erny.
        Ich, Milde dir?
Ich hasse, ich verabscheue ich ver –

Otto.
        – achte!
Verachtung, war's nicht so? – Merkt Euch das Wort!
Ihr spracht es einmal schon, an jenem Abend,
Merkt Euch das Wort! Ihr steht dafür mir Rede!
Fahr aus, du guter Geist, der mich beschlich,
Als ich sie bat, der fast mich übermannt,
Räum deinen Platz dem Finstersten der Hölle!
Schwachsinnig Weib mit der erlognen Tugend,
Die heilig möchte heißen, weil sie kalt,
Du liebst mich nicht? Was frag ich um dein Lieben!
Du hassest mich? Was kümmert mich dein Haß!
Doch weißt du, Törin, was Verachtung heißt?
Verachtest du mich, Weib? Das bitt mir ab,
Auf diesen deinen Knieen bitt es ab,
Sonst fürchte meinen Zorn!

Erny.
        O Gott! mein Gott!
Wer rettet mich?

Otto.
        Du selbst! wenn du dich fügst.
Allein, wenn nicht, dann Unglücksel'ge! wisse:
Verschwinden sollst du vom Gesicht der Erde,
Daß sich die Leute fragen: ist sie tot?
Indes du lebst in dunklen Schauerklüften,
Umgeben von des Ortes Einsamkeiten,
Wo nur Erinnerung und du.
Dort sollst du jammern, sollst die Hände ringen,
Wie einen Festtag zählen jeden Tag,
Wo mich mein Fuß in deine Zelle trägt.
Umsonst dein Flehn, umsonst selbst deine Liebe
(Näher tretend.)
Wenn du mir Liebe bötest selbst.

Erny.
        Ich dir?
Ha, mein Gefühl, ich hab es dir genannt.

Otto.
Du hast, es sei!
(Er tritt hinter den Vorhang.)

Erny.
        O Gott! Was wird?
Er sinnt Gefährliches. Nur fort! Entfliehn!
(Sie eilt zur Türe, und versucht es, sie zu öffnen.)
Die Tür verschlossen. – Gott, wer schloß die Tür?
Wer rettet mich? Sie kommen! Großer Gott!

(Der Vorhang fliegt auseinander. Herzog Otto tritt vor. Hinter ihm zwei Gewappnete, deren einer die Schnur des Vorhanges gezogen hat. Im Hintergrunde zeigt ein, aus seinem Rahmen geschobenes, großes Bild den Eingang, durch den sie gekommen sind.)

Otto.
Ergreift dies Weib! Bringt sie nach Forchenstein,
Auf den geheimen Pfaden, die ihr kennt.

Erny (die wieder nach der linken Seite des Vorgrundes geflohen ist).
Mein Prinz!

Otto.
        Es ist zu spät!

(An der Tapetentüre wird gepocht.)

                Ha Schwester, du?
Es ist zu spät, sag ich nun auch zu dir!
(Er dreht den Schlüssel an der Tapetentüre.)
Die Würfel liegen, und kein Schritt zurück.
Ergreift sie, sag ich euch!

Erny.
        Ich aber: Weicht!
(Sie hat den Dolch ergriffen, der auf dem Tische lag.)
Du hilfreich Werkzeug, dich hat Gott gesendet!
Glaubst du dich meiner Herr, und jauchzest drob?
Wer mich berührt, den trifft dies scharfe Eisen.
Ein zürnend Weib und eine Ungarin,
Wer wagt's, und naht?

(Sie tut einige Schritte ihnen entgegen, die Gewappneten halten ein.)

Otto.
        Ha Feige! zittert ihr?
Und habt doch Harnisch an?

(Die Gewappneten gehen auf sie los.)

Erny.
        Erbarmen! – Ha,
Sie nahn, sie fassen mich!

(Einer der Gewappneten hat sie ergriffen, sie reißt sich los.)

        Hier ist kein Harnisch!
(Sie stößt sich den Dolch in die Brust.)
O weh! – Es schmerzt! – Muß ich so früh schon sterben? –
Mein Blut! – Es schmerzt! –

(Sie sinkt zu Boden. – Herzog Otto entflieht nach dem Innern des Gemaches zu. Sobald gepocht wird, bleibt er erstarrt stehen, noch immer in der Stellung eines Fliehenden, den Rücken gegen die Zuschauer gekehrt.)

Königin (von innen an die Tapetentüre pochend).
        Macht auf! bei eurem Leben, öffnet!

(Einer der Gewappneten öffnet die Tapetentür. Königin tritt heraus.)

Was ging hier vor? Um aller Heil'gen willen?
Verruchter! Das mein Lohn und dein Versprechen?
Sucht Hilfe, eilt!

(Um die Tote beschäftigt. An der Seitentüre rechts wird heftig geschlagen, verworrne Stimmen lassen sich hören.)

        Mein Gott! Was ist nun das?

Peter (von außen).
Sie ging hinein, wir haben sie gesehn!

Simon (ebenso).
Sprengt auf die Türe, öffnen sie nicht willig.

Königin (ihren Bruder an der Hand ergreifend und vorführend).
Unseliger, stell dich an meine Seite,
Die Rasenden ergreifen, töten dich.

(Die Türe wird eingesprengt. Bancbanus. Die Grafen Simon und Peter mit Dienern und Gewaffneten stürzen herein.)

Simon.
Bancbanus, sieh! dort liegt dein Weib ermordet!

Bancbanus.
O Erny, o mein Kind, mein gutes, frommes Kind!
(Kniet an der Leiche.)

Peter.
Ist keine Hilfe? Sendet Diener aus!

Simon.
Umsonst! getroffen ist der Sitz des Lebens,
Kein Arzt, kein Gott gibt wieder sie zurück.
Nichts mehr für sie zu tun, als sie zu rächen!
Dort ist der Mörder! Dieser hat's getan.
(Auf Otto zeigend.)
Heraus mein Schwert und freu dich auf ein Fest!

Peter.
Du grimmer Wolf, was tat dir dies mein Lamm?
(Er zieht ebenfalls.)

Simon.
Auf ihn! Haut ihn in Stücke! Stoßt ihn nieder!

Königin.
Zurück! Wer klagt hier an, und wer beweist?

Peter.
Liegt nicht das Opfer tot in seinem Blut?

Simon.
Steht nicht der Henker dort? Wer anders konnt' es?

Königin.
Wer anders? Ich! ich selber hab's getan.
Sie hatte höchlich sich an mir vergangen,
Und also straft' ich sie. Wenn mein Gemahl
Zurückekehrt, steh ich dem König Rede.
Bis dahin – (Zu Otto.) Komm! – Und Ihr kennt Eure Pflicht!

(Mit ihrem Bruder zum Abgehen gewendet. Die übrigen stehen um die Leiche.)


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