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Phaon, Melitten führend. Landleute. Sappho mit ihren Dienern im Hintergrunde.
Phaon.
Ha wag es keiner diese zu berühren!
Nicht wehrlos bin ich, wenn auch gleich entwaffnet!
Zu ihrem Schutz wird diese Faust zur Keule,
Und jedes meiner Glieder wird ein Arm!
Hierher Melitta, hierher! Zittre nicht,
Dir soll kein Leid geschehn solang ich atme!
Verruchte, konntet ihr dies Haupt verletzen,
Das reine Haupt der Unschuld, und seid Männer?
So grausam dacht' ich höchstens mir ein Weib,
Ein schwaches, feiges, aufgereiztes Weib.
Du warst's, der nach ihr schlug, ich kenne dich!
Fort, von mir, fort! Daß ich die Rachegötter
Vorgreifend nicht um ihren Raub betrüge!
Wie fühlst du dich?
Melitta.
Wohl!
Phaon.
O dein Blick verneint,
Dies Zittern, diese Blässe, laut verrät sie
Die erste Lüge, die dein Mund gesprochen!
Versuche nicht den Grimm in mir zu dämpfen,
Zu neuer Glut fachst du die Flammen an!
Hier setze dich auf diesen Rasensitz;
Hier wo dein mildes, himmelklares Auge
Zum ersten Male mir entgegenglänzte
Und wie des Tages goldner Morgenstrahl
Des Schlafes düstre Bande von mir löste
In den mich jene Zauberin gesungen,
Hier wo die Lieb' ihr holdes Werk begann,
Auf dieser Stelle sei es auch vollendet!
Sprecht! Wo ist Sappho!
Melitta.
Phaon, ruf sie nicht!
Phaon.
Sei ruhig! Bin ich nicht ein freier Mann?
Wer gab das Recht ihr meinen Schritt zu hemmen?
Noch Richterstühle gibt's in Griechenland,
Mit Schrecken soll die Stolze das erfahren.
Zu Sappho hin!
Ein Landmann.
Du bleibst!
Phaon.
Wer hält mich? Wer?
Landmann.
Wir alle hier!
Phaon.
Ich bin ein freier Mann!
Landmann.
Du warst's, jetzt bist der Strafe du verfallen!
Phaon.
Der Strafe! und warum?
Landmann.
Der Sklavin Raub
Ruft das Gesetz zur Rache wider dich.
Phaon.
Es fordre Sappho Lösegeld für sie
Und zahlen will ich's, wären's Krösus' Schätze!
Landmann.
Ihr ziemt's zu fordern, und nicht dir zu bieten!
Phaon.
Seid ihr so zahm, daß eines Weibes Rache
Geduldig ihr die Männerhände leiht,
Und dienstbar seid der Liebe Wechsellaunen?
Mir stehet bei, denn Unrecht widerfährt mir!
Landmann.
Ob Recht ob Unrecht? Sappho wird's entscheiden!
Phaon.
So sprichst du, Alter, und errötest nicht?
Wer ist denn Sappho, daß du ihre Zunge
Für jene achtest an des Rechtes Waage?
Ist sie Gebietrin hier im Land?
Landmann.
Sie ist es,
Doch nicht weil sie gebeut, weil wir ihr dienen!
Phaon.
So hat sie denn euch alle auch umsponnen,
Ich will doch sehn, wie weit ihr Zauber reicht!
(Gegen das Haus zugehend.)
Zu ihr!
Landmann.
Zurück!
Phaon.
Vergebens dräuet ihr!
Ich muß sie sehen! Sappho, zeige dich!
Wo bist du? oder zitterst du vor mir? –
Ha, dort am Altar ihrer Diener Reihen,
Sie ist es, du entgehst mir nicht! – Zu mir!
(Durchbricht die Menge. Auch der Kreis der Sklavinnen öffnet sich. Sappho liegt hingegossen an den Stufen des Altars.)
Landmann.
Du wagst es, unbesonnen frecher Knabe?
Phaon.
Was willst du an den Stufen hier der Götter?
Sie hören nicht der Bosheit Flehn. – Steh auf!
(Er faßt sie an. Bei seiner Berührung fährt Sappho empor, und eilt mit fliegenden Schritten, ohne ihn anzusehen, dem Vorgrunde zu.)
Phaon (ihr folgend).
Entweichst du mir? du mußt mir Rede stehn!
Ha, bebe nur! Es ist jetzt Zeit zu beben!
Weißt du was du getan? Mit welchem Recht
Wagst du es mich, mich einen freien Mann,
Der niemand eignet als sich selber, hier
In frevelhaften Banden festzuhalten?
Hier diese da in ungewohnten Waffen,
Hast du sie ausgesandt? Hast du sie? Sprich! –
So stumm? der Dichtrin süße Lippe stumm?
Sappho.
Es ist zuviel!
Phaon.
Die Wange rötet sich
Von Zornes heißen Gluten überflammt.
Recht, wirf die Larve weg, sei was du bist,
Und tobe, töte heuchlerische Circe!
Sappho.
Es ist zuviel! – Auf, waffne dich, mein Herz!
Phaon.
Antworte! Hast du diese ausgesandt?
Sappho (zu Rhamnes).
Geh hin und hol die Sklavin mir zurück,
Nur sie und niemand anders ließ ich suchen!
Phaon.
Zurück! Es wage niemand ihr zu nahn!
Begehre Lösegeld. Ich bin nicht reich,
Doch werden Eltern mir und Freunde willig steuern
Mein Glück von deiner Habsucht zu erkaufen!
Sappho (noch immer abgewandt).
Nicht Gold verlang ich, nur was mein! Sie bleibt!
Phaon.
Sie bleibet nicht! Bei allen Göttern, nein!
Du selber hast dein Recht auf sie verwirkt
Als du den Dolch auf ihren Busen zücktest,
Du kauftest ihre Dienste, nicht ihr Leben!
Glaubst du, ich ließe sie in deiner Hand?
Noch einmal, fordre Lösegeld und laß sie!
Sappho (zu Rhamnes).
Erfülle was ich dir befahl!
Phaon.
Zurück!
Du rührst an deinen Tod, berührst du sie!
So ist dein Busen denn so ganz entmenscht,
Daß er sich nicht mehr regt bei Menschenleiden!
Zerbrich die Leier, gifterfüllte Schlange!
Die Lippe töne nimmerdar Gesang,
Du hast verwirkt der Dichtung goldne Gaben!
Den Namen nicht entweihe mehr der Kunst!
Die Blume soll sie sein aus dieses Lebens Blättern,
Die hoch empor, der reinsten Kräfte Kind,
In blaue Luft das Balsamhaupt erhebt
Den Sternen zu, nach denen sie gebildet.
Du hast als gift'gen Schierling sie gebraucht,
Um deine Feinde grimmig zu verderben!
Wie anders malt' ich mir, ich blöder Tor
Einst Sapphon aus, in frühern, schönern Tagen!
Weich wie ihr Lied, war ihr verklärter Sinn
Und makellos ihr Herz, wie ihre Lieder,
Derselbe Wohllaut der der Lipp' entquoll
Er wiegte sich auch wogend in der Brust
Und Melodie war mir ihr ganzes Wesen!
Wer hat dich denn mit Zauberschlag verwandelt?
Ha, wende nicht die Augen scheu von mir!
Mich blicke an, laß mich dein Antlitz schauen
Daß ich erkenne, ob du's selber bist,
Ob dies die Lippen die mein Mund berührt,
Ob dies das Auge das so mild gelächelt,
Ob Sappho du es bist, du Sappho?
(Er faßt ihren Arm und wendet sie gegen sich. Sie blickt empor, ihr Auge trifft das seinige.)
Sappho (schmerzvoll zusammenfahrend).
Weh mir!
Phaon.
Du bist es noch; ja, das war Sapphos Stimme!
Was ich gesagt! Die Winde tragen's hin,
Es soll nicht Wurzeln schlagen in dem Herzen!
O es wird helle, hell vor meinem Blick
Und wie die Sonne nach Gewittersturm
Strahlt aus der Gegenwart entladnen Wolken
In altem Glanze die Vergangenheit.
Sei mir gegrüßt, Erinnrung schöner Zeit!
Du bist mir wieder was du einst mir warst,
Eh' ich dich noch gesehn, in ferner Heimat,
Dasselbe Götterbild, das ich nur irrend
So lange für ein Menschenantlitz hielt,
Zeig dich als Göttin! Segne Sappho, segne!
Sappho.
Betrüger!
Phaon.
Nein fürwahr, ich bin es nichts
Wenn ich dir Liebe schwur, es war nicht Täuschung,
Ich liebte dich, so wie man Götter wohl
Wie man das Gute liebet und das Schöne.
Mit Höhern, Sappho, halte du Gemeinschaft,
Man steigt nicht ungestraft vom Göttermahle
Herunter in den Kreis der Sterblichen.
Der Arm, in dem die goldne Leier ruhte,
Er ist geweiht, er fasse Niedres nicht!
Sappho (abgewendet vor sich hin).
Hinab in Meeresgrund die goldne Leier
Wird ihr Besitz um solchen Preis erkauft!
Phaon.
Ich taumelte in dumpfer Trunkenheit,
Mit mir und mit der Welt im düstern Streite;
Vergebens rief ich die Gefühle auf,
Die ich in Schlummer glaubt' und die nicht waren,
Du standst vor mir ein unbegreiflich Bild
Zu dem's mich hin, von dem's mich fort,
Mit unsichtbaren Banden mächtig zog;
Du warst – zu niedrig glaubte dich mein Zorn,
Zu hoch nennt die Besinnung dich – für meine Liebe.
Und nur das Gleiche fügt sich leicht und wohl!
Da sah ich sie, und hoch gen Himmel sprangen
Die tiefen Quellen alle meines Innern,
Die stockend vorher weigerten den Strahl.
Komm her Melittion, komm her zu ihr,
O sei nicht bange, sie ist mild und gütig!
Enthüll der Augen schimmernden Kristall
Daß sie dir blicke in die fromme Brust
Und freudig ohne Makel dich erkenne!
Melitta (schüchtern nahend).
Gebieterin!
Sappho (sie von sich haltend).
Fort von mir!
Melitta.
Ach, sie zürnt!
Phaon.
So wär' sie doch was ich zu glauben scheute?
Komm her, Melittion, an meine Seite!
Du sollst nicht zu ihr flehn! Vor meinen Augen
Soll dich die Stolze nicht beleidigen,
Du sollst nicht flehn! Sie kennt nicht deinen Wert,
Nicht ihren, denn auf ihren Knien würde
Sie sonst, die Schuld der Unschuld, stumm dir huld'gen!
Hierher zu mir, hierher!
Melitta.
Nein laß mich knien
Wie's wohl dem Kinde ziemt vor seiner Mutter,
Und dünkt ihr Strafe recht, so strafe sie,
Ich will nicht murren wider ihren Willen!
Phaon.
Nicht dir allein auch mir gehörst du an,
Und mich erniedrigst du durch diese Demut.
Noch gibt es Mittel das uns zu erzwingen
Was sie der Bitte störrisch-rauh versagt.
Melitta.
O wär' es auch, mich freut nur ihre Gabe,
Erzwungen wäre mir das höchste Glück zur Last!
Hier will ich knien, bis mir ein milder Blick,
Ein gütig Wort, Verzeihung angekündigt.
Wie oft schon lag ich hier an dieser Stelle
Und immer stand ich freudig wieder auf;
Sie wird mich diesmal weinend nicht entlassen!
Blick auf dein Kind hernieder, teure Frau!
Sappho (steht, das Gesicht auf Eucharis' Schulter gelehnt).
Phaon.
Kannst du sie hören und bleibst kalt und stumm!
Melitta.
Sie ist nicht kalt, und wenn auch schweigt ihr Mund
Ich fühl ihr Herz zu meinem Herzen sprechen!
Sei Richter, Sappho, zwischen mir und ihm!
Heiß mich ihm folgen und ich folge ihm,
Heiß mich ihn fliehn – o Götter! – alles – alles!
Du zitterst! – Sappho, hörest du mich nicht?
Phaon (Melitten umschlingend und ebenfalls hinkniend).
Den Menschen Liebe und den Göttern Ehrfurcht,
Gib uns was unser, und nimm hin was dein!
Bedenke was du tust, und wer du bist!
Sappho (fährt bei den letzten Worten empor und blickt die Knienden mit einem starren Blicke an, wendet sich dann schnell ab, und geht).
Melitta.
Weh mir sie flieht, sie hat ihr Kind verstoßen!
(Sappho ab. Eucharis und Dienerinnen folgen.)