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Mit dem Verblassen der Kunstpoesie, die nicht weit über das 8. Jahrhundert hinausreicht, verlieren wir für geraume Zeit die beste Quelle für die Gartenschilderung. Die sozialen Bedingungen freilich, die diese Kunstpoesie gezeitigt hat: die vielen kleineren und größeren Fürstenhöfe, bleiben Jahrhunderte weiter bestehen und wie bisher werden dort die Gärten angelegt worden sein mit ihren einfachen Grundlinien, ihrem überreichen Blütenschmuck, ihren Lotosteichen, Kanälen, Springbrunnen, und in ihrer Mitte die bunten, reichgeschnitzten, vergoldeten Paläste und Pavillons. Wir erwähnten schon, wie spät sich die profane Baukunst dem Steinbau zugewandt hat. Im Süden besonders, wo doch seit Jahrhunderten die gewaltigen steinernen Göttertempel entstanden, scheint erst der Wetteifer mit den Bauten der Großmoghulzeit eine Profanbaukunst in Stein angeregt zu haben. Selbst zu Verteidigungszwecken würden Mauern, Türme und Bollwerke bis dahin aus Holz aufgeführt und erst das 17. Jahrhundert zeigt die ältesten steinernen Paläste. Auch im Norden hat sehr wahrscheinlich erst der Einfluß der Muhamedaner den Fürsten den Gedanken nahegelegt, ihre Paläste ganz aus dauerhaftem Stein zu errichten. Doch sind hier schon seit dem 8. Jahrhundert die arabischen und türkisch-sarazenischen Erobererscharen aus den nördlichen Pässen der Randgebirge hereingebrochen und wenn auch eine große, zusammenhängende Sultansherrschaft immer wieder schnell zusammenbrach, so setzten sich doch kleinere selbständige Muhamedanerreiche zwischen die einheimischen Rajastaaten fest. So sehr sich beide auch im Glauben und in den religiösen Sitten abschlossen, so lernten sie doch beständig in allen Zweigen der Kultur und Lebensführung voneinander. So entwickelt sich zwar im Palaststil eine große Reihe lokal bedingter und begrenzter Stilarten, deren Eigenes im einzelnen bestimmbar ist, die allgemeine Anlage dagegen, besonders auch in Höfen und Gärten, ist bei den muhamedanischen und einheimischen Fürsten der Zeit vor der Herrschaft der Großmoghuls einander sehr ähnlich, während doch die religiöse Baukunst der indischen Tempel und Moscheen ihre abgrundtiefe Verschiedenheit niemals zu überbrücken versucht hat. Leider ist aus der älteren Zeit wenig von diesen Palästen auch in Nordindien erhalten, vielleicht auch noch nicht genügend erforscht. Die ewigen Fehden, die die kleinen Fürsten Nordindiens in dieser Zeit sowohl unter sich wie vor allem mit den immer wieder eindringenden muhamedanischen Eroberern auszufechten hatten, zwangen sie, ihre Paläste als Festungen anzulegen; meist wurde ein steiler Fels gewählt, dessen Zugänge durch Tore bewacht wurden; war der Platz auf der Höhe groß und wasserreich genug, so umschlossen die Mauern manchmal die ganze Stadt, wie z. B. das alte Chitor, ehe es von Akbar dreimal zerstört wurde, der Raja Udai Sing sich weiter zurückzog und 1571 die neue Stadt Udaipur gründete. Gerade die Paläste von Chitor, wenn auch sehr vernachlässigt, zeigen vielleicht noch am besten den Stil und die Dekoration vor der Zeit der Großmoghuls. Eine unerläßliche Vorbedingung war der künstliche See oder mehrere derselben, die wohl fast immer zugleich mit den Bauten angelegt wurden. Auch in Chitor liegen die verschiedenen Paläste, die wohl der Mitte des 15. Jahrhunderts angehören, von zwei großen Stauteichen begrenzt; leider ist auch hier alles, was einst an Gartenanlagen vorhanden war, völlig zerstört. Einst war dieses gewaltige Felsplateau mit seinen krönenden Palästen, den vielstöckigen Türmen und den sieben monumentalen Toren, die selbst wieder prächtig dekorierte Hallen und Zimmer umschließen, ein höchst imposanter Anblick. Akbar schleppte Schätze aus der zerstörten Stadt fort, wovon noch zwei wundervolle Tore, die er in seinem Palast in Agra aufstellte, Zeugnis geben. Als dann der Raja Chitor aufgab, wählte er als seine neue Hauptstadt Udaipur. Diese liegt in schönster Lage auf dem hohen Ufer über dem Polasee, einem heute zu riesiger Ausdehnung angewachsenen Staubecken. Raja Udai Sing hat es wohl in seinen Anfängen schon vorgefunden, doch erst er und seine Nachfolger haben es zu seiner jetzigen Größe erweitert. Die Baugeschichte der Stadt und der Paläste dauert von 1571 bis zur Gegenwart, aber glücklicherweise haben sich diese Fürsten von dem zerstörenden europäischen Einfluß, der so viele andere Schlösser verunglimpfte, ziemlich freigehalten. Das Bild (Tafel 9) zeigt den Aufstieg der Paläste vom See aus bis empor zu dem ältesten, der das Ganze krönt; rechts die Paläste unten sind die neuesten. Der köstliche kleine Landungsplatz, Jalvanas (Quellplatz) genannt, ist erst 1857 in rein indischem Stil erbaut. Der zierliche und seines Platzes als Bekrönung würdige Palast auf der Höhe umschließt im obersten Stockwerk mit durchbrochenen Marmorschranken einen schönen Gartenhof, ringsum schauen elfenbeinbekleidete Kiosks, reich vergoldet, auf die herrlichen alten Bäume, die ein Bassin umschatten, das mit buntem Marmor ausgelegt ist. Von dieser Höhe hat man den schönsten Blick auf die Terrassengärten über den wunderbaren See auf die Stadt, die von Mauern mit Bastionen und monumentalen Toren umgeben ist und nicht nur an den Seeufern, sondern auch im Innern reiche Gärten hat, und darüber hinaus auf das blühende, von malerischen Bergen umgebene Tal. Die ganze Anlage der über dem See aufsteigenden Paläste erhält aber erst ihren einzigartigen Reiz durch die drei mit marmornen Häusern und Gärten bebauten Inseln im See. Sie entstammen zum Teil schon der ersten Bauzeit und erst durch sie wird das Bild auf das schönste umgrenzt und zusammengeschlossen. Es gehören indische Farben dazu, um eine Vorstellung zu geben von der Wirkung dieser Marmorpavillons, die aus dem dunklen Grün, untermischt mit Blütenbäumen, herausragen, eingebettet in das blaue Wasser, in dem ringsum die Gipfel der schönen Berggestalten sich spiegeln. Im Innern der Inseln verbergen sich merkwürdige kleine Gärten, wie auf der Insel Jag Navas (Abb. 3, Tafel 10), die in ihrer Zeichnung an unsere mittelalterlichen Burggärtlein erinnern; hier aber sind die Blumenbeete von hohen Steinwandungen umgeben, weil häufig das Wasser aus dem See in den Garten dringt, und dann müssen sie von den vier Eckpavillons, die das kleine Parterre umgeben, wie bunte schwimmende Inseln ausschauen. Die zweite Insel Jag Mandir trägt einen Kuppelbau, der nach der Gartenseite zu eine Terrasse hat, die über ein großes Bassin blickt (Abb. 4), nach der Seeseite neben der offenen Halle einen seiner schönen Landungsplätze, die die alte Meisterschaft der Inder kundtun (Tafel 10). Solche und ähnliche Anlagen, wie der wenige Kilometer entfernte Rajsamudra, das Königsmeer genannt, dessen steinerne Umfassungsmauer von Treppen unterbrochen, mit Pavillons, Torbögen und Statuen geschmückt sind, zeigen in ihrer meisterhaften Behandlung, wie auch in alten Zeiten die vielgerühmten Stauteiche ausgesehen haben.
Nie fehlt der große Wasserspiegel, sei es in so späten Schöpfungen, wie der Husseinabadgarten in Lucknow (Tafel 14), ebenso wie die Paläste, die der große Förderer der Künste Man Singh im 15. Jahrhundert in Gwalior (Tafel 11, 12) auf einem isolierten Randsteinklotz erbaute, die sich malerisch in einem künstlichen See spiegeln, oder die heute verlassene Stadt Amber, bei der jetzigen Residenz Jaipur gelegen. Sie steigt in Terrassenhügeln über dem Wasserbecken auf (Tafel 13). Durch das aufsteigende Terrain sind die Einzelbauten zu einem schönen Bild zusammengefaßt. Die Hofgärten zeigen die uns bekannte Anlage; das leuchtende Bassin in der Mitte sendet Kanäle nach allen vier Seiten und ist von schattenspendenden Bäumen umgeben; die mit eingelegter Arbeit bunt geschmückten Hallen öffnen sich nach außen in Bögen aus durchbrochenem Alabaster, die auf schlanken Säulen ruhen; der Blick von hier über den See auf die Stadt und das überaus malerische Felsental, an dessen Eingang Amber heute still und verlassen liegt, bildet den Rahmen der ganzen Anlage. Einen der letzten Bauten im rein indischen Stil begann Suraj Mahal nach 1763 in seiner Residenz in Dig. Nur ein Viertel des Planes wurde fertig, dieses aber zeigt sowohl in der Uferfassade (Tafel 16) wie in dem prächtigen Hofgarten (Tafel 15, Plan; Tafel 21 oben) das Wollen dieses Herrschers wie das Können indischer Künstler, ehe der europäische Einfluß sie verwirrte.
Die ganze Größe einer muhamedanischen Baukunst aber, die zum mindesten Nordostindien von Kasmnir bis zum Ganges und seinen Gebieten bis heute ihren Geist aufgeprägt hat, entfaltete sich erst, als im 16. Jahrhundert die Großmoghuls ihre Herrschaft von hier aus vorübergehend über ganz Indien ausdehnten. Zweifellos hat der Islam hier in Nordindien Meisterwerke geschaffen, wie sie kaum eines der weiten Ländergebiete, die er zeitweilig beherrschte, aufzuweisen hat.
Zwei Quellen haben diese Kunst in glücklichem Zusammenfluß gespeist: Indien und Persien; beide Länder haben in jahrtausendalter Tradition ihre Künstler gebildet. Und dieses kunstgesegnete 16. Jahrhundert, das auch in Europa höchste Blüten zeitigte, hat in beiden Ländern mächtige, kunstliebende Herrscher gesehen, die die Gunst der Stunde verstanden und zu nützen wußten. In Persien hat Schah Abbas der Große durch seine Werke europäische Reisende ebenso in Erstaunen und Bewunderung versetzt wie sein Zeitgenosse Akbar der Große aus dem Großmoghulgeschlecht. Der Begründer dieser bedeutsamen Dynastie in Indien war Baber. Er war ein Nachkomme des mongolischen Welteroberers Timur und hat vieles von seinem Geiste geerbt. Von dem unglaublichen Abenteurerleben seiner Jugend erzählt er uns selbst in seinen Memoiren, einem köstlichen Werke östlicher Erzählungskunst: wie er als zwölfjähriger Knabe auf den Thron eines kleinen Teilkönigreiches, das als ein Fetzen aus dem großen Königsmantel Timurs gerissen, entstanden war, kam, bald vertrieben, unter beständiger Lebensgefahr umherirrte, von mächtigen Verwandten verfolgt, von seinen eigenen Leuten oft im Stiche gelassen; ging ihm ein Königreich verloren, so eroberte er ein anderes, bis er endlich in Kabul festen Fuß faßte. Als er dann einsehen mußte, daß in seiner Heimat für seinen Eroberungsdrang kein Raum war, auch weil das Perserreich unter dem mächtigen Schah Ismael sich hier immer mehr ausbreitete, schuf er sich aus seinen Afghanen ein Heer und zog nach Indien. Erst nach verschiedenen Vorstößen gelang es ihm endlich 1526, sich Delhis zu bemächtigen, der letzte Sultan aus afghanischem Geschlechte fiel und Nordindien war in seiner Hand. Nur vier Jahre, und auch diese durch unaufhörliche Kriege ausgefüllt, konnte er sich der neuen Herrschaft erfreuen, schon 1530 erlag er dem gefährlichen Klima. Noch nicht lange vor Babers Eroberung hatten die Herrscher aus dem Hause Lodo Agra zu ihrer Residenz erhoben; auch Baber hat sich hier an dem Ufer der Jumna, dem Hauptnebenflusse des Ganges und von den Indern als gleich heilig verehrt, seine Hauptstadt gegründet. Er erzählt in seinen Memoiren, wie ihn, den Sohn der Berge, die Gegend nicht gelockt habe; so werden ihn strategische Gründe zu der Wahl bewogen haben. Baber war, wie sein großer Vorfahre Timur, ein leidenschaftlicher Naturfreund, in aller Unrast seines Lebens hat er in ihr immer Glück und Ruhe gefunden. Die Gegend von Agra aber, von vorneherein kein landschaftlich hervorragender Platz in Indien, war durch nie endende Kriege vielfach öde und verwüstet; so beschuldigt er die Inder, daß er dort keine Gärten fand, die ihm zusagten, ja er macht sogar diesen Meistern künstlicher Wasserbauten den Vorwurf, daß sie nicht verständen, das Land künstlich zu bewässern. Sein erstes, als er Agra zum Wohnplatz erkoren, war daher, Gärten anzulegen, denn dies war seine ausgesprochene Leidenschaft: »Ich pflanzte Gärten an jeder Ecke, die mir dafür geeignet schien, in jedem Garten säte ich Rosen und Narzissen in regelmäßigen Beeten, die einander genau entsprachen. Drei Dinge quälten uns in Indien: die Hitze, die starken Winde und der Staub. Bäder waren das Mittel, allen diesen drei Unbequemlichkeiten zu begegnen.« Es ist sehr wahrscheinlich, daß jetzt mit Baber und seinen Nachfolgern etwas ganz Neues in das indische Gartenbild kommt, nämlich das Blumenbeet. Erst sehr viel spätere Miniaturen zeigen uns die Gärten mit regelmäßigen Beeten, jedes mit nur einer Blumenart bepflanzt, »die einander genau entsprechen«, aber die Stelle aus Babers Memoiren scheint doch deutlich zu zeigen, daß diese Beetbepflanzung schon durch ihn zur herrschenden wurde, und die Blumenfülle hat er wohl auch in den vorhandenen Gärten seines neuen Reiches vermißt. Wenig ist heute noch von seinen Bauten und Gärten in und um Agra geblieben. Ein großes, ummauertes Gartengebiet auf dem linken Jumnaufer, heute Rambagh genannt, wird auf ihn zurückgeführt; es ist ganz verfallen, auch der Gartenpavillon in der Mitte, andere Pavillons am Flusse sind durch moderne Restauration erst recht verdorben, Kanäle und Springbrunnen lassen sich noch mehrfach nachweisen. Dieser Garten soll die letzten Reste des Kaisers geborgen haben, ehe sie in einem seiner Lieblingsgärten bei Kabul beigesetzt wurden. Wahrscheinlich war dies der Garten, den sein Enkel Jehangir so beredt in seiner Selbstbiographie schildert: Memoirs of Emperor Jehangir, translated from a Persian Ms. by D. Price, 1829, p. 13. »Baber, mein kaiserlicher Vorfahr, erbaute auf der andern Seite der Jumna einen großen und prächtigen Garten. In einem Teile desselben errichtete er einen vornehmen Pavillon von behauenem Stein (grünem Marmor, fügt der Übersetzer hinzu) von vier Stockwerken, von einer Kuppel von 20 guzz (etwa 12 m) Durchmesser, von einer Halle umgeben, deren Säulen aus poliertem Marmor sind, die Decke aus Gold und Lapislazuli in schönster Zeichnung und Ausführung. Im Garten pflanzte er einen bedeckten Laubgang von 2 kos Ein kos ist ein unbestimmtes Maß von 1½ englischen Meilen lang, das würde dann natürlich eine sehr übertriebene Länge ausmachen. Länge, ganz aus Sapauribäumen, Der Übersetzer erklärt diese als Betelnußbäume, schlanke Bäume, die zu großer Höhe heranwachsen. die bis zur Höhe von 50 cubits (etwa 30 m) wachsen. Die Zweige verbreitern sich an der Krone wie ein Sonnenschirm. In der Tat kann man sich für einen Laubengang keinen luftig graziöseren Baum vorstellen. Im Mittelpunkt des Gartens legte er ein Bassin von 1 kos im Umfange an, ringsum mit gehauenem Stein eingefaßt, in seiner Mitte ist ein anderer zweistöckiger Pavillon errichtet, der, wenn notwendig, 200 Personen fassen kann. Türen und Mauern dieses Pavillons sind auch mit schönen Figuren zartester Zeichnung geziert; man konnte den Pavillon auf bequemer Steinbrücke erreichen. Der ganze Garten dehnt sich über einen Raum von 250 jerribs Jehangir übertreibt in Maß und Zahl übermäßig, wie auch andere Angaben der Selbstbiographie beweisen. (etwa ebensoviel Morgen) aus und erhielt den Namen Bezugh-i-Gulaf shaun d. h. Rosenüberfluß?. In einer Ecke erbaute er eine Moschee und einen tshsajeneibah (wahrscheinlich ein baoli).« Baber führte viele ausländische Fruchtarten ein; Unter den angeführten durchaus nicht so neuen Obstsorten wird die Orange erwähnt, die aus Portugal stammen soll (!), von denen die Ernte des Gartens 300.000 Stück betragen haben soll. unter den Blumen sind Rosen und Jasmin vorherrschend und eine Lieblingsblume der Inder, gultshemeili (?). Jehangir hatte diesen Garten immer vor Augen, seine Gemahlin Nur Mahal, »die unzertrennliche Gefährtin meiner Sorgen«, wie er sie nennt, wohnte mit Vorliebe dort.
Bald nach Babers Tode wurde sein Sohn Humayun von einem afghanischen Edelmann vertrieben, der als Sher Shah und nach ihm sein Sohn Salim Shah das Land wieder unter afghanischer Herrschaft hielt, bis nach dem Tode des letzteren es Humayun mit persischer Hilfe gelang, das indische Reich zurückzugewinnen, doch nach seinem schon im Jahre darauf (1556) erfolgten Tode fiel der Thron seinem Sohne Akbar zu. Mit Akbar, diesem größten und eigenartigsten Herrscher, den die neuere Geschichte des Orients kennt, beginnt nun die drei Herrschergenerationen dauernde Bauperiode Nordindiens. Sie gruppiert sich um die drei Städte Agra und das nahe Fatehpur-Sikri, Lahore und Delhi. Freilich ist alles, was diese Herrscher dort geschaffen haben, heute nur noch als ein Schatten einstiger Herrlichkeit vorhanden. Nicht allein der Niedergang des Reiches im 18. Jahrhundert, die unaufhörlichen Kämpfe um diesen Besitz, der seit Jahrhunderten der Schlüssel zur Herrschaft über das ganze Reich war, sondern die oft gedankenlose militärische Zerstörung der letzten Eroberer Indiens, der Briten, hat hier Unwiederbringliches vernichtet. Glücklicherweise war der Hof der Großmoghuls wie der von Isphahan in Persien der Sammelplatz einer Fülle auch europäischer Reisender. Aus ihren Schilderungen, unterstützt von indischen Miniaturen, kann man die noch vorhandenen Bauwerke, die heute von den Engländern nach Möglichkeit gesäubert und wiederhergestellt werden, einigermaßen ergänzen. Das erste Bestreben der neuen Herrscher war, ihr ganzes Gebiet mit Straßen zu durchziehen, die ihnen alle Bequemlichkeit schnellen Fortkommens im Kriege sowohl wie auf Reisen ermöglichten, dann aber auch in den heißen Ebenen Schatten gewährten. Von einem der großartigsten Werke auf diesem Gebiete erzählt schon Baber in seiner Selbstbiographie: »Am Donnerstag des letzten Rebia ließ ich Chikmak Bey durch ein kaiserliches Schreiben mit Hand und Siegel zu mir bescheiden. Ich befahl ihm, die Entfernung von Agra nach Kabul auszumessen; alle 9 kos sollte er ein Minar (einen Turm) erbauen, 12 gez hoch, mit einem Pavillon auf seiner Spitze. Alle 10 kos soll ein Posthaus erbaut werden für sechs Pferde. Für den Posthalter, die Kuriere, Pferdeknechte und Pferdefutter soll das Nötige bestimmt werden; ist ein solches Posthaus auf kaiserlicher Domäne errichtet, so soll das Geld aus dem Staatsschatze genommen werden, wenn auf der Herrschaft eines Adeligen, so hat dieser dafür aufzukommen. An demselben Tage verließ Chikmak Agra.« Und so prompt der Befehl, so prompt wurde mit der Arbeit begonnen; die Nachfolger bis Aurangzib haben das Riesenwerk weiter gefördert. Heute sind nur einzelne Stücke der Straße vorhanden, Meilensteine und Trümmer der reichgeschmückten Rasthäuser oder Sarais, die die Kaiser sich zu ihrer Bequemlichkeit zu beiden Seiten errichteten, zeigen den Weg an. Unter diesen ist das beste und am schönsten erhaltene das Nurmahal sarai, das Jehangir seiner Gemahlin zuliebe so benannte. Edward Terry, der den Gesandten Jakobs I. an den Hof dieses Kaisers begleitete, schildert »den langen Weg von 400 Meilen, der auf beiden Seiten von großen Bäumen beschattet ist … Reisende, die in diesem Schatten Zuflucht gefunden haben, rühmen dies als eines der wundervollsten und segensreichsten Werke der Welt.«. E. B. Havell, A Handbook of Agra and the Taj 1912, 2. Aufl., S. 15/16. Und ein anderer Reisender schildert die Straße mit Palmen bestanden, dazwischen wären blühende Bäume gepflanzt und zu beiden Seiten hätten die Großen des Reiches ihre Lusthäuser, mit weiten Gärten umgeben, angelegt.
Auch Akbar erbaute zuerst eine schnurgerade Straße von Fatehpur nach Agra, seinen beiden Residenzen, die noch besteht, von wundervollen alten Pfefferbäumen beschattet. Zehn Brunnen aus rotem Sandstein in monumentaler Ausführung begleiten die Straße. Halbrunde Ausbuchtungen als Ruhesitze und Pavillons zu kurzer Rast unterbrechen die Linie der Bäume. »Diese Straße«, so erzählt ein Reisender, »schnitt damals durch ein reiches Land; heute (d. h. um 1910) sah ich rechts und links auf vereinzelten Feldern nur magere Baumwollstauden. Die englische Regierung widmet den Bewässerungsanlagen, welche in alter Zeit sehr vollständig waren, nur geringe Pflege; daher der Rückgang.« Schönfeld, Die Mongolen und ihre Paläste im mittleren Gangestale. Z. D. M. G. 1912, S. 583. Die Klage des deutschen Reisenden klingt an die gleiche des Kaisers Baber an, als er etwa 400 Jahre früher dieselbe Wegstrecke ritt, ehe er und seine Nachfolger das Land wieder in einen blühenden Garten verwandelten. Wie an der Straße nach Lahore werden sich hier die Gartenhäuser der Reichen angesiedelt haben. Wir wissen, daß Akbar dies aufs eifrigste unterstützte; ebenso aber drängte er auch seinen Adel, überall Spielplätze anzulegen, die auch als Stadtplatz für das von ihm leidenschaftlich geliebte persische Polospiel, ein Ballspiel zu Pferde, Verwendung fanden. Diese Plätze, Maidan, d. h. offenes Feld, genannt, waren fast immer von Reihen schattiger Baumalleen und häufig von Arkaden umgeben. Akbar sah in diesem Spiel eine geistige und körperliche Stählung seines Adels, er selbst war ein Meister des Spieles. Ain Akbari by Abulfazl. translated by H. Blochmann, 1873,1, p. 297.
Im eigentlichen Palastbau und, wie wir weiter unten sehen werden, noch besonders in den Grabmonumenten stehen Akbars Werke auf einem ganz besonderen Blatte; wenn jemals ein Herrscher vermocht hat, sein eigenstes persönliches Wollen auch den Werken der Kunst seiner Zeit aufzudrücken, so ist es Akbar gewesen. Auch er war wie Baber ein Knabe von kaum 13 Jahren, als seines Vaters plötzlicher Tod ihm einen von einem Schwarm feindlicher Prätendenten strittig gemachten Thron ließ, aber nach wenigen Jahren, als der 19jährige Jüngling die Zügel der Regierung in die Hand nahm, gelang es ihm nicht nur, allmählich fast ganz Indien unter seine Herrschaft zu bringen, sondern in diesem weiten Reiche durch seinen Geist und seine Herrscherkunst einen bis dahin wohl nie dagewesenen inneren Frieden herzustellen. Das Ziel, das Akbar sich gesteckt hatte, war nichts weniger als eine Verschmelzung aller Kulturen des Reiches, das sein Szepter beherrschte, und zwar auf dem Wege einer einheitlichen Religion. Jahre-, jahrzehntelang studierte er die verschiedenen Religionen, unterhielt sich mit ihren Vertretern, die an seinem Hofe zusammenströmten. Freilich, sie waren wohl alle mit dem heimlichen Hintergedanken gekommen, den Kaiser zu sich herüberzuziehen, er aber enttäuschte die christlichen Väter sowohl wie Parsen, Brahmanen und am meisten die strenggläubigen Moslems, die ihn als Abtrünnigen ansahen, als er mit dem großen Plan eines neuen Glaubens hervortrat: einer pantheistisch gefärbten Lichtreligion, die die Sonne als ein Symbol des Göttlichen verehrte. Manche Züge erinnern dabei an den ägyptischen König Echnaton, nur daß Akbar höchste Toleranz auf die Fahne seiner Religion wie seiner Geistigkeit überhaupt geschrieben hatte und als Anhänger nur eine ganz freie Gemeinde um sich versammeln wollte. Prüft man diesen »göttlichen Glauben« Akbars näher, so sieht man, daß außer einigen Zügen von Zarathustras Religion er sich am stärksten von dem brahmanischen Gedankenkreisen angezogen gefühlt hat, und das gleiche zeigt sich auch in allerlei Verwaltungsvorschriften, die sich sogar bis auf das Verbot des Kuhtötens und Rindfleischessens und das Tragen eines Kastenzeichens an bestimmten Festtagen erstreckt haben soll. Zweifellos aber verrät sich diese Vorliebe für die Hindus in seinen Bauwerken, die sich deutlich im Stil und Wollen von seinen Nachfolgern, überhaupt aber von der islamitischen Bauweise unterscheiden. Außer mit Agra ist Akbars Name hauptsächlich mit einer etwa 35 km von Agra entfernten Neugründung des Kaisers Fatehpur-Sikri verbunden. An der Stelle eines kleinen Dorfes, das der Geburtsort seines Sohnes und Nachfolgers Jehangir war; der Sage nach aus Dankbarkeit für den Rat eines dort wohnenden Heiligen, die Geburt des ersehnten Erben in Sikri zu erwarten, hatte Akbar die prächtige Stadt gegründet. An der Nordseite eines steilen Hügelzuges legte er einen großen künstlichen See an, die vier anderen Seiten des länglichen Vierecks wurden mit starken Mauern umgeben, von neun Toren durchbrochen; auf steilem Ufer über dem See erbaute sich Akbar seinen Palast. Jehangir, der, der Neigung seines Hauses zu Selbstbiographien nachgebend, auch sein Leben geschildert hat, sagt von Fatehpur: »Mein verehrter Vater, der das Dorf Sikri, meinen Geburtsort, als glückbringend für sich ansah, machte es zu seiner Hauptstadt und im Laufe von vierzehn oder fünfzehn Jahren wurden die Hügel und Wüsten, in denen wilde Tiere bisher hausten, in eine prächtige Stadt mit zahlreichen Gärten, eleganten Häusern und Pavillons und anderen Plätzen von großer Anmut und Schönheit umgewandelt. Nach der Eroberung von Gujerat wurde die Stadt Fatehpur (Stadt des Sieges) genannt.« Aber die Herrlichkeit war von kurzer Dauer, schon nach 17 Jahren wurde Fatehpur verlassen und der Hof wurde nach Agra überführt. Reisende schildern die Stadt schon im nächsten Jahrhundert als in Trümmern liegend, wieder eine von wilden Tieren bewohnte Wildnis, doch war das sehr übertrieben, denn eine große Reihe der Paläste stehen auch heute noch zum Teile besser erhalten als die von Agra, Delhi und Lahore, weil der Ort, abseits gelegen, niemals wie die anderen militärischer Stützpunkt für die verschiedenen Eroberer war. Will man den Charakter von Akbars Bauten im Gegensatz zu seinen Nachfolgern charakterisieren, so fällt zunächst eine größere Gehaltenheit und Strenge der architektonischen Gliederung ins Auge, die sich auch durch eine gewisse Bevorzugung des roten Sandsteines gegenüber den Marmorbauten der späteren Kaiser ausspricht Die Wirkung beruht in erster Linie auf Licht und Schatten, was oft meisterlich sowohl in Fatehpur wie in dem von Akbar erbauten Palasthofe in Agra behandelt ist. Allerdings war dieser größere Ernst, der heute aus Akbars Bauten spricht, doch mit östlicher Farbenpracht verbunden. Nicht nur daß die vergoldeten Paläste und Pavillons auf bunte Gärten schauten, sie waren auch durchwegs mit Malerei geziert. Akbar war ein großer Freund der Malerei. Wöchentlich ließ er sich die Werke der Maler vorlegen, wie sein Biograph berichtete, dann belohnte er die Meisterwerke und vergrößerte das Monatsgehalt der Künstler. »Es gibt viele, die die Malerei hassen,« war ein Ausspruch des Kaisers, »aber mir mißfallen diese Leute. Mir scheint es, als habe, ein Maler besondere Mittel, Gott zu erkennen; denn ein Maler, wenn er alles, was Leben hat, abbildet und Glied an Glied reiht, muß doch sehen, daß er seinem Werk keine Seele einhauchen kann; so muß er an Gott, den Geber alles Lebens, denken und sein Wissen um ihn vermehren.« Ain Akbari by Abulfazl, translated by Blochmann, l, p. 107 f. Gerade seinen Moslems gegenüber war diese Betonung eines religiösen Untergrundes der Kunst gewiß am Platze. Sein Biograph Abulfazl, der ihm geistig und freundschaftlich sehr nahe stand, stellt, wie schon früher erwähnt, die Malerei der Hindus über alle andere, selbst über die damals auch von den Orientalen sehr bewunderte europäische. Dieses Urteil Abulfazls ist in der Tat überraschend, denn was uns von der großen Epoche dieser Zeit an indischer Malerei erhalten ist, ist zweifellos von persischer Miniaturmalerei nicht nur beeinflußt, sondern stark von ihr abhängig, wenn es auch sehr wahrscheinlich ist, daß indische Künstler sehr bald die eigentlich ausführenden waren und bei eingehendem Studium sich auch ein indischer Einschlag zeigt. Aber vielleicht liegt es auch daran, daß uns eben fast nur Miniaturen erhalten sind. Diese Kunst wurde von Akbar hoch gepflegt und für seine und seiner Nachfolger große Bibliothek war immer ein Stab von Schönschreibern beim Buchschmuck beschäftigt. Nun aber hat, wie gesagt, Akbar auch seine verschiedenen Paläste auf das reichste ausmalen lassen und hievon sind doch nur wenige Reste erhalten – die Frescomalerei aber war von jeher die große Kunst der Inder, möglich, daß Abulfazls Lob sich besonders auf diese bezieht. Die köstlichen kleineren und größeren Paläste seines zanana, Frauenhauses, wie seine eigenen intimen Privatgemächer in Fatehpur hat Akbar al fresco ausmalen lassen, die wenigen erhaltenen und sehr verdorbenen Reste scheinen sich allerdings von den Miniaturen im Stil wenig zu unterscheiden.
In den Höfen und um die Paläste seines zanana müssen wir die »schönen, köstlichen Gärten« suchen, von denen Jehangir spricht, und ohne die kein orientalischer Palast seine Wirkung und Bestimmung ganz erfüllen kann. Hier helfen nun die zahlreichen Miniaturen, um die meist leeren oder zufällig bewachsenen Höfe mit Farbe und Gestalt der Beetanlage auszufüllen. Vor dem Privatpalast des Kaisers, dem Mahal-i-Khas in Fatehpur (Tafel 17), liegt in einem nicht sehr großen Hofraum ein Bassin, in der Mitte eine erhöhte Plattform, zu der vier Steige über das Wasser führen; solch ein Hof war nun sicher als ein Gartenstück rings mit Blumen und kleinen Zypressen bestanden, auf die Plattform wurde dann wohl ein Teppich gebreitet und ein Zelt darüber gespannt, um dem Herrscher und einem Freunde etwa eine Plauderstunde in kühler Abendzeit zu verschaffen, ähnlich wie auf unserem Bild (Tafel 43): hier führt ein vergoldetes Gitter mit zwei zierlichen Eingangstoren in den Garten, der in der Mitte die wasserdurchschnittene Plattform mit dem Pavillon, wo man sich gesellig zusammenfindet, umschließt. Auf dem Dache des Privatpalastes des Kaisers in Fatehpur liegt das luftige Kwabgah, sein Schlafgemach, seinerzeit ganz ausgemalt. Zahllose Miniaturen zeigen diese Dachpavillons. Zwei kleine offene Hallen (Tafel 48) schauen auf einen reizvollen Garten mit einer erhöhten Fontaine in der Mitte, von der ausgehend strahlenförmige Kanäle die Blumenbeete durchschneiden. Von den offenen Pavillons auf den Dächern kann man noch auf einen zweiten Zypressengarten dahinter sehen. Auf das Haremsleben, wie es sich auf den Dächern der Paläste abspielt (Tafel 34, 35), wurde schon früher hingewiesen. Was Baber für die Bepflanzung seiner Gärten als so wichtig empfand, die gleichfarbenen Beete, »die einander genau entsprachen«, zeigt eine unschätzbare Serie von Gartenminiaturen des Berliner Museums für Völkerkunde. Das rein Bildmäßige und Illustrative der anderen Miniaturen tritt hier so stark hinter dem Versuche zurück, Gärten perspektivisch oder in Vogelschau darzustellen, daß sehr wahrscheinlich wirklich vorhandene Paläste mit ihren Gärten in fürstlichem Auftrag gemalt werden sollten Einige dieser Miniaturen habe ich auch im Text als historische Gärten feststellen können. (Tafeln 28-40). Jedenfalls sind sie die beste Illustration, um ein Bild von der Wirkung der heute nackten Wohnpavillons in ihrer richtigen Umgebung zu geben. Wie anders muß solch ein köstlicher Bau wie Birbals Haus in Fatehpur (Tafel 19) gewirkt haben, als es noch in seinem alten Blumengarten stand. Ein anderer wundervoller Pavillon, das Haus der türkischen Sultanin genannt (Tafel 17, Nr. 2), enthält nur einen Raum, der mit Skulpturreliefs geschmückt ist, Landschaften darstellend, die noch ihrer Bemalung harrten, als man Fatehpur verließ. Von der Terrasse vor diesem Bau überblickt man einen großen Hof mit kreuzförmigem Kanal und einem in den Boden eingelassenen Brettspiel in einer Ecke, dort vergnügte sich der Fürst mit seinen Palastdamen mit dem pacisi, einer Art Brettspiel, wobei, wie erzählt wird, schöne Sklavinnen die lebenden Figuren waren. Hier auch wird man wohl oft ein Mahl im Freien eingenommen haben, wie es die Miniaturen so gerne darstellen (Tafel 31). Für das zanana waren überall Ausblicke ins Freie in Pavillons, die über den Fluß hinausgebaut wurden, vorgesehen, um der Schaulust der Frauen zu genügen. In Fatehpur führte sogar ein verdeckter Gang aus dem Frauenhause zu dem Hiram Minar, einem Turmpavillon, der an der äußersten Nordwestecke über dem Tale liegt. Von dort pflegte Akbar Antilopen und anderes Wild zu schießen, dahin durften ihn dann die Damen des Palastes wohl begleiten. Daß Frauen aber selbst wohl einmal mit dem Bogen umzugehen verstanden, zeigt das schöne Blatt (Tafel 42), wo eine der Frauen vom Balkon des Pavillons nach einem Vogel, der auf der Spitze eines hohen Turmes hockt, schießt, was die höchste Bewunderung der Zuschauer erregt. Der Turm selbst, der in dem Blumengarten mit zierlichem Bassin steht, ist hier als Gartenschmuck eine Nachbildung der in der ganzen islamitischen und indischen Welt so beliebten Etagentürme (Tafel 8). Das kleine, sehr elegant ausgestattete Bassin schmückt eine goldene, wasserspeiende Säule.
Außer mit Fatehpur ist Akbars Name noch mit Agra, das die letzten zwanzig Jahre seine Residenz war, und mit Lahor verbunden. In diesen beiden Städten haben alle drei Generationen an den Palästen gebaut und daher ist hier der Stilwandel, besonders der starke Schnitt zwischen Akbar und seinem Enkel Shah Jehan, klar zu erkennen. Jehangirs Bauanteil ist nicht so deutlich zu scheiden, jedenfalls gehören in Agra (Tafel 20) die heute nach Jehangir benannten Teile Akbar; zu. In dem Hofe (Tafel 21 unten) ist die bedeutende Wirkung durch die tiefen Schlagschatten der Konsolen, die die Galerien tragen, hervorgebracht, sie bilden in ihrer Schwere einen phantasievollen Gegensatz zu den luftigen Dachpavillons, die einst auf einen bunten Gartenhof herunterschauten. Hier haben gewiß manche der Disputationen des Kaisers mit seinen drei vertrauten Freunden stattgefunden: seinem Biographen und Minister Abulfazl, dessen Bruder Taizi, dem Erzieher seiner Söhne, und endlich dem geliebtesten unter allen, dem brahmanischen Poeten Birbal, den er zum Range eines Raja erhob und dem er untröstlich nachtrauerte, als er in der Schlacht fiel. Eine spätere Miniatur (Tafel 47) kann eine Vorstellung solch einer Unterhaltung eines vornehmen Herrn mit freundschaftlich um ihn versammelten Gelehrten geben. Eine besondere Zierde des schönen Gartens der Miniatur ist das erhöhte Marmorbassin, wo Pfau und Wiedehopf sich erlustigen. – Hinter dem Hofe in Agra liegt Akbars Schlafgemach, ein Alkoven, der über die Mauer springt, einst ganz al fresco ausgemalt; dies, so erzählte man, sei das Gemach, wohin sich der Kaiser nächtlicherweile die Religionsgelehrten in einem Aufzuge mit bequemem Ruhebette habe heraufziehen lassen, um sich ungestört mit ihnen zu besprechen. Ain Akbari, a. a. O. I, p. 179 ff. An den Hof grenzte dann wohl das zanana, das Frauenhaus, dessen Räume um den sehr großen Anguribagh (Tafel 22), den Weintraubengarten, schauen; wahrscheinlich waren die breiten, erhöhten Kreuzungswege von Weinlauben überschattet. Dazwischen lagen dann die Blumenbeete. (Einen hübschen Weinlaubengarten zeigt Tafel 44.) Aus einer Ecke des Anguribagh steigt man hinab in schön ausgestattete unterirdische Zimmer, wo sich der Kaiser mit seinen Frauen in der heißen Zeit aufhielt; in einem der Räume sind die Spiegelwände mit feinen Stuckornamenten überzogen, in den weißen Marmorboden schneiden Bassins mit gezackten Rändern ein, Springbrunnen steigen auf und von einer der Wände fällt ein breiter Wasserschleier herab, hinter dem bunte Lampen aufgestellt wurden. Tritt man aus dem Anguribagh in die nördlich daran grenzenden Räume, so befindet man sich in einer neuen Welt, der Welt Shah Jehans. Akbars Geist konnte über seinen Tod nicht dauern; schon sein Sohn und Nachfolger Jehangir wandte sich von der rein geistig gefaßten Religion Akbars wieder dem Islam zu, wenn er sich auch noch von Unduldsamkeit freihielt und sein Hof der Sammelplatz aller geistigen Strömungen blieb. Jehangir hat selten in Agra residiert, er hielt sich, wenn er nicht in Kabul war, meist in Lahore auf. Den Geist seiner Epoche werden wir besser noch in den Grabbauten kennen lernen. Der größte unter den Bauherren ist Akbars Enkel, Shah Jehan; er war reich begabt, ein großer Verehrer der Kunst und Schönheit, auch an Herrschertugend fehlte es ihm nicht, er hat sein noch ungebrochenes Gebiet dreißig Jahre (1627-1658) in ungestörtem Frieden regiert, seinem Volke war er ein Vater, bis er einer Palastrevolution zum Opfer fiel, von dem tatkräftigsten seiner Söhne, Aurangzib, abgesetzt und noch acht Jahre bis zu seinem Tode gefangen gehalten wurde. Gerade aber das erstaunliche Gelingen dieser Palastintrigue einem beim Volke so beliebten Herrscher gegenüber zeigt eine gewisse Weichheit und Erschlaffung in diesem vielleicht liebenswürdigsten unter den Moghulherrschern. Und das spricht sich auch in dem Stil seiner Bauten aus; gewiß zählt mit Recht seine Regierungszeit zu den allergrößten Bauzeiten Indiens. Und will man besonders von Stilreinheit sprechen, so hat der eigentlich islamitische Stil sich jetzt erst vollkommen durchgesetzt, die indischen Elemente, unter Akbar die herrschenden, sind jetzt vollkommen aufgesogen, seine wunderbare Eleganz und Leichtigkeit nicht nur in dekorativer Durchbildung – von jeher die große Begabung der islamitischen Völker –, sondern auch in der Raumdisposition zeigt sich in ihrer Vollendung. Überraschend ist dieser Gegensatz der Bauten Akbars zu denen Shah Jehans. Man fühlt sich umgeben von einer Welt, die von Frauenschönheit, von schwelgerischem, wenn auch ästhetisch verfeinertem, hohem Lebensgenuß spricht, nicht mehr Mauern, sondern feinstes Spitzengewebe in Stein umgibt uns, der weiße Marmor ist als Baumaterial allein herrschend, die Malerei tritt zurück hinter eingelegter Ornamentik in edelstem Gestein oder schönen Marmorarten, letzteres wahrscheinlich nicht unbeeinflußt von italienischen Künstlern. Die zanana-Räume, die auf den Garten hinausschauen, sind von unbeschreiblicher Grazie, gipfelnd in einem zweistöckigen Pavillon, Saman Burg, der Jasminturm, genannt, der ebenso wie das Schlafgemach Kaiser Akbars über die Mauer hinausgebaut ist und wo Shah Jehan im Anblick des Taj Mahal, des Grabdenkmals seiner Gattin, gestorben sein soll. Nordwestlich davor liegt die Audienzhalle des Kaisers, der Diwan-i-Khas, wo der Herrscher nur die Fürsten seines Reiches empfing, im Gegensatz zu der mächtigen Säulenhalle des Divan-i-Am, der mit seinem großen, von Arkaden umschlossenen Hofe den ganzen dem Fluß abgewandten Westen einnimmt, wo das gesamte Volk täglich zu dem unter der Säulenhalle thronenden Kaiser Zutritt hatte. Imponiert diese öffentliche Audienzhalle durch ihre Größe, so ist der kleine Diwan-i-Khas eines der auserlesenen Schmuckstücke islamitischer Dekorationskunst, gleich dem ihn nur an Größe überragenden Diwan-i-Khas in Delhi. Die Terrasse, auf die er hinausschaut, öffnet sich, mit einer Ballustrade abgeschlossen, nach Osten auf den Fluß, nach Westen wieder auf einen großen Hof, der Machhi Bhavan, d. i. Fischhof, heißt. Er trägt seinen Namen von einem großen Fischbassin in der Mitte, hier ist alles zerstört, daß kaum noch die Spuren der alten Kanäle und Marmorfontänen zu sehen sind, geschweige von Blumenbeeten und zierlichen Wegen, die einst so viel Bewunderung erregten.
Auch in Lahor haben alle drei Kaisergenerationen gebaut, leider aber sind gerade hier alle Anlagen so zerstört, daß man nur mit Hilfe von rekonstruierten Plänen (Tafel 23) sich eine schwache Vorstellung der Gärten und Gartenhöfe machen kann. Sehr reizvoll muß eine Anlage vor dem Shiohmahal, dem Spiegelpalast, gewesen sein, ein Garten mit einem kreisrunden Bassin auf erhöhter Terrasse, das eine kleine Plattform als kühlen, vom Wasser umgebenen Sitzplatz trug. Einst hatte besonders Akbar seine Bauten hier mit bunten Kachelornamenten, die Blumen, Tiere und auch Menschen darstellten, geschmückt; die Umfassungsmauern tragen noch Spuren davon. Für die vielen zerstörten Gärten im Innern, die der Plan noch zeigt, entschädigt uns hier wenigstens die Erhaltung des größten aller Palastgärten, des Hazuribagh (Tafel 24). Freilich darf man ihn kaum noch zu den Palastgärten zählen. Er liegt außerhalb der Mauer (Tafel 23), vor dem mächtigen Akbartor, das einst den Haupteingang zur Burg bildete, so daß der Garten in seiner heutigen Gestalt unter diesem Kaiser jedenfalls noch nicht bestand. Wahrscheinlich ist er erst von Aurangzib zugleich mit der großen Moschee erbaut worden, die sich jetzt auf der Westseite des Gartens, von dem eine mächtige Freitreppe zu ihr hinauf führt, erhebt. So zwischen Moschee und Palastmauer liegt der große, grüne, noch heute gepflegte Garten. Seinen Mittelpunkt bildet statt des üblichen Bassins ein zweistöckiger, weißer Marmorpavillon; dieser ist allerdings erst von Ranjit im 19. Jahrhundert erbaut worden, und zwar, wie es heißt, aus Marmor, der aus den Gärten der Gräber von Jehangir und seiner Gemahlin Nur Mahal geraubt wurde, doch seine weiße Zierlichkeit vermag wohl die monumentale Wucht des darüberragenden Akbartores wie die hohe, ernste Moschee auf der andern Seite zu tragen (Tafel 24).
Die glänzendste unter den drei Residenzstädten der Großmoghuls ist Delhi. Es ist die alte Hauptstadt, die seit 1193 den muhamedanischen Eroberern als der eigentliche Schlüssel Indiens galt. Delhi rühmt sich, an Stelle des alten, sagenhaften Indraprastha zu liegen, noch sind die Ausgrabungen aber zu oberflächlich, das weite Ruinenfeld um die Stadt zu wenig untersucht, um bestimmt etwas über das Alter der Stadt sagen zu können. Merkwürdigerweise aber ist auch sehr wenig erhalten von den Bauwerken, die in den mehr als drei Jahrhunderten vor der Herrschaft der Moghuls in der alten Kaiserstadt entstanden waren. Delhi war immer zu sehr das Ziel plündernder Eroberer von Timur bis Shah Nadir von Persien, die es jedesmal zerstörten und seine Schätze fortschleppten. Die ersten Kaiser aus Babers Geschlecht haben in Delhi selbst wenig residiert, jedenfalls nicht gebaut; so existiert das neue Delhi erst seit Shah Jehan, der es nach sich Shahjehanabad nannte, nachdem er dort seinen unvergleichlichen Palastbau auf der Höhe begann und 1638 Delhi zur eigentlichen Residenz erhob. Ein alter Plan (Tafel 25), der vor der Zerstörung durch die Engländer gemacht ist, zeigt hier eine Palastanlage von einer Größe und Einheitlichkeit der Konzeption und Durchführung wie kaum ein zweites Mal auf der Welt. Durch das Lahoretor im Westen tritt man herein, die Mauer durchschreitend, die in ziemlich regelmäßigem Rechteck den Palastbezirk umschließt. Zuerst empfängt uns ein gewölbter zweistöckiger Gang, »einem Kirchenschiff vergleichbar«, der in einen offenen Hof mit einem Bassin in der Mitte führt, rechts und links zweigen von hier rechtwinkelig, der ganzen Breite des Palastes entlang laufend, unbedeckte Säulenhallen ab. Aus dem Hofe führt die Hauptachse unter der Musikhalle durch einen offenen Pavillon, in dem vornehme Gäste oder die Amtshandlungen des Kaisers mit Musik begrüßt wurden, ein nie fehlender Bau altindischen Ursprungs, hier aber besonders wirkungsvoll gestellt. Von hier gelangt man wieder in einen offenen Säulenhof von sehr beträchtlicher Ausdehnung, es ist der Vorraum vor dem Divan-i-Am, wo sich die Untertanen des Kaisers, die irgendwie Recht von ihm forderten, täglich drängten; an seiner hinteren Seite liegt, wie vorgeschrieben, der Divani-Am, die Audienz und Gerichtshalle mit dem Throne des Kaisers, zu dem er unmittelbar aus seinen Privatgemächern gelangen konnte. Zuerst durchschritt der Kaiser vom Divan aus einen jener zierlichen Hofgärten, um dann in einen Pavillon aus weißem Marmor mit durchbrochenen Marmorfenstern, dem Rang Mahal (Tafel 26), zu gelangen, der, an die Mauer gelehnt, den Fluß überschaut. Dieser höchst imposante Zugang, Raum für kaiserliche Prachtentfaltung, teilt den Palast in zwei ziemlich gleiche Hälften. Die südliche Hälfte, beginnend mit dem Rang Mahal, ist das Reich der Frauen, eine Fülle von Pavillons, die an Gartenhöfen, meist von Säulenhallen umgeben, liegen, ein Bezirk, der für sich allein fast doppelt so groß wie der Eskurial, der größte europäische Palast, ist. Freilich muß man ganz die Vorstellung eines zusammenhängenden europäischen Palastes verlassen; die überraschende Einheitlichkeit und fast symmetrische Anlage, die der Plan zeigt, wird durchaus von den Linien der Säulenhallen, die die Höfe, Mauern und Gärten umgeben, bestimmt. Die Wohnpavillons sind fast durchwegs hier wie in den anderen Moghulpalästen gelöste Einzelbauwerke, aber der Baumeister Shah Jehans hatte doch, über die Anlagen der älteren Paläste hinausgehend, den Gedanken großer Perspektiven erfaßt, wie der mittlere Aufgang beweist, und darüber hinaus hatte er wieder andere Gebäudegruppen höchst reizvoll zu einer Einheit zusammengeschlossen. Die ganze Südseite des zanana ist so hoffnungslos zerstört, daß nur der Rang Mahal, d. h. die gemalte Halle, in der feinen Zierlichkeit seiner Fenster und Wanddekoration ein Bild auch von den übrigen zerstörten Marmorpalästen und Pavillons geben kann. Etwas besser ist es um die Nordhälfte bestellt. Eine Gruppe von Gebäuden, die alle an der Flußmauer liegen, ist, jedes ein Kleinod, wie an einer Perlenschnur an einem Kanal aufgereiht (Abb. 5). Er läuft als ziemlich breite, flache Wasserrinne vom Rang Mahal (Tafel 26) aus an dem Khas Mahal Murray, A Handbook of Travellers in India 1901, S. 38, gibt die Bezeichnung etwas anders als Laroche, Indische Baukunst, dessen Plan ich hier folge. Der Khasmahal wird Saman Burj (Jasminpavillon) genannt, während Laroche dem Wasserpavillon diesen Namen gibt. mit seinem über die Mauer ragenden Pavillon vorbei (Tafel 27), durchfließt den Divan-i-Khas und weiter ein Bad bis zu einem Pavillon der Nordostecke der Mauer, von dem aus die Hauptwasserversorgung der Gärten und Hallen des Palastes ausgeht. Unter diesen Fest- und Repräsentationsräumen nimmt der nach allen Seiten offene weiße Marmorpavillon des Divan-i-Khas wohl die erste Stelle ein, und die Worte, die in persischen Lettern über seinem Nord- und Südtor stehen: »Gibt es auf Erden ein Paradies, so ist es dies, so ist es dies«, haben noch jedem Beschauer dieser von Gold und buntem Marmor strahlenden Halle mit ihrer herrlichen Ornamentierung als Ausdruck der eigenen Stimmung gegolten. Unter der Terrasse, deren Ecken südlich durch das Bad und nördlich durch den Wasserpavillon begrenzt werden, liegt ein großer Gartenhof, 183 m im Geviert, der Hayat-Baksh (Tafel 25). Der Garten ist neuerdings nach dem alten Plane einigermaßen wiederhergestellt; die Mitte bildet ein großes Bassin mit einem kleinen Inselpavillon darin, dem Zafar Mahal, die bunt verzierten Steinplatten des Bassins machen das Wasser leuchtend und glitzern. Je vier breite, mit rotem Sandstein gepflasterte Wege sind von den nie fehlenden Wasserrinnen begleitet; nach Norden und Süden enden sie in Pavillons mit offenen Säulenhallen, der nördliche, Sawanpavillon genannt, enthält ein Marmorbecken und an den Seiten schleierartige Fontänen, hinter denen man nachts die bunten Lampen stellte. Es ist der so oft wiederkehrende Plan eines Hofgartens; der gewiß einförmige Grundplan fand seine stets neue Abwechslung und Eigenart in der unendlich reichen und virtuosen Behandlung des Wassers der Kanäle und Fontänen, das den Garten und zugleich die Pavillons durchrauschte, an den Seiten heraussprudelte und in Rinnen den Wänden entlang rieselte. So verband dieses Element Garten und Pavillon, der nun seinerseits durch seine goldglitzernden, buntbemalten oder mit Fliesen ausgelegten Wände wiederum die Farbe des Gartens aufnahm, die ihm von dort her von den bunten Blumenbeeten entgegenstrahlte. Auf dem Plane liegt westlich von dem Hayatbagsh etwas tiefer ein zweiter, wenig kleinerer Garten, der aber ganz zerstört ist und von dem sich nur der phantasievolle Name Mahtab, d. h. Mondscheingarten, erhalten hat. Vielleicht war dieser Garten mit weißen Blumen bepflanzt, die im Mondschein besonders leuchteten. Wieder müssen hier Miniaturen als Anschauung zerstörter Gärten dienen, besonders lehrreich ist die ganze Serie aus dem Berliner Museum (Tafeln 28-40). Alle diese Gärten sind mit Beeten angelegt, die mit gleichfarbigen Blumen im Innern und einem abstechenden Rande in einer Komplementärfarbe bepflanzt sind, etwa Gelb mit Lila oder Rot mit Weiß und Grün umrahmt. Die Beete wiederum sind in ihrer Farbe genau nach der Farbe der Wege abgewogen, ob diese mit rotem Sandstein oder weißem Marmor gepflastert oder mit gelbem Kies bestreut sind. Und um diese Farbenharmonie abzuschließen, kommt das Bunt der offenen Säulenhallen hinzu, deren Boden ganz mit Teppichen belegt ist, eine Wirkung, die ja leider die farblosen Abbildungen nicht wiedergeben können. Unter dieser Reihe ist nun ein Bild von außerordentlicher Wichtigkeit für unsere Betrachtung des Palastes von Delhi (Tafel 28). Ein genauer Vergleich mit dem Grundrißplan läßt keinen Zweifel, daß diese Miniatur den Palast von Delhi aus der Vogelschau, von der Flußseite gesehen, darstellen soll. Wir sehen hier am weitesten entfernt das Lahortor, mit seinem überdeckten Gang in den Hof mit dem Bassin führend, von dem rechts und links statt der Portikus Kanäle nach den beiden Toren ausgehen, die einer früheren Anlage angehören müssen; der Naubat Khana, die Musikhalle über dem Eingang zu dem großen Hof des Divan-i-Am, zeigt die Musiker in Tätigkeit, der Thronsaal selbst ist uns verdeckt, dagegen schauen wir in den Ziergarten dahinter. Nur in einem weicht die Miniatur von dem Plan und der heutigen Lage der Gebäude ab, der Khas Mahal mit dem vorspringenden Pavillon ist in die Mittelachse gerückt, rechts, d. h. nördlich sehen wir den Divan-i-Khas, in den der Fürst mit Gefolge eben einzieht, links den Rang Mahal. Sehr wahrscheinlich ist dies eine Freiheit, die der Maler sich genommen hat. Links vom Mitteltrakt liegen, wie auch der Plan zeigt, die Haremswohnungen mit ihren Gärten; von den großen Gärten des Hayatbagsh und des Mahtab ist wegen der perspektivischen Beschneidung unserer Miniatur wenig zu sehen. Wichtig und interessant ist jedoch außer dem Blick in die reizvollen Gärten, die selbstverständlich im Harem besonders von Mauern beschützt waren, daß auch die Durchgangshöfe außer dem des Divan-i-Am, in dem sich ja das ganze Volk vor den Schranken drängen durfte, mit Bäumen bepflanzt sind. Auch die Bebauung der von dem Plan leergelassenen westlichen Seite zwischen den Toren findet in dieser Miniatur Aufschluß; das auf dem Plan fehlende nördliche Tor dem Delhitor im Süden gegenüber ist in der ursprünglichen Anlage selbstverständlich auch vorhanden gewesen. Erst diese Miniatur aber kann ganz klar machen, wie sehr sich solch ein Palast trotz der Konzeption eines großen einheitlichen Gesamtplanes von einem europäischen der gleichen – der Barockzeit unterscheidet. Kein beherrschendes Gebäude ist hier, aller Wert ist auf die mächtige Entfaltung der Eingangshöfe bis zum Divan-i-Am, dem Thron des Kaisers, gelegt; dahinter verbergen sich im einzelnen, in feiner Symmetrie zusammengeschlossen, doch wieder die meistens ummauerten Einzelpavillons mit ihren Sondergärten.
So bedeutsam nun auch die Gärten der Stadtpaläste sind, sie bleiben Hofgärten, dem beherrschenden Pavillon untergeordnet, der Garten ist selbst nur ein Raum unter freiem Himmel. Eine weit wichtigere Rolle spielt er in den Landhäusern, besonders den Sommersitzen der Kaiser. Hier herrscht der Garten, die Schlaf-, Wohn- und Badepavillons sind so in ihn hineingestellt, daß sie neben Wasser und Bepflanzung nur ein Ornament mehr für den Garten als Ganzes bilden, denn gerade weil diese Gärten nur für die warme Jahreszeit bestimmt waren, so begnügten sich die Herrscher und ihre Frauen mit erstaunlich kleinen Wohnräumen, die allerdings in ziemlich großer Zahl vorhanden waren. Kaum ein zweiter Ort der Welt eignet sich so zu einer Sommerresidenz wie das Tal von Kaschmir: die nur wenig ansteigende Talsohle ist von dem breiten Ihilum, einem Nebenflüsse des Indus, durchflossen; von dem gewaltigen Seebecken, das einst das ganze Tal ausfüllte, sind eine Reihe spiegelklarer, von Wasserrosen bedeckter Seen übriggeblieben, deren Ufer, sanft ansteigend, von waldbekränzten Hügeln überragt sind, über denen sich die schneebedeckten Häupter des Himalaya erheben. Einst reihte sich Garten an Garten an den Ufern dieser Seen; an dem größten und schönsten unter ihnen, dem Dalsee, liegt die Hauptstadt Srinagar, vom Flusse durchströmt; noch heute zeigen viele alte Holzhäuser mit schönen Schnitzereien, wie einst die meisten indischen Städte aussahen. Die unendlich reichhaltige Flora, die dieses gesegnete Tal erfüllt, in dem ein großer Teil der fruchttragenden Bäume Europas, alle Obstsorten, Walnuß, Granatbaum und Maulbeerbaum heimisch sind, luden wohl zur Anlage von Landhäusern an den Ufern dieses schönsten Sees ein; er ist mit mehreren kleinen Inseln bedeckt, die alle bebaut und mit schönen Gärten geschmückt sind; eine seiner Eigentümlichkeiten sind die zahllosen künstlichen schwimmenden Inselchen; sie sind aus langem Schilfrohr zusammengebunden und an den vier Ecken mit Pfosten in den See festgerammt, darauf werden sie mit Pflanzenresten und Gartenerde zu kleinen Hügelchen aufgewölbt und mit erstaunlicher Schnelligkeit wachsen darauf Gartenfrüchte wie Melonen, Tomaten, Gurken und ähnliches; außerdem ragt der singhara-Baum oder die Wasserkastanie, deren eßbare Früchte den Einwohnern als Tagesnahrung dienen, wild wachsend aus den Fluten empor. Diese fruchtbare Erde fügte Akbar 1587 seinem Reiche zu und besonders Kaiser Jehangir liebte dieses Tal so, daß er oft versicherte, daß der Verlust der Krone ihn nicht so schmerzen würde wie der Verlust dieses Landes. Voyages de François Bernier continant la description des Etats du Grand Mogol Amsterdam 1709 II, p. 277. Und als schönsten Edelstein in dieser Krone erbaute er hier den Shalimargarten am Nordostufer des Dalsees. In fünf Terrassen (Abb. 6) steigt er als regelmäßiges Rechteck an etwa 500 m Länge zu 200 m Breite empor. Oben hält den Besucher eine wunderbare Aussicht fest: Über das blühende Tal hinaus, mit Seen und Stadt ihm zu Füßen, erschaut er die Bergmauer des Himalaya. Die oberste Terrasse lehnt sich dicht an die Felsmauer des Mahadoe, der sein schneebekröntes, dem Œiva heiliges Haupt darüber erhebt. Hart am Fels faßt ein Wasserpavillon einen seiner rauschenden Quellbäche, um ihn von hier als Mittelkanal von Terrasse zu Terrasse herabzusenden; über schräge übereinandergelegte, bunte Platten fließt er, hier als Fontäne aufsteigend, weiter als Wasserfall niederrauschend, bis er inmitten mächtiger alter Baumalleen den See erreicht. Die Mitte der Kanäle war durch reiche Wasserkünste belebt, ebenso die Bassins, die auf die einzelnen Terrassen verteilt waren; der größte Teil dieser Wasserkünste ist heute verfallen, und doch bewundern auch noch heute die Reisenden den wundervollen Anblick bei springenden Wassern. Je beim Übergang von einer zur andern Terrasse, so daß der Kanal sie durchströmt, wie auch am Abschluß der Seitenwege auf den Terrassen, standen die wundervollen kleinen Pavillons, die der französische Reisen Bernier, Bernier, a. o. O. II, p. 226., der als Leibarzt Arangzibs den Kaiser begleitete, so anschaulich schildert. Sie waren zum Teile wie runde Türmchen über das Wasser gebaut, Brücken führten nach den Seitenalleen; jeder Pavillon besteht aus einem großen Saal in der Mitte mit vier kleinen Seitengemächern an den Ecken. Das Innere ist gemalt und vergoldet und mit persischen Inschriften verziert. Vier gegenüberliegende Ausgangstore bestehen aus kostbaren Steinen und werden von Säulen alter Hindutempel gestützt, die der Erbauer zerstört hatte.
Der Zentralbau, sowohl bei kleinen Gartenpavillons wie auch bei größeren Repräsentations- und Wohnhäusern, ist in Indien weit verbreitet. In Agra und Delhi und anderen Orten haben wir ihn angetroffen, immer mit ähnlichem Grundriß: ein Kuppelsaal in der Mitte und vier oder manchmal auch acht ihn umgebende Nebenräume. Es ist der eigentliche Pavillonstil jener Zeit, er ist rein asiatischen Ursprungs und auch in den anderen Ländern persischer Kultur häufig anzutreffen. Es würde wohl eine interessante Frage sein, ob nicht hier ein direkter Einfluß nach Europa festzustellen wäre. Man muß sich nur erinnern, was für einen Eindruck von etwas unerhört Neuem Palladios Villa rotonda in Italien machte, die den gleichen von Bernier geschilderten Grundriß hat. Das Wissen der Länder des Ostens und Westens um einander war damals weit verbreitet, durch den Strom der Reisenden hin und her getragen. So ist es anderseits auch sehr möglich, daß die einheitliche Konzeption des Grundplanes, wie sie so großartig in Delhi durchgeführt war und wie sie hier im Shalimar von Kaschmir schon Jehangir erstrebt hat, von europäischen Berichten über Italiens Gartenanlagen beeinflußt ist; denn so regelmäßig auch die Einzelanlage von Pavillon und Garten in Indien seit alten Zeiten war, so wenig dachte man früher daran, die Einzelpaläste und Gärten zu einem Gesamtplan in Beziehung zu setzen. Unter den Berliner Miniaturen befinden sich zwei Blätter (Tafel 37, 38), die zwar in etwas schematischer Form, besonders in der Zeichnung der Pavillons und Beete, doch wiederum eine Anschauung solch eines Gartens geben können. Auf dem großen Seebild (Tafel 37) reicht der Hauptgarten bis an das Seeufer, man hat geglaubt, Sattar Kheiri, Indische Gärten, übersetzt von H. Ph. Bossert, Wasmuths Monatshefte, Jahrgang 7, S. 8, bezeichnet diese Blätter mit der Unterschrift Shalimargarten bei Anisagar Kaschmir, doch kann man dem nur mit obigem Vorbehalt beipflichten. in ihm den Shalimar von Kaschmir zu erkennen, dieser aber liegt nicht dicht am See, sondern ist durch eine lange Baumallee mit ihm verbunden. Der See aber auf der Miniatur sieht wie ein künstlicher aus und erinnert mit seinen Inseln mehr an den Polasee bei Udaipur. Hat der Maler mit diesem und dem Blatte (Tafel 38), das nur wie eine Vergrößerung des Hauptgartens aussieht, den Shalimar vielleicht im fürstlichen Auftrage darstellen wollen, so war er sicher selber niemals in Kaschmir und malte schlecht und recht einen schematischen Pavillongarten, den Hintergrund der Bergmauer als liebliche Hügel und den See als Staubecken, wie er es in seiner Heimat vor Augen hatte.
Nach Kaschmir zog Jehangir jährlich mit seiner Lieblingsgemahlin, der heißumworbenen und schwer errungenen Nur Mahal, die, durch Schönheit und Geist gleich ausgezeichnet, seine Beraterin in allen Staatsangelegenheiten und seine Begleiterin auf allen seinen Zügen und Reisen war. Die märchenhafte Pracht, die die Kaiser auf ihren jährlichen Sommerreisen entfalteten, schildert eingehend Bernier, Bernier, a. o. O. II, p. 216 ff. der Leibarzt Aurangzibs; von der Größe, dem Luxus und der Vielgestaltigkeit der Reisezelte, die überall dahin dem Kaiser vorangeschickt wurden, wo nicht eines der schönen, festen Rasthäuser seiner harrte, weiß schon Abulfazl Ain Akbari by Abulfazl 'Allami, translated by Blochmann 1873, p. 45. ausführlich zu berichten. Bei der Ankunft des Kaisers in Kashmir warteten seiner zuerst die Hofpoeten, sie priesen in immer neuen Wendungen das schöne Tal, und gnädig empfingen und belohnten die Herrscher die jährlichen Carmina und erfreuten sich um so mehr »an der Königin der Länder, die mit der doppelten Krone von Smaragden und Diamanten geschmückt ist«. Bernier, a. o. O. II, p. 278/79. Unsere Miniatur (Tafel 37) deutet den reichen Kranz von Gärten an, die um den Dalsee oder auch einen der anderen lagen. Heute hat sich außer dem Shalimar nur noch ein zweiter sehr schöner Garten, der weiter südlich am Dalsee gelegene Nishatgarten, erhalten. Er ist von Asaf-Khan, einem Bruder Nur Mahals, erbaut worden. Er wie seine ganze Familie bekleideten unter Jehangir die höchsten Staatsämter. Der Garten steigt in sieben Terrassen, von einem 500 m langen Kanal durchflossen, empor, auf jeder Terrasse umschließt ein Bassin eine jener Plattformen, die ein bevorzugter Lieblingsplatz orientalischer Geselligkeit waren. Steinwege überschreiten das Wasser; besonders reizvoll sind hier die Kanalränder durch gemeißelte Kelchblumen geziert, die das Wasser in dünnem Schleier um sich werfen. Auch hier fehlen die köstlichen von Wasser durchrauschten Pavillons nicht.
Im Wetteifer zu diesem buen retiro seines Vaters in Kaschmir ließ sich Shah Jehan einen Lustgarten in der Nähe von Lahor im Jahre 1637 anlegen (Abb. 7, Tafel 51). Auch er nannte den Ort Shalimar, d. h. Liebeshalle. Wir kennen den Namen des Baumeisters Ali Mardan Khan, dessen schönes Grabmal nicht weit davon gelegen ist. Der Garten steigt in drei ungleich breiten, zum Teil künstlichen Terrassen von Norden nach Süden auf. Durch ein monumentales Tor tritt man auf die oberste Terrasse. Es ist, wie auch die anderen Tore dieses Gartens, mit überaus feiner Kashiarbeit geziert, die Blumen der bunten Kacheln im einzelnen mit naturalistischer Treue gezeichnet und im ganzen doch durchaus gehalten und stilisiert wirkend. Diese oberste Terrasse, in den Gärten dieser Zeit immer der Frauengarten, ist in sich ein geschlossenes Ganze mit der bekannten Einteilung: vier Kreuzwege werden von Kanälen durchflossen, die im Schnittpunkt ein Bassin bilden, einer der Querwege führt zu einem Pavillon, der, über die Mauer herausgebaut, ein kleines Sondergärtlein neben sich hatte. Jedes der durch die Kreuzungswege gebildeten Vierecke ist reizvoll gestaltet: erhöhte, mit Sandstein gepflasterte Wege führen zu einem Mittelbassin, von blühenden Sträuchern oder Bäumen eingefaßt, die die Blumenbeete umrahmen. Dem Pavillon im Osten entspricht einer im Westen; als einzige Unregelmäßigkeit ist ein kleiner Schlafpavillon in dem Nordviereck erbaut – ob er freilich der ursprünglichen Anlage angehört, ist zweifelhaft. Auf dem Übergang von dieser Terrasse zur zweiten, die etwa 4 m unter der oberen liegt, ist der Hauptpavillon, die Wohnung des Kaisers, errichtet. Der Pavillon selbst überragt die oberste Terrasse, von dem Altan des Hauses überschaute der Kaiser den oberen wie den unteren (Tafel 51 unten) Garten; dicht vor dem Pavillon auf der weit schmäleren zweiten Terrasse liegt das große Bassin, dessen Grund mit Marmor, auf dem Blätter, Blüten und Muscheln gemeißelt waren, gepflastert ist. Das Bassin ist ebenso wie die Seitenwege, die darauf hinführen, etwa 1 m über die begleitenden bunten Blumenbeete erhoben. Unter der Pavillonterrasse, sich unmittelbar auf das Bassin öffnend, liegt ein Marmorgemach, das oben ringsum von einer Rinne umflossen war, die das Wasser schleierartig vor den Wänden überfließen ließ. Die Seitenwege führen wieder zu kleinen Abschlußbauten, unter denen das Bad mit seinen ausgemalten Kuppelgängen besonders reizvoll wirkt. Die untere Terrasse, wahrscheinlich ähnlich angelegt wie die obere, nur in einfacheren Linien, wirkt heute ganz falsch durch eine dichte Bepflanzung wie eine Baumwildnis; statt auf Pavillons führen hier die Wege auf drei schöne Tore mit bunten Kacheln verziert, dieser unterste Garten war wohl schon unter den Kaisern zu bestimmten Stunden öffentlich zugänglich; runde, über die Mauern hinausspringende Eckpavillons schließen das Bild von unten ab. So sah der Garten im Jahre 1820 aus, als Ranjit Singh ihn gerade wiederhergestellt hatte. W. Griggs, Indian Photographs and Drawings, London 1896, Pl. 78. Wenn sich dieser Garten auch in seiner Umgebung der Landschaft nicht mit dem namensgleichen Nebenbuhler in Kaschmir vergleichen konnte, so war er, in sich geschlossen, ein Meisterwerk und bildete unter den uns bekannten Gärten Indiens die höchste Stufe der Kunstentwicklung, die sie erreicht haben. Man muß die Farbenwirkung der ursprünglichen Bepflanzung, der Rosen-, Nelken-, Narzissen- und Tulpenbeete mit der Fülle der indischen Blütenbäume, dazu denken, die bunten, kachelverzierten Tore, die goldenen Dächer und marmornen Säulen der Pavillons, das Brennrot der Sandstein- oder ziegelgepflasterten Wege, die sich von den silberigen Kanälen, Springbrunnen und Bassins abheben, um das zaubervolle Bild vor sich aufsteigen zu lassen, das heute trotz des Versuches einer Wiederherstellung nur noch ein Schatten ist. Der Garten, inmitten des von dem Blut unaufhörlicher Kriege getränkten Bodens liegend, hat das traurige Schicksal dieses Landes seit dem Niedergange der Großmoghuls bis auf die Neige kosten müssen. Den Erobererheeren des persischen Shahs Nadir hat er 1738 als Lagerplatz gedient, und kaum zehn Jahre später schlugen die Afghanen unter Ahmad Shah hier ihre Zelte auf. Ranjit-sing, ein großer Gartenliebhaber, baute dann die zerstörten Pavillons wieder auf, richtete die Wasserkünste wieder her und verlieh dem Garten einen neuen Glanz – bis er unter den Engländern wieder verwilderte.
Wir wenden uns zum Schlusse noch einer Gruppe von Gebäuden zu, die ebenfalls die Unzertrennlichkeit von Architektur und Gartenkunst zum Ausdruck bringen: die Grabbauten. Ist es schon sehr wahrscheinlich, daß die profane Steinarchitektur erst mit dem Islam nach Indien gekommen ist, so gilt dies in weit höherem Maße von den monumentalen Grabbauten, denn hier war der ganze Gedanke dem Inder etwas Neues. Man muß, wie früher berührt, in sehr alte Zeiten zurückgehen, um aus dem Reliquienkult der Buddhisten, der in den Stupas den äußeren Ausdruck fand, auf einen alten Gräberkult zurückzuschließen. Wir sahen aber auch, daß schon in buddhistischer Zeit nur über den Reliquien der Heiligen, niemals für Könige Grabbauten errichtet wurden. In späteren Jahrhunderten aber verstummt auch jede Kunde über Stupabauten im brahmanisch gewordenen Indien. Es war der ganzen Wesensart indischen Denkens vollkommen fremd geworden. Der sterbliche Körper, die kurze Wanderhülle der Seele, gehörte, wenn er von ihr verlassen, den Elementen an. Er wurde verbrannt zu allen Zeiten, von denen wir wissen, und die Asche streute man in das Wasser. Von alters her waren gewisse heilige Flüsse und auch Seen besonders dafür ausersehen; oft bewahrte man die Asche so lange auf, bis man Gelegenheit hatte, sie in heilige Fluten zu streuen. Einem Volke mit solchen Anschauungen mußte es widersinnig erscheinen, dem Toten große Häuser und Monumente zu erbauen. Erst die heiße Ruhmessehnsucht, die allen Stämmen des Islam eigen ist, hat diese Sitte nach dem Norden von Indien verpflanzt, während der Süden erst ziemlich spät und auch dann weit seltener große Grabmonumente kennt. Die muhamedanischen Eroberer kannten nichts Schöneres und Stolzeres, als die Erinnerung an ihren Namen und ihre Taten durch Monumentalgräber festzuhalten, und ihr Beispiel wirkte dann allmählich ansteckend auf die indischen Fürsten. Doch erst unter den Großmoghuls hat sich die Sitte auch unter den Rajas weit verbreitet. Gewiß hat auch hier Akbars große Toleranz religiöse Gegensätze überbrückt. Eigene Verbrennungsplätze werden die Großen wohl schon früher gehabt haben, häufig hatte man einen bestimmten Teil seines Parkes dazu gewählt. Es kam vielleicht dazu, daß die Sitte der Witwenverbrennung damals weiteste Verbreitung hatte und die Fürsten mit Begierde den Anlaß ergriffen, um dies schauerlich großartige Totenfest durch ein bleibendes Monument festzuhalten. So wetteiferten denn vom 16. Jahrhundert an indische Rajas und muhamedanische Eroberer in Größe und Pracht ihrer Grabbauten. Zu den imposantesten indischen gehört die Totenstadt von Udaipur, wo von der Gründung der Stadt bis heute dasselbe Fürstengeschlecht herrscht. Dort liegt ein paar Kilometer östlich vom See, inmitten baumreicher Gärten, der von hohen Mauern umschlossene Verbrennungsplatz der Rajas und hier reiht sich Kuppelgrab an Kuppelgrab; das prächtigste ist das von Sangram Singh II., der hier mit 21 seiner Frauen verbrannt wurde. Trotzdem aber die Sitte der Grabmonumente ganz von den Muhamedanern übernommen ist, hielt man hier bis in die neueste Zeit den rein indischen Stil fest; die Gräber von Udaipur zeigen fast alle den Stil der Jainatempel.
Die muhamedanischen Fürsten aber haben von Anbeginn ihrer Herrschaft sich in Grabmonumenten ein Denkmal ihrer Macht gesetzt. Das älteste uns erhaltene stammt schon aus dem Jahre 1235, das Grab des Sultans Altamsh in der Burg Lalkot in Altdelhi, wo die muhamedanische Herrschaft zuerst in dieser bis dahin rein indischen Stadt festen Fuß gefaßt hat. Eine ziemlich große Anzahl von muhamedanischen Kuppelgräbern vor der Großmoghulzeit sind vorhanden; sie liegen, wenn nicht in der Mitte künstlicher Teiche, so doch immer daneben. Zu den imposantesten gehört das Grab des heiligen Schaich Ahmad Ganj Baksh in Sarkhej in der Nähe von Ahmedabad (Tafel 52, oben). Der Schaich war der Freund und geistige Berater des Sultans Ahmed I., der die Stadt 1411 gegründet und ihr seinen Namen gab. Das Grab gehört zu den größten dieser Gegend. Das sehr große Bassin mit prächtiger Steineinfassung und Treppen, die hinunterführen, ist an einer zweiten Seite von einer Moschee überragt, gegenüber dem Grab liegt ein anderes, das eines Schülers des Heiligen, außerdem lag in der Südwestecke ein einst glänzender, jetzt ganz in Ruinen liegender Palast. Das Interessante dieses Grabes und der Moschee aus dem späten 15. Jahrhundert ist, daß sie in einem reinen Hindustil erbaut sind. Fergussen, History of Indian Architecture, London 1876, p. 530ff.
Von höchst imposanter Wirkung ist auch das als Insel inmitten eines großen Wasserbeckens liegende Grabmal Sher Shahs (Tafel 53), des afghanischen Usupators, dem es noch einmal gelang, dreizehn Jahre die anstürmende Macht der Timurenkel aufzuhalten. Doch erst unter den Moghulherrschern nehmen die Grabmonumente eine zentrale Stellung unter ihren Bauten ein, sie übertreffen an Zahl und Kostbarkeit selbst die Moscheen. Um sicher des Ruhmes der Nachwelt zu sein, erbauten sich die Fürsten und Großen ihre Grabdenkmäler schon zu Lebzeiten. Es ist dies eine echt asiatische Gesinnung, die im 16. und 17. Jahrhundert auch nach Europa herüberflutete. Aber den Fürsten des unerschöpflich reichen Indiens standen doch andere Mittel zu Gebote als etwa den Päpsten und ihren Nepoten im Abendlande, die sich bei Lebzeiten ihre Grabmale errichteten. Wie sehr nun auch bei diesen Bauten der Garten nicht nur im Vordergrunde stand, sondern den eigentlichen Ausgangspunkt bildet, das schildert Fergussen, der erste Historiker, der die Zusammenhänge der indischen Kunst erfaßte, anschaulich und lebendig: Fergussen, Indian Architecture, p. 574 ff. »Die gewöhnlichste Art für einen König oder Edelmann, der sich ein Grab errichten will, ist, sich außerhalb der Stadtmauer ein Gartenstück auszusuchen, dieses mit hohen Zinnenmauern zu umgeben und mit einem oder mehreren prächtigen Toren zu versehen. In der Mitte errichtet er dann ein viereckiges oktagonales Gebäude, das mit einer Kuppel gekrönt ist und bei bedeutenderen Denkmalen von kleineren Kuppelbauten umgeben ist, die die Ecken betonen, auch wohl über den Eingängen aufragen. Das Gebäude liegt gewöhnlich auf hoher Terrasse, von der breite Alleen ausgehen, die von marmornen Kanälen eingefaßt und mit Fontänen geschmückt sind; eine Moschee ist ein wesentlicher Bestandteil der Anlage. Die ausgesparten Vierecke sind mit Zypressen, anderen immergrünen und Fruchtbäumen bepflanzt Ursprünglich wahrscheinlich mit Blumenbeeten. und bilden so einen der ornamentalen Gärten, die für den Osten so charakteristisch sind. Während der Lebenszeit des Gründers wird das zentrale Gebäude ein Barahdaro, ein Sommerhaus oder Festhalle genannt und wird von ihm und seinen Freunden besucht, um sich dort zu erholen oder Feste zu feiern. Bei seinem Tode ändert es seine Bestimmung – des Gründers Überreste werden unter der Zentralkuppel begraben, manchmal ruht seine Lieblingsfrau neben ihm, häufiger aber wird seine Familie unter den kleinen Kuppelbauten begraben. Ist es erst als Begräbnisstätte gebraucht, so erklingen seine Gewölbe nie mehr von festlichem Frohsinn wieder. Die Sorge für die Gebäude ist Priestern und Fakirs übergeben, die einen spärlichen Lebensunterhalt durch Verkauf von Früchten erwerben oder von den Almosen derer leben, die die Ruhestätte ihres Freundes und Herrn besuchen kommen. Die Schönheit der Umgebung verbindet sich mit der Ruhe des Ortes, um eine Wirkung hervorzubringen, eben so anmutig wie feierlich ihr angepaßt.«
Solch eine freie und großartige Lebens- und Baugesinnung hat die Weltgeschichte schon früher einmal gezeigt, als der erste Kaiser des römischen Weltreiches, Augustus, vor dem Tore bei Rom den Platz seines Grabes bestimmte, dort einen großen Park anlegte und ihn zu seinen Lebzeiten den Bürgern Roms als Vergnügungsort freigab. Sein einfacher Sinn, der weit von orientalischer Sultanspracht entfernt ist, zeigt sich allerdings auch in dem schlichten Kenotaphium, das seine Überreste barg. Bei allen Residenzstädten der Großmoghuls liegen bedeutende Gräber; die wichtigste Stadt aber, weil sie uns klar die Stilentwicklung unter den drei Herrschergenerationen zur Anschauung bringt, ist Agra. In wenigen Bauwerken Kaiser Akbars kann man die bewußte Linie seines ganzen Wesens so klar erkennen wie in seinem Grabmal. Auf den ersten Blick erscheint es fremdartig in der östlichen Welt, aber wohl nur, weil ihm die Bekrönung der Kuppel fehlt, die nach der ursprünglichen Absicht auch sicher geplant war. Der in vier sich verjüngenden Stockwerken aufsteigende Zentralbau trägt heute auf dem obersten das Grabmonument des Kaisers; es zeigt nur die Stelle an, unter der, mongolischer Sitte gemäß, der Leichnam selbst im Untergeschoß beigesetzt ist. Der Grabstein ist von einer Säulenhalle in Art eines Kreuzganges umgeben. Den pyramidalen Aufbau sich verjüngender Stockwerke hatte Akbar schon in kleinem in dem Panch Mahal in Fatehpur durchgeführt (Tafel 18); es ist dies ein urindisches Motiv, wie es einst besonders klar in den buddhistischen Klosterbauten, den vihara, sich entwickelt hat. Diese Wahl des Baustils für sein Grabmal zeigt wieder nur, wie sehr der große Kaiser sich innerlich den Indern zuneigte. Welch eine Kraft aber lag noch in diesen Künstlern, daß trotz des Eklektizismus, zu dem der Kaiser sich bewußt bekannte, eine solche Frische und feste Männlichkeit aus allen Bauten Akbars spricht. Der Garten, dessen Mitte der Bau einnimmt, ist rings von hohen Zinnenmauern umschlossen und an allen vier Seiten durch mächtige Tore zugänglich (Tafel 54, 55); die marmorgepflasterten Wege, die zu dem Grabmal führen, geben den festen Grundplan des einst so schönen, weit ausgedehnten Gartens; heute ist er nichts als eine Wildnis, der nur durch andere, besser erhaltene Grabgärten für unsere Vorstellung Leben erhalten kann.
Die Bauperiode Jehangirs wird, ganz besonders, was die Grabbauten anbetrifft, durch den Namen Nur Mahals, seiner Gattin, bestimmt. Sie hat zuerst ihrem Vater Itimad-ud-Daulah, dem Lordschatzmeister Jehangirs, und später ihrem Bruder und ihrem Gatten die Grabmonumente errichtet. Das Grab Itimad-ud-Daulahs liegt bei Agra, hart am Ufer der Jumna. Sein Stil zeigt mit aller Deutlichkeit, wie sich unter Jehangir wieder das sarazenische oder besser persisch-muhamedanische Element durchsetzt, und andererseits muß man es mit dem Grabmal Humayuns, des Vaters von Akbar, das in der Nähe von Delhi steht, vergleichen, um doch noch manche indische Elemente zu finden, besonders in dem Mittelaufbau, dem Grabsteinraum, dem vor allem wieder die Kuppel fehlt. Der Bau steht auf einer erhöhten, schön gegliederten Terrasse mit Bassins auf allen vier Seiten (Tafel 52 unten). Hier hat sich der Garten weit besser erhalten und zeigt deutlich, wie sehr diese Grabgärten in ihrer ursprünglichen Anlage den Palastgärten gleichen. Nur drei Seiten sind hier von Mauern umgeben, die vierte wird vom Fluß begrenzt, dem entlang eine Terrasse führt, die in einem kleinen Eckpavillon endet. Auch der Garten um Jehangirs Grabmal Shahdara, in der Nähe von Lahor (Abb. 8) gelegen, ist besser als die meisten dieser Art erhalten, die Wege sind hier in überaus zierlichen geometrischen Mustern gepflastert, die Kanäle, die sie begleiten, sind noch klar erkennbar und die erhöhten Bassins gliedern die Blumenparterres in feinem Rhythmus. Grundriß des Grabes auch bei Griggs, Photos and Drawings of Historical Buildings 1896, Plate 68, der auch die Zerstörung eines Teils des sehr großen Gartens durch den Fluß zeigt. Den Gipfel vollendeter Grabbaukunst aber erreicht der Taj Mahal. So sehr auch Generationen von Besuchern immer aufs neue versucht haben, seiner Wirkung mit Worten nahezukommen, so ist sie doch auf jeden Neuankommenden frisch und überwältigend, immer wieder hinterläßt dieser Bau den Eindruck, nicht nur das schönste Grabmal der Welt zu sein, sondern einen der seltenen Höhepunkte menschlicher Kunst zu verkörpern. Shah Jehans früh gestorbene, von ihm tief betrauerte Gattin Mumtaz-i-Mahal, die Krone des Palastes, fand hier ihre letzte Ruhestätte. Sie stammte aus der gleichen Familie, die so bedeutsam für beide Generationen der Moghuls war; Nur Mahal war ihre Tante, auch sie wie diese durch Schönheit, Geist und Freigebigkeit im Herzen des Volkes lebend. Wie Nur Mahal war sie stete Begleiterin und Beraterin ihres Gatten; sie starb, kaum 38 Jahre alt, im Kindbett, während sie Shah Jehan auf einem seiner Feldzüge begleitet hatte. Der Kaiser war damals erst vier Jahre auf dem Thron, die Stunde, in der dies Bauwerk entstehen sollte, war der höchsten Kunstentfaltung günstig wie keine zuvor. Das Reich war befestigt, stand am Beginn einer verhältnismäßigen Friedensepoche, der Kaiser selbst gewillt, seinem großen Schmerz und dem Gedächtnis der geliebten Frau den höchsten Ausdruck der Verklärung zu geben. Den größten Künstlern der Zeit standen unerschöpfliche Mittel des reichsten Landes der Welt zur Verfügung. Mit Recht hat man gesagt: »Es war einer der großen Momente der Geschichte, wo der Genius eines ganzen Volkes sich in großen architektonischen Werken verkörpert und Kunst ein Kennwort des Zeitalters wird.« Havell E. B. Handbook of Agra and the Taj 1912, p. 72. So entstand der Taj. Zunächst wurde der Sitte gemäß der Garten angelegt, hier wohl gleich seiner Bestimmung übergeben, die irdischen Reste von Mumtaz-i-Mahal zu bergen, bis das Gebäude, an dem man siebzehn Jahre baute, vollendet war. Betrachtet man den Grabdom für sich, so führt eine direkte Linie von dem Grabmal Humayuns über das des Itimad-ud-Daulah zu ihm, dem reinsten Ausdruck muhamedanisch-asiatischer Kunst, allen Eklektizismus der beiden früheren Generationen hat sie abgelegt und in der zarten Feinheit der Silhouette sowohl wie der Durchführung aller Einzelheiten ein Höchstes an weiblichem Liebreiz und reiner Schönheit eingefangen. Im Grundriß (Abb. 9) der ganzen Anlage jedoch steht es wieder für sich; wenn das Grab selbst auch ein Zentralbau ist, so liegt es nicht, wie wir bisher immer gewöhnt waren, inmitten, sondern am Ende eines Gartens, nicht von allen Seiten zugänglich, sondern nur von einer, der dem Fluß abgewandten westlichen Seite, und hier ist es auch kein einfaches Tor, das den Eintretenden unmittelbar in den Garten führt, sondern dies erste prächtige Tor öffnet sich zuerst in einen weiten, von Arkaden umgebenen Hof; er war eine echte Karawanserei, wo sich die Pilger sammelten und wo besonders an dem Todestag Mumtaz-i-Mahals ungeheure Summen an Geld und Nahrung an die Armen verteilt wurden; in der Mitte dem Tore gegenüber wölbt sich der hohe Bogen, durch den man zuerst einen Blick auf den silbrigweißen Marmorbau, der sich in dem klaren Wasser eines großen Bassins spiegelt, gewinnt. Der Bau hat wohl einige seiner Kostbarkeiten eingebüßt, aber er selbst steht doch in aller Unberührtheit auf seiner hohen Terrasse, von den vier Minarets umgeben, während rechts und links wie Dienerinnen kleinere Kuppelbauten als Moscheen zur Seite ragen (Tafel 40). Der Garten in seiner ursprünglichen Anlage war so beabsichtigt, daß man vom Eingangstor, wenn nicht die ganze hohe Terrasse, so doch das Hauptgebäude vollkommen sehen sollte; schreitet man die Hauptallee herauf, so erreicht man das große Bassin, von dem aus man ursprünglich sämtliche Bauten auf der Terrasse überschauen konnte (Tafel 56), während jetzt ein zusammenfassender Blick nur von hinten, vom andern Ufer des Flusses, erlangt werden kann. Die wirre Vorstellung, welche die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts in Europa beherrschte, als wäre schön nur ein Garten voll dichter Bäume, von den Engländern mitgebracht, zugleich mit der Gleichgültigkeit der Eingebornen gegen die Kunst ihrer Vergangenheit, hatten auch diesen Garten zu einer Baumwildnis heranwachsen lassen. Seitdem sind zwar die störendsten Bäume herausgenommen und die überhohe Zypressenallee, die eingegangen war, ist durch junge Bäume ersetzt worden, doch ist der Garten auch heute nicht, was er sein sollte, ein Teppich zu Füßen des Gebäudes, das seine Schönheit in dem hellen Wasser spiegeln kann, und zugleich ein Rahmen, den Zypressen und blühende Baumalleen bilden, die aber so unter Schnitt gehalten werden müssen, daß sie die Architektur unterstützen und heben, niemals aber sie verdecken und unterdrücken. Die Querwege, die vom Bassin ausgehen, sind ebenso wie der Hauptweg von breitem Kanal mit Springbrunnen durchflössen. Seitlich an der Mauer schließen sie zierlich offene Pavillons ab; dieser ganze obere Teil des Gartens, der zur hohen Bauterrasse führt, war ursprünglich sicher mit Blumenbeeten ausgelegt, selbst die Zypressenallee ist sehr zweifelhaft, denn vom Bassin aus mußte man einen ganz freien Blick auf das gesamte Bauwerk haben. – Ein großer Triumphbogen umschließt den Eingang zum Mausoleum selbst, das ein von einer Kuppel überragter Zentralbau ist, von vier kleineren Kuppeln begleitet. Es gilt das gleiche von den indisch-islamitischen Zentralbauten, was immer wieder von den Gärten betont werden muß; nichts Einfacheres und immer Wiederkehrendes als der Grundriß dieser Bauten: ein großer, überwölbter Mittelsaal mit den Nebenräumen an den vier Ecken; aber wie im Garten die meisterhaft reiche Wasserbehandlung die Farben der Beete und Blütenbäume samt den kleinen Gartenpavillons jedem seine Individualität sichert, so sind in den Bauten selbst die Verhältnisse der Innenräume von immer neuer Schaffenskraft so gestaltet, daß niemals Erinnerung an ähnliches den Eindruck hemmt oder gar ermüdet. Im Taj umschließt der zweistöckige Kuppelsaal in der Mitte das Kenotaphium von Mumtaz und daneben den Grabstein Shah Jehans. Der Kaiser hatte geplant, gegenüber auf der linken Seite der Jumna ein eigenes Grabmal sich zu errichten und beide dann mit einer Brücke zu verbinden (Tafel 20 Lageplan), seine Entthronung durch seinen Sohn Aurangzib verhinderte aber die Ausführung; neun Jahre hat er noch als Gefangener in seinem Palast in Agra gelebt und als er dann 1666 im Burj Mahal, dem Jasminpavillon, starb, treu behütet von seiner Tochter Jahanana, die freiwillig seine Gefangenschaft teilte, wurde er im Taj neben der bis zuletzt betrauerten Gattin beigesetzt. Beide Gräber umschließt eine durchbrochene Marmorschranke, die, wie alle Einzelheiten der Ornamentik, an diesem Bau nur als höchste Vollendung dieser Kunst angesprochen werden kann. Alle Ornamente, die den hohen Raum überziehen, sind durch den Schmuck von Edelsteinen plastisch herausgehoben; eine unvergleichliche Harmonie von Farben verbreitet das Licht, das die indische Sonne durch doppelte Schranken durchbrochener Marmorfenster in diesen kühlen Raum wirft.
Von den Tausenden von Pilgern, die dieses Kleinod in Worten oder im Bilde festhalten wollten, mußte jeder gestehen, daß in dem wundersamen Bau etwas von einer Schönheit mitwirkt, die über die festen Formen der Architektur hinausgeht. Ein englischer Dichter hat vielleicht verstanden, etwas von diesem Unwägbaren in dem Atem dieser Kunst festzuhalten.
»Nicht Baukunst ist es, wie die andern alle:
Der stolze Strom von eines Kaisers Liebe
In Stein gestaltet, welcher glüht und schwebt,
Gedanken, Seele bannt im schönen Leib. –
Wie wenn das Antlitz
Von einer unaussprechlich schönen Frau
Göttlich verklärt sich unserm Blick enthüllt,
Das Blut aufpulst, der Geist in uns aufjubelt,
Die Kniee sich zu tiefer Ehrfurcht neigen,
Indes der Atem stockt – so ist der Taj.
Sir Edvin Arnold zitiert in E. B. Havell, A Handbook of Agra and the Taj, p. 77.
Nach Shah Jehan ging diese hohe Blüte der Baukunst bald unter. Wohl ist unter Aurangzib weiter noch eifrig gebaut worden – aber der Stil wird roher, gedankenloser und bald nichts mehr als öde Wiederholung alten Gutes ohne eigentliches Leben. So wenn Aurangzib seiner Tochter ein vergröbertes Abbild des Taj als Grabmal in Aurangabad errichtet; die Kunstfertigkeit ist noch groß, die Kunst aber doch tot; nur die Kleinkunst, besonders die Miniaturmalerei, dauert in Nordindien noch weit in das 18. Jahrhundert hinein und ihr verdanken wir auch die Gewißheit, wie allen Wirren zum Trotz, in die das Reich der mongolischen Kaiser immer mehr versinkt, die Pflege der Gärten und das reiche, bunte Leben in ihnen weiter fortging. Diese ganze Kunst stirbt bei der ersten Berührung mit der europäischen Kultur. Gewiß, die muhamedanische Kunst in Indien hatte sich zu Ende gelebt, und als der fremde Militarismus weit schlimmer hauste, weil er gedankenlos lange Zeit hintereinander die Paläste verdarb oder abriß, um Baracken aufzurichten, erhob sich keine einheimische Stimme dagegen, man war ja so gewohnt, Altes fallen zu sehen.
Auch die brahmanisch-indische Baukunst hat durch die Berührung mit Europa schweren Schaden gelitten, doch sind hier manche Umstände wirksam gewesen, um sie nicht so ganz zerbrechen zu lassen wie die zarte Blüte der muhamedanisch-indischen Kunst. Einmal war die religiöse Baukunst kraftvoll genug, wie einst den muhamedanischen, jetzt auch den europäischen Einfluß abzuwehren, und bis auf wenige Ausnahmen hat sie sich von jeder europäischen Einmischung freigehalten. Schlimmer steht es freilich mit der Profanbaukunst und hier besonders im Palastbau. Hier hatte Britisch-Indien durch den unheilvollen Einfluß der Regierungsgebäude, die im 19. Jahrhundert im »Europäerviertel« jeder Großstadt entstanden, das sichere indische Gefühl verwirrt und entstellt; denn Europa hatte damals schon keinen eigenen Stil mehr, mit dem es sich zu ringen verlohnt hätte; die Engländer hatten nur Klassizismus oder Pseudogotik zu bieten. Die englische Erziehung der indischen Jugend tat das ihre dazu, um ihr das Gefühl der Superiorität der fremden Kultur einzuimpfen, so entstand dann das unerfreuliche Produkt der anglo-indischen Bauten.
Etwas besser sieht es in den freien Staaten in Rajputana aus. Hier hat sich, wie wir sahen, wenn auch nur in einzelnen Ausnahmen, doch um den Palastbau ein eigener einheimischer Stil ziemlich rein erhalten. Wichtiger aber für eine Regeneration ist es, daß im Handwerk die sichere Tradition nicht verloren ging. Bis heute schafft der indische Handwerker in einer für den Europäer kaum faßbaren Selbständigkeit. Selten oder nie liegt den Bauleuten ein Plan vor, sie arbeiten nach mündlichen Angaben des Mannes, den wir den »leitenden Architekten« nennen würden. Gerdon Sanders, Types of Modern Indian Buildings, Allahabad 1913. Sie glauben an keinen Plan und jeder darf noch in seine Arbeit seine eigene Erfindung oder doch sein eigenes Wollen hineinlegen. In diesem für Europa lange verlorenen Paradiese steckt aber eine unbesiegliche Kraft und trotz allem europäischen Hochmut eine unbestreitbare Überlegenheit. Kann Indien sich einmal wieder auch in der Kunst auf sich selbst besinnen, so sind die Wurzeln nicht ausgerissen, aus denen diese wieder bodenständige Nahrung ziehen und das Falsche und Fremde ausstoßen kann. Baukunst und Gartenkunst in ihrer sich gegenseitig bedingenden Gestaltung dürften dann dort eine Auferstehung ihres eigensten Wesens erleben, wie wir sie für Europa kaum noch erhoffen können.
Anmerkungen eingearbeitet. joe_ebc für Gutenberg
Die Umschrift der indischen Namen ist leider sehr uneinheitlich geraten. Die Absicht, die allgemeine wissenschaftliche Umschrift beizubehalten, wurde dadurch durchkreuzt, daß aus technischen Gründen im Druck besonders die langen Vokale keine Bezeichnung erhielten. Von Konsonanten sprich c = tsch, j = dsch, œ = sch.