Christian Dietrich Grabbe
Hannibal
Christian Dietrich Grabbe

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Villa vor Bithyniens Hauptstadt

Zimmer

Hannibal (sitzt an einem Tische). Wollt es der Prusias, Kleinasiens winzige Staaten wären bald überrumpelt, doch ich bin ihm zu dumm – – Karthago – sei wie du willst, doch meine Vaterstadt, und mir doppelt teuer, weil du jetzt so unglücklich sein wirst! – (Aufstehend.) – Heimliches Geschleich? – Es kriecht! Ohr, trügst du mich? Es ist Turnu! Von Karthago! – – Hannibal, mach Dich gefaßt, sei stärker als die Eiche, und schaudre nicht mit allen Blättern, wenn die Wetter herannahen! (Er öffnet die Tür.) Komm!

Turnu. O Herr! Du!

Hannibal. Mäßige Dich!

Turnu. Kanns nicht, Herr, Fürst, Vater, Mutter, Du mir alles!

Hannibal. Welche Nachricht bringst Du?

Turnu. Mich schickt Alitta.

Hannibal (für sich). Ah, nun steht es noch gut mit Karthago. Die hätte seinen Untergang nicht überlebt.

Turnu. Sie trug mir auf, Dir zu erzählen, wie alles geschehen.

Hannibal. Erzähle.

Turnu. Die Scipionen haben lang genug an Karthago vergeblich erobern wollen.

Hannibal (für sich). Also endlich abgezogen! (Laut.) Meld es mir, so viel Du kannst, nach der Reihe.

Turnu. Als die Römer vor die Stadt kamen, machten sie einen Höllenlärm, daß einem Ohr und Auge weit wurden! Brandschiffe zischten auf den Hafen los –

Hannibal. Und?

Turnu. – platzten! – Dann kamen sie mit hölzernen Türmen an die Mauern gewackelt, große Eisenbalken daraus hervor, wir aber schmissen Pechkränze darauf und Turm und Mannschaft verbrannten!

Hannibal. Ihr habt euch brav gewehrt.

Turnu. Das mein ich. – Leider waren unsre Waffen bald zerfetzt, unsere Munition erschöpft – Da kam (in Nubien glaubts niemand!) das Weibervolk und brachte neue!

Hannibal. Weiter!

Turnu. Schrecklich wars: jeder Tempel summte von ihm wie ein Wespennest, wie ein Ehebett, Tag und Nacht keine Ruh: die eine zupfte Verband für Wunden, die andere behämmerte die Schilde, die dritte schliff Speere und so alle – Nur Alitta stickte bloß Ehrenzeichen für die Heldentaten der Männer, und sie tat klug, denn hatte sie so einem Firlefanz eins angeheftet, ging er tausendmal tapferer fort, als er gekommen war.

Hannibal. Die Römer?

Turnu. Waren nicht müßig. Sie dämmten unsren Hafen zu.

Hannibal. Ihr?

Turnu. Gruben in einer einzigen Nacht einen neuen, rechts ab vom alten. – Da fingen die Scipionen wieder zu Lande an – Schlaf, Essen, Trinken, Unterschied von Tag und Nacht hörte auf vor Kampf und Blut, bis –

Hannibal. Die Scipionen ermatteten?

Turnu. Bewahre! Sie brachen endlich Bresche!

Hannibal. Hölle!

Turnu. Wurden auch höllisch betrogen!

Hannibal. Ich atme wieder!

Turnu. Als Gisgon und Brasidas gefallen –

Hannibal. Die sind tot?

Turnu. Es kräht kein Hahn fürder nach ihnen. – Und als sonst kein waffenfähiger Mann sich noch wehren konnte, erhoben sich abermals die Weiber, Alitta an ihrer Spitze.

Hannibal (freudig). Ah!

Turnu. Weiberlist ist unergründlich, Herr. Die Römer wurden schmählich betrogen. Sie wähnten schon Karthago mit seinen Schätzen in der Hand zu haben, da sammelt sich das Weibszeug in den Palästen, und verbrennt sich, Deinen Großvater, der ganz lustig dabei wurde, und die Stadt mit Haut und Haar. Siebenundzwanzig Tage brannte Karthago, Alitta warf die erste Fackel! Hat man es auch gesehn, man glaubts kaum! Bald wogten die Flammen hin und her, als wäre aus allen Löwen Afrikas Einer geworden, und spiegelte er sich mit seinen Mähnen im Meer! Die betrogenen Römer mußten lange warten, eh sie einrücken konnten, und fanden nur – Asche, die der Wind noch heute in die See weht.

Hannibal (kalt). Wie kamst Du aus der Stadt?

Turnu. Da Alitta mir zu flüchten und zu Dir zu eilen gebot, schlich ich mich zu den Römern und tat, als gehört ich zu Massinissas Negern – Das ging durch, denn wenn auch Massinissa Weiße, Gelbe und Schwarze hat, seine Zucht ist eben nicht sonderlich.

Hannibal. Laß die!

Turnu. Ach, und da erst sah die brennende Stadt prächtig aus! Bei Tag schien die Sonne gelbrot durch den Dampf, bei Nacht wurden die rotfunkelndsten Sterne bleich vor dem Feuer, wie das Weiß meiner Augen – Und die Paläste donnerten einer nach dem anderen ein, die Flammen reckten sich nach dem Himmel, als wollten sie ihn mitverbrennen.

Hannibal (er will etwas sagen, und kann es nicht).

Turnu. Die Gipfel des Atlas standen immer taghell vor dem sie durchfunkelnden Brand, mit ihren Klippen, Felsen und Waldungen! Es erschienen die Tiere der Gebirge und Wüsten: entsetzliche Schlangen ringelten sich auf an den Bäumen, Löwenaugen, Hyänen starrten in das Feuer –

Hannibal. Die Scipionen?

Turnu. Die hatten es gut. Sie kamen zu Zeiten, und es sah prächtig aus, wenn die brennende Stadt in dem Brustharnisch des Jüngeren, der auf einer Anhöhe des Lagers stand, sich abspiegelte. Er wußte sich auch so zu drehen, daß jedermann das sah, und kam oft. Als er aber in der sechsundzwanzigsten Nacht kam, wurde er wehmütig – die Stadt erlosch just, und es fielen ihm mit ihren letzten Funken Tränen aus dem Auge.

Hannibal. Gut weinen, ihr Römer! Zur bequemsten Zeit, wenn ihr alles gewonnen habt!

Turnu. Herr, laß mich abtrocknen – Du bekommst da ein Tierchen ins Auge –

Hannibal. Laß! Ein altes Augenübel.

Turnu. Habe das früher an Dir nicht bemerkt. – Dann sprach der jüngere Scipio auch Verse – ein schmächtiger Kerl, der immer hinter ihm scherwenzelte, wie ein Katzenschwanz (sie nannten ihn auch so mit einem »Z«, ich glaube Terenz), schrieb sie in eine Wachstafel, die stahl ich ihm aber, als er in tiefen Gedanken sie seitwärts, lose in der Hand hielt!

Hannibal. Zeig. – 's ist griechisch. (Liest.)

»Einst wird kommen der Tag, wo die heilige Ilios hinsinkt, Priamos auch, und das Volk des lanzenkundigen Königs.« Macht der Bube aus Karthago eine homerische Reminiszenz!

Ein Sklav (eilt herein). Herr, guter Herr, verrate mich nicht – Es kommt ein Fremdling, weiß gekleidet, mit purpurner Verbrämung, vor ihm sechs Männer mit Äxten, mit ihm viele Krieger unsres großen Königs, und die ganze Villa ist schon umstellt!

Hannibal. Auch meine unterirdischen Ausgänge?

Sklave. Sind verraten! (Ab.)

Hannibal (nachdem er einen Augenblick an ein Fenster getreten). Turnu, es kommen Römer. Prusias hat mich ihnen feig übergeben.

Turnu. Kein Mittel, daß ich dem Prustian an den Hals komme?

Hannibal. Überlaß ihn nur sich. Daran hat er Strafe genug. – (Er zieht die Giftflasche hervor.) Also –

Turnu. Müssen wir daran?

Hannibal. Du bist es nicht, den sie verfolgen – Rette Dich!

Turnu. Ohne Dich? Ich häute mit Dir.

Hannibal. Häuten?

Turnu. Wir werfen das alte Fell ab, wie die Schlangen im Frühjahr, und sollst sehen, wir bekommen anderswo ein anderes.

Hannibal. Ja, aus der Welt werden wir nicht fallen. Wir sind einmal darin. – Trink!

Turnu (nachdem er getrunken). Da, nimm den Rest – Es schmeckt kräftig – Teufel, was wird? Dreh ich mich um die Welt, oder die Welt sich um mich? Ich schwitze, und – (sich matt an die Stirn fühlend) es – ist heißes Eis – Feldherr – ? – (Stirbt.)

Hannibal. Du hast überwunden. – Nun, Römer, entzieht sich euch ein verbannter, greisender Mann, vor dem ihr gebebt, bis sein letzter Atem dahin – (Er trinkt den Rest des Giftes.) Gift zu eurer Gesundheit! – Ei, wirkt es noch nicht bei mir? Das währt lange! – Ha, da – es kommt – Schwarzer Pilot, wer bist Du? – – (Er stirbt.)

(König Prusias kommt mit Gefolg und Flamininus.)

Prusias. Hier triffst Du ihn.

Flamininus (sieht Hannibals und Turnus Leichen). Ja, tot.

Prusias. Tot? – Kannst Du mehr verlangen?

Flamininus. Ja, wir wollten ihn lebendig vor dem Triumphwagen.

Prusias. Wär ich nicht auf der Jagd gewesen, hättet ihr ihn vielleicht auch lebendig –

Flamininus : Du hättest die Jagd unterlassen sollen. Ich werde alles in Rom anzeigen, und der Senat wird entscheiden, wie man Dich bestraft. (Ab.)

Prusias. Was – –? Doch das hat Zeit und dagegen wird Rat sein. (Mit sehr gedämpfter und feierlicher Stimme.) Jetzt ist der Moment in das Leben getreten, wo es das zu tun gilt, was ich in mancher Tragödie ahnungsvoll hingeschrieben: edel und königlich sein gegen die Toten! (Er nimmt seinen roten Mantel ab.) Hannibal war, wie ich oft gesagt, ein zu rascher, unüberlegsamer Mann, – hart kam mir die Gastfreundschaft zu stehen, welche ich ihm erwies, – aber er war doch einmal mein Gastfreund, und darum seien seine Fehler, seine Abstammung vergessen, ihn und sie deck ich zu mit diesem Königsmantel! Grad so machte es Alexander mit Dareios!

Das Gefolg (will Beifall jubeln). O –

Prusias. Wartet – diese Falte am Zipfel des Mantels liegt nicht recht – Auch sie zu bessern, sei mir nicht zu niedrig!

Das Gefolg. Hoch Prusias, größter der Könige!


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