Christian Dietrich Grabbe
Napoleon oder die hundert Tage
Christian Dietrich Grabbe

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Fünfter Aufzug

Erste Szene

Abend. Ein Hotel in Brüssel. Viele große Säle, prächtig erleuchtet.

Herzog von Wellington mit Gefolge, Damen und Offiziere höchsten Ranges darunter, tritt ein. Der Herzog von Braunschweig kommt etwas später, den sogenannten »Schwarzen Becker«, seinen Kammerdiener, zur Seite. Er setzt sich in eine Nische des vordersten Saales. Der Schwarze Becker bleibt neben ihm stehen.

Herzog von Braunschweig. Becker, hast du alle meine Papiere in Ordnung?

Schwarzer Becker. Ja, Eure Durchlaucht.

Herzog von Braunschweig. Du bist ein braver Kerl, sorgst wohl zuerst für dich, dann aber zunächst für mich – Mehr kann man von einem Menschenkinde nicht verlangen –

Schwarzer Becker. Herr Herzog –

Herzog von Braunschweig. Laß das gut sein – So braun dein Gesicht, und so schwarz dein Haar ist – du bist mir lieber als viele der Herren, welche mich in Braunschweig bei meiner Rückkehr mit ihren nichtssagenden Fratzen und wohlfrisierten Perücken devotest empfingen, und dennoch mit – und mit den – unter einer Decke spielen möchten. Schwarzer Becker, vernichte jedes Papier, von dem es dir nicht gut scheint, daß es an das Licht komme – die alten Korrespondenzen mit – – – –, und Gott weiß, mit wem sonst noch – fort damit! 's ist alles Lumpenzeug.

Schwarzer Becker. Sie befehlen Durchlaucht.

Herzog von Braunschweig. Becker, ich falle bald – mir sagt's die Ahnung so deutlich, daß ich nicht zweiflen mag. Es tut mir leid um meinen unmündigen ältesten Jungen, – man wird ihn vielleicht so – – und sich in solche Schaffelle zu kleiden wissen, daß, wenn er in die welfischen Brausejahre kommt und mündig wird, und dann den ganzen Spuk der ausheimischen, einländischen und persönlichen Interessen erblickt, er glaubt noch toller werden zu dürfen. als die, welche – – Wenn ich nicht mehr bin, Becker, so laß dich nicht im Braunschweigischen nieder, – gib dann das wild bewegte Leben auf, heirate irgendwo anderwärts eine tüchtige Person, und denke bisweilen an mich, wenn du recht glücklich bist.

Schwarzer Becker. Herzog –

Herzog von Braunschweig. Laß das Weinen. Nichts verlachenswerter. – Ich sage dir, in diesen Tagen fall' ich –

Schwarzer Becker. Durchlaucht, gewiß Phantasien –

Herzog von Braunschweig. Mag sein, aber immer noch besser als Wellingtons Tanzlust – Er meint, er hätt' es mit einem Jourdan zu tun – Bonaparte wird ihm den Unterschied zeigen.

Schwarzer Becker. Bonaparte ist noch in Paris.

Herzog von Braunschweig. Leicht möglich und ebenso leicht nicht. Er ist in der Regel da, wo man ihn nicht vermutet.

Schwarzer Becker. Durchlaucht, zerstreuen Sie Sich – Hören Sie die Musik! Da das: God save the King!

Herzog von Braunschweig. Solang es dauert. – Sind die Braunschweiger bereit?

Schwarzer Becker. Immer unter Waffen.

Herzog von Braunschweig. Gut.

Schwarzer Becker. Durchlaucht, welch ein Schimmer von Uniformen – Da selbst der ehrliche Brite Picton in größtem Staat – Und gar der Herzog von Wellington, der Prinz von Oranien –

Herzog von Braunschweig. Der Herr Herzog halten immer den Mund auf, und hören doch oft recht schwer. – Nehmen die englischen Krebse sich nicht besser in acht, so müssen sie bald nach gewohnter Manier zurück in die See, wie bei Corunna und Vlissingen.

Schwarzer Becker. Da naht eine Damendeputation – Sie hat uns an den Totenköpfen der Tschakos erkannt, und will Ew. Durchlaucht mit Lorbeeren bekränzen.

Herzog von Braunschweig. Gehe zu den Damen, mache deine höflichsten Verbeugungen, und sag' ihnen: ich dankte für die Ehre.

Schwarzer Becker. Wie Ew. Durchlaucht gebieten. (Er richtet den Befehl des Herzogs mit größter Höflichkeit aus, die Damen ziehen sich zurück, und er geht wieder zum Herzog.)

Herzog von Braunschweig. Schaffe mir einen Whisky.

(Der schwarze Becker geht und bringt den Whisky.)

Ein englischer Artillerieobrist (eine junge Dame hereinführend). Adeline – Was ich so lange in Londons ersten Zirkeln gesucht, – hier, auf dem Feldzug, find' ich es auf einmal in dir – entzückender Schönheitsglanz und unversiegbare Liebe.

Adeline. Wer weiß, wie viele herrlichere Blumen du vorbeigingst, ohne sie zu sehen, und wie zufällig dein Blick grade auf mich fiel.

Artillerieobrist. Nein, nein, – kein Zufall – Mein guter Genius selbst führte mich in deine bräutlichen Arme.

Adeline. Siehe dort die Fürstin Ligne, die Herzogin von Chimay, die Gräfinnen von Barlaymont, und so manche andere – Welche Gestalten! welche Grazien! Welch überreicher Schmuck strahlt von ihrem Haar und Gewand, und wie armselig ist er gegen sie selbst! – Edward, es ist unmöglich, daß du mich liebst, wenn du solche Göttinnen siehst.

Artillerieobrist. Deine Bescheidenheit ist göttlicher als all jener Prunk. – Oft schrien die ehernen Stimmen der Geschütze um mich, flogen Pulverwagen, Reiter und Pferde, Ingenieure und Bombenkessel in meiner Nähe auf, – an keine Dame Europas hätt' ich gedacht in dem Getümmel, – aber an dein Auge gewiß, ja an die Spitze deines kleinen Fingers.

Adeline. Edward, nimm den Abschied – mache den Feldzug nicht mit.

Artillerieobrist. Es kommt zu keinem Feldzug, Geliebte. – Der Korse scheint keine Armee zusammenbringen zu können – Wir marschieren wohl ohne Aufenthalt nach Paris –

Adeline. Ach, wären wir auf deiner Stammburg, in den grünenden Auen von Sheffield!

Artillerieobrist. Der Prinz von Oranien faßt die Hand der Fürstin Ligne, Wellington die der Herzogin von Chimay Alles arrangiert sich – Der Ball beginnt – Horch! die Musik braust los, ein Ätna feuersprühender Töne – Treten wir in die Reihen.

Adeline. Musik! Musik! – Was rufen all die Töne? – mir nichts als deinen Namen! (Der Artillerieobrist tritt mit Adeline in die Tanzreihen.)

Herzog von Braunschweig. Noch einen Whisky, Becker.

(Der Schwarze Becker holt den Whisky.)

Schwarzer Becker. Da beginnen sie eine Galoppade.

Herzog von Braunschweig. Wer weiß, ob nicht schon die Kürassiere des Milhaud hieher galoppieren.

Herzog von Wellington. Lauter die Musik! – Herzogin, Sie glühen – Der Tanz greift Sie an.

Herzogin von Chimay. In den Armen des Siegers von Salamanca nimmer.

(Dumpfe, aber sehr entfernte Töne.)

Herzog von Braunschweig (springt auf). Becker, was ist das?

Schwarzer Becker (aus einem Fenster sehend). Ein Gewitter zieht auf.

(Wieder entfernte, immer lautere Töne.)

Herzog von Braunschweig. Gewitter? Gewitter? – Ob aber am Himmel oder auf der Erde? – Melde Wellington, ich glaubte Kanonenschüsse zu hören.

Schwarzer Becker (geht zu dem Herzog von Wellington). Der Herzog von Braunschweig vernimmt Kanonenschüsse –

Herzog von Wellington. Ei, woher denn? – Hält er etwa diese Pauken oder die Donner des Unwetters dafür? – Vorwärts der Tanz! – Napoleon ist noch in Paris, oder daraus wieder nach Süden vertrieben. – Seine paar Bataillone bei Charleroi haben keine Kanonen, und unsere überstarken Avantgarden sind Blücher bei Ligny und meine Truppenteile bei Quatrebras – Vorwärts der Tanz!

Schwarzer Becker (zu dem Herzog von Braunschweig zurückkehrend). Wellington hält die Töne nicht für Kanonenschüsse.

(Lautere und stets lautere Klänge.)

Herzog von Braunschweig. So kenn' ich sie besser als der Herr von Ciudad Rodrigo – Es sind die Klänge, unter denen mein Vater fiel! Ein schlechter Sohn, der sie hört und nicht von Rache entflammt ihnen entgegenstürzt – Folge mir! (Mit dem Schwarzen Becker ab. Gleich darauf die Alarmmusik der Braunschweiger.)

Herzogin von Chimay. Hören Sie –?

Herzog von Wellington. Ruhig, Beste, so schön Ihnen auch die Unruhe steht. – Der Braunschweig hat seine Kriegerische Laune, läßt Alarm schlagen, und übt seine Truppen in der Wachsamkeit.

(Immer nähere Kanonenschüsse.)

Adeline. Wehe, was donnert da? – Das sind doch nicht – Da schreckt auch der Herzog auf!

Artillerieobrist. Adeline, – vor deinem forschenden Blick kann ich nicht lügen – Du hörst – o Gott – feindliche Kanonen!

Adeline. Jesus Christus! – Wie hast du dich geirrt – Napoleon marschiert doch heran!

Artillerieobrist. Wer könnte in ihm sich nicht irren? Er ist wie ein neuer plötzlich aufgetauchter, unerforschter Erdteil –

Adeline. Oh, wer stürzt da herein? – Das sind nicht Menschen – Das sind Teufel.

(Adjutanten Blüchers stürzen in die Szene.)

Artillerieobrist. So nenne sie nicht – preußische Kameraden sind's, noch schwarz vom Pulverdampfe der Bataille.

Einer der preußischen Adjutanten. Wo der Herzog Wellington?

Ein englischer Offizier. Dort steht er.

Preußischer Adjutant. Durchlaucht –

Herzog von Wellington. Sie kommen?

Preußischer Adjutant. Aus der Schlacht.

Herzogin von Chimay. Also dennoch –?

Herzog von Wellington. Ruhig, ruhig, Herzogin!

Herzogin von Chimay. Unmöglich, Herzog – Selbst Ihr Befehl bezwingt meinen Schrecken nicht – Wie stäubt der Ball auseinander –

Volk (auf der Straße). Der Feind! der Feind! er kommt! er kommt!

Herzogin von Chimay. Gott! ganz Brüssel in Bewegung!

Volk. Der Feind! der Feind! Brüssel brennt schon! Feuer! Feuer! Feuer!

Herzog von Wellington. Madame, trauen Sie diesem tollen Straßengeschrei nicht – Aber fahren Sie zu Haus, – eine zahlreiche Sauvegarde begleitet Sie.

(Herzogin von Chimay ab.)

Preußischer Adjutant. Herzog, Napoleon erschien mit seiner Armee urplötzlich vor Ligny, Ney vor Quatrebras –

Herzog von Wellington. Feldmarschall Blücher und mein Vortrab?

Preußischer Adjutant. Sind beide geschlagen, und ziehen sich hieher zurück.

Herzog von Wellington. Was meint der Feldmarschall?

Preußischer Adjutant. Er hofft, Ihr Heer vor Brüssel schlagfertig aufgestellt zu finden, sonst schlägt er die zweite Schlacht auch ohne es.

Herzog von Wellington. Bülows Corps?

Preußischer Adjutant. Hat an der Schlacht nicht teilgenommen, und stößt bald zu uns.

Herzog von Wellington. Und Blücher kommt, wenn ich standhalte?

Preußischer Adjutant. Er sagte es.

Herzog von Wellington. So glaub' ich es. – Sagen Sie ihm, Sie hätten mich leider in erbärmlichen Tanzschuhen getroffen, die ich leichtsinnig genug angezogen, – aber ich wollte selbst dieser Schuhe nicht wert sein, träf' er mein Heer nicht in Schlachtordnung vor dem Walde von Soignies.

(Die preußischen Adjutanten ab.)

Alarm! Alarm! Alle Truppen vorgeschoben nach Waterloo!

Artillerieobrist. Geliebte –

Adeline. Bleibe!

Artillerieobrist. Darf ich? – Schon rasseln meine Batterien über das Pflaster!

Adeline. Oh, diese Räder – Sie gehen durch mein Herz!

Artillerieobrist. Adeline, auch durch das meinige – Doch ich muß, ich muß – Wehe mir, die Rosenhimmel der Liebe auf deinen Wangen erbleichen – Welch ein schmerzliches Bild nehm' ich mit in den Kampf – – Lebe wohl! Vielleicht sehn wir uns wieder! – Diener, meine Braut zu ihrer Mutter geführt!

(Ab. – Adeline, in Ohnmacht, wird fortgeführt. – Draußen marschiert Kavallerie, Artillerie, Infanterie, unter letzterer)

Die hochländischen Regimenter (singend unter Begleitung der Sackpfeife).

Clan Douglas, Clan Douglas,
Die Mutter, sie weint –
Was »weint«!
Dort trotzet der Feind!

Clan Douglas, Clan Douglas,
Fluß Avon blinkt schön
Was »schön«!
Die Sachsen dran stehn!

Clan Douglas, Clan Douglas,
Wie stürzt er Berg ab –
Was »ab«!
Wir kühn in das Grab!

Clan Douglas, Clan Douglas
Was jammert die Braut –
Was »Braut«!
Der Feind ist schon laut!

Clan Douglas, Clan Douglas,
Wie steil unser Stieg –
Was »Stieg«!
Zu Rache und Sieg,
Clan Douglas, Clan Douglas, Clan Douglas!

Herzog von Wellington. Wetter, die Bergschotten sind eine brave, treue Nation, – Lieder auf die sächsischen Eroberer de anno 500 nach Christi Geburt begeistern sie noch heute gegen die Franzosen. – – Meine Herren vom Generalstabe: Bonaparte hat uns getäuscht und überrascht, aber das alles läßt sich gut machen durch Festigkeit. Wir waren eben im Tanz begriffen, und sehr heiter, – seien wir in der Schlacht auch so, und die Franzosen sollen bestürzt aussehen, wenn sie ihre Erbfeinde nicht im Tanz, sondern gewaffnet und ruhig sich gegenüber erblicken. Verteilen Sie sich in den Cantonnements, sorgen Sie, daß jeder Befehlshaber seine Schuldigkeit tut. Ja keine Unordnung unter den Truppen, die strengste Disziplin geübt, – aber den Leuten Lebensmittel gegeben, so viel aufzutreiben. Adieu! (Ab, – die Offiziere gleichfalls.)

Erster Aufwärter. Abgeräumt – Das Volk ist fort.

Zweiter Aufwärter. Alle Reste in die Tasche – Da Kuchen über Kuchen –

Erster Aufwärter. Halbvolle Weinflaschen stehen dabei. Nehmt und trinkt sie aus mit den Hausmamsellen. (Für sich.) Ah, da find' ich eine Brillantnadel –

Zweiter Aufwärter. Himmel, wie das marschiert und trottiert!

Erster Aufwärter. Ich hoffe, die Franzosen gewinnen doch. Ich sage lieber »Monsieur« als »Myn Her« oder »Ihro Hochedelmögenden«. – – Daß die Küchenmädchen die Teller besser putzen, keinen gelben Rand darum lassen, sonst soll die Canaillen – – Hurtig, mit mir hinunter – Eine Menge Offiziere sprengt vor die Haustür, und fordert noch einen Schluck, die Courage zu begießen.

(Die Aufwärter ab.)

Zweite Szene

Heerstraße in der Gegend von Wavre.

Die preußische Armee auf dem Rückzug. Blücher, eine lange irdene Pfeife rauchend, und Gneisenau neben ihm, im Hintergrunde zu Pferde auf einem Hügel. Linie und Landwehr, hin und wieder in Schwadrone oder Compagnien geordnet, meistens aber aufgelöst, reiten und marschieren durcheinander. Artilleriezüge und Fuhrwerke jeder Art darunter. Auf den Kanonen und Wagen liegen und sitzen Verwundete und Gesunde. Jeden Augenblick stürzen Marode. Aus der Ferne ununterbrochener Kanonendonner. Alles eilt vorwärts. Es regnet.

Der Trainknecht einer Kanone (zu seinen Pferden). Hot – ha! Fritz, hot – links liegt ein Verwundeter – Hans, ha – – rechts ein freiwilliger Jäger mit einem Hemde, so fein, daß einem das Herz weh tut, darüberzufahren.

Der Berliner Freiwillige. Dieses ist schrecklich erhaben – Ob mein Wasserpolacke tot ist?

Der ostpreußische Feldwebel. He, Berliner – wie geht's?

Berliner. Sieh, der Herr Feldwebel – leben Sie noch? – Es schmerzt mir vor Freude.

Feldwebel. Auch immer frische Courage?

Berliner. Courage? Weiter nichts? An die hab' ich mir bald gewöhnt. Es sind mich gestern tausend Kugeln um den Kopf geflogen, und keine traf mir. Geht das so fort, so bin ich bald gar nicht mehr vor mich bange.

Feldwebel. Das ist mir lieb – Adieu –

Berliner. Herr Feldwebel –

Feldwebel. Nun?

Berliner. Sie steht die große Nase, die Sie haben, sehr gut – Wahrhaftig, ich möcht' Ihnen damit auf dem Brandenburger Tore sehen, neben die Siegsgöttin, die jetzt wieder oben steht – Aber, Herr Feldwebel, ich muß Sie doch an etwas erinnern – Die deutsche Sprache, wie ich sie bei Herrn Professor Heinsius gelernt, verstehn Sie nicht im mindesten. Es heißt nicht wie Sie sagen: »Es ist mir lieb« sondern: »Es ist mich lieb«.

Feldwebel. Weshalb?

Berliner. Deshalb, Herr Feldwebel – – – Nämlich: sagen Sie nicht: »Mich wurde die Kuh gestohlen«? – He?

Feldwebel. Ich sage so ohngefähr.

Berliner. Also? Verstehn Sie? – »Mich wurde die Kuh gestohlen« und »mich ist es lieb« – Das ist tout egal.

Feldwebel. Möglich – (Geht weiter.)

Berliner. Daß diese arme Würmer aus der Provinz durchaus nicht das Deutsche richtig sprechen lernen, oft gar zweifeln, daß in diese Hinsicht nichts über die Residenzer geht!

(Feindliche Granaten und Haubitzen fallen, einige dicht neben dem Berliner. Er springt zurück.)

Daß dir der Donner! – Ganz gesund ist's hier nicht! – – Was hilft's aber! Ich bin im Tumult, und kann nicht hinaus – Und am Ende sind die Franzosen hinter die Königsmauer schlimmer, als die hinter uns – Ephrim! Ephrim! Was läufst du?

Ephraim. Ferdinand, su meine Cumpanie –

Berliner, Die ist weit voraus.

Ephraim. Weit voraus? – O wär' ich dann doch so eher bei sie!

Berliner. Ephrim! Hast einen Schuh im Dreck stecken lassen.

Ephraim. Laß ihn stecken, obgleich er kostet anderthalb Taler – Ach, halte mir nicht auf, lass' mir vorwärts, mein Jugendfreund!

Berliner. Wir gehen ja vorwärts! – Wie kommt es, Ephrim, daß du deinen Namen wieder kennst? Vor zwei Jahre in Berlin sahst du dir bei dem »Ephrim« nicht um, – »Ibrahim, Ibrahim« hieß es bei alle deine Bekannte, Mutter, Schwester und Bruder.

Ephraim. Steckte der liebe Gott hier, er würde viel fragen, wie er hieße, sondern er nähme die Flügel des Sturmwindes und flöge vor die Geschosse davon wie ein Lämmergeier.

Berliner. Spielt der kleine Moses auch noch immer »auf die Fleit«? Und hören eure »Leit« noch immer »su« mit offnem Maul und harten Ohren?

Ephraim. Wie kann ich hier wissen, was meiner Schwester Kind tut in die Hauptstadt?

(Kartätschenschüsse schmettern in das flüchtige Heer.)

Au wai, was ist alles Gold gegen einen Kartätschenschuß?

Berliner. Ephrim, lauf doch nicht so – – Bist hungrig, Ephrim?

Ephraim. Ich bin es, ich bin es!

Berliner. Ephrim, als wir noch auf die Schule gingen, betrogst du mir im Spiel um fünf Münzgroschen – Als ich sie nicht bezahlen wollte, sagtest du es meinem Vater, und ich bekam Prügel ärger als ein junger Gott.

Ephraim. Das ist nicht wahr, ist nicht wahr – irrst dir – eure Magd, eure Magd, die Lotte, hat es gesagt an deinen Vater – Sie hatte belauscht unser Spiel – Nie gestand ich, daß ich deinem Vater gesagt hätte von die Sache.

Berliner. Daß du dieses nicht gestanden hast, Ephrim, glaub' ich dich aufs Wort – Willst essen, Ephrim?

Ephraim. Ja, ja, ja –

Berliner. So siehe zu, wie du etwas bekommst, denn dieses Stück Rindfleisch –

Ephraim, Ist gut, ist gut – Her damit!

Berliner. Ich will es lieber selbst essen, denn es ist nicht kauscher, Ephrim – es könnte dir um Vater Abrahams alten Schoß bringen und den gönn' ich dich allzusehr –

Ephraim. Schweinehund, ich bin wohl ein Jude –

Berliner. Nicht ganz, nicht ganz – Dein blondes Haar verrät einen Christen, der zwischen deinem Vater und deine Mutter – na, Ephrim, du kennst ja die musikalischen Intermezzos aus die Visiten bei Mauschels kleinen Konzerten –

Ephraim. Du Hund, wenn ich auch bin ein Jude, bin ich doch ein Bürger und ein Berliner Freiwilliger wie du – da! (Er gibt dem Berliner eine gewaltige Ohrfeige. Der Berliner will sie ihm grade wiedergeben, als eine Kanonenkugel dem Ephraim den Kopf abreißt.)

Berliner (stürzt zur Seite). Ah, wie furchtbar rächt mir das Geschick! (Sich wieder aufrichtend.) Ephrim, warst doch ein guter Kerl – Bist ja tot! –

(Die verfolgenden Franzosen beschießen die preußische Armee heftiger und die Flüchtigen suchen sich rascher vorwärtszudrängen. Blücher und Gneisenau sprengen vor.)

Gneisenau. Halt!

(Viele Soldaten eilen ohngeachtet dieses Kommandos weiter.)

Steht, sag' ich, steht – Wer den Fuß rührt, eine Waffe wegwirft, wird auf der Stelle erschossen!

(Die Armee steht.)

Blücher. Kerle, seid ihr furchtsamer als mein Gaul? Er bäumt sich vor Lust, da er Kanonen hört, und ihr lauft krummen Buckels davon?

(Französische Kugeln fallen dichter und dichter.)

Gneisenau. Feldherr, das Gehölz da – es nistet sich feindliche Artillerie hinein –

Blücher. So soll die unsrige sich nach ihr umgucken – Sie hat ohnehin mit ihren zerbrochenen Rädern Zeit genug.

Berliner. Der Blücher ist göttlich!

Blücher. Nun, Kanoniere, losgebrennt! – – Ich will mittlerweile sehen, ob ich dem Volk im Holze nicht einen Haufen Jäger unserer Arrièregarde in den Rücken werfe. – Du, Berliner –

Berliner. Wie, Herr Feldmarschall, Sie kennen mir?

Blücher. Ich sah dich vorgestern im Bivouac – Halt' einige Augenblicke meine Pfeife in Brand.

Berliner. Nur einige Augenblicke? Viele Jahrtausende, wenn Sie befehlen.

Blücher. Gneisenau, ich bin gleich zurück. (Jagt fort.)

Gneisenau. Meine Herren Offiziere – Eifriger, eifriger! Schneller, besser die Truppen geordnet – Unsre Leute sind tüchtig, stets so brav als ihre Anführer. Vernichtete dieser Rückzug irgendeine Compagnie, die Schande fiele lediglich auf ihren Hauptmann.

Blücher (wieder heransprengend). Höre zu, Gneisenau – Die Jäger machen sich schon mit »piff« und »paff« in das Gebüsch –

Gneisenau. Die Kanoniere hier waren auch nicht faul –

Blücher. Wahrhaftig nicht, sie haben den »Quivives« so geantwortet, daß dieselben umkehren und die Schnauze halten, unser Rückzug bleibt eine Stunde lang ungestört. – Meine Pfeife!

Berliner. Hier, Herr Feldmarschall! – – Und darf ich bitten?

Blücher. Ja.

Berliner. Lassen Sie mir zu die freiwilligen Jäger, die da dicht mit dem Feinde scharmutzieren. Seit die Zeit, daß ich aus Ihre Pfeife rauchte, ist's mich, als hätt' ich mir an einem Vulkan vollgesogen, wie ein unmündiges Kind, und ich krepiere vor Schlachtwut, – denn außerdem daß mir dieses Rauchen begeistert hat, ist's zweitens klarer als ein reines Bierglas bei Wisotzky, daß mir hier die Franzosen unvermuteter und eher treffen, als wenn ich die Halunken in das Gesicht sehe, ihre mörderische Bewegungen observiere, mir hinter einen Baum stelle, und, selbst ziemlich gesichert, sie zuerst totzuschießen versuche.

Blücher. Du bist ein klug-braver Kerl. Mache dich sogleich zu den freiwilligen Jägern.

Berliner. Dann, Herr Feldmarschall, brechen Sie ein Endchen von Ihre Pfeife, und verehren Sie es mich!

Blücher. Wozu?

Berliner. Zum Andenken, und dann auch, um mir bei die Jäger, da ich eine andere Uniform trage als sie, damit zu legitimieren.

Blücher. Da hast du es, toller Patron.

Berliner. Sehr gut gesagt, sehr schön, wenn ich auch am Inhalt des Ausdruckes zu zweifeln wage – Herr Feldmarschall, Sie sollen von mir sehr viel hören, oder schlimmstens doch gar nichts. (Ab.)

Gneisenau. Feldmarschall, rechts Musik – jetzt der alte Dessauer – da »Uso voran« – und nun wieder ein neuer Walzer!

Blücher. Gott sei gelobt, also endlich Bülow mit den Pommern! Reit' ihm entgegen, und lies ihm wegen seines ordnungswidrigen Ausbleibens die Leviten.

Gneisenau. Was helfen die bei ihm? – Er wiegt sich in den Steigbügeln, sieht sich in der Gegend um, und läßt die Vorwürfe zum einen Ohr herein, zum andern hinaus.

Blücher. Freilich, so tut er – Aber, bei Gott, der leichte Sinn, welcher bei jedem Subalternen der Todesstrafe wert wäre, ist nicht strafbar bei dem Helden von Dennewitz. Vielleicht rettete er jüngst mit ihm Deutschland. Als wir 1813 noch immer zweifelten, den Korsen, sobald er uns persönlich gegenüberstand, anzugreifen, rief er nichts als: »Hole der Kuckuck das Zaudern! drauf los! den Versuch gewagt! ihr sollt sehen, er ist einer Mutter Sohn wie wir!«

(Gneisenau reitet zu Bülow, welcher, zu Pferde, mit seinem Armeecorps unter Feldmusik in größter Ordnung in die preußischen Linien rückt.)

Bülow. Guten Tag, lieber Gneisenau.

Gneisenau. Bülow, des guten Tages bedürfen wir.

Bülow. Ihr seid abscheulich mitgenommen. – Was macht Blücher?

Gneisenau. Dort hält er, gesund und frisch.

Bülow. Das freut mich. Er ist ein Degen, den weder Alter, Blut, noch Wetter blind oder rostig machen. – – Sapperment, wie ist eure Artillerie, Infanterie, Kavallerie in Wirrwarr! 'ne wahre Höllenwirtschaft! – Und was von dort? Flintenschüsse? So nah habt ihr den Feind auf den Hacken?

Gneisenau. Tirailleurgefechte –

Bülow. Meine Pommern machen bald aus den Gefechten wieder eine Schlacht. – Sieh' einmal die Teufelskerle an: beschmutzt bis über das Ohr, aber Gesichter frisch und kernig, wie eben ausgeschältes Obst, und auf den Beinen munter, als ging' es auf der Jakobsleiter zum Himmel – Ein Gichtbrüchiger wird bei dem Anblick gesund. – Will die alte Garde des Imperators Pommern fressen, bekommt sie harte Nüsse zu knacken.

Gneisenau. Du hast gut reden – Unsere Corps sind seit zwei Tagen im Feuer – Deines sah noch keine französische Lunte.

Bülow. Im Feuer, Feuer – Feuer hätt' euch bei diesem Unwetter erwärmen und erfreuen sollen. – Meine Leute prügeln sich noch, wer von ihnen zuerst Napoleons Mörser erstürmt, sie zu Kochkesseln zu gebrauchen.

Gneisenau. Wir wollen das abwarten. – Der Feldmarschall hat aber, wie ich dir im Ernst sage, im Sinn, dich vor eine Militärkommission zu stellen. Du mußtest gestern, der Ordre gemäß, bei Ligny sein, und konntest da sein, wenn auch später als dir befohlen. Die Schlacht hätte eine andere Wendung bekommen.

Bülow. Wahrhaftig, eine schöne andere Wendung! Abends, als ihr schon geschlagen wart, und uns in der ersten Fluchtwut angesteckt und mitgerissen hättet, wären wir eingetroffen, vom übermäßigen Marsch marode, und leeren Magens dazu. – Eh, ich hab' erst Mann und Pferd sich sättigen, alles Tritt vor Tritt marschieren lassen, und da ist nun mein Corps, tüchtiger als je. – Der Feldmarschall achtet die Vernunft mehr als seine Ordres, und somit bin ich entschuldigt.

Gneisenau. Bilde den Vortrab des Heeres – Ziethen stößt mit der Masse der Reiterei gleich zu dir. Der Marsch geht über Wavre nach den Waldhöhen von Soignies.

Bülow. Gut, mein Freund.

(Gneisenau ab.)

Tambours, den Armeemarsch! – So! Und nun einen Kirchmeßwalzer, Hautboisten! – – Brave pommersche Jungen, ist's nicht als wären wir auf einer Bauerhochzeit bei Pasewalk? Gibt's etwas Lustigeres als einen Feldzug? (Er und die Pommern ziehen weiter.)

Gneisenau (Wieder neben Blücher). Feldmarschall, der Bülow spricht und denkt über sein spätes Eintreffen so wie ich vermutete –

Blücher. Aber sein Corps?

Gneisenau. Ist in einem herrlichen Zustande.

Blücher. Das ist die Hauptsache, und ich nehm' ihm sein gestriges Ausbleiben nicht übel. (Zu dem Heere.) Kameraden, gestern sind wir mordmäßig geschlagen – Tröstet euch, und schlaget die Franzosen morgen mordmäßiger wieder. – Die Engländer warten auf uns vor dem Walde von Soignies. Kommen wir bei ihnen nicht zeitig an, so sind sie verloren, kommen wir zeitig, so helfen wir ihnen mitgewinnen. – Also, dreist in diesen Dreck getreten, wir treten so früher auf die gebohnten Dielen des Louvre – – – Hölle, was für Physiognomien sitzen ganz behaglich in ihren großen Halstüchern auf jenen Feldwägen?

Gneisenau. Feldchirurgen.

Blücher. Herunter mit den Balbiergesellen, in den Kugelregen mit dem Volk, daß es dort die Verwundeten verbindet, und hier ihnen Platz macht – – Ein paar gute Schuster mit tüchtigen Gesellen wären dem Heere nötiger als dieses ganze in Eil' aufgeraffte Feldscherergesindel.

Ein heransprengender Adjutant. Die Franzosen drängen sich näher und näher in unsren Rücken –

Blücher. Nur nicht allzu bestürzt, – sie können uns ja desto eher in – – Melden Sie so etwas der Arrièregarde. Der Sieg liegt vor uns – Dorthin!

(Alle rücken weiter.)

Dritte Szene

Hohlweg vor dem Walde von Soignies. Mitten durch ihn die Straße nach Brüssel. Gebüsche auf beiden Seiten.

Diese, sowie die Ufer des Hohlwegs sind von Detachements englischer Linientruppen, englischer Jäger und hannoverischer Scharfschützen besetzt. Hinter der Schlucht auf den Höhen von Mont Saint-Jean steht das Gros des wellingtonschen Heeres, rechts von ihr das Vorwerk Houguemont, – in einiger Entfernung vor ihr das Gehöft La Have Sainte, etwas weiterhin das Haus La Belle-Alliance, und noch entfernter die Meierei Caillou, – links die Dörfer Planchenoit, Papelotte, Frichemont etc.

Ein englischer Jäger. Wie heißt diese Gegend?

Ein Sergeant der englischen Jäger. Weiß nicht, James, – wir taufen sie bald mit Schlachtenblut.

James. Ja, Sergeant. Schlacht gibt's. Die Vorposten sind darnach gestellt.

Sergeant. Gott verdamme, jedesmal, wenn man mit den Franzosen zu tun hat, regnet's wie aus zerschlagenen Fässern. War's nicht auch in Spanien immer so?

James. 's ist ja Suppenschlucker-Volk.

Sergeant. Siehe, wie da einige von ihnen über den Dreck hüpfen, jämmerlich leicht wie die Kiebitze über den Sand.

James. Warte, jenen naseweisen Leichtfuß, will ich mit einem schönen Stückchen Blei schwer machen.

Sergeant. Prosit die Mahlzeit, James, – er riecht Lunte und versteckt sich hinter einer Erdhöhe.

Der am Hohlweg kommandierende englische General (sprengt vor). Was ist das da linker Hand? Nebel, Dampf oder Feind? – Der verhenkerte Gußregen wäscht mir vor Aug' und Fernrohr alle Gegenstände durcheinander.

James. Herr General, 's ist der gewöhnliche große Leichenqualm, der drei Tage lang vor der Schlacht auf den Feldern umherzieht.

Sergeant. James, sei kein Narr – Es ist Nebel, General, aber sehr entfernt.

General. Hum – Der Nebel hält mir zu lange auf einem Fleck.

Ein Hauptmann der hannoverischen Scharfschützen. Mein General –

General. Nun?

Der Hauptmann. Ich habe unter meiner Compagnie einen sechzehnjährigen Burschen von den Harzjägern – Er sieht und schießt unglaublich weit –

General. Rufen Sie ihn.

Der Hauptmann. Fritz! Fritz!

(Fritz kommt.)

Was dort links für Nebel?

Fritz. Nebel? Nebel? – Herr Hauptmann, ich sehe keinen. (Er wischt sich die Augen.)

Sergeant. James, der ist scharfsichtig!

James. Wie eine Nachteule.

Der Hauptmann. Was siehst du denn eigentlich?

Fritz. Das ist ja ganz deutlich. – Dort hält, tief in graue Mäntel gehüllt, ein Regiment französischer Dragoner, und guckt mit lauernden Katzenaugen hieher.

General. Dacht' ich's doch!

Sergeant. Wenn der Junge nicht lügt, so ist –

James. Er ist –

General. Das feindliche Gesindel will sich an uns nisten, um uns recht sicher, zur ungelegensten Zeit, mit den Krallen zu fassen.

Fritz. Soll ich ihm zeigen, daß wir es sehen? Schieß' ich einen heraus?

Sergeant. Der Bengel ist toll. Auf diese Entfernung treffen –

James. Wie gesagt, der Junge ist ein Kobold aus Norddeutschland, und ein christlicher northumberländischer Jäger hütet sich ihn anzublicken.

General. Schieß, Junge.

Fritz. Wie gern! (Er zielt kurze Zeit und schießt.) Hahaha! Da liegt des Königs Wildpret, sagt mein Vater, und erquickt treuer Untertanen Beutel und Magen, wenn wir am Blocksberge ein Sechzehnender wilddieben.

General. Wer fiel?

Fritz. Der Obrist, und die übrigen galoppieren davon, wie ein Rudel Hirschkühe, wenn der Bock aus ihrer Mitte geschossen wird.

General. Gott verdamme, der vermeinte Nebel zerstiebt auch im Hui.

Ein alter hannoverischer Schaftschütz (tritt vor). Verfluchter Dachshund, infamer Köter, was belügst du mich, deinen Vater? Das Hirn schlag' ich dir ein! (Zum General.) Gnädiger Herr, wenn ich je mein Gewehr auf ein königliches Wild abgedrückt habe, will ich nie den Hahn auf eins gespannt – Ach, kurz und gut, der Bengel lügt!

Der Schützenhauptmann. Alter Borstenkopf, »wer sich entschuldigt, eh' man klagt« –

General. Beruhige dich, – triff du die Franzosen so brav wie dein Junge, und ihr seid dem Könige die liebsten Schützen in Schlacht und Wald.

Fritz. Hussa, hinter uns vom Berge kommt wieder eine Menge Leute – Schieß' ich darein?

General. Bist du toll, Junge? – Das sind Linienbataillone von Mont Saint-Jean, uns zur Hülfe geschickt.

Fritz. O dürft ich nur immer schießen – Der Pulvergeruch ist mir nun einmal in der Nase.

General. Was saust?

Sergeant. Eine bonapartische Paßkugel – Da schlägt sie in den Baum.

General. Fritz, nun schieß, schieß in die Franzosen, so lang Atem und Pulver nicht ausgehn – (Laut.) Alles an die Ufer des Hohlwegs – Büchsen und Flinten frisch geladen, – den Flinten die Bajonette aufgeschraubt! – Donner, da drängen sie sich schon herein – Feuer!

Ein französischer Hauptmann (an der Spitze der sich in den Hohlweg stürzenden Kolonne). Laßt sie schießen, Kameraden! Hört ihr die Paßkugeln über uns, und seht ihr, wie sie dem Feinde Pferd und Mann hinschmettern? Sie kommen aus französischen Geschützen und sind die gewaltigen, helfenden Begleiter, aus der Ferne uns nachgesandt von dem Kaiser!

Ein andrer französischer Hauptmann. Schurke der, welcher einen Schuß tut, bevor wir diesen Chausseerand erklettert haben.

Ein englischer Liniensoldat. Wächst das Volk aus dem Boden wie die Ameisen? – (Einen der am Chausseerande emporgekletterten Franzosen mit dem Bajonett durchbohrend und wegschleudernd.) Zurück, du Hungerleider!

Ein französischer Soldat (vor Wut schäumend, schwingt sich auf die Höhe des Chausseerandes und wirft den Engländer auf die Bajonette der ihm nachdringenden Franzosen). Und an den Spieß, du Sattfresser! – – Mir nach – mir nach –

Französische Adjutanten (sprengen heran). Im Namen des Kaisers: zurück! Er sieht eine Überzahl englischer Linie und Artillerie sich gegen euch vom Berge stürzen – Zurück auf einige Augenblicke –

Die Franzosen. Beefsteaks, wir kommen wieder! (Sie ziehen sich unter stark erwiderten Gewehrsalven zurück.)

Ein englischer Obrist (zu seinem Adjutanten). Was für Flammen glänzen rechts hoch aus diesem Rauch?

Der Adjutant. Der Lage nach das brennende Houguemont.

Der Obrist. Auch das schon? – Die Schlacht wird allgemein.

Adjutant. Sie ist es. Schauen Sie, La Haye Sainte lodert auch schon. – Ha, was da?

Obrist. Das ohrzerschneidende Geschrei unserer Verwundeten – – Himmel, warum steht das rechte Altengland da oben noch stets ruhig unter den Waffen?

Adjutant. Der Herzog pflegt, wie er es nennt, seinen Augenblick zu erwarten.

Obrist. Bonaparte ist erfinderischer und kühner: er schafft sich nötigenfalls den Augenblick. – Ah, wieder Kugeln über Kugeln hieher! Der Feind vergißt uns nicht.

Adjutant. Herr Obrist, jetzt aber geht Altengland auf Mont Saint-Jean auch los – Da – alle Batterien – Hören Sie!

Obrist. Es ist, als rasselten alle Heerscharen der Hölle in eisernen Harnischen über unsere Häupter – Ha, und jetzt wettert ihnen die Artillerie der Franzosen entgegen – Ohne feige zu sein, bückt man sich unwillkürlich. – – Wahrlich, ich habe noch keine Schlacht gekannt – Vittoria, wo man sich besinnen und atmen konnte, war Kinderspiel – – Hier jedoch: meilenweit die Luft nichts als zermalmender Donnerschlag und erstickender Rauch, – darin Blitze der Kanonen, flammende Dörfer, wie Irrlichter, immer verschwunden, immer wieder da – der Boden bebend unter den Sturmschritten der Heere, wie ein blutiges, ein zertretenes Herz, – Geschrei laut ausgestoßen, kaum vernommen – – Adjutant, das alles, weil dort bei Caillou der kleine Mann steht? – Keine Antwort? – Gott, er ist gefallen! – Und dort naht wieder der feindliche Vortrab – Mir lieb – So flut' ich mit unter die tobenden Wasser, denn einsam ruhig kann ich in diesem sturmempörten Ozean mich doch nicht halten.

Fritz. Vater, hier geht es ja gar nicht so her wie auf dem Exerzierplatz.

Der alte hannoversche Scharfschütze. Dummer Junge, auf dem Exerzierplatz schießt man blind, aber hier hat alles geladen.

Vierte Szene

Die Höhen von Mont Saint-Jean. Auf ihnen Wellingtons Heer. Im Vor- und Mittelgrunde die Infanterie in Quarrées, – zwischen diesen die Artillerie, ununterbrochen feuernd, – im Hintergrunde, welcher von dem Walde von Soignies umgrenzt wird, die Reiterei und die Reserven. Französische Kanonenkugeln schmettern überall in die Heerhaufen.

Wellington mit seinem Generalstabe, neben ihm General Lord Somerset.

Lord Somerset. Ich beschwöre dich, Herzog, laß uns nicht weiter hier müßig stehen, und die braven Leute, ohne daß sie einen Finger an den Hahn der Flinte legen dürfen, hinschmettern von den Geschützen des Korsen.

Herzog von Wellington. Unsere Kanoniere sind nicht müßig.

Lord Somerset. Aber alle andern Truppen sind's, – laß sie endlich die Bajonette fällen, die Säbel ziehen, und den gallischen Hähnen entgegenstürmen.

Herzog von Wellington. Unmöglich – Europas, ja, des Erdkreises Schicksal schwebt in dieser Stunde auf dem Spiel – wir dürfen nicht eher wagen, bis wir des Erfolges gewiß sind, und ich fürchte, wenn Blücher nicht bald kommt, haben wir mit Ihm bei Caillou schon sehr viel gewagt.

Lord Somerset. O träf' ihn doch eine, eine von hunderttausend Kugeln, die dahinfliegen – – Herzog, sollen denn diese Höhen die riesenhafte Schlachtbank werden, auf welcher Altengland sich opfert für die undankbare Welt?

Herzog von Wellington. Wenn es zum Äußersten kommt – ja.

Lord Somerset. O schau' dort – wieder eine ganze Reihe der braven Bergschotten hinsinkend wie Ähren vor der Sichel – – Und hier – das erste Glied des Leibregiments ebenso – Das zweite marschiert lächelnd ein, Milch und Blut auf den Wangen, die frischeste Jugend, die jemals im heiteren England schimmerte – ha, und da winseln sie auch schon im Staube – Mutterherzen, Mutterherzen, wie wird's euch zerreißen, mein Herz ist schon zu Trümmer!

Herzog von Wellington. Und zertrümmert das Gehirn dazu wir müssen ausharren bis die Hülfe naht.

Adjutanten (heransprengend). Die Franzosen nehmen Belle-Alliance und drängen auf der Chaussee hieher vor.

Herzog von Wellington. Kartätschen über die Chaussee!

(Englisches Kartätschenfeuer, – auf einmal ein französischer Kanonendonner, der allen frühern Schlachtlärm, so arg er gewesen ist, übertönt. Die Engländer stürzen dichter als zuvor.)

Lord Somerset. Teufel – meine Locken – reißt mich nicht mit – Sechs-, Zwölf-, Vierundzwanzig-Pfündner fliegen darüber hin. – – Wie? wird das Höllengetöse, welches uns eben erschütterte, noch ärger?

Herzog von Wellington. Es wird's. – Auch ich finde Ihn und seine Mittel und die Art, wie er sie gebraucht, gewaltiger als ich gedacht. Ich meinte einen etwas besseren General als Massena oder Soult, die wahrlich auch tüchtige Feldherrn sind, in Ihm zu treffen – – Aber da ist gar keine Ähnlichkeit, – wo die aufhören, fängt Er erst an – Doch darum nur so mehr Ruhe und Ausdauer – das Ungeheure überstürzt am leichtesten – Er läßt uns hier nur die Wahl zwischen Sieg und Tod, – eben darum erringen wir vielleicht den ersteren.

Versprengte englische Dragoner (denen während des folgenden Gesprächs, bis Milhaud erscheint, – in stets dichtern Haufen andere folgen). Hinter unsere Batterien! hinter unsere Batterien!

Herzog von Wellington. Flüchtlinge, schämt euch, – haltet – Was gibt's?

Die Dragoner. Bonapartes Kürassiere in unserem Rücken Nichts hält ihnen Stand!

Herzog von Wellington. Hm, – da schweigen auch seine Kanonen, weil sie sonst in seine eigne jetzt herankommende Kavallerie schießen würden, – recht klar – erst wollt' er unsre Reihen mit Kugeln lüften, dann mit den Haudegen der Kürassiere vertilgen – So leicht geht es nicht, mein Herr! – Die Lücken der Quarrées gefüllt – in die Quarrées Batterien – Die Reserven nähergerückt – Die vorderste Reihe des Fußvolks auf die Kniee – die zweite schießt.- Bajonette vorgestreckt – die Reiterei fürerst beiseit!

Lord Somerset. Laß mich an die Spitze meiner Gardekavallerie!

Herzog von Wellington. Nein, dazu ist's noch nicht Zeit, und die Kürassiere Milhauds, ungeschwächt, wie sie noch sind, hieltest du doch nicht auf.

Lord Somerset. Wie? Mit Pferden und Reitern wie die meinigen –

Herzog von Wellington. Folge mir in jenes Quarrée – (Mit ihm zu dem Quarrée gehend.) Ja, ihr seid brav – Aber Milhauds Kürassiere, so schlecht die Menge der französischen Kavallerie sein mag, sind die Elite der ältesten, fast unter jedem Himmelsstrich, gegen jede Nation geprüften Schlachtenreiter – (Sich einen Augenblick umwendend.) Da kommen sie – Betrachte sie – Sind ihre Gesichter nicht gelb und hart wie der Messing ihrer Helme und Sturmketten? Sehen sie nicht aus, als hätten sie unter Spaniens Sonne oder Rußlands Schneegestöber sich Tag für Tag mit Blut abgewaschen?

Milhaud (zu seinen Kürassierdivisionen). Kameraden, eingehauen! – Ha, welche Wollust, diesen Narren, die Ihn nicht einmal kennen wollen, dicht vor ihrer Fronte in die Zähne zu rufen: Hoch lebe der Kaiser!

Die Kürassiere. Hoch lebe der Kaiser!

Milhaud. Und hoch unsre Schwerter, um so tiefer auf die Lumpen niederzuflammen!

(Die Kürassiere versuchen einzuhauen, Gewehrsalven empfangen sie. Manche stürzen, aber an den Panzern der meisten rollen die Flintenkugeln ab.)

Was? Hat uns der Kaiser nicht feste Westen gegeben? – – Und schade, oder wir finden Schlüssel, die Tore dieser Vierecke zu sprengen! (Mit der linken Hand ein Pistol hervorreißend und es auf einen englischen in Reih und Glied stehenden Hauptmann anschlagend.) Hauptmann da – wahre deine Epaulette, daß sie nicht schmutzig wird – (Er schießt ihn zu Boden, und sprengt über den Leichnam in das Quarrée.) Hohussa!

Einer der Kürassiere (mit den übrigen nachsprengend). Fahne her!

Englischer Fahnenträger. Eher mein Leben!

Kürassier. So nimm den Tod! (Haut ihn nieder und nimmt die Fahne. – Die Artillerie des Quarrées schießt mit Kartätschen.)

Milhaud. Diese Kanonen übergeritten! (Er stürmt mit den Kürassieren auf sie ein. Die Kanoniere brennen noch einmal die Geschütze ab und flüchten.) Ha, unser die Kanonen! Vernagelt sie!

Mehrere Kürassiere (springen von den Pferden). Das verstehen wir! Der Teufel selbst soll sie nicht weitergebrauchen können!

Milhaud. Vorwärts, vorwärts in und über die anderen Quarrées! Das feindliche Heer aufgerollt vom Aufgang bis zum Niedergang! Der Gott der Siege umatmet unsre Heime!

Herzog von Wellington. Lord Somerset, jetzt an die Spitze der Gardekavallerie, und warte meines Wortes.

Lord Somerset. Endlich – Gott sei gelobt!

Ein englischer Offizier. Da haut der Milhaud das vierte Quarrée zusammen!

Herzog von Wellington. Diesesmal scheitert er hier an dem fünften! – Sechzig Reservekanonen herein!

Milhaud. Vier Quarrées zu Stücken – In das fünfte!

Herzog von Wellington. Herr General, es öffnet sich von selbst –

(Das Quarrée öffnet sich und sechzig schwere Geschütze desselben geben Feuer.)

Milhaud. Heiliger Name Gottes – – Vorwärts in diese Höllenküche, und werden wir auch selbst darin gebraten – – Kamerad, wo dein rechter Fuß?

Ein Kürassier. Mein Fuß? – Sakrament, da fliegt er hin, der Deserteur!

Milhaud. Halte dich am Sattelknopf, wirst du ohnmächtig – – Nur drauf und dran! – – Nein, es geht nicht – Wir behalten sonst kein ganzes Pferd zum Zurückkommen! – Adieu, meine Herren – wir sprechen uns heute noch einmal, gleich nach dem zweiten Kugelsegen des Kaisers. (Mit den Kürassieren ab.)

Herzog von Wellington. Jetzt, Somerset, gib ihnen das Geleit!

Lord Somerset. Den Schurken nach, Kavallerie König Georgs des Dritten! (Ab mit der englischen Gardekavallerie.)

Herzog von Wellington. Zwei Adjutanten nach dem linken Flügel – Corke und Clinton sollen Houguemont wieder zu nehmen versuchen – Der Feind wird vielleicht durch die Diversion verwirrt.

(Zwei Adjutanten eilen fort. – Lord Somerset kommt mit der Gardekavallerie zurück.)

Herzog von Wellington. Schon zurück?

Lord Somerset. Wir haben sie bis unter die Bajonette ihrer Infanterie getrieben – Mancher Küraß von Nancy liegt im Kot. – – General Picton ist eben gefallen.

Herzog von Wellington. Auch der? – So sehr er mein Freund war, ich kann ihn jetzt nicht betrauren – Es ist keine Zeit dazu, und der Tod würgt heute so allgemein, daß er etwas ganz Gewöhnliches scheint.

(Der französische Kanonendonner hebt wieder so furchtbar an, wie kurz vor der Ankunft der Milhaudschen Kürassiere.)

Ha, von Caillou her zum zweiten Angriff geschossen und gebrüllt! – Seid gefaßt! Milhaud sprengt bald neugestärkt hieher!

Ein Offizier des Generalstabes. Noch ein paar solcher Angriffe, und unsere Armee ist nicht mehr. Wäre kein Rückzug möglich durch den Wald von Soignies?

Herzog von Wellington. Mein Herr, ein Rückzug ist doppelt unmöglich. Erstlich erlaubt ihn unsere Ehre nicht, und dann ist die Heerstraße durch den Wald so voll von flüchtigem Gesindel und Fuhrwerk, daß nicht eine Compagnie, geschweige siebenzigtausend Mann darauf zehn Schritt in Ordnung machen können. – O wäre der alte Blücher erst da! – – Was ist die Glocke, Somerset?

Lord Somerset. Die Glocke von Waterloo schlug eben halb vier.

Herzog von Wellington. Dorftürmchen von Waterloo, du schlugst den Beginn der schwersten, unvergeßlichsten halben Stunde meines Lebens! – Um vier Uhr wollte Blücher im Forst von Frichemont sein. – – Himmel, wenn er nun nicht – Ordonnanzen nach dem Forst, ob sie nicht endlich eine preußische Landwehrkappe erblicken!

Lord Somerset. Der zweite feindliche Reiterschwall naht!

Herzog von Wellington. Altengland treibe ihn zurück wie den ersten. – Ich setze mich auf diesen Feldstuhl und weiche nicht davon, bis wir gesiegt haben oder eine Kugel mich davonwirft.

Fünfte Szene

Kleine Anhöhe von Caillou.

Napoleon hält auf ihr zu Pferde. Bertrand, Cambronne und seine Suite um ihn. Die Garden hinter ihm. Neben ihm der Pächter Lacoste. Milhaud und seine Kürassiere kommen eben von ihrem zweiten abgeschlagenen Angriff zurück.

Napoleon. General, wie ist's da oben?

Milhaud. Sire, die Engländer wehren sich matter als bei unserer ersten Attacke.

Napoleon. Bereiten Sie sich zu der dritten – Alle irgend überflüssigen Regimentsgeschütze dort zu Drouot – Die Zeit drängt, und was ihr an Länge fehlt, müssen wir durch Schnelle und Stärke ersetzen.

(Adjutanten ab, – die französische Kanonade wird immer gewaltiger.)

Pächter Lacoste. Jesus Maria!

Napoleon (blickt ihn finster an). Was gibt's?

Pächter Lacoste. Sire, Verzeihung – ich fürchte mich – mir ist das nicht gewohnt!

Napoleon. Wann kamen die Engländer hier an?

Pächter Lacoste. Gestern, Sire – morgens neun oder zehn Uhr.

Napoleon. Waren sie marode?

Pächter Lacoste. Die, welche auf meinem Pachthof sich einquartierten, waren es, und wie es mir schien, auch alle übrigen, – aber es währte nicht lange, so restaurierten sie sich bei zahllosen Marketenderfeuern.

Napoleon. Das Haus Belle-Alliance vor uns – – Hat es Gehöfte, Hecken um sich?

Pächter Lacoste. Nein, es liegt offen an der Chaussee.

Napoleon. – Ist Milhaud bereit?

Cambronne. Ja, Sire.

Napoleon. Kellermann stößt mit seinen Reitern zu ihm und er versucht, während Drouots Batterien solange einhalten, den dritten Angriff.

(Adjutanten ab.)

Pächter Lacoste. Weh, meine Frau und meine Kinder!

Cambronne. Bauer, halte das Maul.

Pächter Lacoste. Hier fallen engländische Kugeln!

Cambronne. Laß dich das nicht kümmern. Verlierst du dein bißchen Leben, was verlierst du Großes?

Napoleon. Wellingtons Heer wehrt sich mit den Krämpfen der Verzweiflung. Sechs reitende Batterien dem Milhaud nachgesandt. Man soll auf Mont Saint-Jean Posto fassen, es koste was es will. Ney ebenfalls dahin über La Haye Sainte, und mache seine Überweisheit bei Quatrebras gut durch strenge Befolgung meines Befehls. Kann er Haye Sainte nicht nehmen, so läßt er es samt dessen feindlicher Besatzung am Wege liegen. – In einer halben Stunde muß Mont Saint-Jean mein sein, oder ich erneue die Tage von Lodi und stelle mich selbst an die Spitze der Kolonnen!

(Viele Adjutanten ab.)

Auf unsrem rechten Flügel ist's zu still – Dahin zum Graf Erlon – ihm gesagt: auf dem Berge jenseits Papelotte, in den Vierecken des linken englischen Flügels, wachse ein Marschallsstab von Frankreich.

(Adjutanten ab, – andere kommen.)

Ein Adjutant. Der Fürst von der Moskwa ist über La Haye Sainte hinaus, – da aber wehren sich die Engländer hinter Verhacken wie Rasende, und das Blut fließt in Strömen.

Napoleon. Und wogt es wie Meeresflut, wenn wir nur siegen! Der Sieg soll des Blutes wert sein. Der Stern des illegitimen, geächteten Napoleon von 1815 soll den Völkern freundlicher leuchten, als der Komet des Erderoberers von 1811.

(Viele Verwundete, auf Ambulanzen, werden vorbeigefahren.)

Ihr Armen wißt auch nicht, weshalb ihr seufzet und stöhnt. – Nach vierzig Jahren kommentierten es euch Gassenlieder!

Adjutanten (heransprengend). Die letzten englischen Reserven rücken in das Feuer –

Napoleon. Milhaud, Drouot und Ney sollen desto heftiger sie angreifen. Was da links? In der Gegend von Houguemont?

Bertrand. Kanonendonner naht von dort – Prinz Jérôme wird bedrängt.

Napoleon. Was bedrängt! – Der Feind ist dort schwach, und neckt ihn eben darum mit Manövers! – Zwei Schwadronen Gardelanciers mir nach! (Er galoppiert in Begleitung zweier Schwadronen Gardelanciers nach Houguemont – der Kanonendonner, welcher von dort sich näherte, verliert sich bald darauf in der Ferne.)

Ein Offizier der Gardegrenadiere zu Pferde. Der Milhaud macht heute beneidenswerte Chocs – wir bekommen zu tun, müssen wir mit seinen Kürassieren wetteifern.

Ein anderer Offizier der Gardegrenadiere zu Pferde. Er ist im spanischen Kriege nicht umsonst braun geworden.

Der erste Offizier. Er erinnert an Murat.

Der andere Offizier. So ziemlich – aber mehr an seinen Mut als an seine Gewandtheit. Eine brillante Attacke, wie die des Murat bei Wagram, erleben wir wohl nicht wieder.

Der erste Offizier. Murat tat auch besser, ließ er, statt um Neapels Lumpenthron sich zu raufen, seinen Federbusch hier wehen!

Der andere Offizier. Kronen müssen einen eignen verlockenden Glanz haben, sonst begreif' ich nie, wie ein Franzose nicht lieber Gemeiner im ersten besten Linienregiment seines Vaterlandes sein will, als König von Neapel, oder Kaiser von Rußland.

(Napoleon und Gefolge kommen zurück.)

Bertrand. Sire, es ist doch wahr: vorgestern ist der Herzog von Braunschweig gefallen – Gefangene Offiziere seines Corps versicherten es mir eben in Houguemont.

Napoleon. Ein Husarengeneral weniger. Lacoste, der Geschützdonner rechts? Von Wavre?

Pächter Lacoste. Sire, ja.

Napoleon. Grouchy treibt also die Preußen in die Dyle.

Bertrand. Die Kanonade ist lebhaft, Sire – die Preußen leisten starken Widerstand.

Napoleon. Schwerlich, oder Grouchy wär' ein äußerst erbärmlicher Verfolger gewesen, – sie waren zu sehr geschlagen, – selbst Bülows Corps muß von der flüchtigen Masse mit in den allgemeinen Strudel gerissen sein. – Graf Lobau schiebe jedoch zur Vorsicht seine Teten bis in das Gehölz zwischen hier und Wavre.

(Großes Krachen von Mont Saint-Jean her, – ungeheure Flammenmassen fliegen dort in die Luft.)

Cambronne. Brav, Drouot, das war ein Meisterschuß – zwanzig englische Pulverwagen gingen gewiß darauf!

Napoleon. Bertrand – Cambronne –

Cambronne. Sire, ist es Zeit?

Napoleon. Ja.

Cambronne und Bertrand. Garden, sturmfertig!

Napoleon. Es geht gradeaus, über La Haye Sainte, wo Milhaud und Ney sich an euch schließen. – Was pfeift da?

Lacoste. Wehe, Meuchelmörder in unsren Reihen – ganz nahe Büchsenkugeln!

Ein Offizier der Suite. Sire – Flügelhörner – Preußische Jäger keine zweihundert Schritt von uns.

Napoleon. Einige Dragoner hin, die an der Dyle versprengten jungen Tollköpfe zu ergreifen.

Ein Adjutant (heransprengend). Vom Graf Lobau: das ganze Gehölz von Frichemont ist voll von Preußen.

Zweiter Adjutant (später). Von Lobau: schon leichtes preußisches Geschütz im Walde von Frichemont. – Der General eilt ihrem Angriff entgegenzukommen.

Dritter Adjutant. Vom Graf Erlon: am linken Flügel der Engländer, auf der Höhe des Waldes von Frichemont erscheinen Blücher und Bülow mit zahllosen Heerhaufen, und Raketen über Raketen verkünden Wellington ihre Ankunft.

Napoleon. Blücher? Bülow? – Ihre Corps müssen Trümmer sein.

Adjutant. Sire, nein. Zug auf Zug, endlos, rücken sie aus ein Walde – immer breiter wird ihre Fronte – ein Geschützfeuer entwickeln sie auf den Anhöhen über dem anderen – ein durch die Wolken brechender Strahl der Abendsonne zeigte sie der halben Armee in voller Kampfordnung.

Napoleon (für sich). Der Strahl war nicht von der Sonne von Austerlitz.

Bertrand. Brechen Himmel und Erde ein? – Der Kaiser zuckte mit der Lippe! – – Sire, Sire, die Schlacht geht doch nicht verloren?

Napoleon. Grouchy hat viel daran verdorben – (Für sich.) Daß das Schicksal des großen Frankreichs von der Dummheit, Nachlässigkeit oder Schlechtigkeit eines einzigen Elenden abhängen kann! –

Ein heransprengender Adjutant. Graf Lobau bittet Verstärkung – Ziethen kommt ihm und der Armee in den Rücken.

Napoleon. Mouton soll sich in Planchenoit so verzweifelt wehren, wie einstens auf der Insel, von welcher er den Namen Lobau trägt.

Andere Adjutanten. Von Erlon: Bülow hat Papelotte erstürmt.

Napoleon. Meine schlechtesten Truppen gewesen, die Papelotte so schnell sich nehmen ließen. – Erlon läßt nur seine Arrièregarde den Preußen gegenüber, und marschiert links ab zu Ney.

(Adjutanten ab.)

Andere Adjutanten. Vom Marschall Ney und General Milhaud: die ganze englische Linie setzt sich gegen uns in Bewegung.

Napoleon. Zurück zum Marschall und zu Milhaud: gleich käm' ich selbst – sie sollten sich halten bei La Haye Sainte, bei Gefahr ihrer Köpfe! (Zu den Adjutanten und Ordonnanzen seiner Suite.) Meine Herren, im Fluge zu allen Corps, welche nicht bei La Haye Sainte fechten, – sie sollen alle dahin, ob auch die Feinde, mit denen sie grade fechten, sie verfolgen oder nicht.

(Viele Adjutanten und Ordonnanzen ab nach allen Seiten.)

Ein ankommender Adjutant. Drouot bittet um Munition –

Napoleon. Alle Artilleriemunition zu ihm.

Ein anderer Adjutant. General Drouots Kanonen drohen vor Hitze zu springen, und er wünscht –

Napoleon. Er schießt bis die Kanonen springen.

Viele Adjutanten. Ziethen pflanzt in unsrem Rücken Geschütze auf.

Napoleon. Das merk' ich – Dort stürzt Friant mit zerschmetterter Stirn.

Andere Adjutanten. Von Milhaud und Ney: Blücher treibt starke Kolonnen auf Belle-Alliance, und versucht beide Generale von hier abzuschneiden.

Napoleon. Die Engländer?

Ein Adjutant. Rücken mehr und mehr vor. – Ney kämpft in wilder Verzweiflung.

Napoleon. Seine schwache, schädliche Manier. – Milhauds Kürassiere?

Der Adjutant. Die Mehrzahl schon gefallen.

Napoleon (wendet sich zu den Garden, mit gewaltiger Stimme). Garden, kann es eine irdische Kraft, so könnt ihr die Schlacht retten und Frankreich! Noch nie ließt ihr mich in euch irren, auch heute zähl' ich auf euch –

Cambronne. Kaiser, zähle, und du findest lauter Treffer!

Napoleon. Den Kaiser werf' ich weg von mir – (vom Pferde springend) ich bin wieder der General von Lodi, und mit dem Degen in der Hand führ' ich selbst euch auf Mont Saint-Jean!

Die Garde. Über die Sterne der Kaiser!

Bertrand. Kaiser, Kaiser – Entsetzlich – Da steht er, der Hut vom Kopf gefallen, den Degen in der Faust, wie der gewöhnlichste seiner Souslieutenants – Sire, die Pflicht gebietet dir, dein Leben nicht so auszusetzen, wie du im Begriff bist!

Napoleon. Wie ich im Begriff bin? Schmettern hier nicht die Kugeln schon so dicht, wie irgendwo auf dem Schlachtfelde?

Bertrand. Gewiß, Sire, doch daß du grade so wie jetzt –

Napoleon. Wie »grade so«? Was heißt das? – Zeige den Platz ehrenvoller als dieser meinige, an der Spitze meiner Garden, unter den Todesdonnern der Schlacht?

Cambronne. Hört ihr, was der Kaiser sagt? – Die Musik dazu.

Gardemusik (spielt).

»Où peut on être mieux,
Qu'au sein de sa famille!«

Bertrand. Verdammt das Pferd, welches mich trägt, wenn der Kaiser zu Fuß ist! Ich werde Gemeiner, und kämpf' als solcher!

Alle Offiziere der Suite. Wir auch!

(Sie springen von den Pferden und ziehen die Degen.)

Napoleon. Wo die Granitkolonne von Marengo?

Cambronne. Sie tritt schon vor, und wünscht dich zunächst zu begleiten.

Napoleon. Das soll sie auch. Ihre Soldaten waren die Genossen meines schönsten Tages, – so sollen sie auch Genossen und Helfer an meinem bösesten sein! – – Garden aller Waffenarten mir nach!

Cambronne. Herr Pächter Lacoste, leben Sie nun recht wohl und laufen Sie von hier was Sie können – Grüßen Sie die Frau und die lieben Kinder, und wenn Sie nach zehn Jahren mit denselben wieder zum tausendsten Male einen Kuchen essen, oder Ihren Töchtern neue Kleider schenken, so freuen Sie sich ja von neuem über Ihre Existenz und Ihr Glück – Wir gehen jenen Kanonenmündungen entgegen und bedürfen Ihrer Elendigkeit nicht mehr! – Donner, welch ein Kugelregen – Die Melodie!

Gardemusik (spielt).

»Freuet euch des Lebens,
Weil noch das Lämpchen glüht!«

Einer der Gardehautboisten (stürzt). Oh, wie süß ist der Tod!

(Alle gegen Mont Saint-Jean.)

Sechste Szene

Heerstraße vor dem Hause Belle-Alliance.

Napoleon (mit den Garden im Vorüberziehen). Graf Lobau ist bereits von den Preußen aus Planchenoit geworfen – Er soll sich auf uns zurückziehen, und einige Compagnien seiner Arrièregarde in dieses Haus werfen, um den verfolgenden Feind aufzuhalten und zu necken.

(Adjutanten ab. Napoleon und die Garden marschieren weiter: – Das Corps des Grafen Lobau, im Gefecht mit den Pommern unter Bülow, rückt allmählich über die Szene, dem Kaiser nach. Graf Lobau erscheint selbst.)

Lobau. Verwünschte Übermacht – kann denn weder Geist noch Verzweiflung gegen sie retten?

Bülow (mit den Pommern). Jungen, das Pulver nicht geschont Das ist heut ein herrlicher Tag!

Lobau. Immer wieder vor, alle Regimenter!

Bülow. Immer ihnen entgegen, alle Pommern! – –

Lobau. Feuer!

Bülow. Gleichfalls!

Lobau. Unmöglich sich gegen diese Unzahl zu halten – – Drei Compagnien in jenes Haus – – Alle übrigen mit nach Mont Saint-Jean!

Bülow. Vier Bataillone stürmen dieses Haus –, alle übrigen hinterdrein nach Mont Saint-Jean!

(Das Bülowsche Corps folgt dem des Grafen Lobau – nur vier Bataillone bleiben zurück, und erstürmen ungeachtet der heftigen Gegenwehr der Franzosen, welche aus Türen und Fenstern schießen, während des folgenden Belle-Alliance.)

Ziethen (mit zahllosen Reiterscharen). Bülow, gegrüßt! Es geht gut – wir sind Ihm von hier bis Mont Saint-Jean im Rücken und in der Seite, und die Engländer klopfen Ihm auch schon vor die Brust!

Bülow. Ja, Viktoria, Ziethen! Höre, wie er auf dem Berge mit all seinen Kanonen noch einmal aufschreie von wegen des Rücken-, Seiten- und Brustwehs!

Ziethen. Ha, welch Geschrei: »Die Garde flieht! Rette sich, wer sich retten kann!«

Bülow. Der ganze Mont Saint-Jean wankt unter flüchtig werdenden Franzosen!

Ziethen. Wie sich das Volk durcheinanderwälzt – Kavallerie, Infanterie, Artillerie – ein verwirrter, unauflösbarer Knäuel!

Bülow. Na, englische und preußische Geschütze lösen tüchtig am Knäuel, – ich will auch von dort ein paar passable Batterien hineinspielen lassen –

Ziethen. Tu' es, und ob auch einige von deinen Kugeln in meine Reihen schlagen werden, – ich stürze mich doch mit der Kavallerie unter den Feind, ihn so eher zu vertilgen.

Bülow. Pommern, die Gewehre verkehrt genommen – zur Abwechslung! – Warum grade immer das Bajonett oben? Die Franzosen zu Brei!

Eine Masse französischer Reiter (im Vorbeisausen). Alles verloren – der Kaiser tot! die Garden tot! – zurück nach Genappes, nach Genappes!

Eine Masse französischer Infanterie (noch etwas geordnet). Zurück nach Genappes! nach Genappes!

Eine Masse französischer reitender Artillerie. Fußvolk Platz da, Platz!

Ein französischer Infanterieoffizier. Es geht nicht – Bajonette vor gegen die Unsinnigen!

Artilleristen. Was Bajonette! Pferde und Kanonen darüber weg! (Sie fahren über einen Teil der Infanterie.)

Bülow. Pommern! können wir die Kanonen nicht nehmen? Sind denn unter euch nicht einige ehemalige Ackerknechte, die besser als jene feindlichen Infanteristen ein paar Pferde aufzuhalten und ein paar Räder zu zerbrechen wissen?

(Viele Soldaten seines Corps sprengen vor, und nehmen die Kanonen.)

Recht so! – Dreißig treffliche Zwölfpfündner! – Laßt sie ihren alten Herren mit ihren Kugeln Valet sagen! – Und, Burschen, lauft, springt, reitet und stürzt da nicht das bonapartische Heer, soweit man in der Dämmerung sehen kann – dahin, wo es am dicksten ist! (Ab mit seinem Corps.)

Siebente Szene

Blachfeld auf der andern Seite des Hauses Belle-Alliance.

Napoleon mit Bertrand und Offizieren, zu Fuß, – zwei Schwadrone der Gardegrenadiere in geschlossener Ordnung zur Bedeckung um sie, und Cambronne mit dem Überbleibsel der Granitkolonne von Marengo hinter ihnen.

Napoleon. Wir müssen hier mitten durch das Feld zurück, – die Chaussee ist zerfahren und überdem von den Preußen erstürmt – – Der Abend wird kalt – Meinen Mantel und mein Pferd.

(Bertrand hängt ihm den Mantel um, – ein Pferd wird vorgeführt.)

Solch eine Flucht kennt die Geschichte nicht – Verräterei, Zufall und Mißgeschick machen das tapferste Heer furchtsamer als ein Kind – Es ist aus – Wir haben seit Elba etwa hundert Tage groß geträumt – – Bertrand, was ist? Du schweigst?

Bertrand. Sire – sprechen – jetzt – – – o Gott! – Sieh diese Gardegrenadiere – Congreven lodern in ihren Reihen, und sie schweigen doch! – – Nur eines, du, in dessen Ruhmesglanz ich einzig lebte, sei billig, laß mich auch auf ewig dein künftiges Unglück teilen. (Er fällt dem Kaiser zu Füßen.)

Napoleon. Steh' auf – du brichst mit mir das Brot des Elendes. – Aber deine Frau?

Bertrand. Sire, sie wird dir in Tränen danken, wie ich?

Napoleon (zurückblickend). Da stürzen die feindlichen Truppen siegjubelnd heran, wähnen die Tyrannei vertrieben, den ewigen Frieden erobert, die goldne Zeit rückgeführt zu haben – Die Armen! Statt eines großen Tyrannen, wie sie mich zu nennen belieben. werden sie bald lauter kleine besitzen, – statt ihnen ewigen Frieden zu geben, wird man sie in einen ewigen Geistesschlaf einzulullen versuchen, – statt der goldnen Zeit, wird eine sehr irdene, zerbröckliche kommen, voll Halbheit, albernen Lugs und Tandes, – von gewaltigen Schlachttaten und Heroen wird man freilich nichts hören, desto mehr aber von diplomatischen Assembleen, Konvenienzbesuchen hoher Häupter, von Komödianten, Geigenspielern und Opernhuren – – bis der Weltgeist ersteht, an die Schleusen rührt, hinter denen die Wogen der Revolution und meines Kaisertumes lauern, und sie von ihnen aufbrechen läßt, daß die Lücke gefüllt werde, welche nach meinem Austritt zurückbleibt.

Cambronne. Mein Kaiser, gegenüber nahen die Engländer, seitwärts die Preußen – Es ist Zeit, daß du fliehest, oder daß –

Napoleon. Oder?

Cambronne. Imperator, falle!

Napoleon. General, mein Glück fällt – Ich falle nicht.

Cambronne. Verzeihung, Kaiser! Du hast recht!

Napoleon. Den Mantel mir fester zugemacht. – Es regnet immer stärker. – – Bertrand, besteige ein Pferd, – tun Sie ebenso meine Herren Offiziere. – Reitende Gardegrenadiere, bahnt uns den Weg! – Granitkolonne, lebe wohl! (Er, Bertrand, die ihn begleitenden Offiziere sind zu Pferd gestiegen und reiten mit den Gardegrenadieren fort.)

Cambronne. Er ist fort – Was will der andere Dreck, den man Erde, Stern oder Sonne nennt, noch bedeuten? – Er hat uns »lebe wohl« gesagt, und leicht das Auge gewischt – das heißt: sterbt meiner würdig! es geht nicht anders. – Also, Kameraden, die Schnurrbärte hübsch zurecht gedreht – bald sind wir im Himmel oder in der Hölle, und ein braver Franzose erscheint im Himmel wie in der Hölle geputzt!

(Englische und preußische Reiterei von allen Seiten.)

Seht ihr, wie unsere Spediteure uns umdrängen! – Also, Tambour, tüchtig auf dein Kalbsfell geschlagen – Bedenke, von all den hunderttausend Trommeln, die in den glorreichen Feldzügen des Kaisers erklangen, ist die deinige die letzte! – Und schlage lustig, – auch dazu hast du Grund, – du quälst dich mit Trommelschlag fortan nicht wieder!

(Der Tambour trommelt ununterbrochen laut und kräftig darauflos.)

Schießt!

Ein englischer Dragoneroffizier. Unsinnige, laßt das Schießen –

Cambronne. Schießt!

Der Dragoneroffizier. – ihr entkommt doch nicht –

Cambronne. Schießt!

Der Dragoneroffizier. Wahnsinniges Volk – Ergebt euch!

Cambronne. Laffe, die Garde stirbt, aber sie ergibt sich nicht! Schießt so lang ihr atmet!

Englische und preußische Reiterei (einhauend). Nieder die grauen Trabanten des Tyrannen!

Cambronne. Nieder –? Granitkolonne, hoch und stolz wie die Sonne, und gefallen herrlich wie sie!

Die Granitkolonne. Schon gut – sieh' nur –

(Die Granitkolonne samt Cambronne wird nach verzweifeltem Kampfe zusammengehauen. Die alliierte Reiterei rückt weiter, andere englische und preußische Truppen gleichfalls.)

Blücher (mit Gneisenau und Gefolge heransprengend). Wo mein großer Waffenbruder von Saint-Jean?

Gneisenau. Da kommt er!

Herzog von Wellington (heransprengend). Guten Abend, Feldmarschall!

Blücher. Herzog, der Abend ist des Tages wert!

Herzog von Wellington. Die Hand her, Helfer in der Not!

Blücher. Zum »schönen Bunde«, wie der Ort hier heißt! – – Engländer, Preußen, Generale, Unteroffiziere, Gemeine – ich kann nicht weiterrücken bis ich mir die Brust gelüftet, meine Feldmütze abgezogen, und euch gesagt habe: ihr alle, alle seid meine hochachtbaren Waffengefährten, gleich brav in Glück und Not – Wird die Zukunft eurer würdig – Heil dann! – Wird sie es nicht, dann tröstet euch damit, daß eure Aufopferung eine bessere verdiente! – – Wellington, laß deine Leute etwas rasten, – sie hatten heute die drückendste Arbeit – Dafür übernehmen wir so eifriger die Verfolgung, und verlaß dich darauf, sie soll unseren Sieg vollenden, wie noch keinen andern! – Vorwärts, Preußen!


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