Maxim Gorjki
Judenmassakre
Maxim Gorjki

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Am Weihnachtsabend

Einst saß ich mit irgendeinem Menschen in einer Schenke und aus Langweile forderte ich ihn auf, mir ein Geschichtchen aus seinem Leben zu erzählen. Mein Gesellschafter war ein unglaublich abgerissenes und abgewetztes Subjekt. Er sah aus, als habe er sein ganzes Leben lang sich nur durch enge Stellen durchzwängen und überall mit seinem Körper anstreifen müssen, weshalb auch sein Anzug zu Fetzen wurde und der Körper irgendwohin verschwand, als wäre er von dem Knochengerüste abgerissen worden. Dieser Mensch war dünn, eckig und vollkommen kahlköpfig; auf seinem gelben Schädel wuchs kein einziges Haar. Die Wangen waren eingefallen, die Backenknochen bildeten zwei spitze Winkel und die Haut auf ihnen war so straff gespannt, daß sie sogar glänzte, während sie sonst am ganzen Gesicht von feinen Runzeln durchschnitten war. Aber seine Augen blickten keck und klug; die knorpelige lange Nase zuckte beständig ironisch, und die Rede dieses Menschen floß glatt aus seinem Munde, der von einem harten und roten Schnurrbart halbbedeckt war. Mir kam vor, daß sein Leben sehr interessant sein müsse.

»Meine Geschichte wollen Sie hören?« fragte er mich mit heiserer Stimme. »Ja, ja . . . Ich werde wohl erzählen müssen, wenn Sie mich bewirten . . . Doch die ganze Geschichte – das geht nicht – ich habe ein überaus langes Leben durchlebt! . . . Es ist langweilig zuzuhören und nicht gar unterhaltend zu erzählen . . . Aber ein Stückchen, so irgendeine Anekdote – das geht schon! Wünschen Sie? Schön! Aber Sie werden noch ein paar Fläschchen Bier bestellen – für die Mühe. Denn, wissen Sie, manchmal ist es für einen Menschen vielleicht ebenso unangenehm, sich in die Vergangenheit zu versenken, wie in eine Spülichtgrube hinunterzusteigen . . .

Dieses Geschichtchen, mein Herr, wird Ihnen kaum bedeutend und für Ihren schriftstellerischen Zweck verwendbar erscheinen. Aber für mich ist es . . . mir gefällt es. Die Sache, wie Sie zu sehen geruhen, ist ganz einfach und besteht in folgendem:

Einst, am Weihnachtsabend war es, da steckten wir – ich und mein Kamerad Jaschka Sizow – den ganzen Tag auf der Gasse. Wir boten unsere Dienste zum Tragen der Pakete den Damen an. Aber die Damen erhörten uns nicht, sie stiegen in Wagen ein und fuhren davon – woraus Sie ersehen können, daß wir beide kein Glück hatten. Wir haben auch gebettelt und haben auf diese Weise etwas zusammengebracht: Ich – neunundzwanzig Kopeken, von denen sich ein Zehnkopekenstück, das mir irgendein Herr auf der Stiege des Bezirksgerichtes gab, als falsch erwies, und Jaschka – ein auch sonst viel talentvollerer Bursche als ich es bin, – war gegen Abend ein wirklich reicher Mann: Er hatte elf Rubel sechsundsiebzig Kopeken. Diese Summe gab ihm, wie er sagte, irgendeine Dame auf einmal, und da war die Dame noch so großmütig und gütig, ihm nicht nur das Geld, sondern auch die Börse zu schenken und auch das Taschentuch dazu. Das kommt schon vor, wissen Sie. Manchmal gerät der Mensch aus Güte in einen solchen Zustand, daß er wie nicht recht gescheit ist, und Sie geradezu erdrücken will durch seine Güte, nur um Ihrer los zu werden . . .

Als Jaschka mir von der wahrhaft christlichen Handlung dieser Dame erzählte, sah er aus irgendeinem Grunde immer um sich: Er wollte wohl noch einmal der guten Seele für ihre reichliche Gabe danken . . . Und er trieb mich hastig an:

»Heida, heida rascher! . . .«

Wir liefen ohnehin, was wir konnten. Mit meinem ganzen Wesen, mit jedem Teilchen meines durchfrorenen Körpers, eilte ich, in die Wärme zu kommen. Der Wind wehte, er wirbelte den Schnee vom Wege auf und schleuderte ihn von den Dächern hinab; kalte und spitzige Stacheln flogen in der Luft und fielen hinter den Kragen. Die Fratze wurde wie mit Messern geschabt und der Hals war so durchfroren, daß er wie ein Finger dünn zu sein schien und bei einer unvorsichtigen Bewegung zu brechen drohte, so daß ich ihn fortwährend zwischen den Schultern versteckte, aus Angst, daß der Kopf verloren gehen könnte. Wir beide waren nicht nach der Saison gekleidet, aber Jaschka war es vor Glück warm und mir vor Neid nur noch kälter . . .

Ich bin, wissen Sie, kein Glückspilz, der Teufel soll mich holen . . . Ein einziges Mal in meinem Leben wurde mir ein Samowar geschenkt, und auch der war mit heißem Wasser gefüllt; deshalb habe ich mir auch, als ich mit ihm lief, den Fuß mit dem Wasser abgebrüht; und dann mußte ich mich etwa ein und einhalb Wochen im Gefängnisspital kurieren. Und ein anderes Mal . . . Doch das gehört nicht zur Sache . . .

Nun also: So lief ich mit Jaschka die Straße entlang und er phantasierte:

»Großartig werden wir den Festtag feiern! Für die Wohnung werden wir bezahlen . . . Da hast du, Hexe! Ja, ja . . . Ein Viertel Schnaps . . . Vielleicht einen Schinken dazu? Hm . . . ein Schinken wäre wohl nicht übel! U–u! Der wird aber gar teuer sein? . . . Weißt du nicht, wie teuer der Schinken – im Preise steht?« Ich wußte es nicht. Aber ich kannte den inneren Wert des Schinken und wir beschlossen, ihn zu erwerben; wir verabredeten in jenen Laden zu gehen, in dem mehr Menschen sein werden. Wenn es in einem Laden eng vor vielen Käufern ist, dann ist schon gewiß, daß die Waren dort gut sind – ergo, wie die Lateiner zu sagen pflegten, kann man die Sachen nach Geschmack auswählen . . . »Einen Schinken, bitte!« schrie Jaschka und zwängte sich in die Menge der Käufer hinein. – »Zeigen Sie mir einen Schinken . . . nicht groß, aber gut . . . Sie entschuldigen schon. Sie haben mich auch in die Seite gestoßen . . . Ich verstehe ganz gut, wer da ungezogen ist . . . aber auch das ist mir bekannt, daß man hier unmöglich höflich sein kann . . . Ich kann nichts dafür, daß es hier unbequem eng ist . . . Wa–as? Ich habe Ihre Tasche betastet? . . . Entschuldigen Sie! Das war Ihre Hand, die meiner begegnete, als sie zu mir in die Brusttasche gekrochen ist . . . Ich kaufe für Geld, Sie auch, folglich haben wir beide gleiches Recht . . .«

Jaschka benahm sich im Laden so, als ob er gekommen wäre, um eine ganze Partie Schinken zu kaufen, etwa dreihundert Stück. Ich aber benützte diesen Wirrwarr und erschwang mit meinen bescheidenen Mitteln eine Schachtel Marmelade, eine Flasche Olivenöl und zwei große gekochte Würste. »Nun, jetzt haben wir auch einen Feiertag!« freute sich Jaschka. »Das wird ein Schmaus sein! . . .« Er hüpfte im Gehen, schnüffelte hörbar mit seinem »Pförtchen«, wie seine dicke und breite Nase genannt wurde. Und seine grauen Äuglein glänzten vor Freude. Auch ich freute mich . . .

Dann und wann schmackhaft zu essen – ist ein großes Vergnügen für kleine Leute.

* * *

Und nun, mein Herr, bewegen wir uns unserem Hause entgegen, und der Sturmwind treibt uns an. Wir wohnten zu jener Zeit am Ende der Stadt, in einer Kellerwohnung, bei einer gottesfürchtigen alten Frau, einer Krämerin auf dem Trödelmarkt. In jenen Gegenden war es stets öde und menschenleer, im Winter nach sechs Uhr abends war keine Seele in den Straßen anzutreffen. Und wenn schon irgendeine Gestalt sich zeigte, so trug sie sicher das Herz in den Sohlen.

Wir laufen also und sehen plötzlich einen Menschen vor uns gehen. Er geht und wackelt sichtbar betrunken. Jaschka stößt mich an und flüstert:

»Im Pelz! . . .«

Und einem Menschen im Pelz zu begegnen, wissen Sie, ist aus dem Grunde erfreulich, weil der Pelz keine Knöpfe hat und sich besonders leicht herunternehmen läßt. Wir gehen also hinter diesem Menschen und finden – der Mensch ist breitschulterig und groß gewachsen. Er murmelt etwas. Wir überlegen.

Da bleibt er plötzlich stehen, so daß wir unsere Nasen fast auf seinen Rücken stoßen – er bleibt stehen, schwingt die Hände nach oben und brüllt mit gesundester Baßstimme:

»Ich bin de–er, den niemand li–iebt . . .«

Als hätte er es aus einer Kanone geschossen! Wir fuhren beide zurück. Doch er hatte uns schon bemerkt. Er stellte sich mit dem Rücken zum Zaune – ein erfahrener Mann! – und fragte:

»Wer seid ihr, Spitzbuben?«

»Bettelbrüder,« erwiderte Jaschka bescheiden.

»Bettler! das ist recht . . . Denn auch ich bin arm . . . an Kraft . . . Wohin geht ihr?«

»In unser Loch!« sagte Jaschka.

»Ich gehe mit euch! Wohin sollte ich auch sonst gehen? Ich wüßte nicht wohin . . . Bettler! Nehmet mich mit! Ich sättige euch und gebe euch zu trinken . . . Nehmet mich bei euch auf . . . seid freundlich zu mir!«

»Lade ihn nur ein!« flüsterte mir Jaschka zu.

Ich hörte in der brüllenden Stimme dieses Menschen die Töne eines Betrunkenen, aber ich hörte noch etwas in ihr – das Heulen und Brüllen eines tief verwundeten kranken Herzens. Ich habe einen feinen Instinkt für Dramen, ich war seinerzeit Souffleur in einem Theater . . . Und ich begann den brüllenden Mann eifrig zu uns zu laden . . .

»Ich komme! Ich komme zu euch, ihr Bettler!« rief er mit voller Kraft seiner breiten Brust.

Wir gingen in einer Reihe mit ihm, und er sagte zu uns:

»Wißt ihr, wer ich bin? Ich bin ein Mensch, der vor dem Feiertage flieht! Ich bin der Steuerinspektor Gontscharow, Nikolaj Dimitriewitsch, der also bin ich! Ich habe eine Frau zu Hause, Kinder . . . zwei Söhne . . . und ich liebe sie . . . Dort sind Blumen, Bilder, Bücher . . . Alles das ist mein . . . Alles – ist schön . . . Behaglich und warm ist es bei mir zu Hause. Wenn alles das, was ich zu Hause habe, euer wäre . . . ihr hättet lange gebraucht, alles vertrinken zu können . . . Ihr seid Schweine, selbstverständlich . . . und Trunkenbolde . . . Aber ich, ich bin kein Trunkenbold, wenn ich auch jetzt betrunken bin . . . Ich bin betrunken, weil mir schwül ist . . . An Feiertagen ist mir immer eng und schwül . . . Ihr könnt das nicht verstehen . . . Das ist – eine tiefe Wunde . . . das ist mein Leid . . .«

Ich hörte ihm mit großem Interesse zu. Wenn ich einen großen kräftigen Menschen sehe, scheint es mir immer, dieser Mensch sei unglücklich. Das Leben ist für Kleine, Schwächliche, Magere, Lumpige geschaffen. Geben Sie einen Stör in einen Sumpf – er krepiert – krepiert ganz bestimmt. Und Frösche, Blutegel und jeder andere Schund kann in reinem fließenden Wasser nicht leben. Mich interessierte dieser Mensch sehr . . .

Und nun brachten wir ihn zu uns, in unseren Keller und haben dadurch unsere Wirtin nicht wenig erschreckt. Sie dachte, daß wir ihn zu uns geführt hätten, um ihn zu berauben, und wollte die Polizei von dieser unserer Absicht in Kenntnis setzen. Wir beruhigten die Alte, indem wir sie ersuchten, unsere mageren Gestalten zu betrachten und ihn – diesen Koloß, mit langen Armen, breiter Fratze und breiter Brust . . . Er hätte uns und die Alte erwürgen können und wäre nicht einmal in Schweiß geraten. Dann wurde die beruhigte Alte in die Schenke befohlen und wir drei setzten uns zu Tische.

* * *

Wir saßen in unserer Miniaturhöhle und tranken langsam in Erwartung des Feiertages. Unser Gast legte den Pelz ab und blieb ohne Weste, nur im Hemde. Er saß uns gegenüber und brüllte.

»Ihr seid augenscheinlich Spitzbuben, das fühle ich, ihr lügt, daß ihr Bettler seid, für Bettler seid ihr zu jung . . . Und auch eure Augen – sind zu frech . . . Aber wer immer ihr seid, mir ist es einerlei! Ich weiß, daß ihr euch des Lebens nicht schämt, – das ist es! Und ich schäme mich! Ich bin vom Hause fort aus Scham . . .«

Wissen Sie, mein Herr, es gibt eine nervöse Krankheit, Veitstanz wird sie genannt. Also, es gibt Menschen, deren Gewissen an dieser Krankheit leidet. Und ich habe gesehen, daß der Inspektor zu diesen Menschen gehörte . . .

»Bei mir zu Hause – lebt alles, alles auf so ordentlichem Fuße. Und es ist furchtbar widerlich – auf ordentlichem Fuße zu leben. Alles ist hingestellt und aufgehängt, ein für allemal, und alles ist so angewachsen an seine Stelle, daß selbst ein Erdbeben nicht imstande wäre, alle diese Sessel, Bilder, Etageren zu verschieben . . . Sie trieben Wurzeln in den Fußboden und in die Seele meiner Frau . . . sie, die Hölzernen und Leblosen, wuchsen in unser Leben hinein und ich selbst kann ohne sie nicht leben. Aus Gewohnheit an all dem hölzernen Schund wird man selbst hölzern. Man gewöhnt sich an ihn, man sorgt um ihn, man bemitleidet ihn, der Teufel möge ihn holen. Er wächst und beengt euch, er verdrängt die Luft aus dem Zimmer, und läßt euch nicht frei aufatmen. Jetzt hat sich diese Armee von Gewohnheiten zum Feiertage aufgeputzt, sich blank und sauber gemacht und glänzt. Widerlich glänzt sie. Sie lacht mich aus . . . Ja! Sie weiß ja: Einst hatte ich drei Stück im ganzen: eine Schlafbank, einen Sessel und einen Tisch. Auch Herzens Porträt war da . . . Jetzt habe ich hundert Möbelstücke . . . Sie fordern, daß Menschen darauf sitzen sollen, die ihrem Werte angemessen sind . . . Nun, es kommen zu mir auch wohlhabende Menschen, um darauf zu sitzen . . .«

Der Inspektor trank ein Glas Schnaps und sprach dann weiter:

»Das sind alles sehr ordentliche Menschen, halbtote Menschen, fromme Kühe, die aufgezogen werden mit den süßen Gräsern von den Wiesen der russischen Literatur . . . Mir ist es unaussprechlich langweilig mit ihnen, ich ersticke von dem Dufte ihrer Reden . . . Ich weiß schon alles, was sie mir sagen können und, daß sie nichts tun können, um lebendiger und interessanter zu werden, weiß ich auch. U–u! Die Stumpfheit ihrer Seelen macht diese Menschen entsetzlich . . . Alle sind sie schwerfällig, riesengroß, und auch ihre Worte sind schwer wie Steine . . . Sie können einen Menschen erdrücken . . . Wenn sie zu mir ins Haus kommen, scheint mir immer, daß man mich mit Ziegeln umgibt, um mich einzumauern . . . Ich hasse sie . . . Aber ich kann sie nicht hinausjagen, und deshalb fürchte ich mich vor ihnen . . . Nicht ich bin es, der sie anzieht . . . Ich bin ein mürrischer, schweigsamer Mensch . . . Sie kommen einfach deshalb, weil sie auf meinen Möbeln sitzen wollen . . . Doch, die Möbel können auch nicht hinausgeworfen werden: meine Frau liebt sie . . . Meine Frau existiert auch nur der Möbel halber, bei Gott! Sie selbst ist hölzern worden . . .«

Der Inspektor lachte, mit dem Rücken an die Wand gelehnt. Und Jaschka, dem es wahrscheinlich furchtbar langweilig war, das Gejammer des Inspektors anzuhören, benützte die Pause und sagte:

»Hätten Euer Wohlgeboren doch dieses Möbel an dem Weibe in Stücke geschlagen . . .«

»Nun – und dann?«

»Das heißt . . . sehen Sie, auf einmal – hinaus mit allem!«

»Narr du!«

Er schüttelte den berauschten Kopf, ließ ihn dann auf die Brust sinken und sagte einfach: »Furchtbar zuwider ist es mir! Und wie einsam bin ich! Morgen ist Feiertag . . . Ich aber kann nicht . . . ich kann nicht zu Hause sein . . . Ich kann absolut nicht!«

»Bleiben Sie eine Zeitlang bei uns zu Gast!« schlug Jaschka vor.

»Bei euch?«

Der Inspektor sah sich um – unser Quartierchen war durch und durch von Rauch und Schmutz durchtränkt.

»Bei euch ist es auch widrig . . . Aber hört einmal, ihr Teufel! . . . Wollen wir ins Hotel übersiedeln? Wollt ihr morgen? Und dann werden wir saufen! Gut? Und wir werden Nachdenken, wir werden nachdenken, wie man leben müßte! Wollt ihr? Bei Gott, man muß doch endlich aufhören dieses ordentliche Leben zu führen, hoch an der Zeit ist es! Ja? Aber ihr seid ja Lumpen, für euch ist das unverständlich.«

»Ich begreife schon, um was es sich handelt!« sagte ich dem Inspektor.

»Du? Wer bist du?« fragte er.

»Ich bin auch ein Mensch, der einst ordentlich gewesen ist,« sagte ich.

»Auch ich habe den Reiz des ungestörten friedlichen Lebens genossen. Auch mich preßten die Kleinigkeiten aus dem Leben hinaus. Sie preßten, sie drängten meine Seele hinaus und alles, was in mir war . . . Ich sehnte mich, wie Sie sich jetzt sehnen. Ich begann zu trinken und wurde ein Säufer . . . ich habe die Ehre mich vorzustellen.«

Der Inspektor sah mich starr an und betrachtete mich in düsterem Schweigen lange wohlgefällig. Ich sah, wie seine dicken roten Lippen unter dem buschigen Schnurrbart mit Ekel zuckten und gar nicht schmeichelhaft für mich rümpfte er die Nase.

»Ganz?« fragte er plötzlich.

»Ganz und omnia, mea mecum porto!« bestätigte ich.

»Wer bist du denn eigentlich?« fragte er mich noch immer betrachtend.

»Ein Mensch . . . Jedes Gesindel ist ein Mensch und auch umgekehrt.« Ich verstand früher die Kunst, in Aphorismen zu sprechen, sehr gut.

»Sehr weise,« sagte der Inspektor, ohne den Blick von mir zu wenden.

»Wir sind auch ein gebildetes Volk,« sagte bescheiden Jaschka. »Wir können Ihnen vollkommen entsprechen . . . Einfache Menschen, aber ohne Verstand. Und verschiedene luxuriöse Möbel haben wir auch nicht gern. Wozu sollen sie auch? Der Mensch sitzt doch nicht mit der Fratze auf dem Sessel. Sie sollten sich mit uns befreunden.«

»Ich?« sagte der Inspektor. Er war plötzlich nüchtern worden.

»Ja, Sie! Wir werden Ihnen morgen solche Lebensgeheimnisse entdecken . . .«

»Reich mir den Pelz!« befahl plötzlich der Inspektor Jaschka und stellte sich auf die Füße. Und er stand sehr fest auf den Füßen.

»Wohin wollen Sie denn?« fragte ich.

»Wohin?«

Er blickte mich mit seinen großen Kalbsaugen ängstlich an und erbebte, als überliefe ihn ein Schauer.

»Ich, – nach Hause.«

Ich schaute sein langgewordenes Gesicht an und sagte nichts mehr.

Es ist für jedes Vieh vom Schicksal ein Stall vorbereitet, der seiner Natur entspricht, und wie auch das Vieh mit den Hinterfüßen ausschlage, es kommt doch an seinen Platz . . . ha . . . ha . . . ha!

So ging also der Inspektor . . . Wir hörten, wie er dann aus vollem Halse brüllte: »Kutscher!«

Mein Gesellschafter verstummte und begann mit vorsichtigem Schlucken das Bier zu trinken. Nachdem er ein Glas getrunken hatte, begann er zu pfeifen und mit den Fingern auf den Tisch zu klopfen.

»Nun und weiter?« fragte ich.

»Weiter? Nichts . . . Sie haben wohl noch etwas erwartet? . . .«

»Ja – das Fest . . .«

»Ach so! . . . Ja, ein Fest gab es . . . Ich habe vergessen Ihnen zu erzählen, daß der Inspektor dem Jaschka die Börse schenkte . . . Es fanden sich 26 Rubel und Kopeken darin . . . Ein Fest gab es . . .«

 


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