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Wie ist stille, o Tod, und wie schön dein farbiges Reich hier
Unter den Trümmern Pompeji's, im Hag der umwölbenden Asche!
Anders erschienst du im Schutte von Rom mir, ein ragender Cäsar,
Der von dem appischen Weg durch gähnende Bogen hereinzieht,
Schweigend und finster, der Welt Triumfator und Völkerzertreter;
Anders im Feld Syrakus, wo noch die melodischen Tränen
Um den verlorenen Gott in das Meer Arethusa hinabweint,
Und von der Zeiten Geleise die gelbliche Steinflur aufstarrt,
Rings grabspurig, so weit mit dem Blick sie der Falke beherrschet.
Da wie der Memnon erschienest du mir, der schmerzlich ertönet,
Wenn auf's Haupt ihn küßt die erweckende Mutter Aurora.
Aber ein lockenumkräuselter Knab', wie der lachende Amor,
Thanatos, scheinst du mir hier, in dem flimmernden Schutte Pompeji's
Spielend mit goldigem Staub und mit Scherben zerbrochener Vasen.
Und aus Lapis Lazur und verlorenem Schmucke der Mädchen
Stickst du dir Grabmosaik phantastischer Märchengestalten.
Forme mir sanfter am Lied, und es trete die himmlische Schwester
Freundlich herzu und umschwebe das Herz mir ewig, Eirene.
Aufschlug jetzo die Augen Euphorion, — Wo nur war er?
Nebelnd umspann es den Blick und das schmerzdurchstochene Haupt ihm,
Und vom Gusse der Flut noch triefte das Haar und die Kleidung.
Eine gebogene Höle umschloß ihn zackiger Felsen,
Rötlich bestralt vom dunstigen Schein aufflackernden Scheites,
Welchen ein Mann darhielt in dem zottigen Vließe des Fischers,
Niedergebeugt, und die Blicke verwildert von Todesentsetzen.
Denn laut stürmte das Meer mit Geheul, und die rasende Brandung
Donnerte rings zum Felsen hinan der erschütterten Höle,
Viel da bräunlicher Netze an Pflöcken, und rohrene Angeln
Hingen entlang, und der Reusen Gespinnst und die Stricke des Fanggarns,
Aber am Boden umher aus schwärzlicher Erde Gestalten
Lagen, vom Jammer bezwungen in sinnlos starrender Ohnmacht,
Unter dem Schwarme Serapion selbst, dort saß er, das greise
Haupt in die Hände gestützt, kraftlos von unsäglicher Mühsal.
Sieh', und im Schmucke des Fest's mit den gänzlich entstelleten Zügen,
Wirr das zerraufte Gelock, von der bitteren Woge getränket,
Ueber dem Seetang hier die unseligen, Arrius' Kinder,
Beide sie lagen gestreckt, gleich Purpurmuscheln des Meeres,
Welche die Flut an den Strand auf glitzerndes Meergras auswarf.
Aber Euphorion starrte sie an, wie Gebilde des Wahnes,
Und in die Kniee sich raffend versucht' er die stammelnden Worte:
Weh! wo sind wir Arme gestürzt nun? Haben hinab uns
Ach! in die Tiefe des Meeres die heulenden Strudel gerissen?
Wo doch bin ich? Es stürzte Pompeji, es stürzte die Erde!
Ist es das Grab? Hat alle verschlungen des Tartarus Schlund uns?
Und vom Aug' sich zu schütteln die Ohnmacht strebt' er gewaltsam;
Aber es kreiste der Sinn ihm wüst. Wie wenn in den Dünsten
Wühlen Gestalten empor, kaum kenntlich und wieder verlöschte,
Wirrte der Geist ihm auf die verschwimmenden Bilder. Die Schrecken
Alle der Nacht, den Vesuv, und das feuerbedeckte Pompeji
Sah er, das festliche Haus, und Ione an prangender Leuchte,
Jubelnde Gäste umher, dann allwärts jähe Vernichtung.
Arrius sah er im Schutt, am Gewölbe des Hauses versunken
Neben Ismenos, von Asche verschleiert das sterbende Haupt schon.
Männer erblickt' er und Frauen, gestreckt im umhügelnden Sande
Rings, sah fliehendes Volk dann rennen die Straßen hinabwärts,
Stürzend in Feuergewölk, und gepeitscht vom Hagel des Bimsteins,
Kreischend wie Bügel der Nacht, wenn prasselnder Brand sie daherjagt.
Und nun sah er sich selbst, wie fort in dem Aschengewirbel
Ueber der Schulter Ione, und Ion am Kleid ihm hangend,
Durch die umflackerte Stadt er entfloh und das Menschengewühle,
Strebend zum Meer; und es gellte die Luft vom Gejammer des Volkes,
Das in die See sich stürzt', anpackend die Kähne mit Angstschrei,
Bis sie die Flut hinriß und die Rückflut wieder an's Land goß.
Dann als sänk' er in's Meer war's ihm, als schlürften die Wasser
Alle sie tosend zu Grund; dann Krachen von Planken vernahm er,
Wilden, entsetzlichen Schwall, und Serapion's brüllenden Anruf.
Und jetzt sah er den Greis, nicht Wahn war's fiebernden Traumes,
Ueber dem Boden der Höle sich heben, dem dunkelen Charon
Gleich an Gestalt, und mit Namen versucht' er zu rufen den Gastfreund,
Heftig den Arm ausstreckend, der vorwärts Taumelnde, angstvoll,
Doch sein sinkendes Haupt es umhüllte die finstere Nacht gleich.
Und laut heulte die See von der Windsbraut wütend geschlagen
Draußen am felsigen Ufer — es hatte die walzende Woge
Jene Pompeji entrafft in dem Schiff des ägyptischen Greises,
Das mit zersplittertem Mast auf bergendem Strande gestürzt lag
Capri's. Es ragt nicht fern von Neapel des sonnigen Eiland's
Schöner dädalischer Fels. Dort träumt in sapphirenen Grotten
Amor gern, und belauscht Brautkammern der Meeressirenen,
Wo leiskichernd die Flut im Phosphor wallet, und heimlich
Webt die narkotische Luft ein azurnes verliebtes Gedämmer,
Aber es raste die See nun, rings die Gestade umwölbend
All' mit crystallenen Wogen, es spritzte zum Gipfel der Schaum auf.
Und wie Nebel umflog dichtsausende Asche die Klippen,
Weit hin über die Flut aufwirbelte Wolken der Sturmwind.
Rötlich erglommen die Felsen, und rot die umsiedete Strandbucht,
Aber das Meer schwarz zog es heran, in dem schwefligen Abglanz,
Jach von den Blitzen beflackert und wieder verschüttet von Nacht gleich.
Und mit den glitzernden Kämmen entrollten die sausenden Wogen,
Schnaubten herauf, sich bäumend, die schmetternden, über die Riffe,
Daß rings dröhnte der Strand, und es hallte das krachende Eiland.
Also verrauschte die Zeit, vom Wandel der himmlischen Sterne
Nimmer geteilt. Denn Tag nicht war es und Nacht nicht, rotes
Schauriges Zwielicht stand um die dampfende Erde gewölbet.
Ob nur Stunden vergingen, ob zeitlos selber die Tage
Sich auslöschten in Nacht, wol keiner der Sterblichen wußt' es.
Endlich jedoch ward's still, um die Klippen von Capri verbrauste
Müde die See, und es reffte die Segel der Wolken der Sturm ein.
Alle zu Fetzen zerstoben sie schon, die zerrissenen Nebel,
Windvoreilend und jagend am Meere, die drängenden, schwarmweis,
Gleich wie Flotten vom Meerkampf ziehn, vom gräßlichen, heimwärts,
Wimmelnd in Schaaren gedrängt mit der Tuben Getöne, die Segel
Flattern zerfetzt um die Rah'n, und es starren die Stümpfe der Masten
Schwarz; und sie ziehn kampfmüd' wie Kraniche brausend hinunter,
Und fern dunkelt und ferner im Meere das dichte Geschwader.
Sieh', aus klaffendem Grau schon blaute der Himmel, es blickte
Schüchtern der Frühstern vor, und die Leuchte der Götter Orion
All mit den Lampen entstieg sie der blauen ambrosischen Nacht schon.
Bald dann glänzte die Luft, und es dämmerte weißer und weißer,
Farbiger Duft quoll auf an dem gelblichen Rande des Ostes,
Sanft wie der Iris Schein, wenn meerwärts eilend sie nachzieht
Ihres Gewands buntblühenden Saum und der Fittige Lichtspur,
Schaudernd ein Windhauch flog, und vom Riff nun stürzte die Möwe
Lauten Geschrei's in die Woge die klatschenden Schwingen zu tauchen.
Liebliches Lachen der Früh' durchheiterte jetzo den Himmel;
Und da kam sie die hohe, die städtebelebende Eos
Rosig empor, weit brannte die See, und der Gipfel Surrentum's
Glomm, wie des flammenden Mohn's blutdunkeles trunkenes Haupt glüht.
Zagend entstiegen die Ufer, in zweifelndem Dufte verschleiert.
Dort die Gestade von Pästum, und hier sirenusische Klippen,
Droben Neapolis' Strand und das gelbe Gebirge Misenus.
Aber der Herrscher Vesuv stand herrlich in purpurner Pracht da,
Ruhend, ein Held, der stumm auf's Schlachtfeld schaut und die Todten,
Nimmer von Reue bewölkt und gelehnt am blitzenden Kampfspeer.
Als nun Helios kam, mit dem Lichte zu heilen die Erde,
Da gleich schiffte der Greis in dem Boot zum Ufer Pompeji's,
Selber zu schau'n und zu forschen den Lebenden oder den Todten.
Aber entsetzlicher Schmerz, wer sagt wie rasend er jetzo
Arrius' Kinder gegeißelt, die ganz im Jammer gelösten,
Als den Gestrandeten gleich sie erwachten am fremden Gestade,
Hoffnungsbaar, denn nimmer verschwieg ja ihnen des Vaters
Loos der Gefährte, und täuschte sie nimmer mit nichtiger Täuschung,
Raufend das lockige Haupt, und die Brust sich schlagend der Knabe
Schrie, daß jammernden Ruf fortklangen die Klippen von Capri,
Arrius! tönten die Felsen, und Arrius! gellte die Echo.
Und mit gelöseten Sinnen Ione die Ufer entlang auch
Schweifte sie da, bald stumm anstarrend die Küste Pompeji's,
Hob sie die Anne hinauf zum Himmel mit offenen Lippen
Wortlos, irr, bald stieß in die Luft sie den plötzlichen Schrei aus.
Nimmer entfloß in des Grames Verzückung Schmerzensgesang einst
So Kassandra's Mund, als Ilium's Schutt anstarrend
Ueber dem feindlichen Borde sie saß, nachtdunkelen Jammer
Streuend in's Meer, und die Lüfte beflügelnd mit heiligem Wehruf,
Als nun klagte Ione, den Vater, die Freunde, die Heimat
Rufend, die grablos tief in des Bergs Erzwoge begrabnen.
Tod da flehte sie, Tod, und hinab in's Meer sich zu stürzen
Oft aufsprang sie begierig, es faßte sie jammernd der Bruder
Ion, und fest in den Armen umschlang sie Euphorion oftmals,
Weinend die schaudernden Tränen, zum Jammer den Jammer gesellend.
Sie durchweinten den Tag, durchweinten die schwebende Nacht auch,
Ringend die Händ' mit Geseufz, und umirrend die Felsen des Eilands,
So wie die Kinder des Schwan's, wenn ihnen der Jäger die Eltern
Schlug, mit dem Nest sie verderbend, und sie auf rötlichem Vorberg
Sitzen am Meer einsamlich, und schlagen die Flügel und schreien
Endlos harfenden Gram in die blauende Oede der Salzflut.
Tag ward's wieder. Und sieh', da kehrte Serapion heim auch,
Als schon Jene, die Harrenden, still im dumpferen Schmerze,
Leer vom Quelle der Tränen die Brust, Hinbrütende, saßen
Ueber dem gelben Geklipp auf Marmorstufen des Palast's,
Den sich Tiberius eh', der capräische Dämon erbaute,
Herrlich von Säulen umstellt, und es blickten von schimmernden Sockeln
Rings um die Treppe in's Meer ernstschweigende Göttergestalten.
Dort nun fand sie der Greis; anklimmend die Steile des Ufers
Kam er, und gleich wie ein Mann, deß wortvoreilender Blick schon
Grausiges kündet, begann jetzt zaudernd Serapion also:
Arme, o was nun muß ich berichten? mit Worten wie sag' ich's?
Staub ist worden Pompeji, verschlungen die Stadt, und begraben
Auch ihr Volk! Nicht Vater und Haus, nicht Freunde und Heimat
Hoffet zu schau'n; sie verhüllet mitsammen die wölbende Erde.
Ach! kein Aug' sah jene; und wer dem Verderben entfloh'n ist,
Todt ja nennet er Arrius, todt auch Pansa, Ismenos
Todt! Wer sondert die Vielen? Es strömt allwärts die Vernichtung,
Und die chaotische Welt, sie erscheinet ein einziges Grab nur.
Wie mit des Nil's Schlammwoge bedeckt das verzerrete Land dort
Schutt. Bleifarb aufragen des Erzes geronnene Klumpen;
Berge vom Berge gespieen bewälzten die Felder und Städte,
Grausig, in Schollen gedrängt, wild starrt das geschmolzene Erdreich,
Und rings Wüste — von Schwefel ein Pful, und unsägliche Asche
Schichtweis schichtend, und Sand, und Geröll und Gebröckel unendlich!
Aber die Stadt in die Tiefen des Tartarus stürzte sie spurlos;
Also des Staub's Lailachen, von Asche ein schwärzliches Bahrtuch
Breitete über sie hin der Vesuv, daß nirgend ein Tempel,
Nimmer Theater zu sehn, noch Platz, noch irgend ein Wohnhaus,
Sondern das nickende Haupt streckt auf aus wogendem Staube,
Einem Ertrunkenen gleich, bald hier, bald dorten ein dorisch
Säulengeknauf, und ein gipfelnder Kamm des zerzauseten Turmes
Ach! und der Leichen ein Heer! die starrend in Lava, und die in dem Sande,
Oder in schlammiger Flut mit des Meers Unthieren gemenget,
Welche die See nun wälzt, die entsetzte, in schaudernder Woge,
Sammt der zerschlagenen Schiff' anprallenden Masten und Kielen.
Und es erhebt Staubwirbel der Wind wie in Libya's Wüste,
Ueber Pompeji tanzt Wuttänze des Todes die Asche.
Aber Neapolis schickte und Nola die eilenden Schwärme
Grabenden Volks, ob manchen an's Licht vom Schutte sie lösten;
Doch stillstehen die Männer, am Fuße die müßige Schaufel,
Stehn voll Schauder und starren das schwarze phlegräische Feld an.
Und wie Raben des Herbst's mit Geschrei durch krächzen das Sturzfeld,
Schwarmweis hockend, so sitzen im Schutt dort winselnde Weiber,
Oeden Geschrei's, ihr Haupt mit dem schwefligen Staube verschüttend.
Jammer, des Tods Spürhund, laut winselt er da, und die Fährte
Sucht er in stöbernder Asche; der Hunger mit brennenden Blicken
Schweifet umher, und es scharret den Schutt auf heulender Wahnsinn.
O wie sagt es die Rede? so schlingt um den lieblichen Golf nun
Finstere Kränze der Tod; auch andere Städte versanken,
Herkulanum fiel und Oplontis, Stabiä deckt Nacht,
Nimmer zuvor seit einst die bevölkerte Erde vom Chaos
Stieg, sah irgend ein Auge so jähe und grause Vernichtung.
Hemmt, ach hemmet die Klagen! so grundlos schwindelnde Tiefen
Mißt kein Schmerz. Stumm stehet der Mensch vor der Himmlischen Werk hier
Ratlos staunend, und läßt vollenden das Nimmererfaßte.
Fromm laßt ruhen die Todten, den Vater im heimischen Grab ruhn,
Selige, welche den Sturz nicht sah'n und die Wüste Pompeji's,
Sondern es raffte vom Fest sie hinüber ein himmlischer Dämon.
Also der Greis. Doch laut schrie Ion mit gellender Stimme,
Und mit verhülltem Gesicht stand bitterlich seufzend der Jüngling,
Aber Ione, die Hände gestreckt weit gegen Pompeji's
Bläulich verschleierte Ufer, mit todtgleich blickendem Antlitz
Schaudernd und blaß, ihr strömendes Haar um den Busen gestreuet,
Stand sie und sah in das Meer, bis nieder die mattenden Arme
Sanken, es sank an die Schulter dem Freunde das Haupt; und das Kind auch
Zog vom Boden empor an den Händen Euphorion zu sich.
Aber mit Rührung sah es der Greis, wie die jungen Gestalten
Also die Fessel des Leides umflocht und die Fessel der Liebe.
Und lang' standen sie stumm in dem atmenden Schmerz, und sie blickten
Schwermutsvoll in das Leben zurück, dann sagte der Alte:
Heut' wol schauet die Sonne der Wandlung viel, was Völker
Gründeten, Zeiten befestigt, es löste der plötzliche Tod auf.
Arm nun mengt sich und reich, und der Herr nennt Bruder den Sclaven.
Was sind Wünsche der Menschen, und was ihr Müh'n um die Zukunft?
Was dein eigener Schmerz, o Euphorion, welchen du jüngst noch
Wild zum Himmel gestürmt um ein ärmlich Gebild aus Erde?
Sieh', nun liegt im Staube Pompeji, zerbrochen, verschüttet,
Wie ein Gefäß, das spielend vom Sockel ein Knabe hinabwarf.
Larven bewohnen sie nun, und es schlüpft durch stille Paläste
Ekles Gewürm, auf Gold sich bettend und tyrische Seide.
Aber die ewige Nacht deckt köstliche Wunder der Schönheit,
Also rollet die Zeit gleich Kieseln des Feldes beständig
Werke und Werke der Menschen, Prometheus' Kinder verhöhnend,
Die aus Staube den Staub, armselige Schöpfer, gestalten.
Schutt nur erben die Enkel, es sammelt die trauernde Nachwelt
Selbst die erhabenste That als splitternde Scherbe vom Schutt auf.
Da hob plötzlich das Haupt der Hellene, und sprach mit Bewegung:
O, wol redest du wahr! es verhöhnt ja eine Minute
Unsern titanischen Schmerz und die herrlichsten Göttergefühle.
Denn auch hinter der Hand und dem Werke des Phidias stand einst
Spottend der Tod, und belächelte still die dereinstige Scherbe.
Doch was sehnsuchtsvoll im Busen zum Lichte begehret,
Was in's Unsterbliche drängt mit den schöpfungsfreudigen Qualen,
Greis, nicht ist es ein Hauch der verwehenden sterblichen Stunde!
Städte versinken und Völker, es fallen die Werke der Menschen,
Aber die Bildkraft bleibt, und es bleibt die erlösende Arbeit;
Himmlische Priester des Lichts und der Freiheit wandernde Boten
Pilgern sie fort von den Vätern zu kommenden Enkelgeschlechtern.
Und es erneut sich ewig der Mensch, stellt Werke zu Werken,
Still an der Blume der Welt fortbildend in heiliger Demut.
Sieh', so fühl' ich es hier, ob noch vom Tod mir die Seele
Trieft, doch blieb mir die Kraft und des Schaffens unendliche Sehnsucht.
Werkstatt haben und Werke die Himmlischen selber verschüttet
Mir, und die Zweifel zugleich, und die kleinen die kindischen Schmerzen.
Decke der Schutt denn ewig die Thaten des Lehrlings , ewig
Jene Gebilde des Traum's und der jugendlich kämpfenden Sehnsucht!
Aber wie wenn in Vesuvius' Glut ich die Seele gebadet,
Daß sie des schwereren Stoffes entschlackt und der trüberen Mischung
Frei und gereiniget nun zu den sonnigen Gipfeln emporstrebt,
Also ward mir, so fühl' ich erneut, so innen ermannt mich.
Und der Aegypter betrachtete froh den Erregten und Hohen,
Wie er das Sclavengewand noch tragend, der Kräftige, dastand,
Männlicher nun, mit dem finsterumlockten geschwungenen Haupte,
Gleich wie Dädalus' Sohn, den selbst er im Thone gebildet,
Ruhiger aber und ernster; es sah ihn gerne der Gastfreund,
Wie an der Hand er sich hielt Pompeji's entzückendstes Mädchen.
Seltsam, sprach er, vermischen die Ewigen immer der Menschen
Loose; der Furie Geißel erschlägt der Gewaltigen Häupter,
Aber dem Sclaven um's Haupt wird sanft zum Kranz sie verzaubert.
Tod wird Leben, die Pforte des Grabes ein hohes Triumftor.
Glücklicher du, dich preis ich: ein Phönix entstiegst du Pompeji's
Asche, und was du ahnend gebildet, erfüllte der Gott dir.
Du bist frei! bist selber entronnen des Tods Labyrinte;
Dädalus nenn' ich und Ikarus dich, denn jegliche Schwinge
Liehen die Genien dir. O hebt zum Aether die Hände,
Hebet sie dankend empor, die selbst auf Flügeln in's Schiff mir
Himmlische trugen. Und du, o edles und duldendes Mädchen,
Was wählst jetzo du? Zur Heimat führen die Pfade
Nimmer zurück; neu will sich das Leben und größer gestalten.
Denn wer Solches bestand, dem haben die ewigen Mächte
Hoch in's Leben und höher gerückt die erhab'ne Bestimmung.
Willst nach Rom mit dem Bruder du gehn? Dort wohnen des Vaters
Freunde dir viel — willst eher Neapolis' Stadt du erwählen?
Sag's, ich führ' in dem Schiff dich gern, wohin du begehrest.
Oder erfass' ich es recht, was schon ich ahnte, und was ihr
Selber mir jetzt mit den Blicken gesteht und der Hände Verschwist'rung?
Nicht antwortete drauf des unseligen Arrius Tochter,
Sondern sie schlug zur Erde den Blick, die versunkene, schweigend.
Aber Euphorion sprach: wol hast du Wahres geahnt dir,
Uns zum Piloten gesandt von den Himmlischen, heiliger Gastfreund.
Ja, wir gehen mit dir, du hast's ja selber geweissagt.
Doch kein flüchtiger Sclave besteig' ich den rettenden Bord dir.
Sieh', mir folget Ione, dem Manne die Wandergefährtin,
Welchen sie selber gelöst von dem Fluche der traurigen Knechtschaft.
Die mir das Leben versagt nun hat sie verbunden der Tod mir,
Und uns schmiedete, ach! der Vesuv die unlösliche Fessel.
Ist es ein Traum? Ihr Götter, wie fass' ich die plötzliche Wandlung!
Ihr ja leert um das Haupt mir Staunendem jegliches Füllhorn,
Leid mir mischend mit Lust und den Tod mit lebendigem Heile.
O wie steh' ich beschämt vor euch, der einzig von allen
Minderes litt; wie ein Mann nun muß ich, ein darbender, scheinen,
Der aus brennendem Schutt sich raffte die köstlichen Schätze,
Todten sie raubend, es macht ihn selbst der verschwendende Tod reich.
Drum kein ziemendes Wort nun weiß ich; es stammelt das Herz mir,
Hoffet mir viel, doch Jammer begräbt es in schauderndes Schweigen.
Dies nur fühl' ich: Ione, du lebst, und du lebst mir, o Knabe!
Und wenn noch der Lebendigen Flehn zum Orcus hinabdringt,
Dann wol höret der Vater die heißen Gelübde, es winkt dann
Mir vom elysischen Felde des Arrius Schatten versöhnlich.
Fern jetzt über das Meer in Verbannung schiffende ziehn wir,
Schmerz ist unser Geleit, doch Hoffnung auch und die Liebe,
Die aus Trümmern empor uns wieder erbauet die Heimat.
Denn auch hinter dem Meer blüht herrlich die gastliche Erde,
Eos erglänzt auch dort, und es steigt ob thätigen Menschen
Dort auch Helios auf und des freundlichen Abends Selene.
Sprach's, und er wies auf's Meer und Calabria's schimmernde Berge,
Die aus wallendem Dufte violene Gipfel erhoben.
Weit hin lachte die Flut, und Licosa's zackiges Vorcap
Funkelte schön; manch' wanderndes Schiff mit gehobenem Segel
Flog zum Süden hinab in dem selig beflügelten Laufe.
Aber Euphorion war's, als klang der smaragdene Aether
Festliche Hymnen, als tönten Gesänge die eilenden Wellen,
Sehnsuchtsvoll anrauschend und drängend in sonnige Weiten.
Also stand er bewegt auf Capri's gegipfeltem Ufer,
Mit der geschwungenen Hand in das purpurne Meer hinweisend,
Und ihm glomm in dem Auge die himmlische Flamme der Sehnsucht.
Doch ihr bleiches Gesicht hob traurig Ione und sagte:
Ach! in die Ferne, o Freund, blickst du, und die Flügel der Hoffnung
Hebt dein mutiger Geist; doch mir im Busen zur Urne
Ward das verschüttete Herz, mit der Asche des Todes gefüllt mir.
Fassung such' ich des Grames, und Demut lehr' ich dem Schmerze
Fromm in die finstere Not mein Haupt hinsenkend, ich Arme,
Aber des Herzens Geschrei, o es weckt aus ödem Verstummen
Stets das verzweifelte mich, dann immer die Himmlischen frag' ich:
Wölbt um Pompeji sich ewig die Asche? und kehrt uns nimmer,
Nimmer der herrliche Vater? verschlang ihn ewig der Schutt dort?
Deckt er die Freunde zugleich und das Haus und die blühende Stadt auch?
Immer im Traum nur leb' ich, und strecke die sehnenden Arme
Heimwärts aus, die verwaiste, zu nichtigen Schemen des Grabes,
Denn wie dem Wanderer wol auf sandiger Haide der Sturmwind
Hohnvoll löscht mit dem Staube des eilenden Fußes die Spur aus,
Also decket der Sand mir all' mein Leben und Fühlen.
Chaos ward es um mich, und es taumelt im eigenen Busen
Heimatlos mein Herz, so riß es vom Anker, so treibt es
Fort in der Woge des Grames, und fortan verschleierte Zukunft.
Ach! von des Arrius Haus sind dies die alleinigen Trümmer,
Ich, und Euphorion du, und Ionion, teuerstes Haupt du!
Ion hierauf: Nun lieb' ich, Ione, Euphorion doppelt
Euch, denn Eltern erscheint ihr mir, da der Vater hinabsank.
Aber sobald wir bauen das Haus am purpurnen Nilus,
Sei's wie das unsrige war, denn nimmer vergeß' ich die Wohnung,
Wie sie so schön uns stand mit den meerblau stralenden Säulen.
Sand nun deckt und Geröll sie, und deckt auch Aecker und Schätze,
Welche der Vater gehäuft und die sorgende Mutter gesammelt.
Alles verschmerzt' ich mir wol, nur deine Geschenke, o Schwester,
Nicht, die du mir von Rom nur eben, die köstlichen, brachtest.
Und den Pilaster von Erz auch muß ich, o Guter, beweinen;
Immer erscheint mir die schöne Gestalt, wie im Saale die Lampen
Funkelten auf, und der Vater entzückt da saß', und die Freunde
Staunten empor. Doch aschebedeckt nun liegt er, und keiner
Schürt die bezaubernden Lampen, erfreut ob ihres Gefunkels.
Ihn zog hastig ein Geist wol gleich in die Tiefe des Orcus
Unter die Larven hinab zur Königin Persephoneia,
Wo er am Tron nun steht und das schaurige Dunkel bestralet.
Mag ihn decken der Staub, sprach lächelnd Euphorion hierauf,
Sei er dem Arrius nun Gruftlampe und allen den Freunden.
Aber mir selbst hat schön er erreicht die Bestimmung, Herold
War er des Lichts mir, der Liebe ein freundlicher Retter; und einst wol,
Wenn hingingen die Zeiten und manches der Menschengeschlechter,
Wenn wir alle verweht auch sind und verschüttet vom Staube,
Findet die Nachwelt ihn; dann unter dem späten Geschlechte
Wird er ein Fremdling stehn und ein göttlich Geheimniß. Aber
Irgend ein Mann wol schaut, ein Betrachtender, ihn, und mit Wehmut
Redet er dann: weß waren die Hände, die künstlichen, welche
Woben die Formen, und welche Gefühle bewegten den Meister,
Als in der Werkstatt er die dädalische Leuchte gebildet?
Wem auch hat sie gestammt und beschimmert die liebende Seele?
Und dann wird mein Erz dem bestaunenden Enkel erzählen
Auch von Pompeji's Geschick und von uns die melodische Kunde.
Aber ich selber, versetzte das Kind, ich lerne von dir nun
Formen das Erz, daß ich auch werde der Bildkunst Meister,
Welchen ein jeder verehrt und mit rühmendem Lobe bestaunet.
Schön auch dünket es mir, wenn solches zu üben der Mensch weiß,
Was kein Schicksal ihm, kein plötzlich vernichtendes hinrafft.
Sind doch wir nun ach! des begüterten Arrius Kinder
Gleich wie die Aermsten des Volks, die bettelnd am stäubenden Weg stehn.
Aber du einzig allein bliebst reich, du führest die Güter
Alle mit dir, die beglückende Knust und die schaffende Arbeit,
Die ja uns nun auch, die verlorenen Waisen, ernähret.
Also der Liebliche sprach, und Euphorion hob an das Herz ihn,
Drückt' ihn sanft an die Brust, und er sah zum Himmel bewegt auf,
Wol, rief schnelle Ione, o wol! wir tauschten des Glückes
Eig'ne Gestalt aus. Eh noch stand ich erhaben und glanzvoll,
Und mir selber zu hoch für Wünsche, so lange gehegte.
Jenen erreicht' ich, es sprach dich frei mein Mund, o Geliebter.
Aber der Gaben, o Freund, die vormals Arrius' Tochter
Lieh' zu verschenken das Glück, ach! war es die letzte und schönste.
Arm jetzt bin ich, es ist mein Malschatz Jammer und Schmerz nur.
Nimmer entschweigt ja einst, so viel auch schwänden der Jahre,
Dieses unsterbliche Leid, denn ewig die Seele gewendet,
Wo auch immer ich sei, zu dem Grab der verlorenen Freunde,
Muß ich den Vater beweinen, und ewig beweinen Pompeji.
Aber ein Himmlischer reichst du, ein Gebender immer, das Heil mir.
Und wie sprech' ich es aus, was jetzt mein bebendes Herz fühlt?
Denn wie dem Schiffer erscheinet, dem sturmdurchkämpfenden, endlich
Holdeste Rast in dem Hafen, so bist du Hafen des Gram's mir.
Wir sind dein, wir wandern mit dir; was über dem Meere
Fern uns rüstet der Gott, wir tragen's in thätiger Liebe.
Und nun komm', es vergeht mein Herz, zum Scheiden sich sehnend.
Satt noch will ich des Gram's mich weinen im Staube Pompeji's,
Dann in das Schiff, o Greis, nimm auf gastfreundlich die Wandrer.
Horch! und es scholl vom Strande Gesang, helljauchzender Meergruß.
Von dem erneuerten Schiff zu dem Fels auf riefen des Nilus
Söhne, den Greis antreibend; es wallten vom tannenen Maste
Wimpel, im Nordwest rauschten die Flaggen, und über dem Borde
Hingen des Oelbaums Kränze und Zweige der heiligen Fichte.
Auf denn! sagte der Greis, weil unten das rüstige Schiffsvolk
Mich mit Gelärm anruft und zur Abfahrt jeder sich rüstet.
Strebt doch allen die Seele verlangend zur sicheren Heimat.
Aber so eilet und stillet der Brust gramselige Sehnsucht,
Scheidende ihr, und süß ist immer das Weinen, der Schmerz süß
Jeglichen Abschieds; aber am Cap dort drüben der Pallas
Weil' ich sodann, bis heim ihr kehrt vom Schutte Pompeji's.
Einige gönn' ich der Tag' euch dort zu erfragen die Freunde,
Oder zu ordnen so viel, als sonst noch Wandrern geblieben,
Welche das Schicksal selbst vom heimischen Strande gegeißelt.
Und manch' frommes Geschenk will dort im Tempel ich stiften,
Wie es den Schiffern der Brauch, daß gnädig die Himmlischen senden
Fahrwind uns, und den Kiel uns treiben zum göttlichen Nile,
Wo im begüterten Haus euch sorgsam pflegen die Meinen,
Bis euch Pallas dereinst aufrichtet die eigene Wohnung.
Aber sobald ich daheim, dann soll mir malen ein Maler,
Wol ausführend mit Kunst, zween köstliche Tafeln, darauf man
Schaue die sinkende Stadt und den stammenden Berg und das Fahrschiff,
Wie's die Olympischen mir aus wirbelndem Strudel gezogen.
Dies abbild' er mir schön, und die eine der Tafeln gelob' ich
Dort in's minervische Haus, in den Tempel der Isis die andre,
Wo am Canopus er hoch ob gelblicher Strandflur aufragt,
Jetzo stiegen hinab sie des Palast's steinerne Treppe,
Die zum Hafen sich bog um die rötlichen Klippen des Eilands.
Langsam folgte der Greis; an der Hand sich haltend die Beiden
Schritten, und ihnen vorauf sprang schnelle der rosige Knabe,
Aehnlich an zierlichem Wuchse dem lockenumkräuselten Amor,
Welcher die Liebenden führt in die blauende Ferne des Lebens.
Gleich in das Boot nun stiegen sie ein; zum Ufer Pompeji's
Flog die beruderte Barke, die spiegelnde Woge zerteilend.
Aber Serapion's Schiff durchbrauste die Enge von Capri,
Bald anlandend sodann beim schönen minervischen Tempel,
Der sich nah am Gestade des Meers mit der stralenden Zinne
Hob, Wahrzeichen dem Schiffer und heilig von allen verehret,
Seit undenklicher Zeit. Ihn bauten die taphischen Männer,
Als vom hellenischen Land sie in meerdurchwandernden Schiffen
Kamen, Neapolis' Land zu bebau'n und die Fluren von Kumä.
Und so mancherlei Gut, was dankbar opfernde Schiffer
Fromm dort weihten, der erz'nen Gefäße, des blonden Elektron's
Schmuck, und gemalete Tafeln des Danks für plötzliche Rettung
Sah man rings in dem Tempel gehäuft bei jeglichem Altar,
Viel dort opferte Gaben der Greis, austeilend den Priestern
Reiche Geschenke an Gold und an köstlicher Feiergewandung.
Acht nun schwanden der Tage dahin; als aber der neunte
Kam und verging, und sich Helios schon zum Abende senkte,
Sieh' da brachte das Boot sie zurück vom Strande Pompeji's,
Kräftig im Schwunge gelenkt um die Klippe des hohen Surrentum
Flog es daher; und es sah sie Serapion freudig herannah'n.
Aber Euphorion hielt in den Händen die wölbende Urne
Schöner hetrurischer Form, die weit her stralete rötlich,
Schimmernden Thon's, und gezieret mit anmutsvollen Gebilden.
Denn von der heiligen Asche Pompeji's hatte Ione
Drinnen gesammelt den Staub zu der Heimat Trauergedächtniß,
Jetzt an der Stelle der Laren, an Stelle des Brandes vom Heerde
Nahmen sie mit in dem Kruge den Staub, daß einst in der neuen
Heimat fromm sie das Mal aufstellten in eigener Wohnung.
Aber Serapion führte die Liebenden gleich auf's Fahrschiff
Froh, denn stärker erhob sich der West mit der Kühle des Abends.
Auf nun wanden die Anker Aegyptus' bräunliche Kinder
Sehnsuchtsvoll, und es füllte der Wind anschwellend die Segel,
Aber das schwärzliche Schiff flog hin wie der wandernde Ibis.
Schon war's Abend, die Sonne versank schon drüben an Ponza's
Fein aufschimmerndem Fels, in dem purpurnen Dufte vergehend,
Herrlich und groß, wie das Leben der Völker und Zeiten dahingeht,
Noch nachdämmernden Schein in die späten Geschlechter ergießend.
Still ward, stiller die Welt, und Surrentums Berge verglommen
Schon, dort dunkelte sanft und verblaßte der Träumer Vesuv schon.
Aber sie saßen am Bord, an den Händen sich haltend, hinüber
Blickten sie still, bis ihnen entschwand die versunkene Heimat.
Lebe, Pompeji, mir wol! Lebt wo!, ihr heiligen Gräber!
Also riefen vom Borde Ione, Euphorion, Ion.
Lebe, Pompeji, mir wol! — und es brauste das eilende Fahrschiff
Weiter in's Leben und weiter. Und Nacht ward's, herrlich im Westen
Funkelte Hesperus auf, und die Lampe der Götter Orion
Zündeten bald in dem Blau die uranischen Horen, und freundlich
Blickten herab auf's Schiff, sanftstralend, die himmlischen Sterne.