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In der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts lebte der erste isländische Maler.
Er studierte in Kopenhagen und seine hinterlassenen Porträts sind vollständig von der damals in Dänemark vorherrschenden Kunstrichtung geprägt. Sein individueller und schöpferischer Kunsttrieb, warf sich auf eine praktische Aufgabe: die Volkstracht. Auf Sigurdur Gudmundsson ist die Ausgestaltung der noch jetzt vielfach getragenen, äußerst stilvollen isländischen Festtracht zurückzuführen.
kann als der erste eigentliche Maler bezeichnet werden. Er war ausgebildeter Buchbinder und mit wenigen Unterbrechungen sein ganzes Leben in Papier- und Buchhandlungen tätig. Thorarinn Thorlaksson begann erst nach seinem dreißigsten Jahr zu malen, besuchte die Akademie in Kopenhagen, wo ihn ein alter und sehr altmodischer Landschaftsmaler namens Foss unterrichtete. Seine ersten Bilder, nach der Rückkehr in die Heimat, sind recht dilettantisch. Aber Thorarinn Thorlaksson entwickelte sich solange er lebte. Trotzdem er mit der schlechten, geschmackverderbenden Schulung, die er durchgemacht hatte, lebenslänglich kämpfen mußte, enthalten einige seiner späteren Bilder künstlerische Werte und deuten die Entwicklung an, welche für die jüngeren isländischen Künstler charakteristisch ist.
Obwohl dieser Künstler im selben Jahr wie Thorarinn Thorlaksson starb, gehört er einer anderen Künstlergeneration an. Er starb kaum dreißigjährig an der Schwindsucht. Er ist in seiner Künstlerproduktion ein echter Isländer, steht aber außerhalb der übrigen isländischen Kunstentwicklung. Das hängt vielleicht damit zusammen, daß er vom Wesen des Wunderkindes geprägt war, d. h. zu jenen frühreifen und überbegabten Menschen gehörte, die entweder, nach einem unerhörten Entwicklungs-Antrieb, stehen bleiben, – oder jung sterben. Seine künstlerische Vielseitigkeit grenzte an das Fabelhafte. Er war einer der gesuchtesten und beliebtesten Liedersänger zur Laute in Reykjavik und er filmte die Hauptrolle (Orma) bei der Verfilmung des Romanes »Borgslettens Historie« (von Gunnar Gunnarsson). Auch seine Zeichenkunst ist außerordentlich vielseitig und umfaßt alle Abstufungen von leichtem Rokoko-Charme bis zu nordischem Phantasiereichtum und Seelenschwere. Die auf der isländischen Wanderausstellung ausgestellten, hier aber nicht abgebildeten sechs Illustrationen Zum Verständnis der Illustrations-Serie sei das alte isländische Volksmärchen von der Zauberkuh »Bukolla« (das ist der Rufname der besten Kuh auf den isländischen Bauernhöfen) zu »Bukolla« sind ein Beispiel seines illustrativen Humors. Wir lernen durch sie die isländische Zauberwelt mit ihren Trollen kennen, sowie sie sich der Volksglaube vorstellt.
Bukolla.
Die Kuh Bukolla war armen Bauernsleuten auf unerklärliche Weise abhanden gekommen. Der Bauernsohn wurde ausgesandt, sie zu suchen. Er ging lange, lange, setzte sich auf einen hohen Berg, aß und rief: »Bukolla mein, brülle wenn Du noch lebst.« – Darauf hörte er die Kuh in der Ferne brüllen und fand sie endlich in einer Berghöhle angebunden. Kaum aber hatte er sich auf den Heimweg begeben, sieht er wie ein fürchterliches Trollweib, von einem Trolljungen gefolgt, ihn mit Siebenmeilenschritten verfolgt. Der Bauernsohn sagt: »Was sollen wir jetzt tun, Bukolla mein?« – Die Kuh sagt: »Nimm ein Haar aus meinem Schwanz und leg es übern Weg«. Er tut es. Dann sagt die Kuh zum Haar: »Ich sage und gebiete Dir, verwandle Dich in einen so tiefen See, daß nur der fliegende Vogel darüber kann.« Im selben Augenblick verwandelt sich das Schwanzhaar in einen tiefen See.
Als das Trollweib an den See kommt, sagt es: »Nichts nützen soll Dir das, Bube«. Und dem Trolljungen sagt das Trollweib: »Lauf nach Hause und hol den großen Stier des Vaters«. Das Trolljunge läuft nach Hause und holt den riesigen Stier des Vaters heran. Und sofort trinkt der Stier den ganzen See trocken.
Wieder sieht der Bauernsohn das fürchterliche Trollweib mit Siebenmeilenschritten herannahen. Der Bauernsohn sagt: »Was sollen wir tun, Bukolla mein?« – Die Kuh sagt: »Nimm ein Haar aus meinem Schwanz und leg es übern Weg«. Er tut es. Dann sagt die Kuh zum Haar: »Ich sage und gebiete Dir, verwandle Dich in ein so großes Feuer, daß nur der fliegende Vogel darüber kann«. Im selben Augenblick verwandelt sich das Schwanzhaar in ein großes Feuer.
Als das Trollweib zum Feuer kommt, sagt es: »Nichts nützen soll Dir das, Bube«. Und dem Trolljungen sagt das Trollweib: »Lauf nach Hause und hol den großen Stier des Vaters«. Das Trolljunge läuft nach Hause und holt den riesigen Stier des Vaters heran. Der Stier löscht sofort das Feuer, indem er all das Wasser läßt, daß er vorhin getrunken hatte.
Wieder sieht der Bauernsohn das fürchterliche Trollweib mit Siebenmeilenschritten herannahen. Der Bauernsohn sagt: »Was sollen wir jetzt tun, Bukolla mein?« Die Kuh sagt: »Nimm ein Haar aus meinem Schwanz und leg es übern Weg«. Er tut es. Dann sagt die Kuh zum Haar: »Ich sage und gebiete Dir, verwandle Dich in einen so hohen Berg, daß nur der fliegende Vogel darüber kann«.
Als das Trollweib den Berg erreicht, sagt es: »Nichts nützen soll Dir das, Bube«. Und dem Trolljungen sagt das Trollweib: »Lauf nach Hause und hol den großen Felsbohrer des Vaters«. Das Trolljunge läuft nach Hause und holt den großen Felsbohrer des Vaters. Das Trollweib bohrt ein Loch durch und durch, durch den ganzen Berg, aber im Uebereifer, als es durch den Berg sehen konnte, will es sich sofort durchzwängen. Das Loch ist zu eng. Das Trollweib bleibt drin stecken und versteinert. Da steckt es noch heute.
Fußnote aus technischen Gründen im Text wiedergegeben. Re.
Dieser Künstler ist der älteste aller jetzt lebenden isländischen Maler. Er wurde als Sohn sehr armer Bauern im Südlande geboren und lebte in seiner Kindheit bei fremden Leuten. Obwohl Asgrimur Jonsson kaum jemals die primitivsten illustrierten Blätter zu sehen bekam, zeichnete er aus eigenem Antrieb von seiner frühesten Jugend an. In Eyrarbakki, einem kleinen Marktflecken im Südlande, kam er in kaufmännische Lehre. Dort sprach man kopfschüttelnd über den merkwürdigen Jüngling, der mit mehr Eifer zeichnete als sich den ernsten Pflichten eines Ladenschwengels hinzugeben. Trotzdem gelang es ihm, so viel Geld zusammenzuverdienen, daß er nach Kopenhagen reisen konnte. Dies geschah 1897.
Um sich das tägliche Brot in der dänischen Hauptstadt zu verschaffen, wurde er Malerlehrling. Das heißt: er strich Häuser an. Mit dem Gelde, das er als Handwerker verdiente, studierte er die sogenannte Kunstmalerei bei Prof. Otto Bach, Prof. Jerndorff und Holger Carl Grönvold. Asgrimur Jonsson sagt, daß er nur beim letztgenannten (der Schüler von Ingres gewesen war) etwas gelernt habe. Er erzählt:
»In Dänemark hielt ich mich hauptsächlich an Rembrandt. Ich lief dauernd ins Kunstmuseum, um die prachtvollen Rembrandt-Originale, die sich dort befinden, zu studieren. Ich suchte auch so viele und so gute Rembrandt-Reproduktionen wie möglich zu erlangen. Für die dänischen Maler, die in meiner Studienzeit in Kopenhagen besonders besprochen wurden, Ancher, Kröyer, Skovgaard und Zahrtmann, begeisterte ich mich nur wenig. Später, als ich ein Reisestipendium für Deutschland, Österreich und Italien erhielt, empfing ich meinen entscheidendsten künstlerischen Eindruck durch die in Berlin ausgestellten französischen Impressionisten. Bis an mein Lebensende werde ich kein einziges jener damals gesehenen Bilder vergessen. Ihr Anblick war für mich eine Offenbarung.
Im Jahre 1903 beschickte ich zum ersten Male die große jährliche Ausstellung in Kopenhagen. Ein paar Jahre später kaufte das Museum in Randers eines meiner Bilder. – Meinen handwerklichen Lebensunterhalt gab ich erst auf, als ich, neben Reisestipendien, eine jährliche Unterstützung in Höhe von 600 Kronen vom isländischen Staat erhielt. Seit 1909 wohne ich in Reykjavik und durchstreife im Sommer das Land. Im Herbst komme ich mit zahlreichen Skizzen heim, nach denen ich während des Winters meine Landschaften ausarbeite. Dazwischen male ich auf Bestellung einzelne Porträts.«
Im großen und ganzen hat Asgrimur Jonssons Malfertigkeit durch seine Produktivität wohl gewonnen. Einzelne Bilder aber leiden unter einer etwas schablonenmäßigen Herstellung. Es existieren oft von demselben oder einem ganz ähnlichen Sujet Zehn oder zwanzig Bilder, die, was das Entscheidende ist, Wiederholungen sind und nicht immer dem Streben nach einem ganz bestimmten künstlerischen Ausdruck ihre Entstehung verdanken.
Es lassen sich verschiedene, deutlich trennbare Epochen seines Schaffens feststellen. Manches Mal richtet er sich wohl auch nach dem verschiedenen Geschmack der Besteller. So kommt es, daß es sehr schöne Bilder von ihm aus den verschiedensten Schaffensperioden gibt und dazwischen weniger geglückte. Im großen ist aber trotzdem bei Asgrimur Jonsson eine einheitliche Entwicklung festzustellen, durch die er auf sein ursprüngliches Talent immer wieder zurückgeführt wird und es in glücklicher Weise entfaltet. Er hat ein Gefühl für das Wesentliche in einer Landschaft und arbeitet dies kraftvoll heraus, – dabei bedient er sich, öfters nebeneinander, des Spachtels und des Pinsels. Asgrimur Jonsson versteht es, besonders auch in seinen Aquarellen, die zauberhaft klare, durchsichtige, fast selbstleuchtende Luft Islands wiederzugeben.
Diesem Künstler, – dem größten den Island besitzt, – fällt die Produktion, im Gegensatz zu Asgrimur Jonsson und dem jung verstorbenen Gudmundur Thorsteinsson, durchaus schwer. Trotzdem es viele mißglückte Bilder innerhalb seiner künstlerischen Gesamtproduktion gibt, läßt ihr Überblick erkennen, daß es sich um eine künstlerische Persönlichkeit handelt, deren innerer Reichtum und Fülle eine späte Entwicklung bedingt, – Jon Stefansson befindet sich Mitte der Vierziger, – daß aber in ihr Begabung, Urstoff und Gestaltungskraft in solchem Maße vorhanden ist, um zur höchsten Höhe zu führen.
In ergreifender Weise gibt Jon Stefansson in seinen Bildern das dämonisch beseelte und mystisch-mytische Wesen der isländischen Natur wieder. Wirklich gefühlte und dabei durchdachte Kompositionen – der gegliederte innere Aufbau seiner Bilder, kühn hingesetzte Flächenwirkungen und außerordentlich gewagte und doch harmonisch wirkende Farbenkonstraste, – sind seine Kunstmittel.
Jon Stefansson erzählt von seinem Werdegang und seiner Lehrzeit:
»Erst nachdem ich mehrere Jahre im Kopenhagener Polytechnikum studiert hatte, fing ich zu malen an. Es geschah dies mehr aus einem zuerst etwas dunklen Bedürfnis heraus, mich auszudrücken, als aus Begeisterung für die Malerei, die etwa beim Anblick von Meisterwerken der Kunst in mir entstanden wäre. Als ich einmal angefangen hatte zu malen, konnte ich nicht mehr davon ablassen und verzichtete auf die weitere Ingenieurausbildung. Ich bereitete eine Mappe Zeichnungen zur Aufnahme in die Akademie vor, besuchte sie aber niemals. Dagegen ging ich in die von Kristian Zahrtmann geleitete Malschule. Das Wertvollste, was dieser Lehrer vermittelte, war seine leidenschaftliche Kunstbegeisterung, mit der er seine Schüler ansteckte und sie mitriß. Diese seine Leidenschaft war mehr wert als seine besondere Art zu malen.
Im Jahre 1909 kam ich nach Paris, wo ich in den einzigen drei Jahren ihres Bestehens die Malschule von Henry Matisse besuchte. Dort fand ich den idealsten Unterricht, den ich mir denken kann. Streng und systematisch wurde man zu selbständigem Arbeiten angeleitet. Die Schüler malten manches Mal eine Woche ohne Kontrolle an einem Modell. Dann kam Matisse, ergriff selber Pinsel und Palette und, von allen Schülern gefolgt und umstanden, nahm er eine sehr eingehende, künstlerisch analytische Kritik der einzelnen Schülerarbeiten vor. Er legte viel Gewicht auf äußerst gewissenhafte Zeichnung, zeigte, wie das Modell fast als dynamische Maschine betrachtet und der Körper in seiner Bewegungsmechanik erfaßt werden müsse. Er lehrte die Elastizität des menschlichen Körpers begreifen und das akademische Mißverständnis von den Konturen des Körpers überwinden. (Für die malerische Wahrnehmung der Dinge sind die Farbenkontraste natürlich entscheidender als die Konturen.) Über diese Probleme hat Matisse selbst eine literarische Arbeit in »La Grande Revue« (1908) veröffentlicht. Wenn Matisse seine Kunstauffassung auch theoretisch und praktisch auseinandersetzte, so suchte er seine Schüler doch vor allem zum selbständigen Sehen anzuleiten und lobte diejenigen Arbeiten am meisten, in denen eine eigene Auffassung zu finden war. Trotzdem entwickelte sich die Mehrzahl seiner Schüler zu kleinen Matissen, und das gerade verleidete ihm den Unterricht. Darum gab der Meister seine Malschule nach drei Jahren auf.
Nach meiner Pariser Zeit hielt ich mich in Kopenhagen und in Island auf. Die meisten meiner Porträtstudien sind in Dänemark entstanden. In Island locken mich die künstlerisch so schwierig zu lösenden Aufgaben der halbpolaren, vulkanischen Bergwelt. Die isländische Landschaft kommt mir beim Vergleich mit den Landschaften auf dem Kontinent wie ein nackter Körper gegenüber bekleideten vor. In ihrer Nacktheit liegt die eigenartige Schönheit dieser Natur und gleichzeitig die besondere Schwierigkeit ihrer künstlerischen Gestaltung.« –
Gleichaltrig wie Jon Stefansson, ebenfalls Mitte der Vierziger, ist Kjarval. Ähnlich wie Asgrimur Jonssen ist er ein außerordentlich produktiver Künstler, aber seine Produktion ist noch ungleichmäßiger. Es ist nicht leicht eine einheitliche Entwicklungslinie in ihr zu sehen. Dagegen ist er sehr vielseitig und hat sich ungefähr in allen existierenden Mal- und Zeichentechniken erprobt. Kjarval studierte auf der Kopenhagener Akademie, entwickelte sich aber nebenbei höchst eigenartig und jedenfalls ganz unakademisch. Einer Studienreise nach Italien legt er selbst große Bedeutung bei. Seine isländischen Freunde und Anhänger heben hervor, daß Kjarval, der vom Ostlande stammt und ursprünglich Fischer war, am deutlichsten eine eigenartige isländische Kunstauffassung ausdrücke. Der Künstler Kjarval wurde von seinen Brotgebern, einem Kreise isländischer Kapitäne »entdeckt«. Diese haben ihm auch die Mittel zu seiner künstlerischen Ausbildung verschafft.
In letzter Zeit haben seine lebensgroßen Kopfzeichnungen ostisländischer Bauerntypen besonderes Aufsehen, auch außerhalb der Heimatinsel, verursacht. Die bekannte englische Kunstzeitschrift »The Studio« brachte im letzten Juniheft die Reproduktion eines dieser Köpfe nebst eines sehr anerkennenden Artikels über die Kunst Kjarvals.
sind die bedeutendsten isländischen Malerinnen. Ihre Landschaften zeigen große Einfühlungsfähigkeit in die Besonderheiten der nordischen Natur und zeugen von kultiviertem und phantasiebegabtem Form- und Farbwillen. Kristin Jonsdottirs Bilder der nordisländischen Hafenstädte Akureyri und Siglefjord sind künstlerisch großzügig und dabei doch präzis in den Einzelheiten wie, in der Literatur, etwa die Erzählungskunst Knut Hamsuns.
Der Entwicklungsgang von Juliana Sveinsdottir ist charakteristisch: er zeigt die großen Schwierigkeiten, welche die junge isländische Künstlergeneration überwinden mußte, ehe sie sich die notwendigsten Voraussetzungen für künstlerische Produktion schuf. Juliana Sveinsdottir erzählt:
»Ich bin auf den im Südwesten Islands vorgelagerten Westmänner-Inseln geboren. Noch heute gibt es dort keinen Hafen für die Postdampfer. Bei schlechtem Wetter müssen sie häufig vorüberfahren ohne Passagiere, Post und Fracht an Land bringen zu können. Aber auch wenn die Postdampfer sich auf der Reede verankern können, ist das Ein- und Ausschiffen fast immer gefährlich. Schon viele Menschen sind dabei ums Leben gekommen. Bei stärkerer Dünung müssen die Passagiere, die an Bord wollen, wie Stückgut in Tonnen verfrachtet und aufs Schiff hinaufgehißt werden. – In meiner Kindheit gab es während der Wintermonate überhaupt nur eine bis zwei Verbindungsmöglichkeiten mit der Umwelt.
Mein Vater war Schreinermeister. Als ich acht Jahre war, übersiedelte er ohne seine Familie nach Reykjavik. Seit dieser Zeit lebten wir in der bittersten Armut. Was dies bei so primitiven Verhältnissen wie unter denen wir aufgewachsen sind, bedeutet, wird klar, wenn man erfährt, daß etwa Gegenstände wie Schlittschuhe aus Pferdeknochen angefertigt wurden. Die Befriedigung, selbst der geringsten und primitivsten Lebensbedürfnisse, erforderte einen Kampf mit den Naturgewalten.
Mit achtzehn Jahren nahm mich mein Vater nach Reykjavik. Thorarinn Thorlaksson gab mir Zeichenunterricht. Dieser Zeichenunterricht (in dem Gipsabgüsse die Hauptrolle spielten), sowie Thorarinn Thorlakssons ganzes Kunstverständnis, ließ zu wünschen übrig. Aber seine Kunstbegeisterung war anregend. Ich verdanke ihm auch, daß ich nach Kopenhagen gesandt wurde. – Man kann sich denken, wie schwer es mir fiel – auf den Westmännerinseln aufgewachsen und mit nur einer ganz kurzen Übergangszeit in Reykjavik, – mich in Kopenhagen zurechtzufinden. Vom eigentlichen Kunstunterricht auf der Akademie ganz abgesehen, mußte ich mir eine Unmenge Dinge erst aneignen, die den Andern Selbstverständlichkeiten waren. Der Kunstunterricht auf der Akademie war für einen Menschen ohne alle künstlerischen Maßstäbe auch nur teilweise förderlich. Rostrup Boyesen war ein vorzüglicher Zeichenlehrer. Aber auf der Malschule ließ Prof. V. Irminger nicht nur nach Gips zeichnen, sondern, in geradezu irrsinniger Weise, auch nach Gips malen, als ob er seinen Schülern den ganzen Farbsinn verkalken wollte. – Im ganzen besuchte ich die Vorbereitungsschule und die Akademie acht Jahre lang von 1909–1917. Aber das größte künstlerische Erlebnis in dieser Zeit hatte ich außerhalb der Akademie, durch eine französische Kunstausstellung. Gauguins Tahitibilder übten einen gleichzeitig begeisternden und ordnenden Einfluß auf mich aus. Sie brachten Zum ersten Mal Klarheit und Ordnung in meine damals erst gefühlten, aber noch nicht deutlich erkannten künstlerischen Begriffe.
Von 1917–1920 verdiente ich mein Brot als Zeichenlehrerin auf einer Kopenhagener Schule. Aber ich konnte dieses, in der allgemeinen Auffassung kunstnahe, tatsächlich völlig kunstferne, ja ich möchte fast sagen kunstfeindliche Leben einer Zeichenlehrerin, auf die Dauer nicht aushalten. Von meiner Malerei konnte ich nicht leben. Darum fing ich an zu weben. Erlernt hatte ich dieses Handwerk allerdings nicht. Ich habe weder eine Kunstgewerbe- noch eine Handwerksschule durchgemacht, aber ich verschaffte mir einen alten Webstuhl, entwarf die Muster und webte auf gut Glück los. Es ging bald vorzüglich. Ich konnte auf diese Weise in den Wintermonaten so viel Geld zusammensparen, um jeden Sommer nach Island zu reisen und dort zu malen. – Aber es ist bitter, nicht seine ganze Arbeitskraft auf die Kunst konzentrieren zu können. Um einen Versuch in dieser Richtung zu machen, reise ich jetzt zur festen Niederlassung nach Reykjavik. Ich will auch gemeinsam mit einigen andern Malern der Regierung vorschlagen, daß uns gegen billige Zinsen das nötige Geld geliehen wird, um das erste Atelierhaus, – etwa drei oder vier Malerateliers – bauen zu können. Denn die Raum- und Lichtverhältnisse, unter denen wir isländischen Maler bis jetzt daheim arbeiten mußten, waren geradezu hoffnungslos.«
Blöndal ist der einzige isländische Künstler, der überwiegend Porträts, Frauengestalten und Frauenakte, in leuchtenden Farben und mit starker Sinnlichkeit malt. Er verbrachte seine erste Jugend (ebenso wie Jon Stefansson) in guten Wirtschaftsverhältnissen. Gunnlögur Blöndal ist im Jahre 1893 in Siglefjord im Nordland geboren. Siglefjord ist der haupt Stapel- und Zubereitungsplatz für die Fischerei an der Nordlandsküste. Von hier aus werden die großen jährlichen Fischfangkampagnen von isländischen sowie von fremden, hauptsächlich norwegischen, Fischerflottillen durchgeführt. Während der Fischereisaison geht es in Siglefjord hoch her. Penetranter Fischgeruch erfüllt die Luft. Die Isländer sagen, es riecht nach Geld. Geld wird auch reichlich verdient – und wieder ausgegeben. Die wetterfesten und seetüchtigen Polarmeerfischer aller Nationalitäten verschaffen sich in ihren Mußestunden dann das, was sie ein Götterleben nennen. Vermittels der fremden Schiffe wird das Alkoholverbot in flagranter und bacchantischer Weise übertreten. Mit anderen Fischern prügeln können sich diese Halbgötter im Rausche nach Herzenslust, aber Frauen haben auf dem Olymp der Mitternachtssonne Seltenheitswert.
Gunnlögur Blöndal begann während des Krieges in Dänemark und Norwegen seine Bildhauer- und Malertätigkeit. In Oslo studierte er zwei Jahre bei Christian Krohg. Nachher zog Gunnlögur Blöndal vor, sein eigener Lehrer zu werden, erhielt Stipendien vom isländischen Staate und begab sich auf die Wanderschaft. Er hat sich in Karlsruhe, in Wien und vor allem in Paris längere Zeit aufgehalten und in diesen Städten selbständig gearbeitet. Im Salon d'automne stellte er mit so viel Erfolg aus, daß er aufgefordert wurde, sich an einer französischen Kunstaktion in Japan zu beteiligen. Ein Frauenbildnis reiste nach Tokio, und es gibt von diesem Bilde eine denkwürdige Ansichtskarte, auf der in japanischen Schriftzeichen der Name des jungen kraftvollen isländischen Malers als eines Vertreters französischer Kunst gepriesen wird.
Finnur Jonsson steht unter dem Einfluß der deutschen Sturmbewegung. In seinen Porträts und in seinen abstrakten Malereien unterscheidet er sich in nichts von ähnlichen Versuchen auf dem Kontinent. Wenn er aber das Meer der isländischen Stürme malt, wirkt er ergreifend. Finnur Jonsson war, bevor er Maler wurde, ebenso wie Kjarval, Fischer. Seinen starken und intensiven Fischereierlebnissen ist es wohl zuzuschreiben, daß er das Meer in seiner abwechslungsreichen, gewaltsamen und grausamen Schönheit – recht naturalistisch und unangefochten von seinen übrigen Kunsttheorien – wiederzugeben versteht.
sind zwei der jüngsten isländischen Künstler, die noch genannt werden müssen.
In Jon Thorleifssons älteren Bildern merkt man deutlich den Einfluß Asgrimur Jonssons. Aber gerade in seiner allerletzten Produktion scheint er zu einer mehr eigenen Kunstform zu gelangen. Seine Landschaftsbilder geben in fröhlichen Farben ein sonniges Island wieder. In Kopenhagen hat Jon Thorleifsson schon öfters erfolgreich ausgestellt.
Gudmundur Einarsson studierte in München. Er versucht sich im Zeichnen und Radieren, Malen und Bildhauern. Seine Radierungen isländischer Motive, in denen der Einfluß altdeutscher Meister fühlbar ist, sind bis jetzt der geglückteste Ausdruck seines Talentes. Wenn seine Entwicklung hält was sie verspricht, kann man auch von Gudmundur Einarsson eine Bereicherung der isländischen Kunst erwarten.