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Hauptmann (halb leise).
Sie läßt Euch bitten, eilig heimzukehren.
Der König will zur Stunde fort. Sie hofft
Ihn noch ein Weilchen aufzuhalten, und
Das Äußerste, das Letzte zu versuchen,
Um ihren Wunsch, sich Euch, solang er fern,
Beizugesellen in des Reichs Geschäften,
Beim Abschied zu erlangen. Zwar sie zweifelt.
Doch sollt Ihr heim, damit, wenn's doch gelänge,
Ihr Euch beflissen zeigt, durch kluge Worte
Befestiget den Eindruck, den sie hofft.
Otto.
Nun denn, es sei! Es ist ihr Lieblingswunsch;
Sie fügt sich gerne sonst auch meinen Wünschen.
Obgleich mich selbst erborgte Herrschaft,
Geteilte Herrschaft nimmermehr erfreut.
Kommt! die Belagerung ist aufgehoben!
Der Feind erhole sich, und träum indessen
Von seinem, der zuletzt wohl unser Sieg.
(Alle ab.)
Saal in der königlichen Burg.
König Andreas, völlig gerüstet, tritt aus der Seitentüre links. Die Königin, im Nachtkleide, folgt, ihn zurückhaltend. Ein Kämmerer, der des Königs Helm trägt, öffnet die Türe.
Gertrude.
Ich bitt Euch, weilt noch länger, mein Gemahl!
König.
Geliebtes Weib, du weißt, es drängt die Pflicht.
Gertrude.
Doch drängt auch Liebe, jeden, der sie fühlt.
König.
Schon eine Stunde gab dir der Gemahl,
Der König darf dir keine zweite geben.
Der Tag bricht an, das Heer erwartet mich.
(Zum Kämmerer.)
Ruft meine Räte, ruft den ganzen Hof,
Daß sie vernehmen ihres Königs Willen.
Gertrude (zum König).
Halt noch! – Verzeiht! Es ist die Gattin nicht,
Es ist das Reich, das noch zwei Worte fordert.
(Zum Kämmerer.)
Verweilt im Vorgemach, bis man Euch ruft.
(Der König winkt gewährend. Der Kämmerer geht ab.)
Gertrude.
Ich weiß, Ihr ruft den Hofhalt und die Räte,
Um für die Zeit, da Ihr vom Lande fern,
Zu ordnen die Regierung, das Geschäft.
Den ersten Platz im Staate nun, ich weiß es,
Weil Eure Lieb' ich kenn, und ihr's verspracht,
Bestimmt Ihr mir, der Mutter Eurer Kinder,
Der treusten Hüterin von ihrem Erbe.
Insoweit dank ich Euch und bin zufrieden.
Doch ist noch eins, das mich mit Sorg' erfüllt.
König.
Und was, Gertrude, sprich!
Gertrude.
Ihr habt erklärt,
Ob nun mit Recht, mit Unrecht, stell ich hin,
Daß manches sich ergibt im Kreis des Herrschers,
Das rasch persönliches, selbsteignes Walten,
Zutun und Fassen fordert und bedingt
Und eines Männerarms bedarf.
König.
So ist's.
Gertrude.
Den Mann nun, der vollziehe, was beschlossen,
Erübrigt noch zu nennen, zu bestimmen.
König.
Auch dafür ist gesorgt!
Gertrude.
O stille! still!
Sprecht keinen Namen aus, der, ausgesprochen,
Zu Schlüssen stempelt prüfende Gedanken,
Und Euch zu halten nötigt das Gesagte;
Nicht weil es gut, nein, weil Ihr es gesagt.
Wenn Ihr mich liebt, wenn ich Euch jemals wert,
So gebt den Herzog, meinen Bruder, mir
Als Mitgenoß des fürstlichen Geschäfts.
Ich seh es, Eure Stirne runzelt sich.
Ihr liebt ihn nicht! Schon oft hab ich's bemerkt,
Mit Schmerz, mit tiefem Kummer es bemerkt,
Ihr liebt ihn nicht!
König.
Ich liebe, was ich achte.
Gertrude.
So achtet Ihr ihn nicht? Wer darf das sagen?
O glaubt nicht, was der Neid von ihm berichtet,
Die Scheelsucht, die nur lobt, was klein wie sie.
Der Schwester glaubt, die ich ihn kenn und liebe;
Die ich ihn liebe, ja! denn wahrlich, Herr,
Die Liebe nur erkennt und ist gerecht.
Ihr gebt ihm Fehler. Sei's! doch schaut um Euch,
Wo lebt der Mann hier Landes, ihm vergleichbar?
Sprech ich zuerst von seines Äußern Gaben?
Wie sie so herrlich sind, unübertroffen,
Und alle dienstbar seinem kühnen Geist.
Sein blitzend Aug', es blitzt auch auf die Feinde,
Der frische Mund macht Überredung süß,
Die Heldenbrust, der Glieder kräft'ger Bau
Verkündet ihn als Herrn und als Gebieter.
Glaubt Ihr, ein Meuter wagte zu bestehn,
Mit dem Gefühl der Schuld in seiner Brust,
Vor eines solchen Blick? – Fürwahr, fürwahr!
Des Geistes hohe Gaben acht ich alle,
Doch erst, wenn so des Äußern Trefflichkeiten,
Herolden gleich, vor ihnen her trommeten,
Dann ziehn sie ein als Könige der Welt.
König.
Du bist begeistert!
Gertrude.
Ja, ich bin's, und weh mir,
Wenn ich's nicht wäre, wo es Würd'ges gilt.
Sagt selbst, ist nicht mein Bruder tapfer, klug,
Entschlossen und verschwiegen, listig, kühn,
Kein Zaudrer?
König.
Ja.
Gertrude.
Was fehlt ihm also?
König.
Sitte!
Gertrude.
Nun, er ist jung, viel geht der Jugend hin,
Und viel erreicht sie selbst durch ihre Fehler.
Er ist geschäftlos, gebt ihm ein Geschäft!
Und dann was tut er auch? Er schwärmt, er liebt.
In Frankreich achtet man den Jüngling wenig,
Der nicht bei Weibern gilt, im Zwist der Minne
Den Geist vorübend schärft für ernstern Zwist.
König.
So üb' er sich in Frankreich, wo man's duldet,
Und abgeklärt, sei er willkommen mir.
Von andern Völkern borgt das Schlimme nicht,
Wer weiß, ob euch erreichbar ist ihr Gutes?
Der Franke mag durch manche hohe Gaben
Den Leichtsinn adeln, dem er gern sich gibt;
Mein Land bewohnt ein einfach stilles Volk,
Zu jeder Art des Guten rasch und tüchtig,
Doch Sitte hält ihr unverrückbar Maß
Streng zwischen allzuwenig, und zuviel,
Und bannt den spröden, überscharfen Sinn.
So ist, so muß es sein, so soll es bleiben!
(Geht gegen die Mitteltüre zu.)
Gertrude.
Hört nur noch eins. – Ihr nanntet oft mich stolz,
Ein kühnes Weib, vergleichbar einem Mann.
Ich war's, ich bin's! Und doch – seht mich hier knien.
(Sie kniet.)
Gebt meinen Bruder mir als Reichsgehilfen!
Gönnt ihm den Namen nur! Ich will ihn hüten,
Er soll nichts tun, um was ich nicht gewußt.
Wie einem Vogel man die Flügel schneidet,
Nun hüpft er frei, und dünkt sich frei, und ist's nicht.
So will ich halten ihn, mit Liebe füttern,
Und er soll Dank mir zwitschern, und gedeihn.
Gönnt ihm den Namen nur, daß er sich fühle,
Zufrieden sei, zum erstenmal zufrieden.
(Der König hat sie aufgehoben.)
Ihr seht mich schwach; ich schäme mich, und doch
Kann ich nur wiederholen: Tut's, o tut's!
König.
Macht mich der Bruder eifersüchtig nicht?
Gertrude.
Nicht so! Ich liebe dich, weiß Gott, wie innig!
Doch war die Zeit, da ich dich noch nicht kannte.
Erst nach durchlebter Jugend fand ich dich,
Und seitdem wandelt auch mein Geist mit dir.
Doch er, an seiner Wiege stand ich schon,
Er war die Puppe, die ich tändelnd schmückte;
Mein Vaterland, der Eltern stilles Haus,
Mein erst Gefühl, die Kindheit lebt in ihm.
Ich grollte stets, daß ich ein Mädchen war,
Ein Knabe wünscht' ich mir zu sein, wie Otto.
Er wuchs heran, in ihm war ich ein Jüngling,
In ihm ging ich zur Jagd, bestieg das Roß,
In ihm lockt' ich des Burgwarts blöde Töchter. –
Ihr wißt, wie ich die Zucht als Weib gehalten,
Doch tat mir's wohl, in seinem kecken Tun
Traumweis zu überfliegen jene Schranken,
In die ein enger Kreis die Weiber bannt.
Er ist mein Ich, er ist der Mann Gertrude,
Ich bitt Euch, trennt mich nicht von meinem Selbst!
Soll er mein Helfer sein, wir wollen leben
Wie drei Geschwister, Euer Volk das dritte!
Soll er?
König.
Was machst du, Weib, aus mir?
Gertrude.
Soll er?
König.
Nun wohl, ich will ihn sprechen.
Gertrude.
Dank, o Dank!
König.
Du dankst zu früh! Nur einen Teil der Macht,
Das Heer vielleicht, soll er indes verwalten,
Und unter Aufsicht.
Gertrude.
Unter mir! das Ganze.
König (mit dem Fuße stampfend).
Hollah!
(Der Kämmerer tritt ein.)
Ruft meinen Schwager, Herzog Otto!
Ihr zögert? –
Kämmerer.
Herr!
Gertrude (gegen den Kämmerer, der indes Gebärden gemacht hat).
Mein Bruder ist nicht wohl.
König (zum Kämmerer).
Bei deinem Kopf! Wo ist der Herzog Otto?
Kämmerer.
Herr, nicht daheim!
König.
Seit wann?
Kämmerer.
Die ganze Nacht.
König (zu Gertruden).
Ihr seht, der Reichsverweser hat Geschäfte,
Wir wollen sie nicht lästig noch vermehren.
(Er öffnet selbst die Mitteltüre.)
Herein, wer noch im Vorsaal! Herrn und Räte!
Laßt uns besorgen, was noch weiter obliegt.
Kämmerer (zur Königin).
Erlauchte Frau –
Gertrude.
Daß du verdammt wärst!
(Sie zerreißt ihr Schnupftuch.)
(Die Großen und Räte sind indes mit Verbeugungen eingetreten. Darunter Bancbanus, die Grafen Simon und Peter. Sie ordnen sich im Mittelgrunde. Der König steht vorn am Tische rechts. Die Königin ihm gegenüber auf der linken Seite.)
König.
Edle Herrn!
Die Pflicht ruft mich aus eurer Mitte fort.
Galizien, das Ungarns altes Anrecht,
Durch Erb' und Unterwerfung uns zu Dienst,
Man sucht durch Trug und schlaugelegte Ränke
Es abzuziehn von der beschwornen Pflicht.
Mein Heer erwartet mich, daß wir versuchen,
Was die Gewalt vermag im Dienst des Rechts.
Ich scheide, lebet wohl. Damit indes –
(Herzog Otto kommt, sich durch die Versammlung durchdrängend, die er mit den Augen mustert.)
Otto.
Wie? Keine Frauen hier? Nur Bärte, Bärte?
Ah, Schwester!
Gertrude.
Sieh, Unsel'ger! Dort der König!
Otto.
Nun schön! Ich dacht', Ihr wärt schon abgereist!
(Geht auf ihn zu.)
König.
Beliebt's Euch, tretet dorthin, Herr! Wir haben
Noch ein'ge Kleinigkeiten abzutun.
Nicht hier! Ich bitt Euch, dort! Wir werden eilen!
(Otto geht quer über die Bühne und stellt sich in die Nähe der Königin.)
Nun denn. Solang ich fort, vom Lande fern,
Wird meine Frau hier, eure Königin,
Vertreten meine Statt. Ihr gebt die Ehren,
Sonst mir gezollt. Sie wird im Rate sitzen,
Vollziehn mit Unterfert'gung das Geschäft.
Sie teilt Belohnung, leiht im Lehenhof;
Was Gnade gibt, empfängt man nur durch sie.
In Sachen bloß des Rechts, und was noch sonst
Des kühlern Blicks bedarf, und dies Papier benennt,
Stell ich an ihre Seite zum Genossen,
Der auch im Rate sitzt, und ohne den
Nichts von dem übrigen auch wird verhandelt;
Der stets den Vortrag führt, und mir berichtet,
Wo sich in Wichtigem die Meinung teilt
(Pause, in der er die Räte fixiert.)
Gertrude (zu Otto).
Unglücklicher, warum kamst du so spät?
König.
Zu alledem zum Reichsgehilf ernenn ich –
Tritt vor Bancbanus! Hier! – Ernenn ich dich!
Sei du ihr Aug' und Ohr, sei Hand und Arm,
Sie wird der Geist sein, der durch dich gebietet.
Stets warst du treuer Diener deines Herrn,
Du wirst's auch hierin sein.
Bancbanus.
Ach Herr, bedenkt!
König.
Es ist bedacht!
Bancbanus.
Ich bin ein schwacher Mann!
König.
So minder wohl verlockt dich die Gewalt!
Bancbanus.
Bin alt!
König.
Ist Herrschen denn ein Knabenspielwerk?
Ich hab's gesagt, und reif erwogen auch;
Dein Weigern zeigt mir, daß ich recht gewählt.
Wo ist mein Sohn? bringt meinen Sohn zum Abschied!
Hier, dies Papier bezeichnet deinen Kreis;
Wie vorwärts nicht, so rückwärts nicht gefußt!
Denn, was du darfst, ist dem gleich, was du mußt.
Kannst du den Herzog hier im Heere brauchen,
So tu's; wenn nicht, ich stell es dir anheim.
Geh hin, und küß die Hand der Königin,
Sei ihr zu Dienst, und bitt um ihre Gnade.
Wo ist mein Sohn?
Bancbanus (sich der Königin nähernd).
Erlauchte Frau, erlaubt!
Gertrude (ihre Hand heftig zurückziehend).
Tolldreist und Tor!
König.
Was ist? Gertrude, wie?
Verweigerst du die Hand dem Manne, dem –
Gott und Gericht! Ist das der volle Dank?
Beginnt der Unfried, eh' ich noch geschieden?
Gib deine Schrift! Bancbanus, gib die Vollmacht!
Vor weiterm will ich wohl mein Land bewahren!
Die Königinnen saßen sonst am Kunkel,
Solang ihr Mann im Feld. Bancbanus, gib!
Ich will Euch Grenzen setzen, daß Ihr's wahrnehmt,
Und wärt Ihr blind vor Hochmut und vor Grimm!
Gertrude.
Hier meine Hand! Ich werd Euch gnädig sein,
Wenn Ihr's verdient.
König.
Geh hin, Bancban, geh hin!
Was? Seh ich recht? Wohl eine Träne gar?
Bancbanus.
Ich sagt Euch's, Herr! Ich tauge nicht dafür!
König.
Du taugst, mein Freund, nur du! Küß ihre Hand.
Ob heftig zwar, ist sie gerecht und klug.
(Man hat den kleinen Bela gebracht. Bancbanus küßt die Hand der Königin.)
Und nun, lebt wohl! Gertrude, teures Weib!
Bela, mein Sohn! Mein gutes, liebes Kind!
Lebt wohl, ihr alle! alle meine Freunde!
(Zu Bancbanus.)
Vor andern aber wend ich mich zu dir,
Dem ich mein Haus vertraue, Weib und Kind.
Als ich dich wählte, dacht' ich Ruhe mir,
In Feld und Stadt, in Schloß und Hütten Ruhe.
Die fordr' ich nun von dir. Kehr ich zurück,
Und finde sie gestört, die fromme Ruhe; –
Nicht strafen werd ich dich, nur dich vermeiden,
Und stirbst du, setzen auf dein ruhmlos Grab:
Er war ein Greis, und konnte sich nicht zügeln;
Er war ein Ungar, und vergaß der Treu;
Er war ein Mann, und hat nicht Wort gehalten!
Doch wird's nicht kommen so, ich weiß, ich weiß!
Lebt alle wohl, und Gott sei über euch!
(Er geht.)
Alle (drängen sich um ihn, indem sie rufen):
Heil auf den Weg!
Glück zu!
Kehrt siegreich wieder!